9Bs358/13f – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richter Dr. Winsauer als Vorsitzenden, Dr. Morbitzer und Mag a . Hemetsberger in der Strafsache gegen D***** H***** wegen des Vergehens des Missbrauchs von Computerprogrammen oder Zugangsdaten nach § 126c Abs 1 Z 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Salzburg gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 21. Oktober 2013, 28 HR 244/13t-6, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:
Spruch
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass die Befristung der gerichtlichen Bewilligung vom 10. September 2013 (S 3 in ON 4) der Durchsuchungsanordnung der Staatsanwaltschaft Salzburg vom 4. September 2013 (ON 4) bis zum 31. Dezember 2013 verlängert wird.
Text
BEGRÜNDUNG:
Die Staatsanwaltschaft Salzburg führt ein Ermittlungsverfahren gegen den (im Tatzeitpunkt Jugendlichen) am 8. Juni 1995 geborenen D***** H***** wegen der Vergehen des Missbrauchs von Computerprogrammen oder Zugangsdaten nach § 126c Abs 1 Z 1 StGB und des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs nach § 148a Abs 1 StGB, dem der Anlassbericht des Bundeskriminalamts vom 16. August 2013 zugrunde liegt (ON 2).
Mit Beschluss vom 10. September 2013 bewilligte das Erstgericht die Anordnung der Staatsanwaltschaft Salzburg gemäß §§ 117 Z 2, 119 Abs 1, 120 erster Satz StPO auf Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten samt den dazugehörigen Nebenräumlichkeiten und befristete die Bewilligung mit 10. November 2013 (S 3 in ON 4).
Der gerichtlich bewilligten Anordnung zufolge ist D***** H***** verdächtig, das Vergehen des Missbrauchs von Computerprogrammen oder Zugangsdaten nach § 126c Z 1 Abs 1 StGB dadurch begangen zu haben, dass er sich die Schadsoftware Blackshades, mithin ein Computerprogramm, das nach seiner besonderen Beschaffenheit ersichtlich zur Begehung eines widerrechtlichen Zugriffs auf ein Computersystem (§ 118a), einer Verletzung des Telekommunikationsgeheimnisses (§ 119), eines missbräuchlichen Abfangens von Daten (§ 119a), einer Datenbeschädigung (§ 126a), einer Störung der Funktionsfähigkeit eines Computersystems (§ 126b) oder eines betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs (§ 148a) geschaffen worden ist, mit dem Vorsatz verschaffte und bis dato besitzt, dass sie zur Begehung einer der genannten strafbaren Handlungen gebraucht werde.
Darüber hinaus besteht der Verdacht, er habe das Vergehen des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs nach § 148a Abs 1 StGB dadurch begangen, dass er zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt 2012 mit dem Vorsatz, sich unrechtmäßig zu bereichern, einen bislang unbekannten Inhaber eines Paypal-Kontos dadurch am Vermögen schädigte, dass er das Ergebnis einer automationsunterstützten Datenverarbeitung durch Gestaltung des Programms, durch Eingabe, Veränderung, Löschung oder Unterdrückung von Daten oder sonst durch Einwirkung auf den Ablauf des Verarbeitungsvorgangs beeinflusste (ON 4).
Die Staatsanwaltschaft Salzburg ordnete am 11. September 2013 die Durchführung der Hausdurchsuchung an (S 4 in ON 1).
Mit Zwischenbericht vom 9. Oktober 2013 teilte das Bundeskriminalamt mit, dass nach einer Information des U.S. Department of Justice, Federal Bureau of Investigation, der Termin für die durchzuführenden Hausdurchsuchungen mit September 2013 aufgrund der internationalen Koordination und Abstimmung der einzelnen Länder bzw Vorbereitungshandlungen zur Amtshandlung nicht eingehalten werden konnte. Die Durchführung der international gleichzeitig stattfindenden Hausdurchsuchungen sei nunmehr für den Zeitraum November, Dezember 2013 geplant, weswegen die gegenständliche Anordnung zur Durchsuchung daher auf diesen Zeitraum ausgeweitet werden müsse. Ein genauerer Zeitpunkt könne nicht angegeben werden (ON 5).
Die Staatsanwaltschaft Salzburg beantragte daher bei der Haft- und Rechtsschutzrichterin, die Verlängerung der Frist für die Durchführung der Anordnung (ON 4) bis zum 31. Dezember 2013 (S 5 in ON 1).
Mit dem angefochtenen Beschluss wurde dieser Antrag abgewiesen, weil die Staatsanwaltschaft Salzburg die Durchführung der Anordnung innerhalb der gerichtlichen Frist angeordnet habe; nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Linz könne die Staatsanwaltschaft die Durchführung innerhalb der Frist anordnen, die tatsächliche Durchführung der Zwangsmaßnahme durch die Polizei müsse jedoch nicht innerhalb der Frist erfolgen (ON 6).
