JudikaturOLG Linz

3R145/13h – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
05. September 2013

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat als Rekursgericht durch Senatspräsidentin Dr. Brigitta Hütter als Vorsitzende sowie den Richter Dr. Wolfgang Seyer und die Richterin Dr. Ulrike Bourcard in der Rechtssache der klagenden Partei *****vertreten durch Dr. Peter Bründl, Rechtsanwalt in Schärding, gegen die beklagte Partei *****vertreten durch Maga. Petra Windhager, Rechtsanwältin in Schärding, wegen EUR 11.502,00 über den Rekurs des *****vertreten durch Puttinger Vogl Rechtsanwälte GmbH in Ried im Innkreis (Rekursstreitwert EUR 2.043,36) gegen den Beschluss des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 18. Juni 2013, 5 Cg 124/11d-21, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass er lautet:

„Der Antrag des Klägers und der Beklagten, dem unentschuldigt fern gebliebenen Zeugen Stanislav Filbert die Kosten für die Tagsatzung vom 17. Mai 2013 aufzuerlegen, wird abgewiesen.“

Der Kläger und die Beklagte sind schuldig, dem Zeugen Stanislav Filbert die mit EUR 250,22 (darin EUR 41,70 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Das Erstgericht lud den Zeugen ***** in Deutschland ohne Zustellnachweis zur Streitverhandlung vom 28. Februar 2013. Obwohl auf der Ladung weder der Vorname noch die Straßenbezeichnung und die Hausnummer des Empfängers stimmten - diese Personaldaten hatte das Erstgericht dem Beweisanbot des Klägers entnommen (ON 16 und 17) -, erhielt der Zeuge dieses Schriftstück. Er war sich allerdings nicht sicher, ob er als Zeuge vor Gericht erscheinen müsse. Er wandte sich daher telefonisch an das Gericht, das ihn an den Klagevertreter verwies. Daraufhin rief der Zeuge am 30. Jänner 2013 beim Klagevertreter an, von dem er erfuhr, dass der Kläger ihn als Zeugen geführt habe und er der Ladung Folge leisten müsse; falls er zur Tagsatzung vom 28. Februar 2013 nicht erscheinen könne – so klärte ihn der Klagevertreter auf -, möge er sich ans Gericht wenden. Ohne das Gericht neuerlich zu kontaktieren, blieb der Zeuge vom Ladungstermin fern. Die Tagsatzung vom 28. Februar 2013, die nur zur Einvernahme des Zeugen anberaumt worden war, wurde deshalb auf den 17. Mai 2013 erstreckt, in der er dann in einer zweistündigen Verhandlung als Zeuge vernommen wurde.

Beide Parteien beantragten, dem unentschuldigt fern gebliebenen Zeugen ***** die Kosten der Tagsatzung vom 17. Mai 2013 aufzuerlegen und legten Kostennote.

Mit dem angefochtenen Beschluss verpflichtete das Erstgericht den Zeugen, gemäß § 333 Abs 1 ZPO beiden Parteien je EUR 1.021,68 an Vertretungskosten für die Tagsatzung vom 17. Mai 2013 zu ersetzen.

Dagegen rekurriert der Zeuge wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung; er beantragt, den bekämpften Beschluss ersatzlos aufzuheben; hilfsweise stellt er einen Abänderungsantrag.

Der Kläger und die Beklagte beantragen in ihren Rekursbeantwortungen, den bekämpften Beschluss zu bestätigen.

Der Rekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Treffend wendet sich der Rekurswerber dagegen, Zwangsmittel der österreichischen ZPO auf ihn auf deutschem Staatsgebiet anzuwenden.

Die öffentlich-rechtliche Zeugnispflicht trifft Personen, die der inländischen Gerichtsbarkeit unterliegen und zeugnisfähig sind (Frauenberger in Fasching/Konecny² Vor §§ 320 ff ZPO Rz 5; Rechberger in Rechberger³ Vor § 320 ZPO Rz 4). Die Gerichtsbarkeit der österreichischen Gerichte ist auf das österreichische Staatsgebiet beschränkt (Territorialitätsprinzip; vgl Mayr in Rechberger³ Art IX EGJN Rz 1; Fasching in Fasching² Band I Einl Rz 111; Art X EGJN; Art XXIX EGZPO; RIS-Justiz RS0053183).

