7Bs198/93 – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richter Senatspräsident Dr. Ludwig Rathmayr als Vorsitzenden, Dr. Alois Jung (Berichterstatter) und Dr. Erich Feigl im Beisein des Schriftführers RiAA Mag. Eichinger in der Strafsache gegen D.M. wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach dem § 111 Abs.1 und 2 StGB über die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes Salzburg vom 9. Juli 1992, 35 E Vr 1208/89-39, nach der in Anwesenheit des Vertreters des Privatanklägers J. P., Dr. Günther Stanonik, des Angeklagten D.M. und seines Verteidigers Dr. Ulrich Sinnispichler durchgeführten Berufungsverhandlung am 26. August 1993 zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem bekämpften Urteil wurde D.M. des Vergehens der üblen Nachrede nach dem § 111 Abs.1 und 2 StGB schuldig erkannt und nach Absatz 2 dieser Gesetzesstelle zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen - die Höhe des einzelnen Tagessatzes wurde mit S 900,-- bemessen - verurteilt. Für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wurde die Ersatzfreiheitsstrafe mit 30 Tagen festgesetzt. Die Geldstrafe wurde gemäß dem § 43 Abs.1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Nach den entscheidungswesentlichen Feststellungen hat D.M. am 14.4.1989 in Salzburg anläßlich einer Pressekonferenz behauptet, gegen ihn sei ein Komplott mit kriminellen Methoden geschmiedet worden, und diesen Vorwurf eindeutig auf die Gemeinderatsfraktion der Bürgerliste, insbesondere auf deren Vorsitzenden J.P. bezogen.
Dieser Pressekonferenz ging eine sogenannte "Inseratenaffäre" voraus. Anfang des Jahres 1987 wurde nämlich in einigen Zeitungen bzw. Zeitschriften der Verdacht geäußert, der damalige rat der L.stadt S. D.M. hätte Unterlagen des amtes auch über teilweise noch nicht fertiggestellte vorhaben der Stadt S. an die damalige -Zeitung "S.blatt" weitergeleitet. Diese Zeitung ("S.blatt") soll sodann aus dem Kreis dieser firmen Anzeigen gekeilt haben, wobei die Firmen in einem gewissen Zwang zur Inseratenaufgabe gestanden sein sollen. Ein diesbezüglicher Artikel erschien am 19.12.1988 im Nachrichtenmagazin "P". Die Stadt S. reagierte auf diese Vorwürfe, indem das Kontrollamt eingeschaltet wurde. Der Klubobmann der S.liste im S. Gemeinderat J. P. erstattete am 21.2.1989 bei der Staatsanwaltschaft S. gegen D.M. wegen des Verdachtes des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 StGB und des Vergehens der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach dem § 310 StGB Strafanzeige. Darin wurde der Verdacht der Weitergabe von Unterlagen über noch nicht fertiggestellte vorhaben geäußert; dieses Verfahren wurde in weiterer Folge eingestellt. Das Kontrollamt stellte keine Unregelmäßigkeiten in der Amtsführung durch rat M. fest.
