6Bs182/25b – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Friedrich als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Klammer und den Richter Mag. Melichar als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung nach § 46 Abs 1 und 5 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Innsbruck gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Vollzugsgericht vom 24.6.2025, GZ **-5, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Der Beschwerde wird F o l g e gegeben, der angefochtene Beschluss a u f - g e h o b e n und der Strafgefangene A* nicht gemäß § 46 Abs 1 und 5 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG am 22.9.2025 nach Verbüßung der Hälfte der Strafzeit nach dem Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe von 75 Tagen zu B* des Landesgerichtes Innsbruck aus dem Vollzug der Freiheitsstrafe von 18 Monaten zu C* des Landesgerichtes Innsbruck bedingt entlassen.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 17 Abs 1 Z 3 StVG iVm § 89 Abs 6 StPO).
Text
BEGRÜNDUNG:
A*, geboren am **, verbüßt im Anschluss an eine Ersatzfreiheitsstrafe von 75 Tagen zu B* des Landesgerichtes Innsbruck derzeit in der Justizanstalt Innsbruck eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten zu C* des Landesgerichtes Innsbruck. Das urteilsmäßige Strafende fällt auf den 29.7.2026. Am 22.9.2025 wird der Strafgefangene die Hälfte der Freiheitsstrafen verbüßt haben.
Der Strafgefangene strebt seine bedingte Entlassung zu diesem Stichtag an und führte dazu im Erhebungsbogen aus, er sei das erste Mal in Haft (ON 2.2).
Die Leitung der Justizanstalt Innsbruck bescheinigt dem Strafgefangenen ein nur mäßiges Anstalts- und Sozialverhalten (wenngleich ohne Ordnungswidrigkeiten) und äußerte im Hinblick darauf Bedenken gegen eine bedingte Entlassung (ON 2.1). Die Staatsanwaltschaft Innsbruck nahm aus generalpräventiven Gründen ablehnend Stellung (ON 4).
Mit dem angefochtenen Beschluss bewilligte das Landesgericht Innsbruck als Vollzugsgericht die bedingte Entlassung des Strafgefangenen mit 22.9.2025 unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren und Anordnung der Bewährungshilfe. Aus der Summe der Privatbeteiligtenzusprüche im Verfahren C* ergebe sich ein Schaden von EUR 12.378,42, somit deutlich unter der Wertgrenze von EUR 300.000,--. Weder die Schadenshöhe noch sonstige Umstände der Tatbegehung würden vorliegend einen sozialen Störwert begründen, der ein Absehen von der vorzeitigen Entlassung zum Hälftestichtag unumgänglich erscheinen lassen würde.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Innsbruck mit dem Antrag, diesen aufzuheben und auszusprechen, dass der Strafgefangene nicht gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG nach Verbüßung der Hälfte der Freiheitsstrafen am 22.9.2025 bedingt entlassen werde. Es liege ein hoher sozialer Störwert vor, sodass der Vollzug der Freiheitsstrafe über die Hälfte hinaus erforderlich sei, um andere potentielle Täter abzuschrecken, also der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegen zu wirken.
Der Strafgefangene machte von der ihm eingeräumten Möglichkeit, sich zur Beschwerde der Staatsanwaltschaft zu äußern, nicht Gebrauch.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde, zu der sich auch die Oberstaatsanwaltschaft einer Stellungnahme enthielt, ist berechtigt.
Hat ein Verurteilter die Hälfte der im Urteil verhängten oder im Gnadenweg festgesetzten zeitlichen Freiheitsstrafe oder des nicht bedingt nachgesehenen Teils einer solchen Strafe, mindestens aber drei Monate verbüßt, so ist ihm der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB (Weisungen, Bewährungshilfe) anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird (§ 46 Abs 1 StGB). Die Prognose künftigen Verhaltens erfordert eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, so insbesondere die Art der Tat, das private Umfeld des Verurteilten, sein Vorleben und seine Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit. Besonderes Augenmerk ist nach § 46 Abs 4 StGB darauf zu legen, inwieweit sich die Verhältnisse seit der Tat durch Einwirkung des Vollzugs positiv geändert haben bzw ob negative Faktoren durch Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB ausgeglichen werden können ( Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz , WK² StGB § 46 Rz 15/1).
