1R60/25w – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht hat durch die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Nemati als Vorsitzende sowie die Richterin des Oberlandesgerichts Mag. Ladner-Walch und den Richter des Oberlandesgerichts Mag. Schallhart als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei A* , vertreten durch Dr. Oliver Peschel, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B* N.V. , vertreten durch BK.PARTNERS Bugelnig Kirner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen EUR 60.918,87 s.A., über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 24.2.2025, **-15, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
I. Der Berufung gegen den in das Urteil aufgenommenen Ausspruch über die Prozesseinrede der fehlenden internationalen Zuständigkeit wird n i c h t Folge gegeben.
II. Der Berufung wird n i c h t Folge gegeben.
III. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihres Vertreters binnen 14 Tagen die mit EUR 3.754,62 (darin enthalten EUR 625,77 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
IV. Die (ordentliche) Revision ist n i c h t zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte ist eine Gesellschaft nach dem Recht Curacaos mit Sitz in Curacao, Niederländische Antillen. Sie bietet und bot bereits seit zumindest Anfang 2021 in Österreich über das Internet auf ihrer Website ** unter anderem in deutscher Sprache Online-Echtgeldpokerspiele und Online-Casinospiele an. Bei den hierbei von der Beklagten angebotenen Spielen handelt es sich um Glücksspiele im Sinn des § 1 Abs 1 GSpG, die nicht unter die Ausnahmebestimmungen des § 4 GSpG fallen. Die Beklagte verfügt über keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz (GSpG), wohl aber über eine aufrechte Lizenz der Kahnawake Gaming Commission und untersteht der Aufsicht und Kontrolle dieser Behörde.
Von der Beklagten wird – und wurde seit zumindest Beginn des Jahres 2021 – in Österreich aktiv Werbung für die von ihr angebotenen Online-Casinospiele und die Website ** durch Werbeinserate im Internet geschaltet und auch im Fernsehen geworben.
Sofern man die Website mit Standardeinstellungen eines Browsers aus Österreich öffnete, wurde und wird diese Website zur Gänze automatisch in deutscher Sprache dargestellt.
Die Klägerin, die ihren Wohnsitz in ** hat, nahm im Zeitraum von 1.5.2021 bis 8.7.2023 an den von der Beklagten im Internet veranstalteten Online-Casinospielen (keine Sportwetten) teil. Die Klägerin erlitt dabei in Bezug auf die von ihr in diesem Zeitraum getätigten Einzahlungen nach Abzug der Spielgewinne Verluste in Höhe von EUR 60.918,87. Sie spielte via Handy und PC immer von Tirol aus. Die Klägerin spielte zu ihrem privaten Vergnügen und nicht zu gewerblichen oder unternehmerischen Zwecken. Sie spielte nicht, „um damit ihren Lebensunterhalt zu finanzieren“. Die Klägerin befüllte ihr Spielerkonto über ihre Kreditkarte bzw. im Weg von Banküberweisungen von ihrem Konto.
Unter Berufung auf die Unwirksamkeit der von ihr mit der Beklagten abgeschlossenen Glücksspielverträge begehrte die Klägerin , die Beklagte zum Rückersatz ihrer Spielverluste in Höhe von EUR 60.918,87 samt 4 % Zinsen seit 15.9.2023 zu verpflichten. Die Beklagte verfüge über keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz, weshalb die von der Klägerin mit ihr abgeschlossenen Glücksspielverträge unwirksam seien. Aufgrund der unwirksamen Spielverträge stehe ihr ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch gegenüber der Beklagten zu. Die Klägerin sei Verbraucherin, weswegen der Verbrauchergerichtsstand des Art 18 EuGVVO zur Anwendung gelange. Die Anwendung ausländischen Rechts sei nicht wirksam vereinbart worden. In AGB könnten zwingende Verbraucherschutzbestimmungen nicht umgangen werden. Mit Schreiben vom 24.8.2023 sei die Beklagte aufgefordert worden, diesen Verlust bis längstens 15.9.2023 zurückzubezahlen. Dieser Aufforderung sei die Beklagte nicht nachgekommen.
