6Bs223/25g – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Richter Mag. Melichar als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten Mag. Friedrich und die Richterin Mag. Obwieser als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 5 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Berufung der Staatsanwaltschaft Innsbruck wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das einzelrichterliche Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 20.5.2025, GZ ** 12, nach der am 24.9.2025 in Anwesenheit der Schriftführerin Rp Mag. Posch, der Oberstaatsanwältin Mag. Draschl, des Angeklagten und seines Verteidigers RAA Mag. Purtscheller (Kanzlei RA Dr. Lechner) öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird F o l g e gegeben, die Anwendung des § 37 Abs 1 StGB aus dem angefochtenen Urteil ausgeschieden und über den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von vier Monaten verhängt.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe :
Mit dem angefochtenen Urteil wurde A*, geboren am **, des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (1.) und des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 5 StGB schuldig erkannt.
Nach dem Schuldspruch hat er am 27.2.2025 in **
1. B* vorsätzlich am Körper verletzt, indem er ihr in die Nase biss, wodurch sie eine blutende Wunde sowie eine Rötung am Nasenbein erlitt;
2. fremde, teilweise einem wesentlichen Bestandteil der kritischen Infrastruktur zuzurechnende (b) Sachen zerstört bzw beschädigt, und zwar
a) eine ** sowie einen Staubsauger der Marke ** der B*, indem er die Gegenstände mit voller Wucht auf den Boden warf,
b) durch Randalieren das Fenster bzw eine Wand, einen Türknauf, die Zellentür, ein Regal, ein Keramikwaschbecken und eine WC-Papierhalterung im Haftraum **, sowie die Blende der WC-Spülung und eine Kamera in der Absonderungszelle **, sohin der öffentlichen Sicherheit dienende Einrichtungen (§ 73 Abs 1 Z 11 StGB),
wobei er dadurch gesamt einen jedenfalls EUR 5.000,-- nicht übersteigenden Schaden verursacht hat.
Hiefür verurteilte der Einzelrichter ihn nach § 126 Abs 1 StGB in Anwendung der §§ 28 Abs 1 und 37 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen à EUR 4,--, im Uneinbringlichkeitsfall 120 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens. Die zunächst unterbliebene Anrechnung der vom Angeklagten erlittenen Verwahrungshaft wurde zwischenzeitlich mit Beschluss vom 30.6.2025 gemäß § 400 Abs 2 StPO aktenkonform nachgeholt (ON 13).
Bei der Strafbemessung innerhalb des bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe reichenden Strafrahmens des § 126 Abs 1 StGB wurden das umfassende und reumütige Geständnis des Angeklagten sowie die eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit aufgrund seiner Alkoholisierung mildernd gewertet. Die dem Angeklagten im Verfahren ** des Landesgerichtes Innsbruck als mildernd zugebilligte eingeschränkte Dispositionsfähigkeit habe auf dem schädlichen Gebrauch von Tabak und Cannabinoiden, also einem anderen berauschenden Mittel beruht, weshalb ihm dieser Milderungsgrund bezogen auf Alkohol noch nicht zuteil geworden und dementsprechend zu berücksichtigen sei. Besonders erschwerend seien eine, auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstrafe, das Zusammentreffen von zwei Vergehen sowie die mehrfache Delinquenz bezogen auf die Sachbeschädigung zu werten. Die Voraussetzungen des § 37 Abs 1 StGB erachtete das angefochtene Urteil ohne nähere Begründung als vorliegend. Zur Höhe des einzelnen Tagessatzes verwies der Erstrichter auf die Vermögensverhältnisse des Angeklagten.
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 10) und fristgerecht schriftlich ausgeführte (ON 14) Berufung der Staatsanwaltschaft Innsbruck wegen des Ausspruchs über die Strafe mit dem Antrag, anstelle der verhängten Geldstrafe eine unbedingte Haftstrafe über den Angeklagten zu verhängen. Mit der Geldstrafe könne nicht das Auslangen gefunden werden, weil der Angeklagte schon ein Jahr nach der Entlassung aus dem Maßnahmenvollzug wiederum straffällig geworden sei, dies unter Alkoholeinfluss. Dem Angeklagten sei aufgrund der Therapie im Maßnahmenvollzug durchaus bewusst, dass er auf berauschende Wirkstoffe besonders aggressiv reagiere, weshalb eine Berauschung zum Tatzeitpunkt nicht mildernd gewertet werden könne. Die Hemmschwelle, delinquent zu werden, werde beim Angeklagten insbesondere im Zustand einer Berauschung derart herabgesetzt, dass ihm mit einer empfindlichen Strafe vor Augen geführt werden müsse, dass auch der Konsum von Alkohol in seiner Situation kein Milderungsgrund sein könne.
