10Bs36/06z – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richter Dr. Wiesinger als Vorsitzenden, Dr. Mittermayr und Dr. Winsauer im Beisein des Schriftführers RiAA Mag. Lindorfer, in der Strafsache gegen K***** O***** wegen § 81 Abs 1 Z 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit, des Ausspruchs über die Schuld, Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche gegen das Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichtes Wels vom 5. September 2005, 11 Hv 20/05p-27, nach der in Anwesenheit des EOStA Dr. H*****, des Privatbeteiligtenvertreters Dr. St*****, des Angeklagten K***** O***** und seines Verteidigers Dr. H***** durchgeführten Berufungsverhandlung am 19. Juni 2006 zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil in seinem Strafausspruch dahin abgeändert, dass über K***** O***** gemäß § 43a Abs 2 StGB eine Geldstrafe im Ausmaß von 180 Tagessätzen zu je EUR 8,--, für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe von 90 Tagen, und eine - unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren - bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von 6 Monaten verhängt wird. Im Übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde K***** O***** der Vergehen der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Abs 1 Z 1 StGB und der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 zweiter Fall (§ 81 Abs 1 Z 1) StGB schuldig erkannt und hiefür gemäß §§ 28 Abs 1, 81 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 43a Abs 2 StGB zu einer unbedingten Geldstrafe im Ausmaß von 360 Tagessätzen zu je EUR 8,--, für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe zu 180 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, und zu einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt.
Im Adhäsionserkenntnis wurde er zur Bezahlung eines Schadenersatzbetrages iHv je EUR 500,-- an die Privatbeteiligten M***** und die mj. D***** und M***** S***** verpflichtet. Danach hat er am 15. Oktober 2004 in D***** bzw. W***** als Lenker des Sattelzugfahrzeuges M*****, samt Sattelauflieger S*****, dadurch, dass er den Sattelauflieger nicht ordnungsgemäß an das Zugfahrzeug ankoppelte, sodass es zu einem sogenannten „verkeilten Aufsatteln" kam, wodurch sich der Auflieger nach einer Fahrstrecke von rund 5 km vom Zugfahrzeug löste, in der Folge auf die Gegenfahrbahn abkam und dort mit den entgegenkommenden Fahrzeugen des F***** S***** und E***** Sch***** kollidierte, sohin unter besonders gefährlichen Verhältnissen
Rechtliche Beurteilung
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Ablehnung des am 5. September 2005 „aufrecht erhaltenen Beweisantrages ON 18" auf Einvernahme des Zeugen M***** Ü***** zum Beweis dafür, „dass der Aufsattelungsvorgang auch bei sorgfältigen Kraftfahrern in der Praxis so gehandhabt wird, wie dies der Angeklagte bereits schilderte; weiters des Zeugen G***** O*****, zum Beweis dafür, dass trotz eines Anhebens der Kupplungsplatte um 5 cm eine Verkeilung möglich sei" (S 287), Verteidigungsrechte nicht verletzt.
Die Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO setzt voraus, dass über einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag nicht oder nicht im Sinne des Antragstellers entschieden wurde. Ein auf seine Berechtigung überprüfbarer Beweisantrag liegt nur dann vor, wenn in ihm das Beweismittel und das Beweisthema angegeben und darüber hinaus dargelegt wird, inwieweit das bei Durchführung der beantragten Beweise nach Ansicht des Antragstellers zu erwartende Ergebnis der Beweisaufnahme für die Schuldfrage von Bedeutung ist und aus welchen Gründen erwartet werden kann, dass die Durchführung der begehrten Beweise auch tatsächlich das vom Antragsteller behauptete Ergebnis haben werde (Mayerhofer StPO5 E 1 und 19 zu § 281 Z 4; Ratz in WK-StPO § 281 Rz 327, 330). Im Übrigen hat ein Antrag zwecks Vervollständigung des Beweismaterials auf den Beweis einer erheblichen Tatsache abzuzielen (Ratz aaO Rz 30). Das Vorbringen, weshalb der beantragte Beweis das vom Antragsteller erwartete Ergebnis bringen werde, ist nur dann entbehrlich, soweit dies bereits aus der Sachlage ersehen werden kann; die Begründung muss jedoch umso eingehender sein, je fraglicher die Brauchbarkeit des geforderten Verfahrensschrittes im Lichte der übrigen Verfahrensergebnisse und der Einlassung des Angeklagten ist (Mayerhofer aaO E 19c).
