4R140/25g – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht hat durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Prantl als Vorsitzende sowie die Richter des Oberlandesgerichts Mag. Schallhart und Mag. Eppacher als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei A* , vertreten durch Mag. Michael Schönlechner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1. D* , 2. E* C* GmbH , 3. F* Aktiengesellschaft , alle vertreten durch Mag. Michael Tinzl, Mag. Albert Frank, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, wegen Leistung (ausgedehnt EUR 39.053,27 s.A.), Rente (eingeschränkt EUR 12.960,00) und Feststellung (EUR 5.000,00), über die Berufung der beklagten Parteien (Berufungsinteresse: richtig EUR 3.240,00) gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 18.8.2025, **-36, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
1) Der Berufung wird keine Folge gegeben.
2) Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu Handen des Klagsvertreters die mit EUR 674,68 (darin EUR 112,45 an USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.
3) Die Revision ist jedenfalls unzulässig .
Text
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist einzig die Höhe der Hausfrauenrente, die die Klägerin aufgrund der von ihr bei einem Verkehrsunfall vom 8.3.2024 erlittenen Verletzungen geltend macht. Dazu brachte sie vor, sie sei unfallbedingt nicht mehr in der Lage, zahlreiche Tätigkeiten im Haushalt selber zu führen. Wegen des ihr dadurch entstehenden Verdienstentgangs sei eine monatliche Rente von (eingeschränkt) EUR 360,00 angemessen.
Die Beklagten bestritten (auch) das Rentenbegehren. Die Klägerin habe keinen tatsächlichen Verdienstentgang erlitten.
Mit dem angefochtenen Urteil verpflichtete das Erstgericht die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von EUR 33.644,71 s.A. (Spruchpunkt 1) und zur Leistung der begehrten Rente beginnend ab 1.6.2025 (Spruchpunkt 2) sowie stellte unter Berücksichtigung der Haftungshöchstgrenze nach §§ 15, 16 EKHG fest, dass die Beklagten für sämtliche der Klägerin zukünftig aus dem Unfallereignis entstehenden Schäden zu haften haben (Spruchpunkt 3). Ein Zahlungsmehrbegehren von EUR 5.408,56 s.A. wies es ab. Dieser Entscheidung legte das Erstgericht die auf US 2 sowie 8 bis 15 getroffenen Feststellungen zu Grunde, auf die zunächst gemäß § 500a ZPO verwiesen werden kann. Zum besseren Verständnis der Berufungsentscheidung wird folgende gemäß § 498 Abs 1 ZPO unstrittige Sachverhaltsgrundlage hervorgehoben:
„Nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus war die Klägerin von 26.03.2024 bis 24.06.2024 im G* untergebracht. [...]
Nach dem Aufenthalt im Pflegeheim wurde die Klägerin in die häusliche Pflege entlassen. Aufgrund des Unfalls war die Klägerin von 24.6.2024 bis 24.7.2024 im Ausmaß von 3 Stunden täglich pflegebedürftig. Weiters war die Klägerin in diesem Zeitraum für 4 Wochen um 100 % und danach auf Dauer für 20 % in ihrer Haushaltsführung eingeschränkt. [...]
Die Klägerin bewohnt eine kleine Wohnung im Ausmaß von 40 m² mit Balkon. Bis zu dem Unfall hat die Klägerin den Haushalt alleine geführt. Seit der Entlassung in die häusliche Pflege wird die Klägerin von einer nahen Vertrauensperson sowohl im Haushalt unterstützt als auch allgemein betreut. So benötigte die Klägerin insbesondere im Zeitraum 24.6.2024 bis 24.7.2024 Unterstützung beim Kochen, Waschen und Einkaufen und teilweise bei der Pflege und organisatorischen Angelegenheiten, da sie die Wohnung eigentlich nicht verlassen konnte. Insgesamt hat die Vertrauensperson in diesem Zeitraum ca. 20 bis 25 Stunden pro Woche für Haushalt und sonstige Unterstützung und Pflege der Klägerin aufgewendet, wobei die Pflege meist durch die Klägerin selbst erfolgte. […]
Die Klägerin ist mittlerweile in der Lage, alleine mit Krücken alltägliche Einkäufe zu erledigen. Sie ist jedoch weiterhin auf Hilfe angewiesen. So ist es ihr nicht möglich, Bus zu fahren, sowie größere Einkäufe oder gröbere Hausarbeiten wie Fensterreinigen oder Staubsaugen zu erledigen. [...]“
Soweit für das Berufungsverfahren von Relevanz führte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht aus, in Anwendung des § 273 ZPO sei davon auszugehen, dass die Klägerin vor dem Unfall täglich 3 Stunden an Haushaltstätigkeiten erbracht habe. Damit sei der Berechnung der Rente ein monatlicher Gesamtaufwand von durchschnittlich 90 Stunden zu Grunde zu legen. Im Hinblick auf die in Zukunft anfallenden Kosten bzw. die in Zukunft zu erwartenden Stundensätze einer adäquaten Hilfskraft sei ein Stundensatz von EUR 20,00 angemessen (§ 273 ZPO). Da die Klägerin unfallbedingt im Ausmaß von 20 % dauerhaft in ihrer Fähigkeit zur Haushaltsführung eingeschränkt worden sei, errechne sich ein Rentenbetrag von EUR 360,00 monatlich (= 90 Stunden * 20 % = 18 Stunden * EUR 20,00 = EUR 360,00). Die Höhe des Stundensatzes für die von der Vertrauensperson bis Ende Mai 2025 erbrachten Leistungen erachtete das Erstgericht mit EUR 15,00 angemessen.
