Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Dampf als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. a Hagen und Mag. a Obwieser als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 erster Fall StGB über die Berufung der Angeklagten wegen Nichtigkeit und der Aussprüche über die Schuld und die Strafe sowie der Staatsanwaltschaft Feldkirch wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das einzelrichterliche Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 3.6.2025, GZ ** 8, nach der am 14.10.2025 in Anwesenheit der Schriftführerin Rp Mag. a Ölmez, des Sitzungsvertreters der Oberstaatsanwaltschaft EOStA Mag. Kuznik, des Verteidigers RA Dr. Georg Mandl, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:
Den Berufungen wird n i c h t Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Angeklagte des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 erster Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat sie am 23.2.2025 in ** die Polizeibeamtin Insp B* mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich an der Durchsetzung des für die ** geltenden Fahrverbotes (Verordnung der BH C* vom 20.1.2025, **), gehindert, indem sie ihren PKW aus dem Stillstand stark beschleunigte und auf die wenige Meter vor dem PKW stehende Insp B* zufuhr, sodass die Polizeibeamtin zur Seite springen musste. Hiefür wurde sie nach dem ersten Strafsatz des § 269 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 37 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen à EUR 35,--, im Uneinbringlichkeitsfall 120 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, und gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Gemäß § 43a Abs 1 StGB wurde ein Teil der Geldstrafe von 160 Tagessätzen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Dagegen richtet sich zunächst die rechtzeitig angemeldete (ON 9) und fristgerecht schriftlich ausgeführte Berufung der anwaltlich vertretenen Angeklagten wegen Nichtigkeit sowie der Aussprüche über die Schuld und die Strafe (ON 11), die auf einen Freispruch, in eventu die Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht, in eventu auf die Herabsetzung der Tagessätze sowie der Höhe des Tagessatzes abzielt.
Die Staatsanwaltschaft wiederum meldete sogleich nach Urteilsverkündung Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe zum Nachteil der Angeklagten an (ON 7, 12), die fristgerecht ausgeführt (ON 10.2) auf eine Erhöhung der Strafe anträgt.
Die Angeklagte erstattete keine Gegenausführungen, die Staatsanwaltschaft verzichtete ausdrücklich darauf (ON 12.1).
Die Oberstaatsanwaltschaft vertritt in ihrer Stellungnahme den Standpunkt, dass der Berufung der Angeklagten nicht, allenfalls jener der Staatsanwaltschaft durch Anhebung des unbedingten Teils der Geldstrafe und einer Erhöhung des Tagessatzes Folge zu geben sein werde.
Den Berufungen kommt keine Berechtigung zu.
Die Mängelrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 erster Fall iVm § 489 Abs 1 StPO) behauptet, es würden deutliche Feststellungen dazu fehlen, dass Insp B* zu dem Zeitpunkt, zu dem die Angeklagte ihren PKW beschleunigt haben soll, noch mit einer Amtshandlung im Sinn des § 269 StGB beschäftigt gewesen sei. Mit diesem Vorbringen übergeht sie aber prozessordnungswidrig (RIS Justiz RS0119370) die ausführlichen Feststellungen zu dem verordneten Fahrverbot, der Verkehrsregelung und Kontrolle der Einhaltung dieses Fahrverbots durch Insp B* und Asp D*, dem Gespräch zwischen der Angeklagten und den beiden Polizisten im Zuge der Anhaltung, in welchem ihr mehrfach erklärt wurde, dass die von ihr beabsichtigte Einfahrt in die ** verboten ist, sie von Insp B* sodann aufgefordert wurde, den Kreuzungsbereich bei der nächsten Grünphase in Richtung ** zu verlassen sowie dazu, dass sich Insp B* sodann vom PKW der Angeklagten entfernte und sich in Richtung des Absperrgitters begab und zum Zeitpunkt, als die Angeklagte auf sie zufuhr, (aus Fahrtrichtung der Angeklagten gesehen) links neben dem Absperrgitter stand. Daraus ergibt sich aber unmissverständlich und damit keinesfalls undeutlich, dass Insp B* zum Tatzeitpunkt (Zufahren mit dem PKW) nach wie vor mit der Verkehrsregelung und der Kontrolle der Einhaltung des Fahrverbots beschäftigt war.