Abgesehen davon, dass die bloße „Aufrechterhaltung des Beweisantrages (ON 18)" einen Mangel des Antragserfordernisses iSd § 238 StPO darstellt (vgl. Ratz aaO Rz 313) und solcherart einen Rückgriff auf die in der Hauptverhandlung vom 27. April 2005 (S 217) erfolgte Begründung nicht erlaubt, ist das am 5. September 2005 genannte Beweisthema keinem Zeugenbeweis zugänglich. Die Frage der (objektiven und subjektiven) Sorgfalt in Ansehung eines von Kraftfahrern gehandhabten Aufsattelungsvorganges ist eine Rechtsfrage und nicht Gegenstand einer sinnlichen Wahrnehmung. Die Wiedergabe subjektiver Eindrücke fällt nicht in den Rahmen einer Zeugenaussage, was der Antrag aber mitumfasst, da die Zeugen über die Praxis „bei sorgfältigen Kraftfahrern" bloß ihre Werturteile abgeben sollten (RIS-Justiz RS0097545 mwH). Die Frage der objektiven bzw. subjektiven Sorgfaltswidrigkeit ist aber eine vom Gericht zu lösende Rechtsfrage (Hinterhofer in WK2 Vor §§ 116ff Rz 13). Im Übrigen ging die Erstrichterin ohnehin davon aus, dass in der Praxis Aufsattelvorgänge, so wie vom Angeklagten geschildert, durchgeführt werden (US 18 unten, US 19 erster Abs iVm US 20 letzter Absatz). Die durch den Zeugen O***** unter Beweis zu stellende Tatsache, „dass trotz eines Anhebens der Kupplungsplatte um 5 cm eine Verkeilung möglich ist", lässt im Lichte der bis zur Antragstellung vorliegenden Beweisergebnisse eine genauere Begründung vermissen, warum die Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse bzw. warum der unter Beweis gestellte Umstand für die Begründung einer Feststellung über Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache erheblich sein soll (Ratz aaO Rz 332).
Aus der Chronologie der bisherigen Beweisergebnisse ist (zusammengefasst) darzustellen, dass nach der (über Antrag des Berufungswerbers, S 216f) durchgeführten Gutachtensergänzung jegliche Einflussgrößen, wie Bodenunebenheiten, Aufliegerdurchbiegung und -verwindung, Luftfederregelbewegungen, bremsbedingtes Absenken bei betriebsanleitungskonformem Aufsatteln kompensiert werden und ein verkeiltes Kuppeln nicht auftritt (S 255, 259). Auf Basis dieser Gutachtensergänzung stellte der Berufungswerber einen schriftlichen Beweisantrag auf neuerliche Ergänzung des Befundes und des Gutachtens des Sachverständigen (ON 23), da er bei einem baugleichen Aufleger mit derselben gewichtsmäßigen Beladung (gemeinsam mit seinem Bruder) festgestellt habe, dass eine Durchbiegung des Rahmens des Auflegers um 5 cm gegeben sei, woraus er (erneut) unter Beweis zu stellen versuchte, dass bei ursprünglich bündigem Schluss zwischen Kupplungsplatte des Zugfahrzeuges und Gegenstück am Auflieger im Zuge des weiteren Zurückfahrens der für ein „verkeiltes Aufsetzen" notwendige Spalt erfolgte (S 265f).
Der Sachverständige hat in der Hauptverhandlung vom 5. September 2005 hiezu ergänzend Stellung genommen und ausgeführt, dass bei einer nun unter Beweis zu stellenden stärkeren Durchbiegung auch dann aus technischer Sicht die für ein verkeiltes Kuppeln erforderliche Spaltbildung bei einem betriebsanleitungskonformen Ankuppeln nicht begründbar sei (S 275f, 284ff). Die Prämissen im Beweisantrag ON 23 hat er schlussendlich dahin beurteilt, dass aus technischer Sicht ein Anheben des Sattelaufliegers nach dem Darunterfahren durch die Sattelkupplung nicht stattgefunden habe und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass bei einem tatsächlichen Aufheben des Aufliegers im Bereich der Aufliegerstirnwand, also im vordersten Bereich des Aufliegers, ein Verkeilen nicht eingetreten wäre (S 286).