Die Beklagte erhob die Einrede der internationalen Unzuständigkeit des Erstgerichts mit der wesentlichen Begründung, ihren Sitz außerhalb des Hoheitsgebiets der Europäischen Union zu haben, weshalb die EuGVVO nicht anzuwenden sei. Zudem richte sie ihre Geschäftstätigkeit nicht auf Österreich aus, insbesondere weil sie hier keine Werbung schalte.
Es sei das Recht von Curacao und nicht österreichisches Sachrecht anwendbar.
In der Sache selbst wandte die Beklagte ein, dass sie über eine aufrechte Glücksspiellizenz verfüge und nach dem Recht von Curacao das von der Beklagten angebotene Glücksspiel nicht rechtswidrig sei. Die zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Spielverträge seien daher gültig zustande gekommen. Überdies habe die Klägerin die AGB der Beklagten akzeptiert und damit die vertragliche Verpflichtung übernommen, selbst zu prüfen, ob Online-Glücksspiele in ihrem Heimatstaat gesetzlich zulässig seien. Wenn die Klägerin nunmehr einen Rückabwicklungsanspruch unter Berufung auf nationale österreichische Glücksspielmonopolbestimmungen geltend mache, verletze sie ihre vertraglich übernommene Prüfpflicht. Die Geltendmachung bereicherungsrechtlicher Ansprüche sei daher rechtsmissbräuchlich.
Ungeachtet der fehlenden Anwendbarkeit von Unionsrecht sei das österreichische Glücksspielmonopol ohnehin nach dem vom EuGH entwickelten Prüfungsschema inkohärent und mit dem Unionsrecht unvereinbar.
Mit dem in das angefochtene Urteil aufgenommenen Beschluss verwarf das Erstgericht zunächst die Einrede der internationalen Unzuständigkeit. In der Sache selbst sprach es der Klägerin den Klagsbetrag von EUR 60.918,87 samt 4 % Zinsen seit 15.9.2023 zu. Es ging vom eingangs dargestellten und im nunmehrigen Berufungsverfahren unstrittigen sowie dem auf den Seiten 1, 2, 4 bis 8 des Urteils festgestellten Sachverhalt aus, auf den zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.
In seiner rechtlichen Beurteilung bejahte das Erstgericht zunächst in Anwendung der Art 17f EuGVVO seine internationale Zuständigkeit. Gemäß Art 6 Rom I-VO gelange österreichisches Sachrecht zur Anwendung. Das österreichische Glücksspielmonopol sei nach der Rechtsprechung des EuGH und der österreichischen Höchstgerichte unionsrechtskonform. Gestützt auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs qualifizierte das Erstgericht die erlittenen Spielverluste als (bereicherungsrechtlich) rückforderbar, weil die Beklagte über keine österreichische Glücksspielkonzession verfüge, was zur Nichtigkeit der zugrunde liegenden Verträge führe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten. Gestützt auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung – die in der Berufungserklärung ebenfalls angekündigte Beweisrüge wird nicht ausgeführt – strebt sie primär die Zurückweisung der Klage wegen internationaler Unzuständigkeit an. Eventualiter beantragt sie, das angefochtene Urteil im Sinn einer gänzlichen Klagsabweisung, in eventu nach Verfahrensergänzung, abzuändern, zumindest aber Zinsen erst ab dem 8.8.2024 zuzusprechen. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, dem gegnerischen Rechtsmittel einen Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.