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Salzburg, mit der sie im Ergebnis unter ausführlicher Begründung die Verlängerung der Frist für die Durchführung der Durchsuchungsanordnung bis zum 31. Dezember 2013 begehrt (ON 8).
Die Beschwerde ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 105 Abs 1 StPO hat das Gericht über Anträge auf Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft sowie auf Bewilligung bestimmter anderer Zwangsmittel zu entscheiden. Für die Durchführung einer von ihm bewilligten Maßnahme (§ 101 Abs 3 StPO) hat das Gericht eine Frist zu setzen, bei deren ungenütztem Ablauf die Bewilligung außer Kraft tritt. Im Fall einer Anordnung der Ausschreibung zur Festnahme nach § 169 StPO wird in die Frist die Zeit der Gültigkeit der Ausschreibung nicht eingerechnet, doch hat die Staatsanwaltschaft mindestens einmal jährlich zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Festnahme noch vorliegen.
Durch die Bewilligung einer Anordnung gibt das Gericht (der Staatsanwaltschaft oder der Kriminalpolizei) keinen „Befehl“, sondern erteilt der Staatsanwaltschaft die „Ermächtigung“, eine bestimmte Anordnung zu erlassen ( Fabrizy , StPO 11 § 105 Rz 2). Es liegt daher grundsätzlich im Ermessen der Staatsanwaltschaft, ob es zur Ausführung der bewilligten Maßnahme kommt oder nicht. Das Ermessen der Staatsanwaltschaft, eine gerichtlich bereits bewilligte Anordnung durchzuführen bzw im Wege der Kriminalpolizei durchführen zu lassen, wird jedoch durch die Befristung gesetzlich begrenzt: Nur innerhalb dieser Frist kann die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob die Zwangsmaßnahme durchgeführt werden soll und wann der geeignete Zeitpunkt dafür ist (vgl auch Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 21. Februar 2012, BMJ-S590.000/0024-IV 3/20111).
In Übereinstimmung mit der Beschwerdeführerin und den diesbezüglichen Ausführungen der Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft Linz vom 31. Oktober 2013 ist eine Beschränkung auf die Anordnung des Vollzugs durch die Staatsanwaltschaft weder dem Gesetzestext noch den Materialien zum Strafprozessreformgesetz BGBl I Nr. 19/2004 zu entnehmen. Insbesondere aber ist der Beschwerdeführerin darin beizupflichten, dass der Zweck der Bestimmung und der mit dem Budgetbegleitgesetz 2009, BGBl I Nr. 52/2009, eingefügte dritte Satz des § 105 Abs 1 StPO gegen die vom Erstgericht und vom Oberlandesgericht Linz zu 9 Bs 360/09p vertretene Ansicht sprechen, weil in diesem Fall § 105 Abs 1 dritter Satz StPO entbehrlich wäre. Demnach hat die Staatsanwaltschaft innerhalb dieser Frist die gerichtlich bewilligte Maßnahme durchzuführen bzw im Wege der Kriminalpolizei durchführen zu lassen (vgl auch 10 Bs 41/13w des Oberlandesgerichts Linz).
Grundsätzlich liegt die Dauer der Befristung im Ermessen des Gerichts, wobei die Staatsanwaltschaft bei bereits bekannten größeren zeitlichen Verzögerungen, wie beispielsweise bei der Beantragung der Bewilligung eines im Rechtshilfeweg zu vollziehenden Zwangsmittels um Setzung einer Frist von ausreichender Dauer ersuchen sollte/könnte (vgl auch Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 21. Februar 2012, BMJ-S590.000/0024-IV 3/20111).
Berücksichtigend, dass die Staatsanwaltschaft Salzburg ihren Antrag auf (bloße) Verlängerung der Befristung während der offenen, mit 10. November 2013 befristeten Bewilligung der staatsanwaltschaftlichen Anordnung mit Blick auf eine beabsichtigte internationale Koordination der geplanten Hausdruchsuchungen nunmehr im November/Dezember 2013 (vgl S 7 in ON 2 und ON 5) stellte, kann vom bewilligenden Gericht einer für den Zeitpunkt der bestimmten Befristung maßgeblichen, geänderten Sachverhaltsgrundlage durch eine entsprechende Verlängerung Rechnung getragen werden. Dabei wird berücksichtigt, dass gemäß § 105 Abs 1 zweiter Satz StPO die Bewilligung nur bei ungenütztem Ablauf der Frist ex lege außer Kraft tritt, sodass nur in diesem Fall (für eine beabsichtigte Fristverlängerung) das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung einer (neuen) Anordnung zu prüfen und gegebenenfalls ein neuer Antrag auf gerichtliche Bewilligung iSd § 105 Abs 1 StPO zu stellen wäre.
RECHTSMITTELBELEHRUNG:
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).