Vor dem Hintergrund dieser Expertenaussage hätte es einer näheren Begründung der Brauchbarkeit des geforderten Verfahrensschrittes bedurft.
Die Mängelrüge (Z 5) behauptet Aktenwidrigkeit, da sich aus der in den Entscheidungsgründen zitierten Betriebsanleitung keine Verpflichtung ergäbe, aus dem Sattelkraftfahrzeug auszusteigen. Die Erstrichterin hat zur begründeten Umschreibung der dem Berufungswerber angelasteten objektiven Sorgfaltswidrigkeit diese nicht allein aus der Betriebsanleitung abgeleitet, sondern - dem Sachverständigen folgend - das für einen lege artis durchgeführten Aufsattelvorgang notwendige Aussteigen miterfasst (US 5 erster Absatz iVm US 13 zweiter Absatz). Im Übrigen ist die als aktenwidrig bezeichnete Feststellung - schon nach dem Wortlaut - nicht dem Text der Betriebsanleitung entnommen, da daraus nur eine Verpflichtung zum Einfahren/Unterfahren unter den Auflieger bzw. eine verpflichtende Anhebung des Niveaus der Sattlungskuppelplatte von mindestens 5 cm hergeleitet wurde, während hingegen im nachfolgenden Satzteil nur jene Vorgangsweise umschrieben wurde, die - als Teil der objektiven Sorgfalt - die betriebsanleitungskonforme Handlung sicherstellen sollte, nämlich das Aussteigen (arg. „...sicherzustellen, indem ...aussteigt"; US 5 erster Absatz iVm S 277, 278).
Bei dem Gebot zur gedrängten Darstellung konnte auch die Erörterung des Fahrschullehrbuches (Blg./2 zu ON 18) unterbleiben, zumal daraus die vom Berufungswerber intendierte Feststellung sich nicht ableiten lässt; seiner Darstellung nach sei daraus weder die Notwendigkeit des Aussteigens, noch die Verpflichtung abzuleiten, vor dem Zurückfahren eine Anhebung der Sattlungskupplungsplatte durchzuführen. Bereits nach dem Wortlaut ergibt sich, dass beim Aufsatteln (der Reihe nach) eine Sicherung mit Keilen und Handbremse vorzunehmen, dann die erforderliche Ankuppelhöhe herzustellen und letztlich mit dem Sattelzugfahrzeug zurückzufahren sei, bis der Einkuppelungsvorgang wahrgenommen werde (vgl. Seite 9.8 unten der Blg./2 zu ON 18). Überdies ist auf Seite 9.9 der bezeichneten Beilage weiters hervorgehoben, dass die Aufsattelhöhe dadurch zu prüfen sei, dass mit Handanlegen an den Körper ein Maß gefunden und man mit diesem Körpermaß zum Anhänger gehen müsse" (Seite 9.9 aaO). Ein erörterungsbedürftiger Widerspruch der von der Erstrichterin anhand der Betriebsanleitung konstatierten objektiven Sorgfaltspflicht ist daraus nicht nachvollziehbar.
Die weitwendigen Ausführungen zu einer „angeblichen" Widersprüchlichkeit iSd Z 5 dritter Fall, inhaltlich erneut Z 5 zweiter Fall (arg. „...übergeht ...Beweisergebnisse", Seite 4 unten der Berufungsausführung), behaupten eine Verwertung des Gutachtens, obwohl dieses nicht „gesichert und schlüssig" sei.
Diese Argumente gehen allesamt fehl, da die Frage der objektiven und subjektiven Sorgfaltswidrigkeit eine vom Gericht zu lösende Rechtsfrage ist, und nicht vom Sachverständigen zu beurteilen ist. Solcherart beschränkte sich die Aussage des Experten über einen nicht lege artis durchgeführten Aufsattelvorgang dahin, dass dieser (gemeint: aus technischer Sicht) nicht entsprechend der Betriebsanleitung erfolgte, wobei er - dem beschriebenen rechtlichen Gesichtspunkt folgend - nicht zur Frage Stellung nahm, ob der vom Berufungswerber beschriebene Aufsattelvorgang „lege artis" wäre, sondern dies als Rechtsfrage bezeichnete (arg. „...wenn man ausgehen sollte, dass...zulässig wäre..."; S 206 letzter Absatz). Die vom Berufungswerber ins Treffen geführte Unkenntnis der Bedienungsanleitung „F*****" berührt solcherart erneut die subjektive Sorgfaltswidrigkeit der ohnehin vom Gericht zu lösenden Rechtsfrage, die ebenso wie die behauptete Fahrschulausbildung/-einschulung vom Erstgericht bei den anderslautenden Konstatierungen erwähnt und auch einer denklogisch einwandfreien und aktenkonformen Erörterung unterzogen wurde (US 16, 17), sodass die behauptete Unvollständigkeit nicht vorliegt.