Der weiteren Mängelrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall iVm § 489 Abs 1 StPO) zuwider hat sich das Erstgericht mit den Aussagen des Zeugen Asp D*, wonach die Angeklagte zügig losgefahren und kurz noch geradeaus gefahren sei und er sich noch gedacht habe, sie würde in das dortige Gebüsch fahren, auseinandergesetzt (US 7).
Soweit die Berufungswerberin eigene beweiswürdigende Erwägungen dazu anstellt, dass sich Insp B* gar nicht in einem Bereich vor dem PKW befinden habe können, der beim Losfahren ein Ausweichen erforderlich gemacht habe, zeigt sie keinen Mangel im Sinne der Anfechtungskategorien des § 281 Abs 1 Z 5 StPO auf.
Entgegen der weiteren Mängelrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall iVm 489 Abs 1 StPO) ist der vom Erstgericht zur Begründung der subjektiven Seite vorgenommene Schluss vom festgestellten nach außen hin gezeigten Verhalten der Angeklagten auf ihre innere Tatseite nicht zu beanstanden (RIS Justiz RS0098671), wobei das Erstgericht die subjektive Tatseite neben dem äußeren Tatgeschehen ohnehin auch auf andere Verfahrensergebnisse, insbesondere die Verantwortung der Angeklagten, gestützt hat (US 5 und 8).
Der Schuldberufung gelingt es nicht, Bedenken des Oberlandesgerichts an der erstrichterlichen Beweiswürdigung und damit der Richtigkeit der entscheidenden Sachverhaltsannahmen zu erwecken. Das Erstgericht konnte sich sowohl von der Angeklagten als auch von den Zeugen Insp B*, Asp D* und KontrInsp E* einen persönlichen Eindruck verschaffen und hat unter Verwertung dieses Eindrucks ausführlich, schlüssig und überzeugend begründet, warum es der leugnenden Verantwortung der Angeklagten nicht folgte.
Soweit das Vorliegen einer Amtshandlung zum Tatzeitpunkt bestritten wird, wird die Berufungswerberin auf die unbedenkliche Aussage der Zeugin Insp B* verwiesen. Danach habe sie neben weiteren Polizeibeamten den Verkehr im Kreuzungsbereich ** geregelt, wobei sie Fahrzeuge, die in Fahrtrichtung ** fahren hätten wollen, umzuleiten gehabt habe (ON 2.8, 3). Im Zuge dieser Tätigkeit habe sie der Angeklagten mehrmals gesagt, dass sie nicht rechts abbiegen dürfe, in Richtung ** fahren müsse, um zu wenden und anschließend einen Umweg über die ** nehmen müsse, wobei dieses Gespräch mehrere Minuten in Anspruch genommen habe (ON 7, 5). Dass sich diese uniformierte Polizeibeamtin nach dem wiederholten Hinweis auf das Abbiegeverbot und der Information über die Ausweichroute vom PKW der Angeklagten entfernt und sich Richtung Absperrgitter begeben hat, bedeutet der Schuldberufung zuwider keineswegs, dass sie die Amtshandlung, nämlich die Verkehrsregelung und Kontrolle der Einhaltung des Fahrverbots beendet hat. Vielmehr stand Insp B* zum Zeitpunkt des Zufahrens mit dem PKW direkt neben dem Absperrgitter in einem Bereich, in dem die Zufahrt zur gesperrten Straße neben dem Absperrgitter technisch noch möglich gewesen wäre, weshalb auch das Berufungsgericht keinen Zweifel daran hegt, dass sie damit nach wie vor die Verkehrsregelung und Kontrolle der Einhaltung des Fahrverbots durchführte.
