JudikaturOLG Innsbruck

11Bs226/25k – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
30. September 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Dampf als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. a Hagen und Mag. a Obwieser als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB über die Berufung der Staatsanwaltschaft Innsbruck wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 24.7.2025, GZ ** 34, nach der am 30.9.2025 in Anwesenheit der Schriftführerin Rp Mag. a Ölmez, des Sitzungsvertreters der Oberstaatsanwaltschaft EOStA Mag. Kuznik, des Angeklagten und seines Verteidigers RA Mag. Markus Abwerzger, öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird F o l g e gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf zweieinhalb Jahre e r h ö h t .

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Zuspruch an die Privatbeteiligte B* AG, eine unbekämpft gebliebene Verweisung der Privatbeteiligten C* AG auf den Zivilrechtsweg sowie - verfehlt im Urteil ( Danek/Mann in Fuchs/Ratz, WK StPO § 270 Rz 18/5; Korn/Zöchbauer in Fuchs/Ratz, WK StPO § 67 Rz 13 ff) - eine Zurückweisung weiterer Privatbeteiligtenanschlüsse enthält, wurde A* des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 28.11.2024 in ** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89) Verfügungsberechtigten der C* fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld, mit dem Vorsatz abgenötigt, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er die Filiale der C* in der ** betrat und die dortigen (US 3: zwei) Angestellten unter Vorhalt einer „Softgun“ und den Worten „Put the money out“ zur Herausgabe von Bargeld aufforderte, woraufhin ihm diese einen Bargeldbetrag von EUR 19.751,97 aushändigten.

Hiefür verhängte das Schöffengericht über den Angeklagten nach § 142 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von 24 Monaten, rechnete die erlittene Vorhaft gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB aktenkonform auf die ausgesprochene Strafe an und verurteilte ihn nach § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens.

Bei der Strafbemessung legte das Schöffengericht einen Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe zu Grunde und wertete den bisher ordentlichen Lebenswandel sowie den Umstand, dass die (richtig:) Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht, das reumütige Geständnis, welches wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen habe und die vernachlässigte Erziehung nach § 34 Abs 1 Z 1 letzte Alternative StGB mildernd; das Vorliegen zweier Opfer und die Tatbegehung mit einer Waffenattrappe wurden erschwerend berücksichtigt.

Gegen den Strafausspruch richtet sich die unmittelbar nach Urteilsverkündung angemeldete (ON 33, 5) und schriftlich fristgerecht ausgeführte Berufung der Staatsanwaltschaft (ON 35), die aus spezial- und generalpräventiven Erfordernissen auf eine Erhöhung der verhängten Freiheitsstrafe abzielt.

Der Angeklagte beantragt in seiner Gegenausführung, der Berufung keine Folge zu geben (ON 36).

Die Oberstaatsanwaltschaft tritt in ihrer Stellungnahme der Berufung bei.

Rechtliche Beurteilung

Dem Rechtsmittel kommt Berechtigung zu.

In Übereinstimmung mit der Ansicht der Oberstaatsanwaltschaft stellt die vom Erstgericht als aggravierend gewertete Tatbegehung mit einer Waffenattrappe keinen besonderen Erschwerungsgrund dar. Den Berufungsausführungen der Staatsanwaltschaft ist zwar beizupflichten, dass es für das Opfer aus dessen subjektiver Sicht keinen Unterschied macht, ob der Täter eine echte Waffe oder eine täuschend echt aussehende Waffenattrappe zur Tatbegehung verwendet. Der Gesetzgeber hat jedoch für den Fall der Verwendung einer Waffe (zum funktionalen Waffenbegriff RIS-Justiz RS0093928) zum einen mit § 143 Abs 1 zweiter Fall StGB eine Deliktsqualifikation konzipiert und zum anderen bei vorsätzlich strafbaren Handlungen nach dem ersten bis dritten oder zehnten Abschnitt des Besonderen Teils oder bei einer sonstigen strafbaren Handlung unter Anwendung von Gewalt oder gefährlicher Drohung einen besonderen Erschwerungsgrund vorgesehen, wenn diese unter Einsatz oder Drohung mit einer Waffe begangen werden (§ 33 Abs 2 Z 6 StGB). Ausgehend davon und da von einer Waffenattrappe objektiv keine Gefahr ausgeht, ist die Verwendung einer solchen auch nicht im Rahmen der allgemeinen Strafbemessung nach § 32 StGB schulderhöhend in Anschlag zu bringen.