Die aus Einrastgeräuschen und Stellung des Sicherungsbügels behaupteten Unschlüssigkeiten des Gutachtens liegen nicht vor, der Sachverständige hat - wie der Berufungswerber dies darstellt, Seite 5f der Berufungsausführung - diese aus technischer Sicht daraus abzuleitenden Eindrücke des Berufungswerbers durchaus bestätigt, jedoch für die zusammenfassende Expertise daraus keine ihn entlastenden Schlussfolgerungen gezogen; denn unter Beachtung aller Parameter erachtete es der Sachverständige als technisch nicht schlüssig, dass aufgrund einer Durchbiegung des Aufliegers eine für das verkeilte Kuppeln erforderliche Spaltbildung entstehen könnte, letztlich nur der technische Rückschluss zu ziehen sei, dass ein Anheben des Sattelaufliegers nach dem Darunterfahren durch die Sattelkupplung nicht stattgefunden habe (S 277, 284). Er bezeichnete einen daraus vom Berufungswerber gewonnenen falschen Eindruck als technisch schlüssig (Experte aaO), wodurch sich aber an seiner Aussage, dass bei einem betriebsanleitungskonformen Aufsattelvorgang (Niveauanhebung vor dem Einfahren/Unterfahren) ein verkeiltes Kuppeln nicht eingetreten wäre (S 276, 277 erster Absatz) keine Änderung ergab. Dass aus dieser - weil hiezu Fachwissen erforderlich - Expertenaussage über die Ursächlichkeit/Verhinderbarkeit des verkeilten Aufsattelns die Erstrichterin die zur Beurteilung nach § 6 StGB erforderlichen rechtlichen Schlüsse zog, ist nicht Gegenstand der Mängelrüge.
Warum die zum Beweisantrag ON 23 vom Experten getroffenen Aussagen widersprüchlich bzw. nicht nachvollziehbar seien (Seite 7 vorletzter Absatz der Berufungsausführung) wird nicht dargestellt. Der Berufungswerber greift hiezu nur auf die schriftliche Gutachtensergänzung (ON 21) zurück, sodass die am Beweisantrag (ON 23) Maß nehmenden Erörterungen des Sachverständigen (S 284ff) übergangen werden und die Mängelrüge einer sachlichen Erwiderung nicht zugänglich ist.
Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) auf die Ausführungen zur Mängelrüge verweist, genügt ein Hinweis auf obige Erörterungen. Im Übrigen orientieren sich die Ausführungen nicht am festgestellten Sachverhalt, der technischerseits jenen Aufsattelvorgang umschreibt, der das verkeilte Aufsatteln als einzige Ursache für das Loslösen des Anhängers verhindert hätte. Der Berufungswerber behauptet anhand seines Wissens und Ausbildungsstandes (Einschulung/Fahrschule), einer „Branchenüblichkeit", der ihm unbekannten Gefahr des Verkeilens und dazu fehlender Hinweise in der Bedienungsanleitung eine fehlende Tatbestandsverwirklichung iSd § 6 StGB; auch die Anzeige des Sicherungsgriffes und Sicherungsbügels und die insoweit eher untypische Verwirklichung eines derartigen verkeilten Aufsattelns, als sich die pseudostabile Verbindung erst nach mehreren Kilometern gelöst hätte, stünde einer Tatbestandsverwirklichung entgegen. Diese Ausführungen zur Rechtsrüge negieren gänzlich die Bedeutung beider Bedienungsanleitungen zur Umschreibung der objektiven Sorgfaltswidrigkeit. Diese wird mit jener Sorgfalt umschrieben, zu welcher der Täter nach den Umständen verpflichtet ist. Es kommt demnach auf jene Sorgfalt an, die in der konkreten Tatsituation zur Vermeidung der Verwirklichung eines Tatbildes erwartet werden kann. Abzustellen ist daher nicht auf jenes Sorgfaltsmaß, das ein einsichtiger, besonnener, rechtstreuer Mensch allgemein zur Vermeidung von Rechtsgutbeeinträchtigungen jeglicher Art anwendet, sondern darauf, welche Sorgfalt ein solcher Mensch in der konkreten Situation zum Schutz des gefährdeten Rechtsgutes aufgewendet hätte (Leukauf-Steininger Komm3 § 6 RN 6).
