7Bs131/14k – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Gföllner als Vorsitzende, Dr. Henhofer und Mag.a Hemetsberger in der Strafsache gegen V***** J***** wegen der Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG über den Einspruch des V***** J***** gegen die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Salzburg vom 24. Jänner 2014, 11 St 290/11x (= ON 32 in 52 Hv 24/14p des Landesgerichtes Salzburg) in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:
Spruch
Dem Einspruch wird Folge gegeben und das gegen V***** J***** geführte Verfahren eingestellt (§ 215 Abs 2 StPO iVm § 212 Z1 StPO).
Text
BEGRÜNDUNG:
Mit der beeinspruchten Anklageschrift legt die Staatsanwaltschaft Salzburg dem 1962 geborenen V***** J***** mehrere Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG zur Last.
Demnach habe V***** J***** zu nachgenannten Zeiten in Seekirchen und andernorts dadurch, dass er bei mehreren Angriffen nachgenannte Tabakwaren aus dem freien Verkehr eines Mitgliedstaates, welche zuvor vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Europäischen Union verbracht (geschmuggelt) worden waren, ohne vorherige Anzeige und ohne Entrichtung der Tabaksteuer im Sinne des § 27 Abs 1 Z 2 TabStG zu gewerblichen Zwecken bezog, vorsätzlich unter Verletzung seiner abgabenrechtlichen Anzeige- und Offenlegungspflicht nachgenannte Verkürzungen der österreichischen Tabaksteuer bewirkt, und zwar
1. im Zeitraum 5. Juli 2010 bis 5. April 2011 in mehreren Angriffen durch den Bezug von 52.293 Stangen (= 10,458.000 Stück) Zigaretten (vorwiegend der Marke "West") Tabaksteuer in Höhe von EUR 1,124.917,40, und
2. am 25. März 2012 und am 8. April 2012 in zwei Angriffen durch den Bezug von 1.800 Stangen (= 360.000 Stück) Zigaretten (verschiedener Marken) Tabaksteuer im Ausmaß von EUR 40.744,00,
wobei es ihm jeweils darauf angekommen sei, sich durch die wiederkehrende Begehung von Abgabenhinterziehungen eine fortlaufende Einnahme im Sinne einer Steuerersparnis zu verschaffen.
Gegen diese Anklage richtet sich der Einspruch des V***** J*****, mit dem er erkennbar die Einstellung des Strafverfahrens begehrt (ON 38).
Die Oberstaatsanwaltschaft Linz beantragte, dem Einspruch gemäß § 212 Z 1 StPO Folge zu geben und das Verfahren gemäß § 215 Abs 2 StPO einzustellen.
Der Einspruch ist im Ergebnis berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Wenn auf Grund ausreichend geklärten Sachverhalts eine Verurteilung nahe liegt und kein Grund für die Einstellung des Verfahrens oder den Rücktritt von Verfolgung vorliegt, hat die Staatsanwaltschaft bei dem für das Hauptverfahren zuständigen Gericht Anklage einzubringen (§ 210 Abs 1 StPO).
Gegen die Anklageschrift steht dem Angeklagten Einspruch unter anderem dann zu, wenn - wie fallkonkret von Relevanz – die zur Last gelegt Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist oder sonst ein Grund vorliegt, der die Verurteilung des Angeklagten aus rechtlichen Gründen ausschließt (§ 212 Z 1 StPO).
Die Staatsanwaltschaft Salzburg gründet ihre Anklageschrift auf die umfassenden Berichte des Zollamtes Salzburg in Zusammenhalt mit den gegen den Angeklagten in Deutschland geführten Strafverfahren wegen Schmuggel und Steuerhinterziehung. Demnach hat der Angeklagte in den angeführten Tatzeiträumen Zigaretten aus Serbien bzw dem Kosovo ohne Gestellung auf dem Landweg in das Gebiet der Europäischen Union eingeführt bzw die Einfuhr durch dritte Personen veranlasst. Die Zigaretten wurden teilweise in einer vom Angeklagten angemieteten Garage in ***** umgeladen und schließlich vom Angeklagten bzw diversen Mittätern über Auftrag des Angeklagten nach Deutschland weitergeliefert. Die Einfuhrabgaben (Zoll und Einfuhrumsatzsteuer) sowie die deutsche Tabaksteuer hinsichtlich der 52.293 Stangen Zigaretten (Faktum 1.) wurden dem Angeklagten in Deutschland vom Hauptzollamt Ulm vorgeschrieben.