Der Angeklagte beantragte in einer durch seinen Verteidiger eingebrachten Gegenausführung (ON 16), der Berufung der Staatsanwaltschaft keine Folge zu geben.
Die Oberstaatsanwaltschaft trat in ihrer Stellungnahme der Berufung der Staatsanwaltschaft Innsbruck bei.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung erweist sich als berechtigt.
Zur mildernden Berücksichtigung der eingeschränkten Zurechnungsfähigkeit infolge des übermäßigen Konsums von Alkohol ist zunächst auf die in der Hauptverhandlung vorgekommene Aussage der Zeugin B* zu verweisen, wonach der Angeklagte bei Problemen gerne zu Alkohol greife (ON 3.11), weiters auf die Verantwortung des Angeklagten, wonach B* ihm am 27.2.2025 zu Recht vorgeworfen habe, dass er Blödsinn mache, wenn er „saufe“ (ON 3.9). Der Angeklagte ist also (auch) im Umgang mit Alkohol durchaus erfahren und muss um dessen Wirkung wissen. Dennoch hat das Erstgericht dem Angeklagten den Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 1 StGB im Ergebnis zumindest im Zweifel zu seinen Gunsten schon wegen der ihm vom Sachverständigen C* M.Sc. im Gutachten vom 28.12.2021 (ON 5) attestierten dissozialen Persönlichkeitsstörung zu Recht zugebilligt. Zwar erachtete die Sachverständige Prim. Dr. D* in ihrem Gutachten vom 21.3.2024 (ON 6) diese Diagnose als nicht mehr aufrecht zu erhalten, angesichts des vom Angeklagten am 27.2.2025 an den Tag gelegten Verhaltens liegt jedoch ein Aufleben dieser Persönlichkeitsstörung nahe.
Auch darüber hinaus hat das Erstgericht die besonderen Strafzumessungsgründe vollständig erfasst. Die einer Freiheitsstrafe von vier Monaten entsprechende Sanktion ist auch nach Ansicht des Berufungsgerichts schuld- und tatangemessen. Der Berufung der Staatsanwaltschaft ist allerdings darin beizupflichten, dass die vom angefochtenen Urteil nicht näher erläuterten Voraussetzungen zur Verhängung einer Geldstrafe anstelle der von § 126 Abs 1 StGB primär angedrohten Freiheitsstrafe in Anwendung des § 37 Abs 1 StGB nicht gegeben sind. Nach dieser Gesetzesstelle ist statt auf eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr auf eine Geldstrafe von nicht mehr als 720 Tagessätzen zu erkennen, wenn für die Tat keine strengere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren angedroht ist und es nicht der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe bedarf, um den Täter von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.
Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 16.5.2022 zu ** wurde der Angeklagte der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB, des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB, des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 und Abs 3 Z 2 erster Fall StGB, des Vergehens der Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB und des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7, 15 StGB schuldig erkannt und nach § 83 Abs 3 StGB in Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Überdies wurde er gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Diese Maßnahme wurde bis zu seiner unbedingten Entlassung gemäß Art 6 des Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetzes 2022 (kurz: MVAG 2022; BGBl I 2022/223) am 3.4.2024 an ihm vollzogen. Der – einschließlich der vorläufigen Anhaltung - mehr als zweieinhalbjährige Freiheitsentzug war nicht geeignet, den Angeklagten von der neuerlichen Begehung einschlägiger strafbarer Handlungen am 27.2.2025 abzuhalten. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass nunmehr die Verhängung einer Geldstrafe anstelle der primär angedrohten Freiheitsstrafe ausreicht, um diese Wirkung beim Angeklagten zu erzielen.
In Stattgebung der Berufung der Staatsanwaltschaft Innsbruck war daher die Anwendung des § 37 Abs 1 StGB aus dem angefochtenen Urteil auszuscheiden und über den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von vier Monaten zu verhängen. Die bedingte Nachsicht der Strafe gemäß § 43 Abs 1 StGB scheidet schon aufgrund der einschlägigen Vorstrafe aus.
Der Ausgang des Berufungsverfahrens hat die im Spruch angeführten Kostenfolgen.