Hier wurden im Rahmen der spezifischen Tätigkeit des Berufungswerbers als Lenker eines Sattelkraftfahrzeuges Betriebsanleitungen/Bedienungsanleitungen (S 35ff iVm US 8f) erlassen, die mangels Rechtsvorschrift als Verkehrsnormen die Ausgestaltung des Tatbestandserfordernisses der objektiven Sorgfaltswidrigkeit festlegen. Darunter versteht man Verhaltensregeln, die ein Gesellschaftskreis, der an der Gestaltung eines bestimmten Lebensbereiches unmittelbar interessiert ist, selbst herausgebildet und schriftlich fixiert hat. Verkehrsnormen sind zwar nicht unmittelbar rechtlich verbindlich, können aber als Hilfsmittel zur Feststellung der Verkehrssitte herangezogen werden, wobei die Verletzung bzw. die Einhaltung von Verkehrsnormen die objektive Sorgfaltswidrigkeit indiziert (Burgstaller in WK2 § 6 Rz 46f). Solcherart dient die Betriebs- bzw. Bedienungsanleitung als Vereinfachung/Vereinheitlichung technischer Arbeitsprozesse und demgemäß auch dem Bedürfnis nach Sicherheit und damit ihrem Zweck nach einer gefahrlosen Abwicklung der mit dem Lenken/Zusammenstellen von Sattelkraftfahrzeugen tätigen Personen. Sie sind in Bezug auf andere Verkehrsteilnehmer einzuhalten, weil sie regelmäßig auch der Verkehrssicherheit (damit der Sicherheit von Personen und Sachen) dienen und sind von den beim Betrieb Tätigen als Maßstab eines sorgfaltsgemäßen Handelns zu beachten.
Nach dem festgestellten Sachverhalt ist der Berufungswerber der Verpflichtung zur Beachtung der Betriebs- bzw. Bedienungsanleitungen der Firmen Fischer und MAN nicht nachgekommen, sodass er durch dieses objektiv sorgfaltswidrige Aufsatteln kausal den Zustand einer „Verkeilung" herbeiführte, womit sich ein Risiko verwirklichte, der einem Aufsattelvorgang dann innewohnt, wenn der bündige Schluss zwischen Aufliegergegenfläche und Sattelkupplung nicht besteht (Experte, S 278f). Die vom Sachverständigen erwähnte „geringere Gefahr" eines solchen Verkeilens, dass eine über mehrere Kilometer gegebene pseudostabile Verbindung entsteht, berührt nicht die Frage des Risikozusammenhangs; soweit der Berufungswerber auf die Frage der objektiven Zurechnung abstellt, ist der Adäquanzzusammenhang als diesbezüglich erstes normatives Erfordernis gegeben. Ein Erfolg ist nur dann objektiv nicht zuzurechnen, wenn der zu ihm führende Kausalverlauf völlig außerhalb des Rahmens der gewöhnlichen Erfahrung liegt (Burgstaller aaO Rz 63).
Hiezu reicht aus, dass das Auftreten von pseudostabilen Verbindungen (wie vorliegend) in Fachkreisen bekannt ist, mag auch das Auftreten derartiger pseudostabiler Verbindungen, die über mehrere Kilometer standhalten, eher „atypisch sein". Denn es ist nicht erforderlich, dass der Täter den Erfolg in allen Einzelheiten, also einschließlich des gesamten (im vorliegenden Fall keineswegs völlig atypischen) Kausalverlaufes hätte vorhersehen können; genug daran, dass sorgfältige Aufsattelvorgänge - nach dem Erfordernis des Risikozusammenhangs - allgemein der Gefahr einer Beschädigung durch Verlieren des Aufliegers entgegen wirken sollen (S 282). Die wiederholten Hinweise auf anderslautende Fahrschulunterlagen/Einschulungen und in der Praxis so übliche Aufsattelvorgänge führen nicht zum Freispruch. Denn im Rahmen der subjektiven Sorgfaltswidrigkeit kommt es darauf an, ob der Täter bei der Beurteilung des Sachverhaltes jenes Maß an gebotener pflichtgemäßer Sorgfalt aufgewendet hat, das von ihm objektiv, nach den Umständen des Falles, gefordert werden musste und ihm subjektiv, nach seinen persönlichen Verhältnissen zugemutet werden konnte. Nur dann, wenn der Irrtum nicht auf mangelnder Vorsicht oder Nichtbeachtung bestehender Vorschriften beruht, ist er rechtlich von Bedeutung (12 Os 119/72; 11 Os 8/73).