V***** J***** wurde mit Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 12. Dezember 2011 (rechtskräftig seit 20. Dezember 2011) zu 14 KLs 213 Js 31023/10 3131 VRs wegen gewerbsmäßigen Schmuggels in 47 Fällen, jeweils in Tateinheit mit Steuerhinterziehung (Datum der letzten Tat: 5. April 2011) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren (Bewährungszeit drei Jahre) verurteilt (vgl S 8 in ON 26). Der diesem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt betrifft auch nach Ansicht der Anklagebehörde die zu Faktum 1. inkriminierten Zigaretten (vgl dazu die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Stuttgart S 13 ff in ON 30).
Das Amtsgericht München verurteilte V***** J***** am 15. März 2013 wegen gewerbsmäßigen und bandenmäßigen Schmuggels in 4 tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit 4 tatmehrheitlichen Fällen der Steuerhinterziehung, jeweils in einem besonders schweren Fall, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte unter anderem zwischen dem 25. und 26. März 2012 mindestens 1.000 Stangen unversteuerte und unverzollte Zigaretten verschiedener Marken aus dem Kosovo kommend zunächst nach Griechenland (und damit in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union) und später nach Deutschland verbracht. Die Zigaretten wurden vom Angeklagten J***** im Kosovo organisiert und finanziert und von ihm mit einem Bus nach Österreich und schließlich nach Deutschland gebracht (Fall 22 - vgl S 14 in ON 26). Am 10. April 2012 verbrachte der Angeklagte J***** mindestens 800 Stangen unverzollte und unversteuerte Zigaretten verschiedener Marken aus dem Kosovo kommend zunächst nach Griechenland, dann nach Österreich, wo sie wiederum umgeladen und letztlich nach Deutschland gebracht wurden (Fall 23 - vgl S 16 in ON 26). Das Landgericht München I als Berufungsgericht verhängte über V***** J***** mit Urteil vom 29. Juli 2013 zu 15 Ns 299 Js 101685/13 eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten (S 5 ff in ON 26). Der diesem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt umfasst daher (auch) die nunmehr zu Faktum 2. inkriminierten Zigaretten.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat in ihrer Anklageschrift vom 8. August 2011 (213 Js 31023/10) unter Bezugnahme auf das BGH-Urteil vom 2. Februar 2010 - 1 StR 635/09 erklärt, dass bezüglich der ausländischen Tabaksteuer ohne gesonderte Verfügung gemäß §§ 154, 154a StPO verfahren wird (S 99 in ON 30).
Die Staatsanwaltschaft München I hat in ihrer Anklageschrift vom 1. Oktober 2012 (299 Js 211788/11) erklärt, dass hinsichtlich der beim Verbringen der Zigaretten in das Zollgebiet der EU entstandenen ausländischen Einfuhrumsatzsteuer bzw der ausländischen Tabaksteuer zur Vermeidung komplexer Berechnungen eine Sachbehandlung gemäß §§ 154, 154a StPO (entsprechend der Empfehlung im Beschluss des BGH vom 9. Juni 2011 – 1 StR 21/11) und hinsichtlich der Taten, in denen eine Lieferung von unversteuerten und unverzollten Zigaretten ins europäische Ausland erfolgte (Österreich, Italien, Griechenland) ebenfalls aus Gründen der Prozessökonomie und zur Vermeidung aufwendiger Berechnungen eine Sachbehandlung gemäß § 154 StPO erfolgt (S 787 in ON 29).
Die deutschen Staatsanwaltschaften waren – worauf die Oberstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme hinweist - zu diesen Einstellungserklärungen im Hinblick auf § 370 dAO berechtigt, da gemäß Absatz 6 leg.cit. die Absätze 1 bis 5 unter anderem auch dann gelten, wenn sich die Tat auf die in Artikel 1 Abs 1 der Richtlinie 2008/118 EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden, somit im Ergebnis auf die österreichische Tabaksteuer.