Dem Berufungsvorbringen, wonach sich die Zeugin Insp B* niemals in einem Bereich befinden habe können, in dem sie ohne Ausweichen vom PKW der Angeklagten erfasst worden wäre, da sie (die Angeklagte) aufgrund der angebrachten Absperrung zunächst in Richtung Hecke fahren habe müssen und sich damit von der Position dieser Zeugin wegbewegt habe, stehen die übereinstimmenden und verlässlichen Aussagen der Zeugen Insp B* und Asp D* entgegen. Die Zeugin Insp B* schilderte in ihrer kriminalpolizeilichen Einvernahme (ON 2.8, 4), die Angeklagte sei unkontrolliert in die ** eingefahren, worauf sie (die Zeugin) reflexartig einen Satz nach links (aus der Perspektive der Fahrzeuglenkerin einen Satz nach rechts) gemacht habe, um nicht vom PKW erfasst zu werden, was sie in der Hauptverhandlung bestätigte (ON 7.5). Der Zeuge Asp D* berichtete in seiner kriminalpolizeilichen Einvernahme (ON 2.7, 4), er habe gesehen, wie die Angeklagte mit ihrem PKW an Insp B* vorbeigefahren sei, welche noch auf seine Seite springen habe können. In der Hauptverhandlung gab er an (ON 7, 7), die Angeklagte sei zügig losgefahren. Sie sei kurz noch geradeaus gefahren und er habe sich noch gedacht, sie würde in das dortige Gebüsch fahren. Plötzlich habe sie ihr Fahrzeug gewendet und sei in Richtung ** gefahren. Er habe beobachten können, wie Insp B* ein bis zwei Schritte in seine Richtung, sohin von der Angeklagten aus gesehen nach rechts, machen habe müssen. Gründe, weshalb diese beiden Zeugen die Angeklagte zu Unrecht belasten sollten, lassen sich den Verfahrensergebnissen nicht entnehmen und werden von der Berufungswerberin auch nicht behauptet.
Mit dem weiteren Berufungsvorbringen, es sei nicht abwegig und unüblich, in diesem Kreuzungsbereich die vor Ort befindlichen Polizeibeamten um Erlaubnis zum Einfahren zu fragen, spricht die Berufungswerberin keine für den konkrete Fall entscheidende Tatsache an (vgl Ratz , WK-StPO § 464 Rz 8), die im Übrigen im Zufahren mit dem PKW auf die Polizistin liegt.
Die Ableitung der inneren Tatseite aus dem äußeren Tatgeschehen ist mit Blick auf die leugnende Verantwortung der Angeklagten auch auf der Ebene der Beweiswürdigung nicht zu beanstanden und überzeugt in Anbetracht des konstatierten Tatgeschehens. Darüber hinaus schloss das Erstgericht aus der Verantwortung der Angeklagten („ich dachte mir, wenn ich dort zufahre und sie nett frage, ob sie mich durchlassen, dies ob meines Wohnsitzes und meines Alters, wird das kein Problem sein“, ON 7.1, 3) zu Recht, dass die Angeklagte sehr wohl erkannt und gewusst hat, dass die Polizeibeamten, insbesondere Insp B* auch noch beim Zufahren mit dem PKW, eine Amtshandlung, nämlich die Durchsetzung des geltenden Fahrverbots, durchgeführt haben (US 5 und 8).
Weil die entscheidenden Tatsachen zum objektiven Tatgeschehen und auch jene zur subjektiven Tatseite damit unbedenklich sind, hat es bei diesen zu bleiben.
Die Rechtsrüge (nominell § 281 Abs 1 Z 9 lit a [der Sache nach mit Blick auf § 105 Abs 1 StGB aber Z 10] iVm § 489 Abs 1 StPO) bestreitet erneut das Vorliegen einer Amtshandlung iSd 269 Abs 3 StGB und behauptet, dass sich aus den Feststellungen im angefochtenen Urteil nicht entnehmen lasse, gegenüber wem die Beamtin Insp B* das Fahrverbot im Konkreten durchsetzen hätte sollen, vielmehr festgestellt worden sei, dass sich Insp B* vom PKW entfernt und in Richtung der Absperrgitter begeben habe, weshalb die Amtshandlung damit abgeschlossen gewesen sei.