Mangels Anfechtung erwuchsen die Spruchpunkte 1, 3 und 4 in Rechtskraft. Die aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Berufung der Beklagten strebt die Abänderung des Spruchpunkts 2 dahin an, dass der Klägerin beginnend mit 1.6.2025 eine monatliche Unfallrente von lediglich EUR 270,00 zu zahlen sei.
Die Klägerin begehrt, dem Rechtsmittel den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Der Berufung, über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nicht öffentlicher Sitzung entschieden werden kann, kommt keine Berechtigung zu.
1. Die grundsätzliche Zulässigkeit der Zuerkennung einer Hausfrauenrente wird von der Rechtsrüge nicht in Zweifel gezogen, sodass darauf vom Berufungsgericht nicht einzugehen ist.
2. Das Rechtsmittel richtet sich auch ausdrücklich nicht gegen die Anwendung des § 273 ZPO. Vielmehr verweist die Berufung darauf, dass das Erstgericht für die vom 24.6.2024 bis 31.5.2025 erbrachten Unterstützungsleistungen einen Stundensatz von EUR 15,00 angesetzt habe. Auf Grund welcher Umstände der Stundensatz von Mai 2025 auf Juni 2025 von EUR 15,00 auf EUR 20,00 anzuheben gewesen sei, sei nicht nachvollziehbar. Im Ergebnis habe das Erstgericht § 273 Abs 1 ZPO im Zusammenhang mit der Höhe des Rentenbegehrens daher unrichtig angewandt.
3. Gegen die Angemessenheit des der Verdienstentgangsrente zu Grunde gelegten Stundensatzes von EUR 20,00 bestehen allerdings keine Bedenken.
3.1 Gemäß § 273 Abs 1 ZPO kann, wenn feststeht, dass einer Partei der Ersatz eines Schadens oder des Interesses gebührt oder dass sie sonst eine Forderung zu stellen hat, der Beweis über den streitigen Betrag des zu ersetzenden Schadens oder Interesses oder der Forderung aber gar nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu erbringen ist, das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen selbst mit Übergehung eines von der Partei angebotenen Beweises diesen Betrag nach freier Überzeugung festsetzen.
3.2 Nach ständiger Rechtsprechung (RS0031108 [T12, T13, T15, T16]) sind nach § 1325 ABGB von einem Schädiger auch die Kosten der Vermehrung der Bedürfnisse aufgrund notwendiger Beiziehung einer Pflegeperson zu ersetzen. Den Pflegekosten gleichzuhalten sind die Kosten einer verletzungsbedingt notwendigen Haushaltshilfe (so bereits 8 Ob 76/83; RS0030922). Wenn ein Dritter für den Geschädigten Leistungen erbringt, um dessen vermehrte Bedürfnisse zu befriedigen, geschieht dies nach ständiger Rechtsprechung nicht zu dem Zweck, den Schädiger zu entlasten (vgl RS0022789). Dabei ist der objektive Wert der von dritter Seite erbrachten Sach- oder Arbeitsleistung der Vergütung zugrunde zu legen. Es ist daher festzustellen, welche Bruttokosten die Befriedigung dieser Bedürfnisse durch professionelle Kräfte erfordert hätte (5 Ob 241/21h mwN; 4 Ob 211/23t). Auch für einer Hausfrauenrente gebührt der Bruttolohn einschließlich Weihnachtsremuneration und Urlaubszuschuss sowie einem Zuschlag für Leistungen an Sonn- und Feiertagen (8 Ob 86/85; 2 Ob 345/00z; Danzl/Karner in KBB 7 § 1325 ABGB Rz 25).
3.3 Im Zusammenhang mit der Ermittlung des für die Verdienstentgangsrente maßgeblichen Stundensatzes muss bei der Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO somit berücksichtigt werden, dass über den Nettostundenlohn hinaus Sozialversicherungsbeiträge sowie (anteilige) Sonderzahlungen anfallen können. Davon, dass die Klägerin weiterhin von ihrer Vertrauensperson betreut wird, kann nicht ausgegangen werden. Bereits deshalb erscheint in Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO ein Bruttostundensatz von EUR 20,00 angemessen.
3.4 Das Erstgericht begründete die unterschiedliche Bemessung der Stundensatzhöhe nachvollziehbar damit, dass in Zukunft mit höheren Stundensätzen zu rechnen sei. Da eine Hausfrauenrente ohne zeitliche Beschränkung zuzusprechen ist (2 Ob 345/00z) bewegt sich diese Rechtsansicht jedenfalls in dem von § 273 Abs 1 ZPO eingeräumten Ermessensspielraum und ist daher auch aus diesem Grund nicht zu beanstanden.
4. Aus diesen Erwägungen kann dem Rechtsmittel kein Erfolg zukommen.
5. Die Kostenentscheidung im Berufungsverfahren stützt sich auf §§ 41, 46 Abs 2, 50 ZPO. Wegen der Erfolglosigkeit der Berufung sind die Beklagten zur ungeteilten Hand verpflichtet, der Klägerin die Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.
6. Aufgrund der gemäß § 58 Abs 1 JN zwingenden Bewertung des Rentenbegehrens mit dem Dreifachen der Jahresleistung ist ein Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 ZPO weder notwendig noch zulässig (RS0042732). Daraus ergibt sich, dass das Berufungsinteresse EUR 3.240,00 beträgt (EUR 90,00 * 36).
7. Da der Entscheidungsgegenstand den Schwellenwert von EUR 5.000,00 nicht übersteigt, ist auszusprechen, dass die Revision jedenfalls unzulässig ist.