JudikaturOLG Linz

3Ds23/11 – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
30. September 2013

Kopf

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz hat durch RidOLG Mag. Marc Koller als Vorsitzenden und die weiteren Mitglieder des Disziplinarsenats RidLG Mag. Michael Lichtenegger LL.B. und ADir Werner Gschwandtner in der Disziplinarsache gegen FOI R***** K*****, Beamter des Landesgerichtes Feldkirch, nach der in Anwesenheit des Disziplinaranwalts Oberstaatsanwalt Mag. Harald Winkler, des Disziplinarbeschuldigten FOI R***** K*****, seines Verteidigers Dr. Stöglehner und der Schriftführerin VB Silvia Prat durchgeführten mündlichen Verhandlung am 30. September 2013 zu Recht erkannt:

Spruch

FOI R***** K***** ist schuldig, im Zeitraum 2004 bis 1. August 2011 als Leiter der Verwahrungsstelle des Landesgerichtes Feldkirch wiederholt entgegen den Erlässen des BMJ vom 26. Juni 2009, BMJ-L703.012/0001-II 2/2009, und vom 5. April 1990, GZ 598.001/25-II 2/90, von den Sicherheitsbehörden übergebene Suchtmittel in nicht versiegelten Behältnissen übernommen zu haben und entgegen §§ 614 Abs 3, 615 Abs 1 und 2, 616, 618 Z 5 Geo Dokumentierungspflichten betreffend verwahrtes Suchtgift mit der – teilweise fehlerhaften – Führung eines "Journalheftes", wobei die Nummer dieses Verzeichnisses ("Journalheft") als "Standblattnummer" lediglich auf dem Übergabeblatt der Sicherheitsbehörde vermerkt worden ist, nicht nachgekommen zu sein, konkret die Führung eines jahrgangsweise fortlaufenden, in fünf Spalten unterteilten (1. Postzahl, 2. Tag der Übernahme, 3. Strafsache, 4. Erleger, 5. Bemerkungen) Eingangsbuches und eine Archivierung der Standblätter samt auf den Erlag bezogener Verfügungen unterlassen zu haben.

FOI R***** K***** hat hiedurch gegen seine Dienstpflichten nach § 43 Abs 1 BDG 1979, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen, und nach § 43 Abs 2 BDG 1979, in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung ihrer dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt, verstoßen und damit schuldhaft Dienstpflichtverletzungen iSd § 91 BDG 1979 begangen.

Gemäß § 126 Abs 2 BDG 1979 iVm § 92 Abs 1 Z 2 BDG 1979 wird unter Anwendung des § 93 Abs 2 BDG 1979 über FOI R***** K***** die Disziplinarstrafe der

Geldbuße in Höhe von € 300,00

(in Worten: Euro dreihundert)

verhängt.

Gemäß § 117 Abs 2 BDG 1979 hat der Disziplinarbeschuldigte den mit EUR 100,00 (in Worten: Euro einhundert) bestimmten Teil der Verfahrenskosten zu ersetzen.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Aufgrund der Disziplinaranzeige des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 16.12.2011 (ON 1) und der Nachtragsdisziplinaranzeige vom 1.6.2012 (ON 6), des Personalaktes betreffend FOI R***** K*****, der Berichte des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 7.2.2012 (ON 3), vom 4.10.2012 (ON 16), vom 7.3.2013 (ON 19) sowie vom 22.4.2013 (ON 22), einer Kopie des Ermittlungsaktes 13 St 100/12x der StA Salzburg, des Berichtes der OStA Linz vom 24.5.2013, der aktuellen Bezugsauskunft (ON 30) sowie der Verantwortung des Disziplinarbeschuldigten in der mündlichen Verhandlung vom 30. September 2013 steht folgender Sachverhalt fest:

Der am 11. März 1962 geborene, für ein Kind sorgepflichtige, verheiratete FOI R***** K***** erzielt ein monatliches Nettoeinkommen von EUR 1.761,48 (Bezug September 2013 ohne Sonderzahlungen). Im Zusammenhang mit seinem derzeitigen Hausbau belasten ihn Verbindlichkeiten in Höhe von etwa EUR 400.000,00. Er besitzt eine zum Verkauf stehende Eigentumswohnung.

Der Disziplinarbeschuldigte trat am 4. August 1980 den Dienst als Vertragsbediensteter beim Landesgericht Feldkirch an. Nach Ableistung seines Grundwehr dienstes in der Zeit vom 1. Oktober 1981 bis 31. Mai 1982 wurde er ab 2. Jänner 1984 als Leiter der Geschäftsabteilungen 25, 26 und 27 (Einzelrichterstrafsachen) beim Landesgericht Feldkirch verwendet. Mit Wirksamkeit vom 1. Februar 1986 wurde er zum provisorischen Beamten des Fachdienstes in der Dienstklasse III, Verwendungsgruppe C, im Planstellen bereich des Bundesminsteriums für Justiz – Justizbehörden in den Ländern ernannt. Gemäß Präsidialverfügung vom 4. Jänner 1993 wurde FOI R***** K***** mit Wirkung vom 1. Jänner 1993 zum Leiter der Verwahrungsstelle beim Landesgericht Feldkirch bestellt. Seit 1. August 2011 ist er wieder ausschließlich als Kanzleileiter im Bereich Strafsachen tätig.

