8Bs343/11i – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch den Richter Dr. Bergmayr als Vorsitzenden und die Richterinnen Dr. Engljähringer und Mag.a Reinberg in der Strafsache gegen J***** H***** ua wegen §§ 12 dritter Fall, 302 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB und andere strafbare Handlungen über die Beschwerde der Privatbeteiligten A***** H*****, O***** H***** und R***** H***** gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 12. September 2011, 34 Hv 111/11w-91, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:
Spruch
Der Beschwerde wird Folge gegeben und dem Landesgericht Salzburg eine Vorgehensweise nach § 69 Abs 2 Satz 2 StPO aufgetragen.
Text
BEGRÜNDUNG:
Beim Landesgericht Salzburg behängt - nach Einbringung der Anklageschrift durch die Staatsanwaltschaft am 15. April 2011 - ein Strafverfahren gegen J***** H***** ua im Stadium des Hauptverfahrens. Der Beginn der Hauptverhandlung ist in diesem umfangreichen Verfahren noch nicht terminisiert.
Mit dem angefochtenen Beschluss wurde der Antrag der Privatbeteiligten A***** H*****, O***** und R***** H***** vom 1. September 2011 auf Anberaumung einer Verhandlung beim Landesgericht Feldkirch zur Feststellung und Titelschaffung der Privatbeteiligten ansprüche abgewiesen. Die dagegen von diesen Privatbeteiligten erhobene Beschwerde ist im spruchgemäßen Umfang aus folgenden Gründen berechtigt:
Rechtliche Beurteilung
Als Pendant zur urteilsmäßigen Entscheidung über einen privatrechtlichen Anspruch kann im Strafverfahren auch ein Vergleich über privatrechtliche Ansprüche geschlossen werden. Dies regelt § 69 Abs 2 StPO, der den Abschluss eines zivilrechtlichen Vergleichs nicht nur ermöglicht, sondern - das Gericht kann Privatbeteiligte und Beschuldigte von Amts wegen und über Antrag zum Vergleichsversuch laden und einen Vergleich empfehlen - auch begünstigt. Ein derartiger Vergleich ist freilich bloß im Hauptverfahren, nicht aber im Ermittlungsverfahren möglich (Korn/Zöchbauer WK-StPO § 69 Rz 19). Die Bestimmung verfolgt primär das Ziel, im Rahmen des Hauptverfahrens alle straf- und zivilrechtlichen Komponenten eines Sachverhalts nach Möglichkeit gemeinsam und abschließend zu erledigen. Neben dem Gericht des Hauptverfahrens soll nicht bloß deshalb ein Zivilgericht befasst werden, weil die Parteien einen Vergleich über die mit der Straftat in Zusammenhang stehenden zivilrechtlichen Belange anstreben (Pilnacek-Pleischl Das neue Vorverfahren Rz 282). Das Antragsvorbringen lässt einen Gleichklang der Interessen und Zielrichtung von (diesem) Privatbeteiligtenvertreter mit den Verteidigern dreier Angeklagter dahingehend annehmen, jene Privatbeteiligten vor Befriedigungsausfall zu schützen, die (noch) keine Zivilklage eingebracht haben. Demnach scheinen auch die Verteidiger Dr. G***** und Mag. M***** dem Abschluss eines solchen Vergleichs infolge der im Antrag ON 79 vorgetragenen Übereinkunft über Grund und Höhe der Ansprüche zustimmen zu wollen. Da solcherart das Strafgericht (in der funktionellen Zuständigkeit nach §§ 210 Abs 4 iVm 32 Abs 3 StPO, also durch die Vorsitzende allein) nur gehalten wäre, einen Vergleichsversuch unter Ladung der Beteiligten zu unternehmen, nicht aber selbst - außerhalb der Hauptverhandlung und ohne die dort vorgesehene Gerichtszusammensetzung - etwa erst die sachverhaltsmäßige Grundlage eines Vergleichs zu ermitteln, besteht kein Anlass, dem Antrag der Privatbeteiligten nicht nachzukommen. Würde nämlich ein solcher Vergleichsversuch mangels Übereinkunft der Beteiligten scheitern, wäre in weiterer Folge im Rahmen der Hauptverhandlung über die geltend gemach ten Privatbeteiligtenansprüche urteilsmäßig zu entscheiden (§§ 366 ff StPO).
Unter dem Gesichtspunkt des Opferschutzes ist daher bei Strafverfahren mit geltend gemachten und offenbar von der Gegenseite auch zugestandenen Schadenersatzforderungen dieser Größenordnung nach Ansicht des Beschwerdegerichts von der Bestimmung des § 69 Abs 2 Satz 2 StPO Gebrauch zu machen, ohne dass etwa dem Strafgericht dadurch der Aufwand der Aufbereitung der Grundlagen eines solchen Vergleichs, der ja lediglich versucht werden kann, entstehen darf. Vor dem Hintergrund, dass fallbezogen einerseits ein Teil der Geschädigten, die nunmehr nicht Antragsteller sind, bereits den Zivilrechtsweg beschritten hat und andere Privatbeteiligte in der Situation der Antragsteller aufgrund der Komplexität des Umfangs des Strafverfahrens nicht in absehbarer Zeit mit rechtskräftiger Feststellung ihrer Ansprüche in einem Strafurteil rechnen können, ist die Anwen dung des § 69 Abs 2 Satz 2 StPO geradezu im pflichtgemäßen Ermessen des Strafgerichts, sohin der Begriff des "kann" (§ 69 Abs 2 Satz 2 StPO) im gebundenen Ermessen gelegen.
Die darüber hinausgehende Forderung der Privatbeteiligten, ihnen auch die Anreise zum Vergleichs versuch nach Salzburg zu ersparen, löst weder mit Blick auf die (fallbezogen nach § 39 StPO delegierte) örtliche Zuständigkeit des Gerichts im Hauptverfahren noch am Maß der Geschäftsordnung der Gerichte (vgl die Wirtschaftlichkeits- und Zweckmäßigkeitsabwägungen iSd § 72 ff Geo) eine Pflicht des Strafgerichts aus, an einem anderen Ort zu verhandeln.
RECHTSMITTELBELEHRUNG:
Gegen diese Entscheidung steht ein weiteres Rechtsmittel nicht zu.