9Bs227/12i – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richter Dr. Winsauer als Vorsitzenden, Dr. Morbitzer und Maga. Hemetsberger im Verfahren zur Unterbringung des L***** K***** in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Beschwerde der Forensischen Ambulanz L***** gegen den Beschluss des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 16. August 2012, 9 Hv 27/11i, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:
Spruch
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und an das Erstgericht zu neuer Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Text
Begründung:
Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 18. Mai 2011, 9 Hv 27/11i, wurde die Anordnung der Unterbringung von L***** K***** in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB gemäß § 45 (Abs 1) StGB unter Bestimmung einer fünfjährigen Probezeit bedingt nachgesehen. Nach § 50 Abs 1 StGB wurde zudem für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet und dem Betroffenen gemäß § 51 Abs 2 StGB die Weisungen erteilt, weiterhin in einer betreuten Einrichtung zu wohnen und sich regelmäßiger nervenärztlicher Kontrollen bei FORAM mit sichergestellter Medikation (Blutwertspiegelkontrollen in 14-tägigen Abständen) zu unterziehen (US 2).
Mit Rechnung vom 31. Juli 2012 (ON 106) begehrte die Forensische Ambulanz L***** (FORAM) vom Erstgericht die Bezahlung von EUR 99,00 für eine am 25. Juli 2012 für den Betroffenen L***** K***** erbrachte ärztliche Leistung, weil im Hinblick auf die Bestimmung des § 179 Abs 2 StVG vom Bundesministerium für Justiz/Vollzugsdirektion die bestehenden Verträge mit den Forensischen Ambulanzen, darunter auch FORAM L*****, mit 31. Dezember 2011 gekündigt worden wären. Die Übergangsfrist habe mit 30. Juni 2012 geendet. Ab diesem Zeitpunkt erfolge die Verrechnung der von der FORAM L***** weisungskonform erbrachten Leistungen klienten- bzw patientenbezogen direkt mit der weisungserteilenden Instanz (S 3 in ON 106).
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht diesen Antrag ab, weil der Betroffene durchaus in der Lage sei, die Kosten in Höhe von EUR 99,00 selbst zu tragen, ohne dass dadurch sein Fortkommen erschwert würde (ON 107).
Die dagegen von der Forensischen Ambulanz L***** fristgerecht erhobene Beschwerde (ON 108) ist im Ergebnis berechtigt.
Die Beschwerdeführerin ist zur Erhebung des Rechtsmittels legitimiert. Wenngleich gegen einen Beschluss, mit dem Kosten im Zusammenhang mit der Therapie oder dem Aufenthalt zugesprochen werden oder über einen diesbezüglichen Antrag entschieden wird, grundsätzlich nur dem Entlassenen und der Staatsanwaltschaft die Beschwerde zusteht, so kann auch die Einrichtung oder Vereinigung, der bereits Kosten erwachsen sind, ein Rechtsmittel gegen eine derartige Entscheidung erheben (vgl Pieber in WK2 StVG § 179a Rz 9 mwN). Im vorliegenden Fall richtet sich die Beschwerdeführerin gegen die vom Erstgericht verweigerte Kostenübernahme durch den Bund.
Rechtliche Beurteilung
Die Bestimmung des § 179a StVG, BGBl. Nr. 144/1969, gilt gemäß § 51 Abs 5 StGB idF BGBl. I 2009/40 für Weisungen im Zusammenhang mit der bedingten Nachsicht einer vorbeugenden Maßnahme nach § 45 StGB sinngemäß. Bei der bedingten Nachsicht einer vorbeugenden Maßnahme nach § 45 StGB wurde mit dem 2. GeSchG in § 51 Abs 5 StGB ein subsidiärer Kostenersatz durch den Bund eingeführt, der sich an den Voraussetzungen des § 179a StVG orientiert. Dies im Hinblick darauf, dass einerseits die grundsätzliche Kostentragungspflicht des Abgeurteilten oder Betroffenen bei Weisungen aus Anlass einer bedingten Nachsicht einer Anwendung des § 45 StGB häufig entgegensteht. Andererseits lässt der Umstand, dass es sich bei dem betroffenen Personenkreis um psychisch Kranke handelt, gerechtfertigt erscheinen, hier die Kosten (subsidiär) den Bund tragen zu lassen (vgl Schroll in WK2 § 51 Rz 52a mwN).
