JudikaturOLG Innsbruck

7Bs173/25m – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
31. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch die Richterin Dr. Offer als Vorsitzende sowie den Senatspräsidenten Mag. Knapp, LL.M., und die Richterin Mag. Preßlaber als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen 1. A* B* und 2. C* B* wegen Vergehen(s) des geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil Österreichs nach § 256 StGB idF BGBl I 1974/60 über die Berufungen der Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Geschworenengericht vom 23.10.2024, GZ **-175, nach der am 31.7.2025 in Anwesenheit der Schriftführerin Rp Mag. Neuner, der Sitzungsvertreterin der Oberstaatsanwaltschaft OStA Mag. Draschl, der Angeklagten und ihrer Verteidiger RA Dr. Brigitte Weirather (für A* B*) und RA Mag. Nora Bichler (für C* B*) öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:

Spruch

Den Berufungen wird n i c h t Folge gegeben.

Nach § 390a Abs 1 StPO fallen A* B* und C* B* auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe :

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil des Erstgerichts, das zudem einen rechtskräftigen Freispruch eines Mitangeklagten und unbekämpft gebliebene Teilfreisprüche der Angeklagten A* und C* B* von weiteren Tatgeschehen sowie ein die beiden Berufungswerber betreffendes nicht mehr berufungsgegenständliches Konfiskationserkenntnis enthält, wurde die ** geborene A* B* der Vergehen des geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil Österreichs nach § 256 StGB idF BGBl I 1974/60 [zu A) und B)] und der ** geborene C* B* des Vergehens des geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil Österreichs nach § 256 StGB idF BGBl I 1974/60 [zu A)] schuldig erkannt.

Demnach haben sie mit weiteren gesondert verfolgten und in der Türkei aufhältigen Mitgliedern des Türkischen Nachrichtendienstes – „D*“ (D*), in ** und an anderen Orten den türkischen Geheimdienst D* zum Nachteil der Republik Österreich dadurch unterstützt, dass

A)

A* B* und C* B* im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter an Mitglieder des „D*“ im Oktober 2021 ein kompromittierendes Video übermittelten, welches den österreichischen Staatsangehörigen und Religionslehrer bzw Vorbeter E* beim Masturbieren zeigt;

B)

A* B* dem „D*“ bzw anderen öffentlichen Stellen in der Türkei Informationen über in Österreich lebende türkische Staatsangehörige bzw österreichische Staatsangehörige mit türkischer Abstammung übermittelte, nämlich zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im August 2021 ein 300-seitiges Dossier mit Namen von der „F*“ nahestehenden Personen bzw „G*-Anhängern“ („G*“).

Hiefür verhängte das Geschworenengericht nach § 256 StGB idF BGBl I 1974/60 in Anwendung des § 37 Abs 1 StGB (bei A* B* auch in Anwendung des § 28 Abs 1 StGB) über A* B* eine Geldstrafe von 360 Tagessätzen, im Fall der Uneinbringlichkeit 180 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, und über C* B* eine Geldstrafe von 300 Tagessätzen, im Fall der Uneinbringlichkeit 150 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, und verurteilte beide Angeklagten nach § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens. Nach § 19 Abs 2 StGB wurde die Höhe des Tagessatzes bei beiden Angeklagten mit EUR 9,-- bemessen und nach § 38 Abs 1 Z 1 StGB erlittene Vorhaften bei beiden aktenkonform auf die jeweils verhängten Strafen angerechnet.

Die gegen das Ersturteil ergriffene Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten hat der Oberste Gerichtshof in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss vom 4.6.2025, GZ 13 Os 26/25k-4, zurückgewiesen und die Akten zur Entscheidung über die Berufungen dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet. Die Rechtsmittel streben die schuld- und tatangemessene Herabsetzung der Geldstrafen an (ON 186 und ON 199).

Die Oberstaatsanwaltschaft vertrat in ihrer Stellungnahme den Standpunkt, dass den Berufungen nicht Folge zu geben sein wird.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufungen sind nicht im Recht.

Zu den persönlichen Verhältnissen der beiden Angeklagten und ihrem Vorleben traf das Erstgericht die nachangeführten Feststellungen:

Die am ** in **/** geborene Erstangeklagte A* B* ist türkische Staatsangehörige, verheiratet mit dem Zweitangeklagten C* B* und sorgepflichtig gegenüber einem mj Kind im Alter von 17 Jahren, welches mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebt. Sie bezieht als Hilfsarbeiterin in einer Putzfirma ein monatliches Nettogehalt von EUR 1.800,--, dies 14 Mal im Jahr. Sie verfügt über kein Vermögen und hat Schulden von insgesamt EUR 40.000,-- zu bedienen, wobei diesbezüglich ein Exekutionsverfahren anhängig ist und monatlich EUR 300,-- bis EUR 350,-- von ihrem Gehalt gepfändet werden. In der österreichischen Strafregisterauskunft der A* B* scheinen bislang keine Eintragungen auf.