Gegen den Beamten den Kontrollamtes der Stadt S. wurde wegen des Verdachtes des Vergehens der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach dem § 310 StGB Anklage erhoben. Die Staatsanwaltschaft warf ihm darin vor, Berichte aus dem beim Kontrollamt geführten Prüfungsverfahren (zur Prüfung interner Amtsvorgänge im Ressort des Stadtrates D.M. und anderer Repräsentanten der S. liste weitergegeben zu haben. Von diesem Vorwurf wurde F. P. mit dem Urteil des Landesgerichtes S. vom 16.3.1992, rechtskräftig freigesprochen. Zwischen der Anzeigeerstattung des J. P. bei der Staatsanwaltschaft S. gegen D.M. am 21.2.1989 und dem freisprechenden Urteil vom 16.3.1992 liegt die Pressekonferenz vom 14.4.1989, die von rat D.M. und dessen Verteidiger Rechtsanwalt gegeben wurde. An ihr nahmen einige Journalisten - so auch Dr. M. M. vom ORF, teil. In dieser Pressekonferenz äußerte D.M.: " .. Ich bin auch enttäuscht darüber, daß gerade von einer Partei wie der liste, wo bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit über die politische ... und das Begegnen der Politiker untereinander gesprochen wird, daß hier so ein Komplott mit derartigen Methoden oder kriminellen Methoden eingefädelt wird. Ich glaube, daß sich der Herr Klubobmann P. die Forderungen oder die Rücktrittsforderungen, die er allenthalben an alle möglichen ... er war vielleicht am Anfang no a bißl stolz, daß ich der zweite war, an den er die Rücktrittsforderung gerichtet hat, in der Zwischenzeit glaube ich, san scho alle Kollegiumsmitglieder und eine Großzahl auch der Ausschußvorsitzenden und Klubobmänner dazu aufgefordert worden, daß er sich die Konsequenzen sehr gut überlegen sollte und vielleicht wird dann a Platz fürn F. frei, wa gar net so schlecht, weil das trau ich mir auch sagen, daß eine derartige Vorgangsweise ich früher von der liste mir nicht vorstellen hätte können. ..."
Bei dieser Pressekonferenz, bei der es um die Verteidigung gegen die im Zusammenhang mit der erwähnten "Inseratenaffäre" erhobenen Vorwürfe gegen D.M. ging, waren neben dem bereits erwähnten ORF-Journalisten Dr. M. M. auch die Journalisten H., Dr. M. S., V. C. und B. B. K., geb. G. anwesend. Sie berichteten über diese Pressekonferenz Der vom genannten Dr. M. M. verfaßte Bericht wurde am 15.4.1989 in der Radiosendung "S.-" um 12.45 Uhr gesendet. Darin hieß es:
"Es sei ein Komplott mit kriminellen Methoden gegen ihn eingefädelt worden, das haben heute der rat D.M. und sein Anwalt erklärt... behauptete heute, listen-obmann J. P. und der mittlerweile suspendierte hätten geheime Unterlagen weitergegeben."
Durch die Äußerung bei dieser Pressekonferenz, daß ein Komplott mit derartigen Methoden oder kriminellen Methoden eingefädelt wird und die unmittelbar darauffolgende Erwähnung des obmannes P. wurde der Privatankläger eines unehrenhaften Verhaltens beschuldigt. Dieser Vorwurf unehrenhaften Verhaltens konnte sich nach dem, was bei der Pressekonferenz gesagt wurde, und nach dem politischen Grund der Einberufung dieser Konferenz, die dazu dienen sollte, zu den Vorwürfen, die gegen M. unter anderem von Seiten der liste kamen, Stellung zu nehmen, nur auf die Gemeinderatsfraktion der S.liste - und hier insbesondere auf ihren Vorsitzenden - beziehen. Die Tat wurde vor einer Mehrzahl von Journalisten begangen, auch ein Journalist des ORF war anwesend, die Äußerung von der "kriminellen Methode" wurde tags darauf im Radio gesendet; wiederum im Zusammenhang mit dem Namen des Privatanklägers. Somit wurde die Tat auf eine Weise begangen, wodurch sie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wurde. Der Angeklagte habe dies ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden.
Beweiswürdigend ging das Erstgericht davon aus, daß der Angeklagte mit seiner Äußerung über die kriminellen Methoden die Gemeinderatsfraktion, namentlich ihren Vorsitzenden P. meinte. Dies leite sich aus den Aussagen der Zeugen ab. Die insoweit leugnende Verantwortung des Angeklagten hielt es demnach für widerlegt, wobei das Erstgericht im Inhalt der Tonbandübertragung eine zusätzliche Stütze sah. Die innere Tatseite in bezug auf die Zugänglichkeit der üblen Nachrede an eine breite Öffentlichkeit begründete das Erstgericht mit der Erklärung des Angeklagten, daß dies "Sinn einer Pressekonferenz" sei.