Soweit die Beschwerdeführerin meint, dass hinsichtlich der Abrechnung der Fälle von bedingten Entlassungen die Bestimmung des § 179a Abs 3 StVG zur Anwendung komme und die Kostenbestimmung auf Basis der Rahmenverträge zu erfolgen habe, übersieht sie die vom Erstgericht grundsätzlich zutreffend angewandte Bestimmung des § 179a Abs 2 StVG. Da seit 1. Juli 2012 zwischen dem Bundesministerium für Justiz und den in § 179a Abs 1 StVG genannten Einrichtungen Verträge im Sinne dieser Bestimmung nicht mehr bestehen, kann – mangels tatsächlicher Grundlage - § 179a Abs 1 StVG auch nicht mehr angewendet werden. Aktuell liegen nur mehr Vereinbarungen für Pauschalverträge nach Abs 3 leg. cit. vor, sodass jede Kostenprüfung, die bisher nach § 179a Abs 1 StVG erfolgte, für nach dem 30. Juni 2012 erbrachte Leistungen nach § 179a Abs 2 und (der Höhe) nach Abs 3 StVG vorzunehmen ist. Nur in jenen Fällen, in denen eine vor dem 30. Juni 2012 nach § 179a Abs 1 StVG erteilte Weisung ausdrücklich eine unentgeltliche Behandlung auftrug, hat auch künftig der Bund die Kosten der Behandlung jedenfalls zu ersetzen.
Fallbezogen war aber auch zu prüfen, ob das Erstgericht die Bestimmung der Kosten nach allen Kriterien des § 179a Abs 2 StVG vorgenommen hat, weil das Rechtsmittelgericht an die geltend gemachten Beschwerdepunkte nicht gebunden ist, wenn es aus Anlass der Beschwerde feststellt, dass dem Erstgericht andere wesentliche, vom Beschwerdeführer nicht relevierte Rechtsverletzungen unterlaufen sind. In diesem Fall hat es auch diese zu prüfen und gegebenenfalls - unter Beachtung des Verbots der Verschlechterung (§ 16) - in seiner Entscheidung zu berücksichtigen (vgl Fabrizy, StPO11 § 89 Rz 4 mwN).
Die grundsätzliche Prüfung der Kostentragungspflicht des Bundes nach § 179a Abs 2 StVG setzt zunächst voraus, dass in den genannten Verfahren eine Weisung im Sinne des § 51 Abs 3 StGB erteilt wurde. Der Bund hat diese Kosten aber nur dann zu übernehmen, wenn der Untergebrachte keinen Anspruch auf entsprechende, diese Therapien abdeckende Leistungen aus einer Krankenversicherung und auch keine eigenen finanziellen Ressourcen hat. Das Gesetz stellt demnach im grundsätzlichen Bereich der Kostenübernahme ohne weitere Determination ausschließlich auf die Notwendigkeit der im Einzelfall zu ergreifenden Maßnahmen ärztlicher Behandlung und auf das Fehlen anderweitiger Kostendeckung ab. Lediglich zur Begrenzung des Ausmaßes der vom Bund zu ersetzenden Kosten verweist ua § 179 Abs 2 StVG auf jene Kosten, für welche die Versicherungsanstalt öffentlicher Bediensteter aufkäme, wenn der Rechtsbrecher in der BVA versichert wäre (vgl Schroll aaO Rz 53 und 54 mwN). Nur das kumulative Vorliegen beider Voraussetzungen begründet die Übernahmeverpflichtung des Bundes. Die Kosten sind nur teilweise zu übernehmen, wenn der Betroffene selbst in der Lage und daher auch verpflichtet ist, einen Teil der Kosten ohne Erschwerung seines Fortkommens zu tragen (vgl dazu Pieber aaO Rz 3 mwN).
Zu Gunsten des Betroffenen ist daher eine Verbreiterung der Entscheidungsgrundlagen, insbesondere ob er einen Anspruch auf diese Leistung aus einer Krankenversicherung hat bzw. ob er die mit der angesprochenen Weisung bei FORAM verbundenen Kosten ohne Erschwerung seines Fortkommens tatsächlich ganz - oder allenfalls auch teilweise - selbst tragen kann unabdingbar, was aber auch eine genaue und umfassende Überprüfung seiner aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse voraussetzt.
RECHTSMITTELBELEHRUNG:
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).