Anknüpfungspunkt für eine deutsche Strafverfolgung kann demnach auch die Hinterziehung ausländischer Verbrauchsteuern sein, die nicht als Einfuhrabgabe anfällt, wobei Voraussetzung ist, dass die ausländische Verbrauchsteuer auf Mineralöle, Alkohol und alkoholische Getränke oder Tabakwaren erhoben wird (vgl dazu S 361 in ON 29).
Mit der am 1. Jänner 2011 in Kraft getretenen FinStrG-Novelle wurden auch in Österreich weitere EU-relevante Abgaben unter bestimmten Voraussetzungen in den Abgabenbegriff des § 2 Abs 1 FinStrG aufgenommen. Es sind dies die Einfuhrumsatzsteuer und die durch Rechtsvorschriften der EU harmonisierten Verbrauchsteuern, wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zu erheben sind. Es handelt sich dabei um ausländische Abgaben, die durch innerstaatlich umzusetzende EU-Richtlinien geregelt sind. Durch Rechtsakte der Europäischen Union harmonisierte Verbrauchsteuern sind die betreffend der in Artikel 3 Abs 1 der SystemRL (RL 92/12/EWG des Rates) aufgezählten Waren, unter anderem auf Zigaretten und andere Tabakwaren (vgl dazu Reger/Nordmeyer/Hacker/Kuroki FinStrG Bd 14 § 1 Rz 21a)
§ 154 dStPO lautet:
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2. darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es - falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.
§ 154a dStPO lautet:
(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,
1. für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2. neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs 1 Nr 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.
(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.
(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs 4 entsprechend anzuwenden.
Verfahrensbeschleunigung durch Teilverzicht auf Strafverfolgung bei mehreren Taten iSd § 264 dStPO ist das Ziel des § 154 dStPO; er wird durch § 154a dStPO ergänzt, der die Abtrennung einzelner Tatteile oder Gesetzesverletzungen, aber auch die Beschränkung auf materiell-rechtlich selbstständige Taten einer Tat iSd § 264 dStPO erlaubt (vgl Meyer-Goßner § 154 dStPO RN 1). Der Strafklageverbrauch durch eine rechtskräftige gerichtliche Sachentscheidung erstreckt sich auch auf die ausgeschiedenen Teile der Tat und Rechtsverletzungen. Das gilt bereits bei Rechtskraft des Schuldspruchs. Eine Beschränkung auf einen Teilakt einer Bewertungseinheit durch die Staatsanwaltschaft verbraucht bei Verurteilung wegen dieses Teilakts die Strafklage insgesamt (Meyer-Goßner § 154a dStPO RN 28).
Im Sinne der Ausführungen der Oberstaatsanwaltschaft ist daher zu prüfen, ob die obigen Einstellungserklärungen der deutschen Staatsanwaltschaften nach § 154 bzw 154a dStPO eine Sperrwirkung iSd Art 54 SDÜ zur Folge haben.
Art 54 SDÜ normiert, dass niemand in einem Vertragsstaat wegen derselben Tat wie der, deretwegen er in einem anderen Vertragsstaat bereits „rechtskräftig verurteilt" worden ist, verfolgt werden darf. Nach stRsp des EuGH ist der Betroffene wegen der ihm vorgeworfenen Tat als „rechtskräftig abgeurteilt" iSd Art 54 SDÜ anzusehen, wenn die Strafklage endgültig verbraucht ist, sodass die in Rede stehende Entscheidung in dem Vertragsstaat, in dem sie getroffen wurde, den sich aus dem Verbot der Doppelbestrafung ergebenden Schutz bewirkt (vgl EuGH 22. Dezember 2008, C-491/07, Turansky). Zuletzt hat der EuGH am 5. Juni 2014 zu C-398/12 ausgesprochen, dass ein Einstellungsbeschluss ohne Eröffnung des Hauptverfahrens, der in dem Vertragsstaat, in dem dieser Beschluss ergangen ist, erneute Ermittlungen aufgrund des gleichen Sachverhalts gegen die Person, zu deren Gunsten dieser Beschluss ergangen ist, verhindert, sofern keine neuen Belastungstatsachen gegen Letztere auftauchen, als eine rechtskräftige Aburteilung im Sinne dieses Artikels anzusehen ist und damit erneute Ermittlungen wegen derselben Tat gegen dieselbe Person in einem anderen Vertragsstaat ausschließt.