I. Zur Verwerfung der Einrede der internationalen Unzuständigkeit:
Die Beklagte wendet sich in ihrer Rechtsrüge gegen die Anwendbarkeit der EuGVVO. Sie wiederholt dazu ihren bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragenen Standpunkt, aufgrund ihres Sitzes in einem Drittstaat an die Bestimmungen der EuGVVO, deren Geltung Curacao nie zugestimmt habe, mangels Gesetzgebungskompetenz der Europäischen Union nicht gebunden zu sein. Somit sei irrelevant, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des Art 17 Abs 1 lit c ff EuGVVO erfüllt seien oder nicht. Selbst bei Bejahung der Anwendbarkeit der EuGVVO hätte das Erstgericht aber zum selben Ergebnis – der Klagszurückweisung wegen fehlender internationaler Zuständigkeit – gelangen müssen, weil sie ihre gewerbliche Tätigkeit nicht auf den Abschluss von Verträgen mit österreichischen Verbrauchern ausrichte. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergebe sich lediglich, dass sie Online-Glücksspiel über eine deutschsprachige Website anbiete, die bei der „Google-Suche“ einer der ersten Treffer und Österreich eine der Auswahlmöglichkeiten bei der Länderauswahl im Rahmen des Registrierungsprozesses gewesen sei. Dies begründe noch keine „Ausrichtung“ im Sinn des Art 17 Abs 1 lit c EuGVVO, ebenso wenig wie die bloße Zugänglichkeit der Website in Österreich. Schließlich habe das Erstgericht die Bestimmung in ihren AGB unbeachtet gelassen, wonach der Spieler selbst zu prüfen habe, ob der Zugang und die Nutzung ihrer Website nach den nationalen Gesetzen seines Heimatstaats zulässig sei. Die Beklagte habe dadurch deutlich zu verstehen gegeben, ihr Angebot gerade nicht auf jene Staaten ausrichten zu wollen, in denen das Anbieten von Glücksspielen gesetzlich verboten oder beschränkt sei.
Hiezu ist zu erwägen:
1. Voranzustellen ist, dass das Erstgericht den Ausspruch über die Prozesseinrede der internationalen Unzuständigkeit in die über die Hauptsache ergehende Entscheidung aufnahm. Die Beklagte bekämpft diesen Ausspruch zutreffend mit dem in der Hauptsache offenstehenden Rechtsmittel der Berufung (§ 261 Abs 3 ZPO; vgl RS0036404).
Die Entscheidung des Berufungsgerichts darüber hat in Beschlussform zu ergehen. Die Anfechtbarkeit dieses Beschlusses richtet sich nach § 519 ZPO (1 Ob 118/22t; RS0123463; Kodek in Fasching/Konecny ³ III/1, § 261 ZPO Rz 79 und 87).
2. Curacao ist Teil des Königreichs der Niederlande, gehört aber nicht zur Europäischen Union, sondern ist mit dieser lediglich assoziiert. Innerhalb der Europäischen Union wird die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen durch die EuGVVO geregelt. Hat ein Beklagter keinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, gelten grundsätzlich die nationalen Zuständigkeitsregeln jenes Mitgliedstaats, in dem der Kläger seinen Wohnsitz hat.
Von diesem Grundsatz bestehen jedoch Ausnahmen. So verweist Art 6 Abs 1 EuGVVO (unter anderem) auf den Verbrauchergerichtsstand des Art 18 Abs 1 EuGVVO. Diese Bestimmung eröffnet dem Verbraucher die Möglichkeit, seinen (ausländischen) Vertragspartner auch dann bei seinem Wohnsitzgericht zu klagen, wenn der Vertragspartner in einem Drittstaat seinen (Wohn-)Sitz hat ( Simotta in Fasching/Konecny³ V/1 Art 18 EuGVVO 2012 Rz 2; Mayr in Czernich/Kodek/Mayr 4 , Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht, Art 17 Rz 6 und Art 18 Rz 3).
3. Die Bestimmung des Art 17 Abs 1 EuGVVO regelt die Voraussetzungen für den Verbrauchergerichtsstand. Ein solcher ist gegeben, wenn den Gegenstand des Verfahrens ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag bilden, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, wenn […] (lit c) der andere Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt (1. Alternative) oder eine solche auf irgendeinem Weg auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedstaats ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt (2. Alternative).