Zudem begründen die vorliegenden Verfahrensergebnisse (BV Angeklagter in ON 12, ZV D* in ON 24.7) den vom Schöffengericht ohne nähere Begründung herangezogenen Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 1 letzte Alternative StGB nicht. Eine (sehr) vernachlässigte Erziehung ist nur dann mildernd zu berücksichtigen, wenn es sich um Erziehungsmängel handelt, die deutlich aus dem Rahmen des Üblichen fallen, der Täter beispielsweise in einem kriminellen oder asozialen Milieu aufgewachsen ist oder keinerlei erzieherischen Maßnahmen unterworfen war ( Riffel in Höpfel/Ratz , WK 2 StGB § 34 Rz 5 mwN), was fallaktuell nicht zutrifft. Der Umstand, dass der Angeklagte teils bei seiner Mutter, aber auch in Pflegeheimen aufgewachsen ist, eine schwierige Kindheit hatte und früh in Kontakt mit Drogen kam, begründet diesen Milderungsgrund somit nicht. Darüber hinaus sind Erziehungsmängel nur dann mildernd, wenn sie mit der Tat in unmittelbarem Zusammenhang stehen und der Täter altersmäßig noch nicht soweit von jener Zeit entfernt ist, zu welcher er noch der Erziehung bedurfte ( Tipold in Leukauf/Steininger , StGB 4 , § 34 Rz 5 mwN).

Zutreffend hat das Schöffengericht ausgeführt, dass die bloße Bereitschaft zur Schadensgutmachung keinen Milderungsgrund darstellt. Zwischenzeitlich wurde jedoch eine Bestätigung über eine Überweisung von EUR 1.000,-- am 28.8.2025 an die B* AG in Vorlage gebracht (ON 36, 4 f), sodass dem Angeklagten nunmehr der Milderungsgrund der teilweisen Schadensgutmachung zugute kommt ( Riffel aaO § 34 Rz 33).

Der vom Angeklagten in seiner Gegenausführung ins Treffen geführte Milderungsgrund der eingeschränkten Zurechnungsfähigkeit liegt jedoch mit Blick auf § 35 StGB nicht vor. Unabhängig davon, dass ein Rauschzustand zum Tatzeitpunkt infolge Suchtgiftgenusses gar nicht feststeht, ist ein solcher in der Regel nicht mildernd, weil Suchtmittelkonsum regelmäßig nur deliktisch verwirklicht werden kann (RIS-Justiz RS0091038).

Ausgehend von den ergänzten, korrigierten und im Übrigen zutreffenden Strafzumessungsgründen des Erstgerichts sowie unter weiterer Berücksichtigung allgemeiner Strafbemessungskriterien des § 32 StGB ist die mit lediglich einem Fünftel des Strafrahmens ausgemessene Freiheitsstrafe zu milde ausgefallen, weil sie den Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat sowie präventive Wirkungen, worauf die Staatsanwaltschaft zutreffend hinweist, nicht ausreichend reflektiert. Der vom Schöffengericht angestellte Verweis auf in anderen Verfahren verhängten Strafen ist nicht zielführend, zumal ausschließliches Kriterium für die Bemessung der Strafe nur die individuelle Täterschuld in Bezug auf eine oder mehrere konkrete Taten sein kann (RIS-Justiz RS0090736). Es war daher trotz Vorliegens gewichtiger Milderungsgründe eine Anhebung der Freiheitsstrafe auf zweieinhalb Jahre in Stattgebung der Berufung erforderlich, weil sie erst in dieser Höhe als tat- und tätergerecht angesehen werden kann und auch spezial- sowie generalpräventiven Aspekten gerecht wird.

Die Kostenentscheidung ist Folge des Ausgangs des Berufungsverfahrens. Sie gründet in der angezogenen Gesetzesstelle.

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