Der am ** in **/** geborene Zweitangeklagte C* B* ist türkischer Staatsangehörige, verheiratet mit der Erstangeklagten A* B* und sorgepflichtig gegenüber einem mj Kind im Alter von 17 Jahren, welches mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebt. Er bezieht als Lager-Hilfsarbeiter ein monatliches Nettoeinkommen von EUR 1.800,--, dies 14 Mal im Jahr. Er verfügt über einen PKW der Marke Mercedes A 160, Baujahr 2010, und hat Schulden von insgesamt EUR 40.000,-- (Konkurs) zu bedienen, wobei die diesbezüglichen monatlichen Rückzahlungen EUR 300,-- betragen. In der österreichischen Strafregisterauskunft des C* B* scheinen bislang keine Eintragungen auf.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht den bisher ordentlichen Lebenswandel der Angeklagten mildernd. Die Tatbegehung mit Mittätern [erkennbar zu A)] wurde erschwerend gewichtet, bei A* B* auch das Zusammentreffen von zwei Vergehen. Mit Blick auf diese besonderen Strafzumessungsgründe und im Lichte allgemeiner Strafbemessungserwägungen sah das Erstgericht beim heranzuziehenden Strafrahmen von bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe die in Anwendung des § 37 Abs 1 StGB verhängten Geldstrafen jeweils als schuld- und tatangemessen an. Die Verweigerung teilbedingter Strafnachsicht nach § 43a Abs 1 StGB wurde wegen der Art der Delinquenz mit generalpräventiven Erwägungen begründet.

Zur Höhe des Tagessatzes verwies das Erstgericht auf die konstatierten persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Angeklagten.

Diese Strafzumessungsgründe des Erstgerichts treffen zu. Den Berufungen der Angeklagten gelingt es nicht, weitere Milderungsgründe aufzuzeigen und ergeben sich solche auch nicht aus dem Akt.

Weil Unbescholtenheit für sich allein den besonderen Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 2 StGB nicht begründen würde, hat das Erstgericht der Berufung des C* B* zuwider auch den auffallenden Widerspruch der Tat zu seinem sonstigen Verhalten bereits berücksichtigt, widrigenfalls es den Milderungsgrund nicht hätte annehmen dürfen ( Riffel in Höpfel/Ratz , WK 2 StGB § 34 Rz 6). Für eine spontane, einem augenblicklichen Willensimpuls folgende, mithin unbesonnene Tatbegehung im Sinn des § 34 Abs 1 Z 7 StGB ( Riffel aaO § 34 Rz 18) fehlen jegliche Anhaltspunkte. Zudem liegt in den Depositionen des C* B*, der sich nicht schuldig bekannte und auch eine vorsätzliche Übermittlung des inkriminierten Videos an Mitarbeiter des D* bestritt (BV C* B* PS 26ff in ON 173) weder ein Tatsachengeständnis noch ein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung.

Spekulationen der A* B* über ihre mögliche Abschiebung in die Türkei als Folge des Ausgangs des Strafverfahrens sprechen kein für die Straffrage beachtliches sachliches Strafbemessungskriterium an. Allfällige negative Folgewirkungen auf das familiäre und soziale Umfeld der Angeklagten (ua eingeschränkter Kontakt zur mj Tochter während der Untersuchungshaft, Verlust des Kontakts zur österreichisch türkischen Gemeinde) stellen sich fallbezogen als Folge des Strafverfahrens dar und verwirklichen nicht den Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 19 StGB ( Riffel aaO § 32 Rz 33ff und § 34 Rz 40/1; RIS-Justiz RS0130394).

Ausgehend von den zutreffenden Strafzumessungsgründen des Erstgerichts sind die in Anwendung des § 37 Abs 1 StGB ausgesprochenen Geldstrafen mit Blick auf den hohen sozialen Störwert der Tat(en) keinesfalls zu streng ausgefallen und in Ansehung der Anzahl der Tagessätze einer Herabsetzung nicht zugänglich.

Zutreffend hat das Erstgericht mit Blick auf die Art der Delinquenz die Gewährung teilbedingter Strafnachsicht nach § 43a Abs 1 StGB aus generalpräventiven Erwägungen ausgeschlossen. Dies findet die ausdrückliche Billigung des Berufungssenats.

Die Höhe des Tagessatzes korreliert mit den konstatierten persönlichen Verhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Angeklagten im Sinn des § 19 Abs 2 StGB.

Damit mussten die Berufungen erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung ist Folge des Ausgangs des Berufungsverfahrens. Sie gründet in der herangezogenen gesetzlichen Bestimmung.

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