Dass die Klägerin als Verbraucherin in diesem Sinn zu qualifizieren ist, ergibt sich zweifelsfrei aus den unbekämpft gebliebenen Feststellungen und wird von der Beklagten auch nicht in Frage gestellt. Dasselbe gilt für den Umstand, dass die Beklagte im Verhältnis zur Klägerin grundsätzlich gewerblich tätig wurde. Der hier primär auf Bereicherungsrecht fußende Rückforderungsanspruch ist ferner zweifelsfrei von Art 17 EuGVVO erfasst (vgl 9 Ob 75/22b mwN).
4. Entgegen der Argumentation in der Berufung liegt ein Anwendungsfall des Art 17 Abs 1 lit c (2. Alternative) EuGVVO vor. Zutreffend ist, dass die bloße Zugänglichkeit der Website des Gewerbetreibenden im Wohnsitzstaat des Verbrauchers für die Annahme eines „Ausrichtens“ im Sinn des Art 17 Abs 1 lit c (2. Alternative) EuGVVO noch nicht ausreichend ist. Vielmehr ist zu prüfen, ob aus der Website und der gesamten Tätigkeit des Unternehmers hervorgeht, dass er zu einem Vertragsabschluss bereit war. Beispielhafte Anhaltspunkte dafür sind etwa die Verwendung einer anderen Sprache als der in dem Mitgliedstaat der Niederlassung des Gewerbetreibenden üblicherweise verwendeten, vorgenommene Ausgaben für einen Internetreferenzierungsdienst, um in anderen Mitgliedstaaten wohnhaften Verbrauchern den Zugang zur Website des Gewerbetreibenden zu erleichtern, oder die Verwendung eines anderen Domainnamens oberster Stufe als desjenigen des Mitgliedstaats der Niederlassung des Gewerbetreibenden (2 Ob 158/12t; Mayr aaO, Art 17 Rz 33).
5.1. Hier steht unbekämpft fest, dass die Beklagte ihre Dienste nicht nur über ihre in Österreich abrufbare, in deutscher Sprache verfasste Website mit einer Domain mit der internationalen Endung „.**“ anbot, sondern darüber hinaus die Website bei Aufruf aus Österreich mit Standardeinstellungen automatisch zur Gänze in deutscher Sprache dargestellt wurde. Daraus lässt sich im Sinn der zitierten Grundsätze eindeutig ableiten, dass die Beklagte gewillt und bereit war, auch mit Verbrauchern, die ihren Wohnsitz in Österreich haben, Verträge abzuschließen.
5.2. Sofern die Beklagte damit argumentiert, dass sie in Österreich keine Werbung schalte, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt (US 5, dritter Absatz). Insofern ist die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt (RS0043312; RS0043603).
5.3. Auch unter Berücksichtigung des Punkts 3. der AGB der Beklagten ergibt sich nichts Gegenteiliges: Für das autonom auszulegende Tatbestandsmerkmal des „Ausrichtens“ ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Zusammenhang mit einer im Staat des Verbrauchers aufrufbaren Website eines Gewerbetreibenden maßgeblich, dass der Gewerbetreibende seinen Willen zum Ausdruck gebracht haben muss, Geschäftsbeziehungen zu Verbrauchern eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten, darunter des Wohnsitzmitgliedstaats des Verbrauchers, herzustellen (10 Ob 21/14g; EuGH C-585/08 und C-144/09). Dieser Wille kommt bei Aufruf aus Österreich und in weiterer Folge durch das automatische Anbieten ihrer Dienste in deutscher Sprache hinreichend deutlich zum Ausdruck. Dass die Beklagte im genannten Punkt ihrer AGB den Spielern die Prüfung aufbürdet, ob der Zugang und die Nutzung ihrer Website nach den jeweiligen nationalen Gesetzen zulässig ist, vermag daran nichts zu ändern, sondern kann bloß als Versuch gewertet werden, die Rückforderbarkeit von verlorenen Spieleinsätzen nachträglich zu erschweren (so auch OLG Wien 4 R 130/24b und OLG Graz 4 R 8/25s).