Im Zeitraum von 2004 bis 1. August 2011 kam es dazu, dass der Disziplinar beschuldigten als Leiter der Verwahrungsstelle des Landesgerichtes Feldkirch wiederholt entgegen den Erlässen des BMJ vom 26. Juni 2009, BMJ-L703.012/0001-II 2/2009, und vom 5. April 1990, GZ 598.001/25-II 2/90, von den Sicherheitsbehörden übergebene Suchtmittel in nicht versiegelten Behältnissen übernommen hat und entgegen §§ 614 Abs 3, 615 Abs 1 und 2, 616, 618 Z 5 Geo Dokumentierungspflichten betreffend verwahrtes Suchtgift mit der – teilweise fehlerhaften – Führung eines "Journalheftes", wobei die Nummer dieses Verzeichnisses ("Journalheft") als "Standblattnummer" lediglich auf dem Übergabeblatt der Sicherheitsbehörde vermerkt worden ist, nicht nachgekommen ist, konkret die Führung eines jahrgangsweise fortlaufenden, in fünf Spalten unterteilten (1. Postzahl, 2. Tag der Übernahme, 3. Strafsache, 4. Erleger, 5. Bemerkungen) Eingangsbuches und eine Archivierung der Standblätter samt auf den Erlag bezogener Verfügungen unterlassen hat.

Der Erlass des BMJ vom 26. Juni 2009, BMJ-L703.012/0001-II 2/2009, sieht vor, dass die von der Sicherheitsbehörde übergebenen Suchtmittel in deutlich beschrifteten, versiegelten und festen Behältnissen der Verwahrungsstelle zu übergeben sind. Der mittlerweile aufgehobene, jedoch sinngemäß weiterhin heranzuziehende Erlass des BMJ vom 5. April 1990, GZ 598.001/25-II 2/90, verlangt eine Versiegelung kleinerer Mengen Suchtgifts mittels Eisenstempel und Siegellack und größerer Pakete mittels Plastikband (Aufdruck: "Amtlich versiegelt", Staatswappen).

Nach § 614 Abs 3 Geo sind in der Verwahrungsstelle ein Eingangsbuch, ein Kassabuch und die Standblätter, erforderlichenfalls auch ein alphabetisches Namenverzeichnis zu den Standblättern und ein Verzeichnis der Ausfolgeaufträge zu führen. Das Eingangsbuch ist nach § 615 Abs 1 Geo jahrgangsweise fortlaufend zu führen und hat fünf Spalten zu enthalten (1. Postzahl, 2. Tag der Übernahme, 3. Strafsache, 4. Erleger, 5. Bemerkungen).

Nach § 616 Abs 1 Geo bilden alle zu derselben Strafsache gehörigen Gegenstände eine Masse. Für jede Masse ist ein besonderes, inhaltlich iSd Abs 2 leg.cit. zu gestaltendes Standblatt anzulegen. Dieses ist mit einer Nummer zu versehen, die aus der Postzahl des ersten Erlages zu dieser Masse im Eingangsbuch und den beiden letzten Ziffern der Jahreszahl zu bilden ist (Standblattnummer). Die Standblätter sind nach ihren Nummern geordnet aufzubewahren. Spätere Erläge zu einer schon bestehenden Masse sind in das für sie eröffnete Standblatt einzutragen. In der Bemerkungsspalte des Eingangsbuches sind bei dem späteren Erlag und bei dem ersten Erlag in dieser Masse gegenseitige Verweisungen anzubringen. Werden einzelne Gegenstände aus einer Masse ausgeschieden, so ist ihre Anführung auf dem Standblatt abzustreichen. Nach vollständiger Bereinigung einer Masse ist die Standblattnummer mit roter Tinte durchzustreichen und das Standblatt in die Sammlung erledigter Standblätter einzureihen. Nach § 618 Z 5 Geo sind Ausfolgeaufträge sowie alle anderen vom Gericht über einzelne Gegenstände getroffenen endgültigen Verfügungen und die Belege für deren Durchführung bei den betreffenden Standblättern aufzubewahren.

Der Disziplinarbeschuldigte kam wiederholt durch nachlässige Arbeitsweise seiner Verpflichtung, die Amtsgeschäfte als Leiter der Verwahrungsstelle des Landesgerichtes Feldkirch entsprechend den Vorgaben der Geschäftsordnung sorgfältig und gewissenhaft zu führen, nicht nach; dies obwohl er nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen dazu befähigt gewesen wäre. Er unterließ es, hinreichend wirksame Kontroll- und Qualitätssicherungsmaßnahmen zu etablieren. Vielmehr hielt er es für möglich, durch die Beibehaltung der bestehenden Registrierungs- und Verwahrungspraxis die beschriebenen Fehlleistungen zu verwirklichen, wollte diesen Zustand allerdings nicht herbeiführen.