In rechtlicher Beurteilung sah das Erstgericht den Tatbestand der üblen Nachrede nach § 111 Abs.1 und 2 StGB für verwirklicht an. Es mache keinen Unterschied aus, ob der Angeklagte den Privatankläger persönlich meinte oder (nur) die Gemeinderatsfraktion der S.liste, da auch in diesem Fall der Privatankläger in seiner Ehre verletzt worden sei, handle es sich doch bei der S.liste um einen kleineren eingrenzbaren Personenkreis, bei dem (insbesondere) der Vorsitzende in seiner Ehre verletzt werden kann. Die Qualifikation des Abs.2 StGB sah es als erfüllt an, zumal die bei der Pressekonferenz vom Angeklagten gemachte Äußerung tatsächlich am nächsten Tag auch in der Radiosendung "S." so auch gesendet worden war. Den Wahrheitsbeweis habe der Angeklagte nicht erbringen können. Es sei dem Angeklagten nicht gelungen, nachzuweisen, daß sich der Privatankläger tatsächlich eines kriminellen Verhaltens schuldig gemacht hätte.
Eine Straflosigkeit nach § 114 Abs.2 StGB verneinte das Erstgericht mit der Begründung, daß der Angeklagte - trotz möglicher gespannter politischer Situation nicht genötigt gewesen sei, die Behauptungen in der Form, wie sie vorgebracht wurden, tatsächlich vorzubringen. Auch die große Zeitspanne zwischen den Angriffen seitens des Privatanklägers und die Möglichkeit, den Rechtsweg zu bestreiten, ließen eine Straflosigkeit nach § 114 Abs.2 StGB verneinen. Letztlich habe es sich um eine selbst unter Politikern nicht mehr zu tolerierende Wortwahl gehandelt.
Bei der Strafbemessung sah das Erstgericht die Unbescholtenheit und die Umstände, die zur Tat führten, als mildernd an; als erschwerend legte das Erstgericht dem Angeklagten keinen Umstand zur Last.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit (§ 281 Abs.1 Z.5 und 9 lit. b) StPO), Schuld und Strafe.
Mit dem zuerst genannten Nichtigkeitsgrund rügt der Angeklagte "Feststellungsmängel".
Rechtliche Beurteilung
Im Zusammenhang mit der sogenannten Inseratenaffäre, wonach Unterlagen des Bauwirtschaftsamtes auch über teilweise noch nicht fertiggestellte Bauvorhaben der Stadt S. an die damalige Zeitung weitergeleitet worden und Unternehmen unter einem gewissen Zwang zur Aufgabe von Inseraten gestanden seien, sei unterlassen worden weiters festzustellen, daß ganz gezielt und dezidiert vom Privatankläger versucht worden sei, das Verhalten des Angeklagten zu kriminalisieren. In Wahrheit sei das Verfahren von der Staatsanwaltschaft S. eingestellt worden, weil das Verhalten des Angeklagten in diesem Zusammenhang unter keinen Straftatbestand subsumiert werden konnte.
Unvollständlicherweise sei dem erstgerichtlichen Urteil nicht zu entnehmen, warum der Leiter des amtes vom Landesgericht S. freigesprochen worden sei. Es waren keine geheimen Unterlagen dem S.blatt aus dem Büro des Angeklagten zugekommen.
