JudikaturOLG Linz

2R138/13x – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
17. September 2013

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch die Richter Dr. Klaus Henhofer als Vorsitzenden sowie Dr. Paul Aman und Dr. Werner Gratzl in der Insolvenzantrags sache der Antragstellerin S *****, wider den Antragsgegner M *****, über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 25. Juli 2013, 17 Se 105/13k-7, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

Die Antragstellerin begehrte mit Schriftsatz vom 7. Juni 2013 die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Antragsgegners, der bei ihr sozialversichert und Unternehmer im Sinne des § 182 IO (§ 1 Abs 2 KSchG) sei. Der Antragsgegner schulde ihr EUR 5.317,88 sA an Sozialversicherungsbeiträgen samt Nebengebühren und sei zahlungsunfähig, zumal eine gerichtliche Exekution mangels pfändbarer Gegenstände erfolglos verlaufen sei.

Mit dem angefochtenen Beschluss sprach das Erstgericht aus, dass es sachlich und örtlich unzuständig sei, und überwies die Insolvenzantragssache gemäß § 44 JN an das Bezirks gericht Pregarten. Zur Begründung führte es aus, aus dem Umstand, dass der Antragsgegner unbeschränkt haftender Gesellschafter einer Personengesellschaft sei, folge noch nicht, dass ihm Unternehmereigenschaft zukomme. Seitdem Personengesell schaf ten aufgrund des HaRÄG 2005 rechtsfähig seien, sei ihnen und nicht den Gesellschaftern der Betrieb des Unternehmens zuzuordnen.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin aus dem Rechtsmittelgrund der unrich tigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den ange foch tenen Beschluss ersatzlos aufzu heben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen.

Der Antragsgegner erstattete keine Rekursbeantwortung.

Dem Rekurs kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Zunächst sei festgehalten, dass die mittlerweile erfolgte Zurückziehung des Insolvenz antrags einer Weiterführung des Verfahrens nicht entgegensteht (§ 70 Abs 4 IO).

Gemäß § 63 Abs 1 IO ist für das Insolvenzverfahren der Gerichtshof erster Instanz zustän dig, in dessen Sprengel der Schuldner sein Unternehmen betreibt oder mangels eines sol chen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ist jedoch der Schuldner eine natürliche Person, die kein Unternehmen betreibt, so hat nach § 182 IO das zum Zeitpunkt der Antragstellung örtlich zustän dige Bezirksgericht als Insolvenzgericht einzuschreiten.

Jedenfalls bis vor einigen Jahren wurde in Lehre und Rechtsprechung überwiegend die Auffassung vertreten, dass der persönlich haftende Gesellschafter einer unternehmerisch täti gen Personengesell schaft (anders als der Gesellschafter einer GmbH, die als selbständige Trägerin von Rechten und Pflichten „zwischengeschaltet“ sei: RIS-Justiz RS0059726 und RS0110602) im Wege seiner Gesellschaftsbeteiligung mittel bar ein Unternehmen betreibe und deshalb das Insolvenzverfahren über sein Vermögen vor dem Gerichtshof stattzufinden habe ( Kodek , Handbuch Privatkonkurs [2002], Rz 45; Schumacher in Bartsch/Pollak/ Buchegger , Österrei chisches Insolvenzrecht 4 II/2 [2004], § 63 KO Rz 18; LG Klagenfurt 10.6.1998, 2 R 170/98x = Mohr , IO 11 [2012], § 182 E 96; OLG Innsbruck 16.9.1998, 1 R 191/98t = Mohr , IO 11 , § 182 E 91a und 95; OLG Linz 6.12.2001, 2 R 235/01v = ZIK 2002/36 [23] = Mohr , IO 11 , § 182 E 90 und 92-94, sowie 27.4.2010, 2 R 75/10b; aA LG St. Pölten 20.4.1998, 11 R 21/98t = Mohr , IO 11 , § 182 E 85 und 87). Mohr (in Konecny/ Schubert , Kommentar zu den Insolvenzgesetzen [1998], § 182 KO Rz 1 und 8; Privatkonkurs² [2007], 15) wandte dagegen ein, dass sich im Konkurs über das Privat ver gen eines Gesell schafters Fragen betreffend die Unternehmensfortführung und die Behand lung der Arbeits ver träge nicht stellten und deshalb die bloße Eigenschaft eines Schuldners als per sön lich haften der Gesell schafter einer Personengesellschaft nicht die Zuständigkeit des Gerichts hofs begründe.