Im angesprochenen Tatzeitraum wurde die Verwahrungsstelle des Landesgerichtes Feldkirch routinemäßig durch den Präsidenten des Landesgerichts überprüft. Die nur stichprobenartigen Überwachungsmaßnahmen haben keine Auffälligkeiten ergeben.

Diese Feststellungen stützen sich auf die eingangs angeführten Beweismittel, insbesondere auf die vollinhaltlich geständige Verantwortung des ein erlass- bzw. geo-widriges Vorgehen im Zusammenhang mit der Entgegennahme von Suchtmitteln bzw. der Dokumentation der verwahrten Suchtmittel einräumenden Disziplinarbeschuldigten in Verbindung mit dem äußeren Tatgeschehen.

Rechtliche Beurteilung

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich Folgendes:

Gemäß § 43 Abs 1 BDG 1979 ist der Beamte verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen. Gemäß Abs 2 leg cit hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

Die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben durch einen Beamten kann dann nicht mehr als "treu" erachtet werden, wenn der Beamte fehlerhaft und nachlässig arbeitet. Vorliegend überschreitet die aufgetretene Häufung an vom Disziplinarbeschuldigten zu vertretenden Fehlern bei der Entgegennahme und Registrierung von Beweisgegenständen, konkret durchaus erheblichen Mengen an Suchtgiften über mehrere Jahre hin, mit Blick auf die Schlüsselposition, die gerade dem Leiter der Verwahrungsstelle des Landesgerichtes Feldkirch für die jederzeitige Greifbarkeit von Beweisgegenständen in Prozessen, aber auch die verlässliche Aufbewahrung von Suchtmitteln zukommt, die Schwelle der disziplinären Erheblichkeit. Gleichermaßen sind die angelasteten Versäumnisse ihrem objektiven Inhalt nach geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben des Disziplinarbeschuldigten zu erschüttern, zumal es in rechtlicher Hinsicht darauf, ob das Verhalten des Beamten öffentlich bekannt wurde, nicht ankommt (VwGH 95/09/0153).

FOI R***** K***** hat daher schuldhaft Dienstpflichtverletzungen iSd § 91 BDG 1979 begangen.

Bei der Strafbemessung wurden das zur Wahrheitsfindung beitragende Geständnis des Disziplinarbeschuldigten sowie dessen disziplinäre Unbescholtenheit als mildernd gewertet. Als erschwerend fiel demgegenüber der lange Tatzeitraum ins Gewicht.

Ausgehend vom Gewicht der Dienstpflichtverletzungen sowie unter Berücksichtigung der erwähnten Strafzumessungsgründe, der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der persönlichen Verhältnisse des FOI R***** K***** erweist sich die Verhängung einer Geldbuße in Höhe von € 300,00 als tat- und schuldange messen. Mit Bedacht auf die tadelsfreie Vergangenheit des Disziplinarbeschuldigten ist die festgesetzte Sanktion ausreichend, aber auch – insbesondere aus generalpräventiven Bedürfnissen mit Blick auf die besondere Sensibilität der den Verwahrungsstellen bei Gericht obliegenden Aufgaben – erforderlich, um der Begehung gleich gelagerter Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken. Nicht zuletzt findet im Strafmaß die seitens der Justizverwaltung zu keinem Zeitpunkt ausreichend sichergestellte Einschulung sowie Kontrolle des Disziplinarbeschuldigten Berücksichtigung.

Im Hinblick auf den Verfahrensaufwand war FOI R***** K***** entsprechend seiner persönlichen Verhältnisse und seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gemäß § 117 Abs 2 BDG 1979 der Ersatz eines Teils der Verfahrenskosten in Höhe von EUR 100,00 aufzuerlegen.

RECHTSMITTELBELEHRUNG:

Gemäß §§ 105 Z 1, 106 BDG 1979 iVm § 63 Abs 3 bis Abs 5 AVG steht dem Disziplinaranwalt – der Disziplinarbeschuldigte hat noch in der Disziplinarverhandlung Rechtsmittelverzicht erklärt – das Recht zu, binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Disziplinarerkenntnisses Berufung einzulegen. Die Berufung ist schriftlich, telegraphisch oder fernschriftlich bei der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz einzubringen. Die Berufung hat das Disziplinarerkenntnis zu bezeichnen, gegen das sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.

Eine rechtzeitig eingebrachte Berufung hat gemäß § 64 Abs 1 AVG aufschiebende Wirkung. Über die Berufung entscheidet gemäß § 97 Z 3 BDG 1979 die Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt.

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