6. Damit sind aber alle von Art 17 EuGVVO geforderten Tatbestandsmerkmale für die Anwendung des Verbrauchergerichtsstands erfüllt. Das Erstgericht hat davon ausgehend zutreffend seine internationale Zuständigkeit bejaht und die Prozesseinrede der Beklagten verworfen.
II. Zur Berufung in der Hauptsache:
1. Die Rechtsrüge wendet sich zunächst gegen die Anwendbarkeit der Rom I-VO und den vom Erstgericht daraus gezogenen Schluss, der Anspruch der Klägerin sei nach österreichischem Sachrecht zu beurteilen. Die Beklagte vertritt die Ansicht, ebenso wie bei der EuGVVO ende die Anwendbarkeit der Rom I-VO infolge grundsätzlicher völkerrechtlicher Prinzipien an den Grenzen der Europäischen Union. Das anwendbare materielle Recht hätte daher gemäß dem IPRG angeknüpft werden müssen. Mangels getroffener Rechtswahl sei auf die charakteristische Leistung abzustellen, die zweifellos von der Beklagten erbracht werde. Die Vertragsbeziehung zwischen den Streitteilen unterliege somit dem Recht des Staats Curacao. Davon ausgehend bestehe der ausschließlich auf eine Verletzung des österreichischen GSpG gestützte Anspruch der Klägerin nicht zu Recht. Selbst wenn man unrichtigerweise von der Anwendbarkeit der Rom I-VO ausginge, käme österreichisches Sachrecht nicht zur Anwendung, weil sich – ebenso wie bei der Beurteilung der Frage der Eröffnung des Verbrauchergerichtsstands – aus den Feststellungen des Erstgerichts eine Ausrichtung der gewerblichen Tätigkeit der Beklagten auf Österreich gerade nicht ableiten lasse.
Hiezu ist zu erwägen:
1.1. Bei der Rom I-VO handelt es sich um in Österreich unmittelbar anwendbares Kollisionsrecht, das für vertragliche Schuldverhältnisse mit Verbindung zum Recht verschiedener Staaten unabhängig davon gilt, ob diese Mitgliedstaaten sind. Sie hat Vorrang vor allenfalls entgegenstehenden Bestimmungen des nationalen Rechts. Seit ihrer Geltung enthält das IPRG in § 35 nur mehr eine Auffangregelung für vom sachlichen Anwendungsbereich der Rom I-VO nicht erfasste vertragliche Schuldverhältnisse ( Musger in KBB 7 Vor Art 1 Rom I-VO Rz 1-2). Unter das Vertragsstatut fallen auch die Folgen der Nichtigkeit und damit die Rückabwicklung eines Vertrags (3 Ob 44/22z; Musger aaO Art 12 Rom I-VO Rz 2). Entgegen der Argumentation der Beklagten hindert die mangelnde Mitgliedschaft von Curacao in der Europäischen Union die Anwendbarkeit der Rom I-VO daher nicht.
1.2. Nach Art 6 Abs 1 Rom I-VO gelangt unter denselben Voraussetzungen wie in Art 17 EuGVVO materiell das Recht des Staats zur Anwendung, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Der Anwendungsbereich des Art 6 Rom I-VO entspricht, von den – hier nicht relevanten – Ausnahmen in Abs 4 und dem Fehlen einer Sonderregelung für Teilzahlungsgeschäfte abgesehen, jenem von Art 17 EuGVVO ( Musger aaO Art 6 Rom I-VO Rz 2).
Daher kann insbesondere hinsichtlich der für die Frage des „Ausrichtens“ maßgebenden Kriterien auf die bereits oben unter Punkt I.4. bis I.5.3. dargestellten Grundsätze verwiesen werden. Da sämtliche diesbezüglichen Voraussetzungen erfüllt sind, wendete das Erstgericht zutreffend österreichisches materielles Recht auf den vorliegenden Sachverhalt an. Dass die Streitteile eine gültige Rechtswahl im Sinn von Art 6 Abs 2 Rom I-VO getroffen hätten, wird in der Berufung nicht behauptet.
