JudikaturOLG Linz

4R10/12m – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
20. Januar 2012

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch Senatspräsident Dr. Wilhelm Jeryczynski als Vorsitzenden sowie Mag. Hans Peter Frixeder und Mag. Edeltraud Kraupa in der Rechtssache der klagenden Partei DI M***** H*****, *****vertreten durch reif und partner, Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die beklagte Partei S***** S***** *****, vertreten durch Dr. Peter Bibiza, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 19.896,00, 4 Cg 204/10b des Landesgerichtes Linz, über den Rekurs der Beklagten gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 16. Dezember 2011, 35 Nc 25/11-3, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte hat dem Kläger binnen 14 Tagen die mit EUR 991,80 (darin EUR 165,30 USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung:

In der Tagsatzung vom 13. September 2011 beantragte die Beklagte die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet des Verkehrswesens und der Verkehrswirtschaft, „insbesondere zum Beweis für die Unangemessenheit der Werklohnforderung“ (AS 127 = Seite 3 in ON 27). Zur Abdeckung der zu erwartenden Gebühren „des von ihr beantragten SV“ trug das Erstgericht der Beklagten mit Beschluss vom 21. Oktober 2011, ON 31, den Erlag eines Kostenvorschusses von EUR 2.500,00 binnen zwei Wochen bei sonstigem Ausschluss dieses Beweismittels auf.

Am letzten Tag der Frist beantragte die Beklagte unter Hinweis auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes die Verfahrenshilfe gemäß § 64 Abs 1 Z 1 lit.a) und c) ZPO. Sie bemängelte, dass aus dem Beschluss ON 31 weder das Fachgebiet des zu bestellenden Sachverständigen noch die an ihn zu stellenden Fragen noch der konkrete Umfang der zu erwartenden bzw. in Aussicht genommenen Begutachtung ersichtlich seien. Der Kostenvorschuss sei nicht nachvollziehbar und überhöht; beweispflichtig sei nicht die Beklagte, sondern der Kläger. Sie beantragte eine Ergänzung des Beschlusses ON 31 durch Anführung des konkreten Umfangs der „SV-Begutachtung“ und der an den Sachverständigen zu stellenden Fragen, die Herabsetzung des Kostenvorschusses auf maximal EUR 1.500,00, die Abänderung des Beschlusses ON 31 dahin, dass der Kostenvorschuss beiden Parteien je zur Hälfte auferlegt werde, und die Erstreckung der Frist zum Erlag des Kostenvorschusses um weitere 14 Tage.

Mit Beschluss vom 18. November 2011, ON 33, hat das Erstgericht den Verfahrenshilfe-Antrag abgewiesen, den Beschluss ON 31 durch Bezeichnung des Fachgebietes des Sachverständigen und der von ihm zu beantwortenden Fragen ergänzt, die Erlagsfrist bis 1. Dezember 2011 verlängert und die weiteren Anträge auf Herabsetzung und Aufteilung des Kostenvorschusses abgewiesen.

Die Beklagte lehnte daraufhin den Verhandlungsrichter wegen folgender Formulierungen im Beschluss ON 33 ab:

„Der beklagten Partei geht es offensichtlichst nur um die Verschleppung des Verfahrens. Ansonsten müsste man dem Beklagtenvertreter unterstellen, dass er nicht in der Lage wäre, den Spruch der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes in seinem Inhalt zu erfassen.“

„Diese Ergänzung dient insbesondere der Gedächtnisauffrischung der beklagten Partei ... Das Gericht ging nicht davon aus, dass sich der Beklagtenvertreter nicht mehr daran erinnern kann, welchen Sachverständigen er zuvor beantragt hatte.“

Weiters machte die Beklagte als Befangenheitsgrund geltend, dass der abgelehnte Richter ihr das Verhandlungsprotokoll vom 12. Juli 2011 trotz ausdrücklichen Ersuchens nicht zugestellt habe, was sie ausdrücklich als wesentlichen Verfahrensmangel gerügt habe.

Der abgelehnte Richter erklärte, nicht befangen zu sein.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht die Ablehnung zurückgewiesen. Es erachtete die Ablehnung wegen der verweigerten Zustellung des Verhandlungsprotokolls als verfristet und wegen der Formulierungen im Beschluss ON 33 als nicht berechtigt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem sinngemäßen Antrag, der Ablehnung Folge zu geben.

Der Kläger erstattete eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag auf Bestätigung des angefochtenen Beschlusses.

Rechtliche Beurteilung

Nach der Entscheidung 4 Ob 143/10y vom 18. Jänner 2011 (= RIS-Justiz RS0126587 = JBl 2011, 395 = RZ 2011/22 = ecolex 2011/132 = Zak 2011/143) ist das Ablehnungsverfahren zweiseitig, und es findet Kostenersatz statt. Der erkennende Senat hat diese Entscheidung mit Beschluss vom 9. Juni 2011, 4 R 96/11g, abgelehnt und an der Einseitigkeit des Ablehnungsverfahrens (ohne Kostenersatz) festgehalten (RIS-Justiz RL0000103).

