JudikaturOLG Linz

9Bs380/13s – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
29. Januar 2014

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richter Dr. Winsauer als Vorsitzenden, Mag.a  Reinberg und Dr. Morbitzer in der Strafsache gegen J***** A***** wegen des Vergehens der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1 und 2 Z 2 StGB über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Salzburg gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 14. Oktober 2013, 29 Hv 60/13m-6, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

BEGRÜNDUNG:

Mit „Nachtrags-Strafantrag“ vom 30. September 2013 (19 St 198/13d, ON 5) legt die Staatsanwaltschaft Salzburg J***** A***** zur Last, er habe in Eugendorf zwischen 19. Juli 2013 und 27. August 2013 T***** J***** in einer Weise, die geeignet war, sie in ihrer Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, längere Zeit hindurch widerrechtlich beharrlich verfolgt, indem er ihr etwa 150 telefonische Kurznachrichten (SMS) schrieb und sie mehrmals anrief, sohin im Wege einer Telekommunikation Kontakt zu ihr herstellte, und dadurch das Vergehen der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1 und 2 Z 2 StGB begangen. Unter einem wurde im Strafantrag beantragt, das Verfahren mit dem bereits (unter anderem) gegen den Angeklagten geführten Hauptverfahren zu 29 Hv 41/13t des Landesgerichtes Salzburg (in dem damals noch keine Hauptverhandlung stattgefunden hatte) gemäß § 37 StPO zu verbinden.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies die Einzelrichterin des Landesgerichtes Salzburg den Strafantrag gemäß § 485 Abs 1 Z 2 iVm § 212 Z 3 StPO zurück, weil der Sachverhalt nicht so weit geklärt sei, dass eine Verurteilung des Angeklagten nahe liege. Dies – zusammengefasst – mit der Begründung, dass die Nummer des Mobiltelefons, von der die Kurznachrichten abgesendet wurden, dem leugnenden Angeklagten nicht zugeordnet werden könne und diesbezüglich auch keine Ermittlungen geführt wurden. Lediglich das Opfer habe behauptet, dass die Kurznachrichten und Anrufe vom Angeklagten stammen würden. Mangels Übersetzung der – fremdsprachigen – telefonischen Kurznachrichten könne diese Behauptung nicht nachvollzogen werden.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Salzburg mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, der Einzelrichterin des Landesgerichtes Salzburg die Verbindung der Verfahren 29 Hv 41/13t und 29 Hv 60/13m und die Anberaumung einer Hauptverhandlung aufzutragen, weil die Zurückweisung (nur) eines Strafantrags in einem verbundenen Verfahren in der StPO nicht vorgesehen sei und außerdem der Sachverhalt ausreichend geklärt sei.

Die Beschwerde ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Werden gegen einen Angeklagten nacheinander mehrere Anklagen erhoben, sind gemäß § 37 Abs 3 StPO die Verfahren von dem nach Abs 2 leg cit zuständigen Gericht zu verbinden, wenn zum Zeitpunkt der Rechtswirksamkeit der späteren Anklage bereits ein Hauptverfahren gegen den Angeklagten anhängig ist. Im Verfahren vor der/dem EinzelrichterIn des Landesgerichtes kommt eine Verfahrensverbindung in Betracht, soweit nicht die/der (nach der Geschäftsverteilung zuständige) EinzelrichterIn des Landesgerichtes im Rahmen der amtswegigen Vorprüfung des Strafantrages gemäß § 485 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO vorgeht. Ein nachträglich eingebrachter Strafantrag wäre damit erst nach Vornahme der von § 485 StPO vorgeschriebenen Prüfung mit dem Akt an das für die Verfahrensverbindung zuständige Gericht zu übermitteln (vgl Oshidari, WK-StPO § 37 Rz 7).

Die Prüfung des Strafantrags durch die Einzelrichterin vor einer möglichen Verbindung mit einem bereits anhängigen Strafverfahren entsprach daher dem Gesetz.