2. Im Weiteren argumentiert die Beklagte, dass Glücksspielverträge generell vom Gesetzgeber des ABGB für zulässig erklärt worden seien und somit prinzipiell wirksam abgeschlossen werden könnten. Ein allfälliges nicht erfülltes Konzessionserfordernis könne dementsprechend nicht zu einem Inhaltsverbot, sondern allenfalls zu einem – für den Fall irrelevanten – Abschlussverbot führen. Selbst wenn man unrichtigerweise von der Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols ausgehen wollte, seien die zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Glücksspielverträge daher keinesfalls nichtig.
Überdies könne die Klägerin Verzugszinsen erst ab dem der – hier zum 7.8.2024 erfolgten – Klagszustellung folgenden Tag fordern. Das Erstgericht habe die Zinsen zu Unrecht bereits seit dem 15.9.2023 (Datum der letztmaligen Einzahlung der Klägerin) zugesprochen.
Hiezu ist zu erwägen:
2.1. Soweit die Beklagte mit diesen Ausführungen auf eine Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols abzielen sollte, ist lediglich der Vollständigkeit halber in aller Kürze festzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof bereits seit Jahren in ständiger (und auch in jüngster) Rechtsprechung im Einklang mit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (E 945/2016 und E 885/2018) und des Verwaltungsgerichtshofs (Ro 2015/17/0022 und Ra 2018/17/0048) davon ausgeht, dass das im österreichischen Glücksspielgesetz normierte Monopol- bzw Konzessionssystem bei Würdigung sämtlicher damit verbundener Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre im hier relevanten Zeitraum allen vom Gerichtshof der Europäischen Union aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (7 Ob 203/23p [vom 11.12.2023], 7 Ob 199/23z [vom 11.12.2023], 7 Ob 147/23b, 7 Ob 152/23p, 7 Ob 72/23y, 7 Ob 44/23f, 1 Ob 25/23t, 7 Ob 9/23h uva). Aufgrund der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Verfahren C-920/19 sowie der ständigen Rechtsprechung der drei österreichischen Höchstgerichte ist die Frage der Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols als abschließend beantwortet zu erachten (vgl 5 Ob 30/21d; 1 Ob 229/20p; 9 Ob 20/21p).
2.2. Auch die Argumentation, das GSpG gebiete allenfalls ein Abschluss-, aber kein Inhaltsverbot, widerspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs: § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB steht einem bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch hinsichtlich der Spieleinsätze für ein verbotenes Online-Glücksspiel nicht entgegen, weil die entsprechenden Einsätze nicht gegeben werden, um das verbotene Spiel zu bewirken, sondern um am Spiel teilzunehmen (RS0016325 [T15]; 6 Ob 229/21a; 9 Ob 54/22i; 2 Ob 171/22v uva).
Es wurde bereits mehrmals vom Obersten Gerichtshof aufgezeigt, dass der Verbotszweck die Rückabwicklung erfordert, wenn sich das Verbot – wie auch hier – gegen den Leistungsaustausch an sich wendet und es den Schutz der Spieler bewirken soll. Im Hinblick auf die Zielsetzung des Glücksspielgesetzes besteht der Rückforderungsanspruch selbst dann, wenn die Ungültigkeit der Verpflichtung oder Leistung bekannt war (RS0025607 [T2]). Die Rückforderung wird somit nach gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht durch die Kenntnis des Leistenden von der Nichtschuld ausgeschlossen (4 Ob 229/21m, 8 Ob 135/22v). Vielmehr besteht der Rückforderungsanspruch des Spielteilnehmers auch dann, wenn ihm die Ungültigkeit seiner Verpflichtung bekannt war (10 Ob 2429/96w; 1 Ob 52/22m). Selbst das „Verschweigen“ einer allenfalls schon bei Teilnahme am verbotenen Spiel bei ihm vorhandenen „Absicht“, verlorene Einsätze später einzuklagen, schadet nicht (vgl 6 Ob 200/22p).