Befindet sich - wie hier - ein Beweismittel im Ausland, so kann das Gericht entweder das Beweismittel ins Inland schaffen („Beweismittelimport“, „Beweismitteltransfer“, z.B. die Ladung eines Zeugen aus dem Ausland) oder – im Anwendungsbereich der EuBVO - Beweis im Ausland (durch das ersuchte Gericht [Art 10 ff EuBVO] oder unmittelbar selbst [Art 17 EuBVO]) aufnehmen (vgl Neumayr/Kodek in Burgstaller/Neumayr IZVR, Kapitel 83, EuBewVO, Überblick vor Art 1 Rz 1; Berger in Rechberger-FS 41). Der nationale Richter kann unter diesen Möglichkeiten wählen (vgl Neumayr/Kodek aaO; Fucik in Fasching/Konecny² V/1 Vor Art 1 EuBVO Rz 1). Eine Ladung, die sich - wie hier - im Fall eines „Beweismitteltransfers“ an eine Person im Ausland richtet, berührt die EuBVO nicht (vgl Fucik aaO Rz 4; Berger in Rechberger-FS 41; Neumayr/Kodek aaO Rz 7 und 17). Der Ladung des Auslandszeugen vor das Prozessgericht steht somit die EuBVO nicht entgegen; Zwangsmittel dürfen allerdings bei einem in Ausland weilenden Zeugen nicht angewendet werden (vgl Hein in Rauscher [Hrsg], Art 1 EG-BewVO Rz 20; Berger in IPRax 2001, 522 [527]; Nagel/Gottwald Internationales Zivilprozessrecht5 § 8 Rz 121; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, dZPO71, § 363 dZPO Rz 2). Der Anwendung eines Zwangsmittels steht nämlich das Territorialitätsprinzip, bzw. die Souveränität des fremden Staates entgegen (vgl Mayr in Rechberger³ Art IX EGJN Rz 1).

Daraus folgt: Der in Deutschland aufhältige Zeuge, der noch dazu deutscher Staatsbürger ist (ON 19, 3 = AS 113), unterlag wegen des Territorialitätsprinzips nicht der inländischen Gerichtsbarkeit. Das Erstgericht durfte ihn zwar zu seiner Einvernahme laden; mangels einer (öffentlich-rechtlichen) Zeugenpflicht musste er aber nicht vor dem inländischen Gericht erscheinen (vgl Rechberger in Rechberger3, Vor § 320 ZPO Rz 4). Das Nichtbefolgen der Ladung kann daher nach der inländischen Prozessordnung gegenüber dem Zeugen nicht sanktioniert werden. Das Erstgericht hatte keine Möglichkeit, gemäß § 333 ZPO gegen den Zeugen ein Zwangsmittel, wozu auch der in § 333 Abs 1 ZPO geregelte Kostenersatz zählt (vgl Frauenberger in Fasching/Konecny2, § 333 ZPO Rz 4 f), zu verhängen. Der Antrag der Streitteile, den ausgebliebenen Zeugen zum Ersatz der durch seine Säumnis verursachten Kosten zu verhalten, ist daher unberechtigt.

Schon aus diesem Grund ist dem Rechtsmittel Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO, § 11 RATG. Durch den Antrag der Streitteile, den nicht erschienen Zeugen zum Kostenersatz zu verpflichten (ON 8, 3 = AS 103 sowie ON 19, 7 = AS 117), haben sie einen Zwischenstreit mit dem Zeugen über seine Kostenersatzpflicht ausgelöst (vgl Obermaier, Kostenhandbuch², Rz 324). Ein Zwischenstreit liegt vor, wenn es um einen Streit über einen nicht den Klagsanspruch an sich betreffenden Punkt geht (RIS-Justiz RS0128786; Obermaier aaO Rz 290). In diesem Zwischenstreit sind die Prozessparteien unterlegen, sodass sie dem Zeugen kostenersatzpflichtig sind. Beschlüsse, mit denen Zeugen zum Ersatz aller durch ihr Ausbleiben verursachten Kosten verpflichtet werden, sind nach den Regeln über Kostenrekurse anfechtbar (vgl Frauenberger in Fasching/Konecny² § 333 ZPO Rz 6). Demnach ist das Rechtsmittel des Zeugen als Kostenrekurs nur nach TP 3 A RATG und nicht - wie verzeichnet - nach TP 3 B RATG zu honorieren.

Ein rekursgerichtlicher Beschluss über die Kostenersatzpflicht des Zeugen ist gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls unanfechtbar (vgl Frauenberger aaO § 333 ZPO Rz 6).

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