23Rs30/25w – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Vetter als Vorsitzende, die Richterinnen des Oberlandesgerichts Dr. Pirchmoser und Mag. Grössl sowie die fachkundigen Laienrichter:innen Mag. Stefan Wanner (aus dem Kreis der Arbeitgeber:innen) und Mag. a Dr. in Silvia Zangerle-Leberer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer:innen) als weitere Mitglieder des Senats in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB), vertreten durch ihren Mitarbeiter Mag. B*, wegen Versehrtenrente, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 16.5.2025, **-38, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Ein Kostenersatz findet im Berufungsverfahren nicht statt.
Die (ordentliche) Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin zog sich am 30.4.2024 bei einem Sturz auf dem Weg zum Mittagessen mit einer Arbeitskollegin eine Zerrung des rechten oberen Sprunggelenks sowie Prellungen der rechten Schulter und beider Knie zu.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 30.8.2024 anerkannte die Beklagte den Vorfall vom 30.4.2024 nicht als Dienstunfall iSd §§ 90f B-KUVG und sprach aus, dass der Klägerin keine Leistungen gemäß §§ 88ff B-KUVG gewährt werden. Aus der Begründung des Bescheids geht hervor, dass die Beklagte mangels Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe im zeitlichen Zusammenhang mit diesem Vorfall der Unfalldarstellung der Klägerin keinen Glauben schenkte bzw die behaupteten Unfallfolgen nicht als ausreichend erwiesen ansah.
Dagegen richtete sich die vorliegende Klage, mit der die Klägerin die Feststellungen begehrte, 1. dass es sich beim Unfall vom 30.4.2024 um einen Dienstunfall handle und 2. dass der Klägerin gegenüber der Beklagten aufgrund dieses Unfalls Leistungen aus der Unfallversicherung zustünden. Vor dem gegenständlichen Unfall habe sie keine Beschwerden am rechten Fuß und am linken Daumengelenk gehabt. Die nach wie vor bestehenden Schmerzen und Beschwerden seien auf diesen Unfall zurückzuführen. Daraus resultiere eine MdE von mindesten 20 %.
Die Beklagte bestritt unter Aufrechterhaltung ihres im Anstaltsverfahren eingenommenen Standpunkts und brachte zusammengefasst vor, mangels einer nachgewiesenen vorfallsbedingten Gesundheitsschädigung sei nicht einmal der hier maßgebliche Unfallbegriff erfüllt.
Mit dem bekämpften Urteil wies die Erstgericht das Klagebegehren ab. Neben dem eingangs wiedergegebenen unstrittigen Unfallgeschehen ging es dabei von folgendem Sachverhalt aus:
Alle unfallkausal erlittenen Gesundheitsschäden sind folgenlos und vollständig ausgeheilt. Eine kurzfristige, temporäre Minderung der Erwerbsfähigkeit, die jedenfalls nicht eine Dauer von drei Monaten erreicht, bestand für die ersten Wochen nach dem gegenständlichen Ereignis im Ausmaß von etwa 20%. Eine darüber hinaus reichende oder andauernde Minderung der Erwerbsfähigkeit besteht nicht und wird auch in Zukunft nicht bestehen. Eine Arbeitsunfähigkeit bestand infolge des Unfalls vom 30.4.2024 nicht.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, Voraussetzung für die begehrten Feststellungen sei, dass beim Versicherten zumindest bei Schluss der Verhandlung erster Instanz eine bestimmte unfallkausale Gesundheitsstörung bestehe. Sei diese Voraussetzung – wie hier – nicht erfüllt, könne „eine Feststellung im Sinn der genannten Bestimmung nicht getroffen werden“.
Die Berufung der Klägerin richtet sich ausschließlich gegen die unter Spruchpunkt 1. erfolgte Abweisung des Begehrens auf Feststellung, dass es sich beim Unfall vom 30.4.2024 um einen Dienstunfall handelt. Nur gestützt auf den Rechtsmittelgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens beantragt sie, diesen Ausspruch dahin abzuändern, dass dem diesbezüglichen Begehren vollumfänglich stattgegeben wird. Hilfsweise wird ein Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung , dem gegnerischen Rechtsmittel keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
1. Einziger Kritikpunkt der ausschließlich erhobenen Verfahrensrüge ist die unterbliebene Parteieneinvernahme der Klägerin. Daraus hätte sich ergeben, dass die unfallkausal erlittenen Gesundheitsschäden noch nicht ausgeheilt seien und die Klägerin immer noch Schmerzen verspüre. Durch die unterlassene Parteieneinvernahme habe die Klägerin keine Gelegenheit gehabt, diesen Aspekt dem Sachverständigen darzulegen. Insgesamt habe sie ihre Sicht nicht vollumfänglich in das Verfahren einbringen können.