2.3. Soweit sich die Beklagte gegen den vom Erstgericht angenommenen Beginn des Zinsenlaufs wendet, wird vorab angemerkt, dass die Beklagte diesen im erstinstanzlichen Verfahren gar nicht bestritten hat. Bei diesem erstmals in der Berufung aufgestellten Vorbringen handelt es sich daher um unzulässige Neuerungen (§ 482 ZPO).
Weiters handelt es sich – entgegen der Argumentation der Beklagten in ihrer Berufung – nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen (US 8 erster Absatz) beim 15.9.2023 nicht um den Tag der letztmaligen Einzahlung der Klägerin, sondern um den letzten Tag der laut anwaltlichem Aufforderungsschreiben eingeräumten Zahlungsfrist.
Schließlich ist auch dem Argument der Beklagten, der Klägerin stünden Zinsen erst ab dem 8.8.2024 (Tag nach Zustellung der Klage) zu, weil Fälligkeit erst eintrete, wenn eine Aufforderung zur Zahlung ergehe, aus folgenden Gründen nicht beizupflichten:
Zinsen aus einer ohne Rechtsgrund geleisteten und daher zurückzuerstattenden Geldsumme – sohin auch solche im Fall einer Rückabwicklung nach § 877 ABGB – sind sogenannte Vergütungszinsen, für die § 1333 ABGB anzuwenden ist (6 Ob 51/21z, 7 Ob 10/20a, ua; RS0032078). Die Nutzung des Geldes durch den Bereicherten (hier die Beklagte) ist grundsätzlich (zumindest) mit den gesetzlichen Zinsen zu vergüten (RS0032078 [T2]; 6 Ob 51/21z). Nach ständiger Rechtsprechung hat auch der redliche Bereicherungsschuldner die mit dem gesetzlichen Zinssatz pauschalierten Nutzungen eines von ihm zu erstattenden Geldbetrags unabhängig vom Eintritt des Verzugs herauszugeben (7 Ob 10/20a, 4 Ob 46/13p, 4 Ob 146/06z, je mwN). Auch bei Redlichkeit des Bereicherten ist nämlich die Nutzungsmöglichkeit des Kapitals inter partes dem Bereicherungsgläubiger zugeordnet. Es wäre daher nicht zu rechtfertigen, wenn der Schuldner den Nutzungsvorteil bis zum Einlangen eines Rückzahlungsbegehrens – oder wie hier von der Beklagten behauptet, bis zur Klagszustellung – behalten könnte.
Die Bestimmung des § 1000 ABGB ist in diesem Zusammenhang ganz generell als Pauschalierung des gewöhnlichen Nutzungsentgelts für Geld ("Zinsen") zu verstehen (7 Ob 10/20a, 4 Ob 46/13p, 4 Ob 149/06z, je mwN). Die Rechtsprechung, nach der bei absoluter Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts Zinsen erst ab Klagszustellung zustünden, ist überholt (RS0016316 [T1] = 9 Ob 62/16g).
Ausgehend von dieser Rechtslage gebühren der Klägerin auch die begehrten Zinsen.
3. Die ausschließlich ausgeführte Rechtsrüge und damit die Berufung der Beklagten ist daher insgesamt nicht berechtigt.
III. Verfahrensrechtliches
1. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf §§ 50, 41 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolgreichen Berufungsbeantwortung tarifgemäß und richtig verzeichnet.
2. Rechtsfragen von einer erheblichen Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO waren im Hinblick auf die vom Obersten Gerichtshof bereits geklärte Rechtslage nicht zu lösen, weshalb die Voraussetzungen nach dieser Gesetzesstelle für die Zulässigkeit einer (ordentlichen) Revision nicht vorliegen.