Mit der UGB-Reform (HaRÄG, BGBl I 2005/120) wurde klargestellt und gesetzlich normiert, dass der offenen Gesellschaft und der Kommanditgesellschaft Rechtspersönlichkeit zukommt (§§ 105, 161 Abs 2 UGB), also diese Gesellschaften selbst Träger von Rechten und Pflichten sind und somit auch selbst ein Unternehmen betreiben können. Damit liegt nunmehr bei Per sonengesell schaften insofern die gleiche rechtliche Situation („Zwischenschaltung“ eines selb ständigen Rechtssubjekts) vor wie bei den seit jeher rechts fähigen Kapital gesellschaften (insbesondere der GmbH) und ist der frühe ren, aus der damals noch fehlenden bzw strittigen Rechtspersönlichkeit abgeleiteten Ansicht, dass die Kaufmanns eigen schaft der Per sonengesellschaft auf ihre per sönlich haftenden Gesellschafter durchschlage und diese schon kraft ihrer Zugehörigkeit zur Gesellschaft Unternehmer seien, die Grundlage entzogen. Daran ändert auch die unbe schränkte gesetzliche (Mit-)Haftung der Gesellschafter für Gesell schafts verbindlichkeiten (§ 128 UGB) nichts, wird doch etwa auch ein GmbH-Gesellschafter nicht schon des halb zum Unternehmer, weil er ‒ was in der Praxis regelmäßig vorkommt ‒ die per sönliche Haftung für Gesell schafts verbindlichkeiten übernimmt (vgl zu diesem Themenkreis aus unternehmens- bzw gesellschaftsrechtlicher Sicht Krejci in Krejci , Reform-Kommentar UGB/ABGB [2007], § 105 UGB Rz 41; Schauer in Kalss/Nowotny/Schauer , Österreichisches Gesell schafts recht [2008], Rz 2/128; U. Torggler in Straube , Wiener Kommentar zum UGB [2012], § 105 Rz 40).

In Hinblick auf diese Rechtslage vertritt nunmehr Schneider (in Konecny , Kommentar zu den Insolvenzgesetzen [2012], § 63 IO Rz 88 f) auch für das Insolvenzverfahren die Ansicht, dass Gesellschafter einer Perso nengesellschaft nicht schon aufgrund dieser Funktion als Unternehmer anzusehen seien. Damit werde auch die sonst auftretende Schwierigkeit vermie den, dass bei Behandlung des Insolvenzantrags gegen einen Gesellschafter geprüft und beur teilt werden müsse, ob die Personengesellschaft ein Unternehmen betreibe, zumal diese Rechtsform auch für nichtunternehmerische bzw nichtwirtschaftliche (ideelle) Zwecke offen steht ( Schauer und Schörghofer in Kalss/Nowotny/Schauer , Österreichisches Gesell schafts recht, Rz 2/109 und 2/705). Das Rekursgericht erachtet diese Sichtweise für überzeugend und schließt sich ihr an, zumal auch der Oberste Gerichtshof erst kürzlich (19.3.2013, 4 Ob 232/12i) ausgesprochen hat, dass nach dem klaren gesetzlichen Konzept des reformier ten UGB allein die Personengesellschaft das Unternehmen betreibt und ihr Gesellschafter nicht mehr schon allein deshalb Unternehmer ist, weil er Gesellschafter ist.

Ergänzend sei dazu noch ange merkt, dass damit keine Einschränkung des Anwendungs bereichs des § 65 IO verbunden ist, geht doch die darin geregelte Attrak tions zuständigkeit der sachlichen Zustän digkeit des Bezirksgerichtes gemäß § 182 IO vor ( Mohr , IO 11 , § 65 E 1 und 2; Schumacher in Bartsch/Pollak/Buchegger , Österrei chisches Insolvenz recht 4 II/2, § 65 KO Rz 10 f). Im Falle eines gleichzeitig oder früher anhängig gewor denen Insolvenz verfah rens über das Vermögen einer ein getragenen Perso nengesellschaft kann deshalb auch weiterhin das Insolvenz ver fah ren über das Privatvermögen eines unbe schränkt haftenden Gesellschafters (trotz Verneinung seiner Unternehmereigenschaft) beim Gerichtshof geführt werden.

Es musste daher dem Rekurs ein Erfolg versagt bleiben, zumal die Antragstellerin die Unternehmereigenschaft des Antragsgegners auch noch in ihrem Rechtsmittel ausschließlich aus seiner Gesellschafterstellung ableitet.

Die Unzulässigkeit eines weiteren Rechtszugs folgt aus den §§ 252 IO, 528 Abs 2 Z 2 ZPO.

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