In Übereinstimmung mit der Oberstaatsanwaltschaft ist davon auszugehen, dass nach dem Akteninhalt die deutschen Staatsanwaltschaften eine solche Sachprüfung vorgenommen haben und daher eine formlose Verfahrensfortsetzung in Deutschland nicht mehr möglich wäre.
Mit Blick auf den österreichischen Vorbehalt zu Art 55 SDÜ bleibt zu prüfen, ob es sich bei der unterlassenen Abfuhr der österreichischen Tabaksteuer allenfalls um eine andere Tat (andere Taten) handelt als die von den deutschen gerichtlichen Verurteilungen und Einstellungserklärungen umfassten Handlungen.
Österreich hat gemäß Art 55 SDÜ den Vorbehalt abgegeben, an Art 54 SDÜ nicht gebunden zu sein, wenn die im Ausland abgeurteilte Tat ganz oder teilweise im österreichischen Hoheitsgebiet begangen wurde, es sei denn, dass Tatortzuständigkeit (teilweise) auch im verurteilenden Vertragsstaat gegeben war; weiters, wenn die vom ausländischen Urteil erfasste Tat gegen die Sicherheit Österreichs oder sonstige besondere Interessen gerichtet war, maW bestimmte - näher bezeichnete Straftatbestände - erfüllt hat und schließlich, wenn die Tat von einem Beamten der Republik Österreich unter Verletzung seiner Amtspflichten begangen wurde. In mehreren Vorabentscheidungen hatte der EuGH die Frage nach dem Art 54 SDÜ zugrunde liegenden Tatbegriff zu klären und legte dabei rein prozessuale Maßstäbe iSd historischen Lebenssachverhaltes an, der verstanden wird als Komplex konkreter, unlösbar miteinander verbundener Umstände. Nach diesen Kriterien hat der EuGH das Vorliegen einer einzigen Tat iSd Art 54 SDÜ etwa beim Transport geschmuggelter Zigaretten, der mit dem mehrfachen Übertritt von Binnengrenzen des Schengenraumes verbunden ist, bejaht (EuGH 18. Juli 2007, C-288/05, Kretzinger; vgl Nordmeyer in WK-StPO § 190 Rz 32 ff).
Die dem Angeklagten angelastete Verbringung von unverzollten und unversteuerten Zigaretten aus Serbien bzw dem Kosovo über einen anderen EU-Mitgliedstaat nach Österreich und in der Folge nach Deutschland, um sie dort zu verkaufen, umfasst als historischer Lebenssachverhalt notwendigerweise alle tateinheitlich zusammentreffenden strafbaren Handlungen; stellt mithin eine einzige Tat dar.
Insgesamt haben daher die angeführten Verurteilungen des Landgerichts Stuttgart und des Amtsgerichts München in Verbindung mit den Einstellungserklärungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart und der Staatsanwaltschaft München I bezüglich der österreichischen Tabaksteuer in den jeweiligen Anklageschriften eine Sperrwirkung iSd Art 54 SDÜ zur Folge. Da aufgrund der teilweisen Tatbegehung auch in Deutschland der von Österreich erklärte Vorbehalt zu Art 55 SDÜ nicht wirksam wird, scheidet eine neuerliche Verfolgung des Angeklagten aus (Verbot der doppelten Strafverfolgung).
Damit liegt – zumal das Anklagerecht verbraucht ist - der Einspruchsgrund des § 212 Z 1 StPO vor. Gemäß § 215 Abs 2 StPO hat das Oberlandesgericht unter anderem im Fall des § 212 Z 1 StPO dem Einspruch Folge zu geben und das Verfahren einzustellen.
RECHTSMITTELBELEHRUNG:
Gegen diese Entscheidung steht kein weiteres Rechtsmittel zu.