Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch die Richterin Dr. Beate Abler als Einzelrichterin (§ 33 Abs 2 StPO) in der Strafsache gegen A*, vertreten durch Mag. Mathias KAPFERER, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, wegen des Verbrechens nach § 12, 146, 147 Abs 1 und 2 StGB über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 21.08.2025, GZ ** - ON13 beschlossen:
Der Beschwerde wird zu Punkt 1. t e i l w e i s e Folge gegeben und der vom Bund dem A*, nach § 196 a Abs 1 StPO zu leistende Beitrag zu den Kosten der Verteidigung im Ermittlungsverfahren auf EUR 3.000,00 e r h ö h t.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
Begründung:
Mit Verfügung vom 14.04.2025 (ON 1.6) stellte die Staatsanwaltschaft Innsbruck das zu AZ ** gegen A* wegen des Verdachtes nach §§ 12, 146, 147 Abs 1 und 2 StGB geführte Ermittlungsverfahren gemäß § 190 StPO ein.
Mit Schriftsatz vom 28.08.2025 (ON 12) beantragte der anwaltlich vertretene A* gemäß § 196 a StPO die Zuerkennung eines Beitrages zu den Kosten der Verteidigung in Höhe von EUR 5.000,00 und EUR 6,24 an Barauslagen. Begründend wurde ausgeführt, dass der Umfang der Ermittlungen und die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen insbesondere aufgrund der vielen beteiligten Personen und des Auslandsbezugs und den damit einhergehenden ausländischen Ermittlungsergebnissen und Urkunden sehr groß gewesen sei. Dementsprechend umfasste der Ermittlungsakt fast 900 Seiten; davon seien viele Urkunden, im Detail zu prüfen und zu erörtern gewesen. Hinsichtlich der notwendigen Verteidigung werde insbesondere auf die oben verzeichneten erforderlichen Akteneinsichten, die notwendigen Abklärungen und Erörterungen mit dem Beschuldigten, das Aktenstudium und die umfangreiche Äußerung, die im Ermittlungsverfahren bei der Kriminalpolizei zu erstatten gewesen sei, verwiesen.
Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Erstgericht den gemäß § 196a Abs 1 StPO vom Bund zu leistenden Beitrag zu den Kosten der Verteidigung mit EUR 2.000,00. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass aktenkundig neben dem gegenständlichen Antrag der rechtsfreundliche Beistand durch den Verteidiger im Rahmen der Vollmachtsbekanntgaben samt Antrag auf Akteneinsicht vom 21.11.2024 gegenüber der Staatsanwaltschaft (ON 5 und 7.7) sowie gegenüber der Kriminalpolizei (ON 7.5), des Schreibens an die Kriminalpolizei vom 26.11.2024 (ON 7.4), der Eingabe vom 18.12.2024 (ON 6), der Schreiben an die Kriminalpolizei vom 21.1.2025 (ON 10.6), 17.3.2025 (ON 10.10) und 9.4.2025 (ON 10.7), der Verfassung der Stellungnahme vom 28.3.2025 (ON 10.9) und der Teilnahme an der Beschuldigtenvernehmung am 9.4.2025 in der Zeit von 11.11 Uhr bis 11.21 Uhr sei (ON 10.5). Nachdem sich die Bestimmung des Beitrags vor allem am Umfang der Ermittlungen und der Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen zu orientieren habe, sei in diesem Ermittlungsverfahren ein pauschaler Kostenbeitrag von EUR 2.000,-- angemessen.
Ein gesonderter Barauslagenersatz stehe nicht zu. Die geltend gemachten ERV-Kosten würden keine Barauslagen darstellen, da es sich dabei um einen besonderen Kostenanspruch des Verteidigers für die Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr handle (§ 23a RATG).
Gegen diesen Beschluss richtet sich die fristgerechte Beschwerde des Beschuldigten mit dem Antrag, der Beschwerde Folge zu geben und einen zusätzlichen Verteidigungskostenbeitrag in der Höhe von EUR 3.000,00 zuzuerkennen. Zusammengefasst wurde eingewandt, dass das Landesgericht es unterlassen habe zu konkretisieren, wie es auf den Kostenbeitrag von EUR 2.000,00 als angemessenen Beitrag überhaupt komme. Inwieweit die in diesem Verfahren notwendigen Verteidigungsmaßnahmen vom Gericht qualifiziert beurteilt worden seien, um die Höhe des Beitrages zu den Verteidigungskosten zu bestimmen, sei nicht nachvollziehbar dargestellt worden. Die Tatsache, dass es sich um ein Verfahren mit Auslandsbezug gehandelt habe und die damit einhergehende Beurteilung der fremdsprachigen Unterlagen (trotz Übersetzung) so wie der Berücksichtigung der Geschehnisse im Ausland sei überhaupt nicht gewürdigt worden. Des Weiteren habe der Verteidiger in der Stellungnahme vom 28.03.2025 umfassend zu den Vorwürfen gegenüber dem Beschuldigten Stellung genommen. Es sei eine detaillierte Analyse der diversen Konten in Vorbereitung dieses Schriftsatzes vorgenommen worden. In diesem Schriftsatz seien umfangreiche Beweisanträge gestellt worden.
Die Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft einer Stellungnahme enthielt, ist teilweise berechtigt.
Gemäß § 196a Abs 1 StPO hat der Bund dem Beschuldigten auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten, wenn das Ermittlungsverfahren gemäß § 190 StPO eingestellt wird. Der Beitrag umfasst – neben den baren Auslagen – einen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers, dessen sich der Beschuldigte bedient. Der Beitrag ist unter Bedachtnahme auf den Umfang der Ermittlungen, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen. Er darf den Betrag von 6.000,- Euro nicht übersteigen.
