JudikaturOLG Linz

10Bs7/96 – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
12. Januar 1996

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat über die Beschwerde des D***** B***** gegen den Beschluß des Landesgerichtes X vom 2. Jänner 1996, nach Anhörung der Oberstaatsanwaltschaft in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben und die über D***** B*****, geboren am 29.6.1967, wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127, 128 Abs 1 Z 4 und 130 StGB gemäß § 29 Abs 1 ARHG aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr gemäß § 180 Abs 1 und 2 Z 1 und 3 lit b StPO fortgesetzte Auslieferungshaft gemäß § 29 ARHG aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 180 Abs 1 und 2 Z 1 StPO fortgesetzt.

Dieser Haftbeschluß ist längstens wirksam bis 12. März 1996.

Die Untersuchungshaft ist jedoch unverzüglich aufzuheben, wenn die im Rahmen der Anwendung der nachstehend angeführten gelinderen Mittel gemäß § 180 Abs 5 Z 1, 2, 3, 4, 5 und 7 StPO erteilten Auflagen erfüllt sind:

1.) Das Gelöbnis, bis zur rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens weder zu flüchten noch sich verborgen zu halten noch sich ohne Genehmigung des Untersuchungsrichters von seinem Aufenthaltsort zu entfernen;

2.) Das Glöbnis, keinen Versuch zu unternehmen, die Untersuchung zu vereiteln;

3.) die Weisung, bei H***** S*****, X-Dorf zu wohnen und einer geregelten Arbeit bei der Firma S*****, nachzugehen und dies binnen zwei Tagen dem Gericht nachzuweisen;

4.) die Weisung, jeden Wechsel des Aufenthaltsortes anzuzeigen und sich jeden zweiten Tag beim Gendarmerieposten X zu melden;

5.) die vorübergehende Abnahme der Reisepapiere;

6.) die Leistung einer vom Untersuchungsrichter der Höhe nach festzusetzenden Kaution gemäß §§ 190 ff StPO.

Text

Begründung:

Mit Beschluß des Untersuchungsrichters vom 21.12.1995 (AS 3) wurde gegen den Beschwerdeführer die Voruntersuchung wegen des Verdachts des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 StGB im Hinblick auf eine mögliche Auslieferung nach Deutschland eingeleitet.

An diesem Tag wurde auch über D***** B***** - aufgrund des darauf abzielenden Antrages der Staatsanwaltschaft X (AS 2) - die Auslieferungshaft gemäß § 29 Abs 1 ARHG aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr gemäß § 180 Abs 1 und 2 Z 1 und 3 lit b StPO verhängt.

Nach Durchführung einer Haftverhandlung am 2.1.1996 (ON 12) beschloß der Untersuchungsrichter darüber hinaus die Fortsetzung der Auslieferungshaft über den Beschwerdeführer aus den bisher angezogenen Haftgründen (ON 13).

Dagegen richtet sich die Beschwerde des D***** B*****, mit der er die Aufhebung dieser Haft unter Anwendung gelinderer Mittel mit der Begründung begehrt, daß der hinreichende Tatverdacht nur im Umfang eines Vergehens der Hehlerei gegeben sei, der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nicht vorliege und der Haftgrund der Fluchtgefahr durch Anwendung gelinderer Mittel, insbesondere dem Erlag einer Kaution in der Höhe von S 100.000, abgewendet werden könne.

Die Oberstaatsanwaltschaft beantragte der Beschwerde nicht Folge zu geben.

Die Beschwerde ist berechtigt.

Aufgrund der Strafanzeige der BPD X vom 20.12.1995 (ON 2), der Aussage des Beschwerdeführers anläßlich der Haftverhandlung am 2.1.1996 vor dem Untersuchungsrichter (AS 117 ff) und im Hinblick auf den Aktenvermerk des Untersuchungsrichters vom 11.1.1996 ist D***** B***** - entgegen der Meinung des Erstgerichts - hinreichend verdächtig (§ 31 Abs.1 ARHG), das Vergehen der Hehlerei nach § 164 Abs 2 und 3 StGB dadurch begangen zu haben, daß er um den 16.12.1995 in F (D) gestohlene Waren im Gesamtwert von ca. S 80.000 bis S 100.000 (Kosmetikartikel, Kleidung) gekauft habe.

