2R229/93 – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch die Richter Dr.Wolfgang Kossak als Vorsitzenden sowie Dr.Reinhold Schaumüller und Dr.Johannes Payrhuber-Wolfesberger in der Rechtssache der klagenden Partei Firma E. W., vertreten durch Dr.Erhart Weiss, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A. R., vertreten durch Dr.Herwig Liebscher, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Zuhaltung eines Vertrages (Streitwert S 500.000,--), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 13.9.1993, 3 Cg 243/93-4, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Rekurswerber hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig (§ 528 Abs.2 Z.2 ZPO).
Text
Begründung:
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt die klagende Partei, die beklagte Partei zur Zuhaltung eines am 10.9.1992 geschlossenen Vertrages zu verpflichten.
Die beklagte Partei trat diesem Antrag entgegen, bemängelte gemäß § 7 RATG den von der klagenden Partei mit S 500.000,-- bemessenen Streitwert und beantragte dessen Festsetzung mit S 15 Millionen. Weiters wurde - gestützt auf § 7 a JN - die Verhandlung und Entscheidung durch den Senat beantragt.
Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Erstgericht den Antrag auf Senatsbesetzung ab. Unter Hinweis auf § 60 Abs.4 JN iVm § 60 Abs.1 JN vertrat es die Rechtsansicht, § 7 a Abs.2 JN sei so zu verstehen, daß nur dann, wenn von vornherein ein die Senatsbesetzung ermöglichender Streitwert vorhanden sei, spätestens mit der Klagebeantwortung durch den Beklagten eine Senatsbesetzung beantragt werden könne. Die gemäß § 7 RATG mögliche Hinaufsetzung des Streitwertes könne daher keine Auswirkung auf Zuständigkeit und Gerichtsbesetzung haben, sondern lediglich auf die Prozeßkosten.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der rechtzeitige Rekurs der beklagten Partei mit dem Abänderungsantrag, der Streitwert möge mit S 15 Millionen festgesetzt und die Rechtssache durch einen Senat verhandelt und entschieden werden; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Für den Fall der Abweisung seiner Anträge regt der Rekurswerber überdies die Einleitung eines Normprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof an.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Wie das Erstgericht zutreffend ausführt - und auch der Rekurswerber zubilligt - , kann eine zu geringe Bewertung des Streitwertes durch die klagende Partei nie Anlaß zur Bestreitung der Zuständigkeit und Gerichtsbesetzung geben. Vielmehr ordnet § 60 Abs.1 JN nur an, daß das Gericht bei übermäßiger Bewertung befugt ist, die Richtigkeit der Wertangabe zu überprüfen, welche Vorschrift in Wechselwirkung mit der in § 104 Abs.2 JN enthaltenen Bestimmung steht, wonach Rechtssachen, die vor ein Bezirksgericht gehören, nicht vor einen Gerichtshof erster Instanz gebracht werden können. § 60 Abs.4 JN wiederum bestimmt ausdrücklich, daß außer dem im Abs.1 bezeichneten Fall die in der Klage enthaltene Bewertung des Streitgegenstandes in Ansehung der Zuständigkeit und der Besetzung des Gerichtes sowohl für das Gericht als für den Gegner bindend ist (vgl. SZ 4/36 u.a.).
Was nun die Bemängelung der Bewertung des Streitgegenstandes gemäß § 7 RATG betrifft, so erschöpft sich der Zweck dieser Bestimmung darin, eine angemessene Kostenbemessungsgrundlage zu erzielen. Eine dahingehende Beschlußfassung des Gerichtes löst lediglich eine Vorfrage für die Kostenentscheidung. Eine Anwendung des § 7 RATG auf die Fragen der Gerichtsbesetzung ist daher ausgeschlossen (vgl. Feil-Hajek, Rechtsanwaltskosten2 Rz 3 zu § 7 RATG).
Im übrigen ist der Rekurswerber darauf hinzuweisen, daß Beschlußfassungen in Richtung des § 7 RATG unanfechtbar sind, sodaß es - würde man ihm die analoge Anwendung des § 7 RATG auf seinen Senatsbesetzungsantrag zubilligen - zu diesem Rekurs gar nicht kommen hätte können.
Aus den genannten Gründen gelangte das Erstgericht daher mit Recht zum Ergebnis, der von der beklagten Partei gestellte Antrag auf Senatsbesetzung sei im vorliegenden Fall nicht durch das Gesetz gedeckt. Das Erstgericht wies den Antrag in der Folge zwar ab, anstatt ihn richtigerweise zurückzuweisen; dabei dürfte es sich jedoch um einen Schreibfehler handeln, ist doch aus der erstgerichtlichen Begründung die Zurückweisungsabsicht erkennbar.
Letztlich sei noch darauf hingewiesen, daß sich der erkennende Senat nicht zur Einleitung eines Normprüfungsverfahrens veranlaßt sah. Schon aus den Gesetzesmaterialien zur Zivilverfahrens-Novelle 1983 (NR:GP XV RV 669 AB 1337 S.144) ist im Hinblick auf § 7 a JN nämlich die grundsätzliche Tendenz des Gesetzgebers klar erkennbar, im Zuge der Vereinfachung und Straffung des Verfahrens die Senatsgerichtsbarkeit sukzessive einzuschränken und eine vermehrte Verwendung des Einzelrichters im Gerichtshofverfahren zu erreichen. So bleibt die einzelrichterliche Zuständigkeit auch dann bestehen, wenn der Streitwert nachträglich die Wertgrenze überschreitet. Es führt daher die Auslegung des Erstgerichtes keinesfalls - wie der Rekurswerber vermeint - zu einem verfassungswidrigen Ergebnis, sondern entspricht durchaus der verfassungskonformen Intention des Gesetzgebers.
Die Rekurskostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.