Unter anderem hat die/der EinzelrichterIn gemäß § 485 Abs 1 Z 2 StPO den Strafantrag vor Anordnung der Hauptverhandlung zu prüfen und mit Beschluss zurückzuweisen, wenn der Sachverhalt nicht so weit geklärt ist, dass eine Verurteilung des Angeklagten nahe liegt (§ 212 Z 3 StPO). Entsprechend des Grundsatzes der materiellen Wahrheit (§ 3 StPO) müssen die Strafverfolgungsorgane alle be- und entlastenden Tatsachen, die für die Beurteilung der Tat und des Angeklagten von Bedeutung sind, sorgfältig ermittelt haben, sodass sie sich ein objektives Bild darüber machen können, wie sich die verfahrensgegenständliche Tat zugetragen habe (Birklbauer/Mayerhofer WK-StPO § 210 Rz 4). Die Regelung des § 212 Z 3 StPO bietet so Schutz gegen voreilige Anklagen und verhindert, dass eine Hauptverhandlung durchgeführt wird, obwohl die relevanten Beweismittel nicht überblickt werden können und nicht so vorbereitet sind, dass sie ohne wesentliche Verzögerung unmittelbar durchgeführt werden können (Fabrizy, StPO11 § 212 Rz 5; Birklbauer-Mayerhofer, WK-StPO § 212 Rz 16).

Fallbezogen stützt die Staatsanwaltschaft den Strafantrag zum einen auf die Aussage des Opfers T***** J*****, die sich aufgrund des Inhalts und der Schreibweise der telefonischen Kurznachrichten sicher sei, dass alle von der Rufnummer 0664/***** an sie gesendeten Nachrichten vom Angeklagten stammen (AS 21 in ON 2), zum anderen auf ein Auslese-Protokoll der bei der Zeugin J***** zwischen 7. Juli 2013 und 22. August 2013 eingegangenen – fremdsprachigen – telefonischen Kurznachrichten (AS 59 - 335 in ON 2). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die telefonischen Kurznachrichten (SMS) von der Nummer 0664/*****, wegen der sich T***** J***** an die Polizei wandte (AS 25, 23 und 21 der ON 2), erst ab 19. August 2013 aufscheinen und die Zeugin J***** in der Vernehmung am 21. August 2013 angibt, seit 20. August 2013 von dieser Rufnummer SMS zu bekommen. Das Protokoll der ausgelesenen Nachrichten endet zudem am 22. August 2013, somit nach vier Tagen. In ihren elektronischen Mitteilungen vom 27. August 2013 und 29. August 2013 an die Polizei nennt die Zeugin J***** weitere Rufnummern, unter denen sie der Angeklagte kontaktiert habe (AS 9f in ON 3), dazu finden sich überhaupt keine Ermittlungsergebnisse im Akt. Der Angeklagte wiederum leugnet jeglichen Zusammenhang mit diesen telefonischen Kurznachrichten (AS 9 in ON 4) und behauptet selbst von der ihm unbekannten Rufnummer 0664/***** Kurznachrichten erhalten zu haben, in denen Probleme für den Angeklagten angekündigt worden wären. Diese Nachrichten hätte der Angeklagte seinem Rechtsanwalt übergeben (vgl AS 9 in ON 4). Auch diese Einlassung des Angeklagten blieb bislang ungeprüft.

Gesetzeskonform hat daher die Einzelrichterin den Strafantrag nach einer Prüfung gemäß § 485 Abs 1 Z 2 iVm § 212 Z 3 StPO zurückgewiesen, weil einerseits – auch mit Blick auf die Verantwortung des Angeklagten - die Vermutung der Zeugin J***** mangels Übersetzung der fremdsprachigen SMS nicht ohne wesentliche Verzögerung überprüft werden kann und andererseits zur Beurteilung der Strafbarkeit eines Vergehens nach § 107a StGB nicht nur Anzahl und Dauer der indizierten Stalking-Handlungen (Versenden von Kurznachrichten ab 19. August 2013, also über einen Zeitraum von 9 Tagen innerhalb des angeklagten Zeitraumes), sondern auch deren Inhalt maßgeblich ist (vgl Wach, SbgK § 107a Rz 57, Schwaighofer, WK2 StGB § 107a Rz 10), sodass derzeit nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine Verurteilung des Angeklagten nahe liegt.

RECHTSMITTELBELEHRUNG:

Gegen diese Entscheidung steht kein weiteres Rechtsmittel zu (§ 89 Abs 6 StPO).

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