Dieses Vorbringen lässt jedoch die bereits oben relevierten Feststellungen außer Acht, wonach Insp B* zum Zeitpunkt des Zufahrens mit dem PKW (aus Fahrtrichtung der Angeklagten gesehen) links vom Absperrgitter stand und somit weiterhin die Kontrolle der Einhaltung des Fahrverbots und damit eine Amtshandlung iSd § 269 Abs 3 StGB vollzog und orientiert sich somit prozessordnungswidrig nicht an den getroffenen Konstatierungen (RIS Justiz RS0099810).
Zu den Strafberufungen :
Bei der Strafbemessung ging das Erstgericht von einer bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe reichenden Strafbefugnis aus und berücksichtigte mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel der Angeklagten, der mit der Tat in auffallendem Widerspruch steht (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB); erschwerende Umstände lagen nicht vor.
Die Angeklagte weist in ihrer Strafberufung zutreffend darauf hin, dass dem vom Erstgericht herangezogenen Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 2 StGB angesichts des Umstandes, dass sie sich im 87. Lebensjahr befindet und unbescholten ist, besonderes Gewicht zukommt (RIS-Justiz RS0091502).
Einer, von der Angeklagten ins Treffen geführten spontanen, einem augenblicklichen Willensimpuls folgenden, mithin unbesonnenen Tatbegehung im Sinn des § 34 Abs 1 Z 7 StGB ( Riffel in WK 2 StGB § 34 Rz 18) stehen neben den wiederholten Hinweisen auf das Fahrverbot und ihrer Überlegung, dass das Durchlassen ob ihres Alters und ihres Wohnsitzes kein Problem sein werde, wenn sie nett frage, auch ihre Verärgerung darüber, dass ihrem Ersuchen nicht nachgekommen wurde (ON 7, 8), entgegen.
Die Erfüllung des Tatbestandes des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 StGB erfordert keinen Schadenseintritt, weshalb der von der Angeklagten angesprochene Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 13 StGB nicht in Betracht kommt ( Michel-Kwapinski/Oshidari , StGB 15 § 34 Rz 12).
Selbst wenn sich der vom Erstgericht zutreffend herangezogene Strafzumessungsgrund aufgrund des hohen Alters der Angeklagten vertieft, erweist sich die unter weiterer Berücksichtigung allgemeiner Strafbemessungsgrundsätze des § 32 StGB und des Strafrahmens (bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe) verhängte Geldstrafe der Strafberufung der Angeklagten zuwider als nicht zu streng. Sie ist daher keiner Herabsetzung zugänglich. Weil sie aber entgegen der Strafberufung der Staatsanwaltschaft in der ausgesprochenen Höhe den Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat hinreichend reflektiert und sämtlichen Aspekten der Täterpersönlichkeit wie auch präventiven Erwägungen ausreichend Rechnung trägt, bedarf sie auch keiner Anhebung.
Aufgrund des bisher äußerst langen ordentlichen Lebenswandels der Angeklagten bedarf es aus spezialpräventiven Erwägungen keiner Anhebung des unbedingten Teils der Geldstrafe und wird mit dem Vollzug von einem Drittel der Geldstrafe fallaktuell auch generalpräventiven Erfordernissen ausreichend Rechnung getragen (§ 43a Abs 1 StGB).
Die Höhe des Tagessatzes bedurfte mit Blick auf die vom Erstgericht unbedenklich festgestellte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Angeklagten ebenfalls keiner Korrektur, zumal diese nach § 19 Abs 2 StGB bemessen und nicht (nach mathematischen Regeln) berechnet wird.
Die Berufungen mussten daher erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung ist Folge des Ausgangs des Berufungsverfahrens. Sie gründet in der angeführten Gesetzesstelle.
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