2. Wie bereits das Erstgericht in US 6f zutreffend ausgeführt hat, ist die Aussage einer Partei zur Klärung von Fragen, die der besonderen Sachkunde eines Sachverständigen bedürfen und daher der Beurteilung eines Sachverständigen vorbehalten sind, grundsätzlich ungeeignet. (Auch) im sozialgerichtlichen Verfahren sind medizinische Fachfragen daher nicht durch Parteieneinvernahme, sondern durch medizinische Sachverständige zu klären. Sofern die Partei die maßgeblichen Umstände ihres Leidens auf andere Weise in das Verfahren einbringen konnte, stellt es daher grundsätzlich keinen Verfahrensmangel dar, wenn eine Einvernahme der Partei zu medizinisch relevanten Umständen unterblieben ist. In der Regel genügen die Angaben des betroffenen Versicherungsnehmers im Zuge der Gutachtensuntersuchung und der dort durchgeführten Anamnese, um den Sachverhalt in dieser Hinsicht ausreichend aufzuklären (OLG Wien 8 Rs 66/24w; OLG Graz 7 Rs 33/25i; OLG Innsbruck 23 Rs 15/23m; 23 Rs 16/23h; Neumayr in ZellKomm³ § 75 ASGG Rz 8 und Rz 11 je mwH; vgl auch RS0074938).
Wie sich aus dem schriftlichen Gutachten ergibt, schilderte die Klägerin dem orthopädischen Sachverständigen im Zuge der gutachterlichen Untersuchung am 5.12.2024 ihre Leiden und Beschwerden. Ihre Schilderungen fanden auch Eingang in das schriftliche Gutachten ON 11. So sind dort etwa unter Pkt 6. ua ihre Angaben zu ihren subjektiv nach wie vor empfundenen Schmerzen und Einschränkungen wiedergegeben. Schließlich war die Frage der Dauer der unfallkausalen Beschwerden und Einschränkungen, insbesondere die Frage, ob solche nach wie vor bestehen, auch Gegenstand der mündlichen Gutachtenserörterung mit dem Sachverständigen, der bei seiner bisherigen Einschätzung blieb. Damit hatte die Klägerin jedenfalls ausreichend Gelegenheit, die in der Berufung relevierten Aspekte in das Verfahren einzubringen, weshalb der behauptete Verfahrensmangel nicht vorliegt.
3. Die ausschließlich auf die Geltendmachung dieses Verfahrensmangels beschränkte Berufung der Klägerin bleibt daher erfolglos.
4. Obgleich aufgrund der vollumfänglichen Klagsabweisung und mangels in der Berufung ausgeführter Rechtsrüge ein Eingehen auf rechtliche Aspekte grundsätzlich entbehrlich bzw dem Berufungsgericht sogar verwehrt ist (RS0041585; RS0043573), ist der Vollständigkeit halber drauf hinzuweisen, dass das hier erhobene Feststellungsbegehren insofern verfehlt war, als gemäß § 65 Abs 2 ASGG ein derartiges Begehren nicht darauf zu richten ist, dass es sich bei einem bestimmten Ereignis um einen Dienstunfall handelt. Vielmehr sind bei einem Feststellungsbegehren nach § 65 Abs 2 ASGG die bei einem Versicherten eingetretenen Gesundheitsstörungen zu nennen (RS0084069 [insb T2 und T3]). Im Fall einer allfälligen Berechtigung wäre das Begehren vom Gericht in diesem Sinn zu modifizieren (RS0108304; Sonntag in Köck/Sonntag ASGG § 65 Rz 29f).
5. Da das Berufungsverfahren weder mit tatsächlichen noch rechtlichen Schwierigkeiten verbunden war, scheidet ein auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG gegründeter Kostenzuspruch aus. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit dieser Bestimmung wurde nicht einmal behauptet.
6. Zumal Gegenstand des Berufungsverfahrens nur die Behandlung einer Verfahrensrüge war, war die ordentliche Revision nicht zuzulassen (RS0042963).