Aus dem Vorliegen einer objektiven Sorgfaltsverletzung kann man auf das Vorliegen auch der Fahrlässigkeitsschuld schließen, sofern sich aus dem Tatgeschehen und der Person des Täters keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass gerade dieser Täter den objektiven Sorgfaltsanforderungen nicht nachkommen konnte. Auf die Unkenntnis dessen, was zum allgemeinen Erfahrungs- und Wissensstand eines ordnungsgemäß ausgebildeten und verantwortungsbewussten Angehörigen seines Berufskreises oder Tätigkeitsbereiches gehört, kann sich der Täter in der Regel nicht berufen (11 Os 61/91).
Warum dem Berufungswerber, der die Bedienungsanleitung der Firma M***** kannte (S 191, 201), die Einsicht in die Erkennbarkeit der für Leib oder Leben gefährlichen anderweitigen Vorgangsweise verwehrt gewesen sein soll, ist nicht nachvollziehbar. Anhaltspunkte aus dem Beweisverfahren für solch eine die subjektive Sorgfaltswidrigkeit verneinende Feststellung sind nicht vorgekommen, hat doch der Berufungswerber nur die Tatsache der nun erfolgten Ausrüstung von Fahrzeugen mit Luftfederung angeführt (S 191). Hiezu hat der Sachverständige aber (auch in Ansehung des vorgelegten Fahrschuhllehrbuches) ausgeführt, dass die dort beschriebenen Vorgänge beim Aufsatteln es völlig offen lassen, ob der herzustellende Niveauunterschied im Zuge des bereits unterfahrenen Fahrzeuges eintreten oder aber durch den ausgestiegenen Fahrer erfolgen soll (S 282). Um nämlich einen Kupplungsvorgang entsprechend der Bedienungsanleitung auszuführen, bei welchem sich die Kupplungsplatte um mindestens 5 cm höher befindet als die Aufliegergegenfläche, hat der Experte aus technischer Sicht ein Aussteigen für erforderlich erachtet, welches die Erstrichterin als Maßstab der objektiven Sorgfalt nahm. Nur so ist die Forderung der Bedienungs-/Betriebsanleitung aus technischer Sicht erfüllbar, da vom Fahrersitz aus eine erforderliche Anhebung bei der vom Berufungswerber gewählten Vorgangsweise nur - so der Sachverständige - über „gut Glück" erkennbar bzw. erreichbar wäre (S 287). Warum eine Kenntnisnahme auch der Bedienungsanleitung F***** (S 43), die bei Sicherstellung des Niveauunterschiedes anschließend ein „zwischen den Fahrzeugen Heraustreten" (!) beschreibt, dem Berufungswerber bei seinen subjektiven Fähigkeiten und Kenntnissen verschlossen bleiben soll, ist nicht nachvollziehbar. Ein ordnungsgemäß ausgebildet und verantwortungsbewusster Lenker eines Sattelfahrzeuges hat sich an der Bedienungs- bzw. Betriebsanleitung des von ihm gelenkten Sattelzugfahrzeuges (als Verkehrsnorm für ein sorgfaltsgemäßes Ankuppeln) zu orientieren, um die aus dem KFG ihn treffende Verpflichtung der Überprüfung/Herstellung der Verkehrs- bzw. Betriebssicherheit vor Fahrtantritt zu entsprechen bzw. diese sicherzustellen.