Dem ist grundsätzlich entgegenzuhalten, daß das Erstgericht die Anzeigeerstattung und die Einstellung des Verfahrens gegen den Angeklagten wegen der Anzeige durch den Privatankläger ebenso festgestellt hat, wie den Freispruch im Verfahren gegen F. P.. Zu letzterem hält das Erstgericht - wenngleich in der rechtlichen Begründung - fest, daß F. P. selbst als unmittelbarer Täter vom Verdacht des Vergehens der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach § 310 StGB freigesprochen wurde, weshalb auch der Privatankläger weder als Bestimmungs- noch als Beitragstäter strafbar gehandelt habe (US 11). Soweit nun gerügt wird, das Erstgericht hätte es unterlassen festzustellen, das Verhalten des Angeklagten hätte unter keinen wie immer gearteten strafrechtlichen Tatbestand subsumiert werden können, und es sei F. P. deswegen freigesprochen worden, weil dem S.blatt aus dem Büro des Angeklagten keine geheimen Unterlagen zugekommen waren, ist dem grundsätzlich entgegenzuhalten:
In Übereinstimmung mit den Beweisergebnissen ging das Erstgericht davon aus, daß der Privatankläger den Angeklagten wegen des Verdachtes des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs.1 StGB und des Vergehens der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach dem § 310 StGB zur Anzeige brachte. Dieser Sachverhalt ist im gegebenen Zusammenhang von rechtlicher Relevanz, nicht aber die Erledigung dieser Strafanzeige durch die Staatsanwaltschaft und die Begründung, weshalb der Freispruch des F. P. erfolgte. Im gegebenen Zusammenhang ist nicht entscheidend, welche Motive den Privatankläger dazu bestimmten, den Angeklagten bei der Staatsanwaltschaft zur Anzeige zu bringen, sondern ob der Angeklagte am 14.4.1989 bei der Pressekonferenz äußerte, J. P. schmiede gegen ihn ein Komplott mit kriminellen Methoden. Dabei gilt es zu prüfen, inwieweit die Anzeigeerstattung schon als kriminelle Methode gewertet werden kann. Die Erstattung einer Strafanzeige stellt keine Form der Kriminalisierung des Angeklagten durch den Privatankläger dar, sondern bedeutet nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes lediglich die Mitteilung des Sachverhaltes an den öffentlichen Ankläger (VfGH 9123). Damit zeigt sich aber auch, daß all jene vom Berufungswerber begehrten Feststellungen entbehrlich sind, die eine Bewertung der Gründe für die Einstellung des Strafverfahrens bzw. eine Bewertung der Gründe für den Freispruch des Leiters des amtes der S. zum Gegenstand haben. Eine wissentlich falsche Anzeige des Privatanklägers gegen den Angeklagten unterstellt nicht einmal der Angeklagte (S.4).
Dem Vorbringen, der Angeklagte hätte zum Zeitpunkt der inkriminierten Pressekonferenz annehmen dürfen, daß der spätere Privatankläger auch mit strafrechtlich relevanten Methoden gegen ihn vorgehe, und zwar einerseits durch Organisieren von Unterlagen aus dem Akt des amtes und andererseits durch den Vorwurf krimineller Handlungen ist entgegenzuhalten, daß für eine derartige Feststellung die Verfahrensergebnisse keinen Anhaltspunkt lieferten. Wenn es der Privatankläger als Politiker für richtig erachtet, die Tatsache der Anzeigeerstattung den Medien zur Kenntnis zu bringen, folgt er einem Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Von einer wissentlichen Falschanschuldigung ist nicht die Rede. Es liegt kein strafrechtlich ahndbares Verhalten vor, wenn ein Politiker in Ausübung der Kontrolle eine Strafanzeige erstattet und die Öffentlichkeit von diesem Vorgang in Kenntnis setzt. Die Frage, ob der in der Medienöffentlichkeit (zu ergänzen: durch den Privatankläger) herbeigeführte Vorwurf des Bruches der Amtsverschwiegenheit und des Amtsmißbrauches nicht ebenso geeignet gewesen wäre, den Angeklagten in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen, ist damit zu beantworten, daß das Erstgericht in getreuer Verwertung der Beweisergebnisse keinen Anhaltspunkt dafür hatte, anzunehmen, der Privatankläger hätte den Angeklagten bewußt gleichsam vorverurteilend des Amtsmißbrauches und der Verletzung des Amtsgeheimnisses verdächtigt. Für eine derartige Annahme - nach den Verfahrensergebnissen - kein Anhaltspunkt.