In der Entscheidung 7 Ob 80/11g vom 16. Juni 2011 hat der Oberste Gerichtshof unter Hinweis auf 4 Ob 143/10y ausgeführt, dass durch Zustellung des Ablehnungsschriftsatzes an die Prozessgegnerin „dem Erfordernis der Zweiseitigkeit des Ablehnungsverfahrens Rechnung getragen wurde“. In der Entscheidung 2 Ob 43/11d vom 14. Juli 2011 hat der Oberste Gerichtshof Rekursbeantwortungen mit der Begründung für zulässig erklärt, dass die Entscheidung 4 Ob 143/10y eingehend begründet sei, und diese Entscheidung dem Rechtssatz RS0126587 angefügt.

In einer von zwei Mitgliedern des Obersten Gerichtshofes herausgegebenen Zeitschrift ist die Entscheidung 4 R 96/11g des OLG Linz mit folgender Anmerkung erwähnt: „Mit dem vorliegenden Beschluss lehnte das OLG Linz diese Judikaturänderung als nicht überzeugend begründet ab und weigerte sich, ihr Folge zu leisten.“ (Zak 2011/487, 259)

Thiele (in ÖJZ 2011/98) hat kritisiert, dass das OLG Linz der jüngsten Rechtsprechung des Höchstgerichtes „die Gefolgschaft verweigert“, und die Zweiseitigkeit des Ablehnungsverfahrens samt Kostenersatz zur „gefestigten Rechtsprechung“ erklärt (mit einem Fehlzitat in FN 10 des Aufsatzes: Die Entscheidung 7 Ob 204/10s handelt von der Zewiseitigkeit des Verfahrens über einen Berichtigungsantrag und hat mit dem Ablehnungsverfahren nichts zu tun).

Es ist nicht zu erwarten, dass der Oberste Gerichtshof in nächster Zeit von der mittlerweile von 2 weiteren Senaten – wenn auch ohne eigene Begrründung - übernommenen Entscheidung 4 Ob 143/10y abrücken und sich der Meinung eines Instanzgerichtes anschließen wird. Bei dieser Sachlage erscheint es zwecklos und wäre der Rechtssicherheit abträglich, würde der erkennende Senat auf seiner in 4 R 96/11g (und in zwei weiteren Entscheidungen) vertretenen Rechtsansicht festhalten. Die Rekursbeantwortung des Klägers wird daher als zulässig behandelt.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Die unterbliebene Zustellung des Verhandlungsprotokolls vom 12. Juli 2011 kann die Rekurswerberin, wie schon vom Erstgericht dargelegt, nicht als Ablehnungsgrund geltend machen, weil sie sich am 13. September 2011 vor dem danach abgelehnten Richter in die Verhandlung eingelassen hat. Dass das Protokoll ihrem Vertreter trotz mehrfachen Ersuchens nicht zugestellt wurde, wusste die Rekurswerberin bereits am Beginn der Tagsatzung vom 13. September 2011 und nicht erst nach Zustellung des Beschlusses ON 33. Die sich aus § 21 Abs 2 JN ergebende Verpflichtung, Ablehnungsgründe sofort vorzubringen, kann nicht dadurch unterlaufen werden, dass bereits verfristete Ablehnungsgründe im Rahmen einer rückblickenden „Gesamtschau“ nachgetragen werden. Gleiches gilt für die - überdies gegen das Neuerungsverbot verstoßende - Rekursbehauptung, der abgelehnte Richter habe der Beklagten die Akteneinsicht verweigert.

Die weitere Rekursbehauptung, der abgelehnte Richter habe dem Beklagtenvertreter „zweifelsfrei unterstellt“, dass er nicht in der Lage wäre, den Spruch der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes in seinem Inhalt zu erfassen, ist falsch. Der abgelehnte Richter hat im Gegenteil diese Fähigkeit des Beklagtenvertreters mit der beanstandeten, oben wiedergegebenen Textstelle anerkannt, indem er Verschleppungsabsicht unterstellt hat. Dass sich der Beklagtenvertreter an seinen zuvor gestellten Beweisantrag nicht erinnern könne, hat der abgelehnte Richter ausdrücklich ausgeschlossen.

Der bisherige Verfahrensverlauf bietet hinreichende Anhaltspunkte für eine Verschleppungsabsicht der Beklagten, sodass die - durchaus pointierten - Ausführungen des abgelehnten Richters im Beschluss ON 33 nicht als völlig unsachlich bezeichnet werden können. Sie lassen zwar eine gewisse Missbilligung des Prozessverhaltens der Beklagten erkennen, aber kein über eine Beendigung des Verfahrens hinausgehendes Interesse an einem bestimmten Prozessausgang. Ebensowenig gibt es objektive Hinweise auf eine persönliche Abneigung des abgelehnten Richters gegen den Beklagtenvertreter, die sich auf die von ihm vertretene Partei und die Entscheidung auswirken könnten.

Es sind daher sowohl eine Befangenheit des abgelehnten Richters als auch deren objektiver Anschein zu verneinen, sodass dem Rekurs ein Erfolg zu versagen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO.

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 24 Abs 2 JN kein Rechtsmittel zulässig (Klauser-Kodek16, E 17 und 20 zu § 24 JN; Mayr in Rechberger³, Rz 5 zu § 24 JN; Ballon in Fasching, Kommentar², Rz 8 zu § 24 JN; RIS-Justiz RS0098751, RS0074402).

Rückverweise