Das mit der Einhaltung der Verkehrsnorm auszuschaltende Risiko einer nicht vollständigen Berührung der Sattelkupplungsplatte mit der Gegenfläche am Auflieger bei zu niedrigem Einfahren (S 25) hat sich im vorliegenden Fall verwirklicht (Bejahung des Risikozusammenhangs), wobei der Adäquanzzusammenhang - wie dargestellt - durch den dann aus technischer Sicht zwar eher atypischen, aber doch gegebenen (S 279 oben) Verkeilungsvorgang nicht aufgehoben wird (vgl. erneut S 282). Zur Bejahung dieser beiden objektiven Zurechnungskriterien genügt es, dass durch einen betriebsanleitungskonformen (sorgsamen) Aufsattelvorgang die Gefahr eines Verlierens allgemein ausgeschlossen werden sollte. Die dem Sachverständigen aus der Praxis bekannten Aufsattelvorgänge (wie vom Berufungswerber gehandhabt) verändern bei der vom Experten bejahten Gefahr (S 27 oben) nicht den Rahmen der durch die Verkehrsnorm (Betriebs- bzw. Bedienungsanleitung) umschriebenen Sorgfaltspflicht.
Die auf „zahlreiche Umstände", die ihn geradezu „in die Irre führten", abstellenden Berufungsausführungen (Seite 9 - 11 aaO) greifen zu kurz, wenn sie aus der Stellung des Sicherungsgriffes, der bei tatsächlich nicht ordnungsgemäßem Ankuppelvorgang aber einen solchen anzeigte, auf fehlende Kontrollmöglichkeiten des Berufungswerbers hinweisen, sodass gemessen an der differenzierten Maßfigur ihm keine subjektive Sorgfaltswidrigkeit anzulasten sei. Damit lässt der Rechtsmittelwerber wieder außer Acht, dass bereits die nicht bedienungsanleitungskonforme (also der Verkehrsnorm entsprechende) Einleitung des Aufsattelvorganges die Verletzung einer Sorgfaltspflicht darstellt, sodass damit die Haftung begründet ist. Dass ihm die Einhaltung dieses Sorgfaltsmaßstabes nach seinen subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten nicht möglich gewesen sei, wird nicht dargetan und ist auch aus der Aktenlage nicht nachvollziehbar.
Wie eingangs erwähnt, kann bei Fahrlässigkeitsdelikten einem Irrtum über Tatsachen nur dann schuldausschließende Wirkung zukommen, wenn er ohne Verschulden des Täters eingetreten ist; soweit der Berufungswerber aus den - von ihm zahlreich ins Treffen geführten - Umständen in „Irrtum" über das Gelingen eines ordnungsgemäßen Ankuppelungsvorgangs geführt worden sein will, übersieht er, dass dieser auf seiner mangelnden Vorsicht und Nichtbeachtung bestehender Vorschriften (Betriebs- bzw. Bedienungsanleitung) beruht, weshalb der Irrtum rechtlich nicht von Bedeutung und dem Täter trotzdem als fahrlässig anzulasten ist (RIS-Justiz RS0088911 mwH; 11 Os 8/73). So gesehen sind die Wahrnehmung des Anheberucks sowie des Rucks beim Einrasten der Kupplung, der Anfahrruck ohne Auffälligkeiten und die optische Kontrolle und Tastprobe am Sicherungsbügel nicht geeignet, die strafrechtliche Haftung zu beseitigen.
Die Subsumtionsrüge (Z 10) verneint das Vorliegen besonders gefährlicher Verhältnisse, die - mit dem Erstgericht - aus dem einzigen, aber besonders gewichtigen risikoträchtigen Umstand des nicht verkehrssicheren Sattelzugfahrzeuges (verkeilte Verbindung) abzuleiten sind. Warum aus dem in den Entscheidungsgründen erwähnten „Masse- bzw. Wuchtverhältnissen" nicht jene außergewöhnlich hohe Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass ein anderer Mensch getötet oder zumindest schwer verletzt wird, kann der Berufungswerber an diesen rechtlichen Erfordernissen ausgerichtet nicht dartun. Auch das im Rahmen des § 81 Abs 1 Z 1 StGB zu prüfende Schulderfordernis zeigt anhand der Aktenlage nicht auf, warum aus den konkreten Umständen der mangelnden Kenntnisnahme bzw. Beachtung der Bedienungsanleitung, die die besondere Gefährlichkeit begründeten, diese in ihrer gefahrensteigernden Bedeutung dem Berufungswerber nicht bekannt oder nach seinem Wissen nicht erkennbar gewesen sind.