Dem angefochtenen Urteil haftet demnach ein formeller Begründungsmangel, der es nach der Z.5 des § 281 Abs.1 StPO nichtig macht, nicht an.
Soweit unter der Z.9 lit.b) des § 281 Abs.1 StPO die Feststellung bekämpft wird, daß die inkriminierte Passage der Pressekonferenz vom 14.4.1989 eindeutig auf den Privatankläger zu beziehen sei, wird in Wahrheit der Nichtigkeitsgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung nach § 281 Abs.1 Z.9 lit.a) StPO geltendgemacht.
Vor Eingehen in die Frage der sicheren Beziehbarkeit gilt es - von Amts wegen, weil im Rechtsmittel nicht dargelegt - den vorliegenden Sachverhalt darauf zu untersuchen, ob die inkriminierten Äußerungen des Angeklagten von der Wortwahl her als tatbestandsmäßig anzusehen sind, oder ob sie nicht als noch tolerierbare Wortwahl unter Politikern, bei denen regelmäßig ein nicht so strenger Maßstab anzulegen ist, qualifiziert werden müssen.
Das Adjektiv "kriminell" hat seine Wurzeln im lateinischen Wort criminalis, was im deutschen bedeuten kann: "a) zu strafbaren, verbrecherischen Handlungen neigend, b) eine strafbare, verbrecherische Handlung darstellend und c) (umgangssprachlich) sich an der Grenze des Erlaubten bewegend, gleichbedeutend mit unverantwortlich, schlimm und rücksichtslos (DUDEN, deutsches Universalwörterbuch). Nun könnte zwar die Auslegung, ob das Wort kriminell wörtlich oder umgangssprachlich zu verstehen ist, Schwierigkeiten bereiten. Umgangssprachlich würde nämlich ein Wortsinn vorliegen, der als nicht strafbar nach dem § 111 StGB angesehen werden müßte; vornehmlich dann, wenn diese Wortwahl - wie hier - unter Politikern stattfand, bei denen der Maßstab für das Werturteil nicht zu streng angelegt werden darf (SSt 41/43; EvBl. 1993/67). Für die Entscheidung, ob das Wort kriminelle Methode (wörtlich interpretiert) als eine strafbare verbrecherische Handlung darstellend bewertet wird oder ob - wie dargelegt - die bloß umgangssprachliche Beurteilung Platz greift, gilt es den genauen - den Feststellungen zugrundegelegten - Text der seinerzeitigen Pressekonferenz heranzuziehen. Dabei unterscheidet der Angeklagte, daß ein Komplott "mit derartigen Methoden oder kriminellen Methoden" eingefädelt wird (US 5). Der Angeklagte unterscheidet also zwischen "derartigen Methoden" - zu ergänzen: welcher Art also immer - oder "kriminelle Methoden" klar und deutlich, sodaß für eine bloß umgangssprachliche Deutung seiner Äußerungen kein Raum bleibt.
