9Bs4/12w – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richter Dr. Winsauer als Vorsitzenden, Mag.a Reinberg und Mag.a Hemetsberger in der Strafsache gegen R***** W***** S***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das Urteil des Landesgerichtes S***** vom 9. Mai 2011, 39 Hv 22/11v-18, nach der in Anwesenheit des Ersten Staatsanwalts Mag. Fürlinger, des Ange klagten R***** W***** S***** und seiner Verteidigerin Mag.a S***** durchge führten Berufungsverhandlung am 15. Februar 2012 zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil in seinem Ausspruch über die Strafe dahin abgeändert, dass die über den Angeklagten verhängte Freiheits strafe auf dreiundzwanzig Monate herabgesetzt wird, wobei gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe von sechzehn Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird. Der unbedingte Teil der Freiheitsstrafe beträgt daher sieben Monate.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittel verfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde R***** W***** S***** des Verbrechens des gewerbs mäßigen Diebstahls nach den §§ 127, 130 erster Fall StGB (2.) sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (1.) und des unerlaubten Umgangs mit psychotropen Stoffen nach § 30 Abs 1 neunter Fall SMG (3.) schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 130 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vierundzwanzig Monaten verurteilt, wobei gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe von sechzehn Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Nach dem Schuldspruch hat der Angeklagte in S*****
1. nach einer vorläufigen Einstellung des Strafverfahrens nach § 37 SMG iVm § 35 SMG durch das Bezirksgericht Salzburg am 13. Oktober 2009 zu 29 U 426/08w bis zumindest November 2010 vorschriftswidrig ca 8 g Cannabiskraut (Wirkstoff Delta-9-THC), mithin ein Suchtgift erworben und bis zum jeweiligen Eigenkonsum oder die Sicherstellung durch die Polizei besessen;
2. von Dezember 2009 bis Sommer 2010 in mehr als zwanzig Angriffen Verfügungs berechtigten der Firma H***** fremde bewegliche Sachen, nämlich mehr als fünfzig Somnubene-, Valium- und Rohypnol-Tablettenpackungen gewerbs mäßig mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrecht mäßig zu bereichern;
3. von Dezember 2009 bis Sommer 2010 vorschriftswidrig mehr als fünfzig Packungen Somnubene-, Valium- und Rohypnol-Tabletten (Wirkstoffe Diazepam oder Flunitrazepam), mithin psycho trope Stoffe dem M***** Z***** gegen Entgelt im Tausch gegen ca 100 g Cannabiskraut überlassen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe, mit der er eine Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe und des unbedingten Teils der Freiheitsstrafe anstrebt.
Die Berufung ist im Ergebnis berechtigt.
Die vom Erstgericht angenommenen besonderen Strafzumessungsgründe (mildernd: das reu mütige Geständnis, das wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat, und die Sucht giftgewöhnung; erschwerend: acht einschlägige Vorstrafen, das Zusammentreffen von einem Verbrechen und mehreren Vergehen und die Tatwiederholung) waren insofern zu korrigieren als mit Blick auf die Verbüßung der Freiheitsstrafen zu Pos 08 und 09 der Strafre gister auskunft in den Jahren 2007 und 2009 die Voraussetzung der fakultativen Strafschärfung nach § 39 StGB vorliegt, weil diesen beiden Verurteilungen einschlägige strafbare Handlungen (§ 71 StGB) zugrunde liegen. Zudem war mildernd zu berücksichtigen, dass ein Teil des Cannabis kraut (Faktum 1.) sichergestellt wurde (US 4).
Davon ausgehend und mit Blick auf die allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung nach § 32 Abs 2 und 3 StGB vor dem Hintergrund des konkreten Handlungs-, Gesinnungs- und Erfolgsunwerts der dem Angeklagten zur Last gelegten Taten ist die personale Tatschuld durchschnittlich, sodass selbst bei dem nach § 39 StGB geschärften Strafrahmen von sechs Monaten bis zu siebeneinhalb Jahren Freiheitsstrafe das vom Erstgericht gefundene Strafmaß von vierundzwanzig Monaten (etwas mehr als ein Viertel des möglichen Strafrahmens) adäquat und demnach mit Blick auf die Tatschuld keiner Reduktion zugänglich wäre.
Rechtliche Beurteilung
Mildernd war jedoch zusätzlich nach § 34 Abs 2 StGB die unverhältnismäßig lange Dauer des Verfahrens ab Verkündung des Urteils am 9. Mai 2011 zu berücksichtigen. Kriterium für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer sind nach der Judikatur des EGMR zu Art 6 EMRK Umfang und Schwierig keit des Falles, die Art der Verfahrensführung durch die Strafverfolgungsbehörden sowie das Verhalten des Beschuldigten. Wenngleich besondere Zeitgrenzen, deren Überschreitung automatisch eine unangemessen lange Verfahrensdauer (und damit eine Verletzung des Art 6 EMRK) darstellen würden, nicht bestehen, ist einzelfallbezogen zu bewerten, dass am 18. Oktober 2010 der Abschlussbericht des SPK ***** bei der Staatsanwaltschaft einlangte (ON 2), am 23. Februar 2011 die Staatsanwaltschaft dem Landesgericht ***** den Strafantrag übermittelte (S 2 in ON 1) und der Einzelrichter am selben Tag die Hauptverhandlung für den 11. April 2011 ausgeschrieben hat, die er aufgrund einer telefonischen Bekanntgabe durch den Angeklagten auf den 9. Mai 2011 verlegte (S 5 in ON 1). In dieser Hauptverhandlung, die fünfundzwanzig Minuten dauerte, vernahm der Einzelrichter den Angeklagten und verlas im Beweisverfahren die wesentlichen Teile des Aktes (ON 17). Spätestens mit 1. Juni 2011 lag das Protokoll der Hauptverhandlung vor, jedoch verfügte der Einzelrichter erst am 28. Oktober 2011 die Abfertigung der schriftlichen Urteilsausführung. Erst am 20. Dezember 2011 teilte der Einzelrichter der Staatsanwaltschaft mit, dass das in der Hauptverhandlung angemeldete Rechtsmittel nicht ausgeführt wurde und verfügte letztlich am 2. Jänner 2012 die Vorlage an das Rechtsmittelgericht (S 6 ff in ON 1).
Unter Berücksichtigung dieser chronologischen Darstellung des Verfahrensablaufes bewirkte die - die vierwöchige Frist des § 270 Abs 1 StPO objektiv beträchtlich überschreitende und nach (durchschnittlichem) Umfang und Schwierigkeit sachlich nicht mehr gerechtfertigte, somit unverhältnismäßig lange - Dauer der Ausfertigung des Ersturteils im konkreten Fall den zusätzlichen Milderungsgrund der unverhältnismäßig langen Verfahrensdauer (§ 34 Abs 2 StGB).
Die vom Einzelrichter ausgemessene Sanktion einer zweijährigen Freiheitsstrafe entsprach zwar im Urteilszeitpunkt Tatunrecht, Täterschuld und Täterpersönlichkeit. Im Hinblick auf das Hinzu treten des dargestellten weiteren Milderungsgrundes war jedoch spruchgemäß eine diesem hinreichend Rechnung tragende Reduktion der Strafe vorzunehmen, sodass der Berufung in diesem Umfang Folge zu geben war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die angeführte Gesetzesstelle.