Die Kriterien des Umfangs der Ermittlungen und der Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen sind anhand des konkreten Ermittlungsverfahrens zu gewichten. Ausschlaggebend sind insbesondere der sich auf die Verteidigung durchschlagende Aufwand bei den Ermittlungsmaßnahmen, die Dauer des Ermittlungsverfahrens, die Anzahl der Verfahrensbeteiligten sowie die Gestaltung des dem Ermittlungsverfahren zugrundeliegenden Sachverhalts, der in seiner Komplexität von ganz einfachen Fällen bis hin zu umfangreichen Strafverfahren (etwa organisierter Kriminalität oder Wirtschaftsstrafverfahren) variieren kann und bei dem auch Aspekte, die die Ermittlungsarbeit erheblich aufwendig gestalten (beispielsweise wirtschaftliche Verflechtungen, Auslandsbeteiligungen, schwer nachvollziehbare Geldflüsse, Erfordernis von Sachverständigengutachten oder Rechtshilfeersuchen) zu berücksichtigen sind. Zudem steht die Bemessung des Verteidigerkostenbeitrags immer auch unter dem Blickwinkel der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Verteidigung bzw der einzelnen Verteidigungshandlungen (EBRV 2557 der Blg XXVII. GP, S 3). Die Regelung des § 196a StPO wurde an jene des § 393a StPO angelehnt, für den von der Judikatur der Aktenumfang, die Schwierigkeit bzw Komplexität der Sach- und Rechtslage sowie der Umfang des Verfahrens (Hauptverhandlungen, Rechtsmittel) herangezogen wurden. Der Pauschalkostenbeitrag im Höchstbetrag der Grundstufe 1 in Höhe von EUR 6.000,-- soll grundsätzlich für alle Verteidigungshandlungen zur Verfügung stehen, die nicht außergewöhnlich oder extrem sind. Da die Bandbreite der Verfahren, die in diese Grundstufe fallen, von ganz einfachen Verteidigungsfällen, wie etwa einer gefährlichen Drohung, bis hin zu Wirtschaftsstrafsachen, reichen, kann sich der Beitrag je nach Umfang der Ermittlungen und Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen dem im Gesetz vorgesehenen Höchstbetrag annähern bzw sich von diesem weiter entfernen. Dabei wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass ein durchschnittliches Standardverfahren im Regelfall eine Besprechung mit dem Mandanten, eine Vollmachtsbekanntgabe bzw einen Antrag auf Akteneinsicht, ein angemessenes Aktenstudium bzw Vorbereitungstätigkeit und eine Teilnahme an einer Vernehmung in der Dauer von 2 Stunden umfasst und damit unter Heranziehung der Kostensätze der Allgemeinen Honorar -Kriterien (AKH) rund EUR 3.000,-- an Aufwand für die Verteidigung verursachen wird, wobei in dieser Berechnung zwar der Einheitssatz Berücksichtigung findet, Erfolgs- und Erschwerniszuschläge jedoch außer Betracht zu bleiben haben (EBRV 2557 der Blg XXVII. GP, S 5). Eine Verpflichtung, einem Beschuldigten sämtliche Aufwendungen für seine Verteidigung zu ersetzen, sieht das Gesetz nicht vor und ist eine solche Verpflichtung weder den geltenden Verfassungsbestimmungen noch der Judikatur des EGMR zu entnehmen (EBRV 2557 der Blg XXVII. GP, S 2). Der Pauschalbeitrag darf stets nur ein Beitrag sein und nicht die gesamten Verteidigerkosten ersetzen (vgl Lendl, WK-StPO § 393a Rz 10 mwN).
Hintergrund des gegenständlichen Strafverfahrens war der Verdacht gegen den Antragsteller nach §§ 12, 146, 147 Abs 1 und 2 StGB mit Bezug zu ausländischen Konten. Der Aktenumfang betrug bis zur Verfahrenseinstellung 10 Ordnungsnummern. An zweckmäßigem Verteidigungsaufwand ergibt sich die Stellungnahme des Verteidigers in ON 10.9 über 15 Seiten und weiteren Beweisanträgen. Weiters die Beschuldigteneinvernahme im Beisein des Verteidigers, in der auf die Stellungnahme in ON 10.9 verwiesen wurde, Dauer rund 10 Minuten. Weitere relevante Ordnungsnummern sind der Zwischenbericht und der Abschlussbericht der PI B* in ON 7 und ON 10. Aktenkundig sind weiters der Antrag auf Verteidigerkostenbeitrag (ON 12), die Vollmachtsbekanntgaben samt Antrag auf Akteneinsicht vom 21.11.2024 gegenüber der Staatsanwaltschaft (ON 5 und 7.7) sowie gegenüber der Kriminalpolizei (ON 7.5), das Schreiben an die Kriminalpolizei vom 26.11.2024 (ON 7.4), der Eingabe vom 18.12.2024 (ON 6), der Schreiben an die Kriminalpolizei vom 21.1.2025 (ON 10.6), 17.3.2025 (ON 10.10) und 9.4.2025 (ON 10.7).
Sowohl was den Aktenumfang, als auch die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen anbelangt, handelt es sich fallaktuell um ein durchschnittliches Strafverfahren. Allerdings ist mit Blick auf den Auslandsbezug und insbesondere auf die Stellungnahme in ON 10.9 der vom Erstgericht bestimmte Beitrag zu den Kosten der Verteidigung in Höhe von EUR 2.000,00 zu gering ausgefallen und war daher in (teilweiser) Stattgebung der Beschwerde des Beschuldigten mit EUR 3.000,00 zu bestimmen.
Die Abänderung der Auszahlungsordnung erfolgt durch das Erstgericht.
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