Der Tatbestand der üblen Nachrede nach dem § 111 Abs.1 StGB verlangt den Vorwurf einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung oder eines unehrenhaften oder gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens, das geeignet ist, in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen. Von den beiden Begehungsformen der Tat durch ein diffamierendes Werturteil (1. Fall) oder eine diffamierende Tatsachenbehauptung (2. Fall) ist hier die zuletztgenannte, die dem angefochtenen Urteil zugrundegelegt wurde, zu untersuchen. Als unehrenhaft ist ein Verhalten einzustufen, das der herrschenden Vorstellung vom moralisch Richtigen in einem Maß zuwiderläuft, daß die soziale Wertschätzung des Betroffenen darunter zu leiden hat (EvBl. 1976/131; Foregger-Serini, StGB5, Anm. II zu § 111 StGB; Leukauf-Steininger, StGB3, RN 8 zu § 111; Foregger, Wiener Kommentar, RN 11 zu § 111 StGB). Eine sachbezogene Kritik ist in der Regel nicht tatbildlich, es sei denn, daß sie bloß den Deckmantel dafür bildet, um den Betroffenen persönlich anzugreifen und zu diffamieren. Dabei sind bei Politikern und Medien die Grenzen zulässiger Kritik weiter gezogen als bei Privatpersonen. Es gilt aber auch zu beachten, daß der Eingriff in die Rechte anderer zur Wahrung fremder Interessen nur in einem Maß zulässig ist, das zur Erreichung des erlaubten Zieles unerläßlich ist. Eine anlaß- und ausdrucksadäquate sachliche Kritik erfüllte den Tatbestand nicht. Nach den im Urteil wiedergegebenen wörtlichen Textpassagen und den vom Erstrichter getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte anläßlich dieser Pressekonferenz das Verhalten des Privatanklägers - unter anderem - eine Strafanzeige zu erstatten, als kriminelle Methode bezeichnet. Für den außenstehenden Betrachter ist aber, wenn - wie hier - das Wort kriminell bei den Methoden durch Unterscheidung gegenüber anderen ("derartigen") Methoden noch herausgestrichen wird, bereits eine unzulässige, weil ehrenrührige Wertung verbunden.
Die Äußerung des Angeklagten ist auf den Privatankläger bezogen.
Vereine, Religionsgemeinschaften, politische Parteien und dergleichen können an sich nicht Schutzobjekt von strafbaren Handlungen gegen die Ehre sein, doch sind allenfalls unter einer Kollektivbezeichnung gegen solche Gemeinschaften gerichtete Angriffe ihrem Wortlaut nach daraufhin zu untersuchen, ob sich der betreffende Anwurf, tatsächlich gegen die Gemeinschaft als solche oder gegen einzelne ihrer Funktionäre oder Mitglieder richtet. Ist letzteres der Fall, so kommt diesen Personen Ehrenfähigkeit zu. In der Pressekonferenz behauptete der Angeklagte, daß ein Komplott mit kriminellen Methoden eingefädelt wird, wobei er den Privatankläger mit seinem Familiennamen nannte.
Ist der Kreis der Personen, auf die sich die ehrenrührige Äußerung bezogen hat, auf eine ganz bestimmte Anzahl beschränkt, so ist jede einzelne dieser Personen zur Inkriminierung der betreffenden Äußerungen befugt. Es müssen nur die in Betracht kommenden Personen mit hinreichender Gewißheit als (mögliches) Objekt des ehrenrührigen Angriffes bezeichnet sein. So betrachtet kann es also keinem Zweifel unterliegen, daß der in der inkriminierten Textstelle enthaltene Angriff für den an der Tätigkeit von politischen Parteien interessierten Leser erkennbar oder zumindest unschwer feststellbar der Sache nach gegen den Privatankläger selbst gerichtet war. Danach besteht an der Verknüpfung eines ehrenrührigen Verhaltens ("kriminelle Methoden im dargestellten Sinn") mit dem Namen des Privatanklägers kein Zweifel.