Im Umfang des Tatvorwurfes des Vergehens der Hehlerei wird der hinreichende Tatverdacht als Voraussetzung für die Verhängung einer Auslieferungshaft im Rahmen der Beschwerde auch nicht bekämpft.

Bislang konnte nämlich die an sich nicht lebensfremde Annahme des Untersuchungsrichters des Landesgerichtes X, wonach der Beschwerdeführer die bei ihm sichergestellten Gegenstände in F (D) gestohlen habe, durch konkrete Indizien nicht erhärtet werden, sodaß im Umfang des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs.1 Z4, 130 StGB lediglich ein vager Verdacht vorliegt, der einen "hinreichenden Verdacht" im Sinne des § 31 Abs 1 ARHG nicht rechtfertigen läßt.

Ausgehend von dem der Verdachtlage zugrundeliegenden Tatvorwurf, hat der Beschwerdeführer in einem Angriff sämtliche vermutlich gestohlene Waren an sich gebracht, sodaß im Hinblick auf seine Unbescholtenheit sowohl in Österreich (AS 9) als auch in Deutschland (AS 141) der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs.1 und 2 Z.3 StPO jedenfalls nicht anzunehmen ist.

Unbestritten ist, daß der rumänische Staatsangehörige D***** B*****, der im Raum Schärding mit einem gefälschten ungarischen Reisepaß und einem gefälschten ungarischen Führerschein nach Österreich einreisen wollte, in Österreich sozial nicht so integriert ist, sodaß vom Erstgericht zu Recht der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 180 Abs 1 und 2 Z 1 StPO angenommen wurde, da konkret die Gefahr besteht, daß sich der Beschwerdeführer ohne weitere Sicherungsmaßnahmen auf freiem Fuß dem anhängigen Auslieferungsverfahren durch Flucht entziehen könnte, wobei auch zu berücksichtigen war, daß den deutschen Behörden für ein allfälliges Auslieferungsersuchen eine Frist bis 22.1.1996 gestelllt worden ist (AS 165).

Rechtliche Beurteilung

Da die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Straftat gemäß § 164 Abs 3 StGB (idF BGBl Nr.622/1994) mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bedroht ist und der Beschwerdeführer sowohl im Rahmen der Haftverhandlung (As 119) als auch in seiner Beschwerde (AS 153) den Erlag einer Kaution in Höhe von S 100.000 angeboten hat, war gemäß § 190 Abs 1 StPO die vom Erstgericht fortgesetzte Untersuchungshaft jedenfalls gegen Ablegung der im § 180 Abs 5 Z 1 und 2 erwähnten Gelöbnisse aufzuheben.

In Anbetracht der mangelnden sozialen Integration des Beschwerdeführers und der bei lebensnaher Betrachtung vorliegenden akuten Fluchtgefahr, waren jedoch auch noch die aus dem Spruch ersichtlichen weiteren gelinderen Mittel gemäß § 180 Abs 5 Z 3, 4, 5 und 7 StPO anzuwenden.

Im Hinblick auf die im Rahmen der gelinderen Mittel erteilten Auflagen (Abnahme der Reisepapiere, Leistung einer Kaution) mußte jedoch die Untersuchungshaft so lange fortgesetzt werden, bis die Erfüllung dieser Auflagen durch den Beschwerdeführer die sofortige Aufhebung der Untersuchungshaft notwendig macht.

Gemäß § 181 Abs 1 StPO wird die Untersuchungshaft durch diese Entscheidung daher formal "fortgesetzt", sodaß dieser Beschluß eine gesetzlich normierte Haftfrist auslöst. Diese Haftfrist richtet sich nach § 182 Abs 4 iVm § 181 Abs 2 Z 3 StPO.

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