Die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld kann keinerlei Zweifel an den erstrichterlichen Feststellungen und der zugrunde liegenden Beweiswürdigung erwecken. Die Feststellung eines aus technischer Sicht nicht nach den Regeln des entsprechenden Verkehrskreises vorgenommenen Aufsattelvorganges hat die Erstrichterin aus dem Sachverständigengutachten abgeleitet. Insoweit vermag die Berufung keine andere schlüssige bzw. lebensnahe Folgerung aufzuzeigen.
Auch die neuerlich in Abrede gestellte subjektive Zurechenbarkeit des Erfolges scheitert an rechtlichen und tatsächlichen Prämissen: nach allgemeiner Auffassung verlangt dieses Erfordernis, dass der Handelnde den eingetretenen Erfolg und - in den wesentlichen Zügen - den zu ihm führenden Kausalverlauf auch subjektiv, dh nach seinen persönlichen Verhältnissen hätte voraussehen können. Die subjektive Voraussehbarkeit des Erfolges als solchen ist in der subjektiven Sorgfaltswidrigkeit des Verhaltens bereits enthalten. Die eigenständige Bedeutung dieses Schuldmomentes liegt ausschließlich in der geforderten Voraussehbarkeit des Kausalverlaufes. Dazu vertreten Lehre und Rechtsprechung einhellig, dass der Täter lediglich allgemein voraussehen können muss, dass der Erfolg in einer Weise zustande kommt, die den Anforderungen des Adäquanz- und Risikozusammenhanges genügt. Die Vorhersehbarkeit des konkreten Kausalverlaufes innerhalb dieses Rahmens ist dagegen nicht erforderlich (Burgstaller in WK2 § 6 Rz 93, 96f). Eingangs wurde bereits dargestellt, dass die objektive Zurechenbarkeit des Erfolges nach den Ausführungen des Sachverständigen (S 208 unten, 209 erster Absatz, 282), wonach in Fachkreisen bzw. bei den Recherchen immer wieder nicht sorgsame Aufsattelvorgänge und Verlieren des Aufliegers durch pseudostabile Verbindungen bekannt sind, zu bejahen ist. Demnach indiziert die objektive Zurechenbarkeit des Erfolges das in Rede stehende Schuldmoment (Burgstaller aaO Rz 98), sodass angesichts der auch zu bejahenden subjektiven Sorgfaltswidrigkeit Konstellationen, in denen dies auseinanderklafft, ohnehin nur schwer denkbar sind.
Die Argumente des Berufungswerbers zur Verneinung der festgestellten subjektiven Sorgfaltswidrigkeit wurden bereits im Rahmen der Mängel- und Rechtsrüge abgehandelt, sodass ein Verweis hierauf genügt. Der Schuldspruch hat daher Bestand.
Das Erstgericht wertete als erschwerend die Tötung bzw. schwere Verletzung je zweier Personen, mildernd die Unbescholtenheit. Wenngleich mangels Eingeständnisses der subjektiven Komponente kein reumütiges Geständnis vorliegt, hat doch der Berufungswerber durch die Darstellung des Ankuppelungsvorganges vor der Sicherheitsbehörde (S 153f), der den Schuldspruch trägt, wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB). Aus der Blg. 7 zu ON 18 folgt eine teilweise Schadensgutmachung.
Bei Gewichtung dieser besonderen Strafzumessungsgründen nach den allgemeinen Grundsätzen der Strafbemessung stehen gemäß § 32 Abs 2 StGB alle jene vom Berufungswerber in der Mängel- und Rechtsrüge relevierten Umstände im Vordergrund, sodass äußere Umstände bzw. Beweggründe den Schuldgehalt herabsetzen, ausschließlich der Erfolgsunwert ist hoch. Bei richtiger Gewichtung ist angesichts eines Strafrahmens bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe eine unter - von der Staatsanwaltschaft ohnehin nicht bekämpften - Anwendung des § 43a Abs 2 StGB ausgemessene Geldstrafe von 180 Tagessätzen und eine bedingte Freiheitsstrafe von 6 Monaten tat- und schuldangemessen. Soweit der Berufungswerber unter Hinweis auf teilweise Liquidation und künftige Leistungen der Haftpflichtversicherung eine Verweisung auf den Zivilrechtsweg begehrt, steht dem der bescheinigte Teilschadenersatzbetrag (S 215 unten iVm Blg. 5, 7 und 9 zu ON 18) entgegen, sodass insoweit die Berufung erfolglos bleibt. Oberlandesgericht Linz, Abt. 10,