Zu Unrecht moniert der Angeklagte den Strafausschließungsgrund des § 114 Abs.2 StGB. Dazu ist entscheidend, ob der Angeklagte genötigt war, die inkriminierten Behauptungen in der Form und auf diese Weise vorzubringen, wie dies geschehen ist. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, daß sich der Angeklagte im gegebenen Fall zu Wahrung eigener schutzwürdiger Interessen genötigt sah, auf die Anzeige bei der Staatsanwaltschaft wegen Amtsmißbrauches und Verletzung des Amtsgeheimnisses seinerseits in einer Pressekonferenz ehrenrührig gegenüber dem Privatankläger zu reagieren, ist weiters zu prüfen, ob die Art und Weise der Interessenswahrnehmung anlaß - und ausführungsadäquat waren (Kienapfel, BT I RN 1072; Proske in ÖJZ 1977, 5). In diesem Zusammenhang fordert die Rechtssprechung, daß der Täter so schonend wie möglich vorgeht. Es ist nur ausnahmsweise entschuldigt oder gerechtfertigt, wenn er Ehrenrühriges über eine Person in die breite Öffentlichkeit bringt, wozu kommt, daß derjenige, der durch sein eigenes Verhalten begründeten Anlaß zur Erhebung von Vorwürfen gegeben hat, in weiterem Umfang ehrenrührige Äußerung hinnehmen muß als sonst jemand, der überhaupt keinen Anlaß hiezu gegeben hat. So gesehen war es objektiv betrachtet nicht angemessen, daß der Angeklagte, der nach der breit diskutierten medialen Darstellung Anlaß zu verschiedenen Spekulationen über die Sauberkeit seiner Amtsführung in der sogenannten "Inseratenaffäre" geboten hat, auf die Anzeige mit dem (öffentlichen) Vorwurf, daß seitens des Privatanklägers gegen ihn "kriminelle" (= strafbare, verbrecherische Handlung darstellende) Methoden angewendet würden, reagierte. Diese Vorwürfe waren mithin nicht anlaßadäquat, sondern unangemessen. Es wäre dem Angeklagten durchaus zusinnbar gewesen, seine Sicht der Dinge, etwa wie er sie in der Gegendarstellung bei der Staatsanwaltschaft als Reaktion auf die Anzeige des Privatanklägers darlegte, in geeigneter Form zum Gegenstand öffentlicher (politischer) Diskussion zu machen. So hat es der Angeklagte nicht seinem politischen Gegner nur "mit gleicher Münze zurückgezahlt". Schließlich wäre es dem Angeklagten leicht möglich gewesen, nach der Anzeigeerstattung gegen ihn Akteneinsicht zu nehmen, um vom genauen Umfang des Verdachtes, den der Privatankläger in der Anzeige zur Darstellung gebracht hatte, Kenntnis zu erhalten. Dies ist ihm vorzuwerfen. Eine von ihm (allenfalls auch über seinen Anwalt) leicht zu bewerkstelligende Akteneinsicht hatte dem Angeklagten nämlich gezeigt, daß der Privatankläger bei der Staatsanwaltschaft eine Prüfung jener Behauptungen initiierte, die bereits seit einigen Wochen Gegenstand breiter medialer Berichterstattung und somit öffentlicher Diskussion geworden waren.
Somit haftet dem angefochtenen Urteil - auch was das Berufungsvorbringen zum Strafausschließungsgrund des § 114 Abs.2 StGB anlangt - der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs.1 Z.9 lit.b) StPO nicht an.
In der Berufung wegen Schuld wird lediglich die Frage der sicheren Beziehbarkeit der inkriminierten Äußerung auf den Angeklagten noch einmal näher ausgeführt, er ist zu diesem Vorbringen aber lediglich - um Wiederholungen zu vermeiden - auf die Ausführungen zum Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs.1 Z.9 lit.a) StPO zu verweisen.
Die Berufung wegen Strafe bietet für eine Reduktion der Anzahl der Tagessätze keinen Anlaß. Zu bedenken ist, daß innerhalb der Bandbreite des § 111 Abs.2 StGB das schuldbesetzte Unrecht keinesfalls zu vernachlässigen ist. Den gegebenen schwierigen politischen Umständen zur Tatzeit wurde in Verbindung mit der Unbescholtenheit des Angeklagten ausreichend Rechnung getragen. Erschwerungsgründe wurden dem Angeklagten ohnehin nicht zur Last gelegt. Für eine Herabsetzung (der ohnedies bedingt nachgesehenen) Geldstrafe ist kein Raum.
Die Kostenentscheidung gründet in der bezogenen Gesetzesstelle.