Ein Verurteilter, der die Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel der Strafe verbüßt hat, ist trotz Vorliegens dieser Voraussetzungen so lange nicht bedingt zu entlassen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzugs der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegen zu wirken (§ 46 Abs 2 StGB). Gewichtige Umstände, welche sich aus Sicht der Allgemeinheit von den regelmäßig vorkommenden Begleiterscheinungen strafbaren Verhaltens auffallend abheben, müssen ein Absehen von der vorzeitigen Entlassung unumgänglich erscheinen lassen. Dabei ist nicht nur der bloße Abschreckungseffekt bei potentiellen Tätern, sondern (im Sinne positiver Generalprävention) auch das Interesse an der Festlegung genereller Normentreue in der Bevölkerung zu beachten. Diese Aspekte generalpräventiver Natur müssen aus der Schwere der Tat ableitbar sein; liegen sie vor, sind sie gleichrangig mit den Erfordernissen der Spezialprävention zu berücksichtigen. Eine aus spezialpräventiver Sicht durchaus zulässige bedingte Entlassung kann demnach auch allein wegen eines in der Schwere der Tat gelegenen (besonderen) generalpräventiven Grundes verweigert werden ( Jerabek/Ropper aaO Rz 16).
Spezialpräventive Gründe stehen einer bedingten Entlassung des im Erstvollzug befindlichen Strafgefangenen bereits nach Vollzug der Hälfte der Freiheitsstrafen nicht entgegen und werden auch von der Beschwerde nicht geltend gemacht. Das Beschwerdegericht teilt jedoch die Ansicht der Staatsanwaltschaft Innsbruck, wonach einer bedingten Entlassung zum 23.9.2025 das generalpräventive Hindernis des § 46 Abs 2 StGB entgegen steht.
Nach dem Schuldspruch zu C* hat A* unter anderem an fremden Sachen, nämlich an verschiedenen Objektiven und Räumlichkeiten, ohne Einwilligung des jeweiligen Eigentümers eine Feuersbrunst zu verursachen versucht, wobei die Taten nur deshalb beim Versuch blieben, weil die Brände wegen der starken Rauchentwicklung frühzeitig entdeckt und von der Feuerwehr jeweils gelöscht werden konnten bzw zu 3. selbst erloschen, und zwar
1. am 25.10.2024 in **, indem er eine im holzvertäfelten Warteraum des Bahnhofes ** befindliche Holzbank mit unbekannten Brandmitteln in Brand setzte;
2. am 8.11.2024 in **, indem er im Herren-WC im Bahnhof ** im Bereich des Waschbeckens sowie neben der Kloschlüssel Toilettenpapier in Brand setzte;
3. zwischen 11.11. und 12.11.2024 in **, indem er im Herren-WC des Gasthofes „**“ mit einer Kerze und Toilettenpapier eine Toilettentür in Brand setzte;
4. am 13.11.2024 in **, indem er aus einem Mülleimer im Warteraum des Bahnhofgeländes eine weggeworfene Serviette entnahm, diese anzündete und sodann brennend in den Mülleimer warf und den Warteraum sodann verließ;
5. am 15.11.2024 in **, indem er in einer holzvertäfelten Sitznische im Warteraum des Bahnhofes ** Unrat deponierte und diesen in Brand stecke, wobei das Feuer bereits auf die Holzvertäfelung überging.
Die kriminelle Bedeutung (der soziale Störwert) der Tat, wie sie im speziellen verübt wurde, ist im Rahmen der Prüfung der Erfordernisse der Generalprävention auch in Fällen der vorzeitigen Entlassung aus zeitlich bestimmten Freiheitsstrafen mitzuberücksichtigen (RIS-Justiz RS0091863). Richtig ist, dass bei Vermögensdelikten zur Beurteilung der Schwere der Tat die gesetzlich vorgesehenen Wertgrenzen (seit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2015: EUR 300.000,--) als Orientierung herangezogen werden können (OLG Innsbruck 6 Bs 53/23d). Der Tatbestand der Brandstiftung ist einerseits gegen das Rechtsgut des fremden Vermögens gerichtet, (vgl RIS-Justiz RS0091951), soll jedoch andererseits auch Gefahren für Leib und Leben von Personen abwenden (12 Os 128/19v; Flora SbgK § 169 Rz 6f).
Bei einer Serie von Brandstiftungen – wie der hier vorliegenden - ist der dadurch verursachte Sachschaden jedenfalls nicht das vordringliche Kriterium bei der Beurteilung der kriminellen Bedeutung der Tat. Im Vordergrund steht vielmehr die massive Beunruhigung der Bevölkerung durch den wiederholten Versuch der Verursachung einer Feuersbrunst, also eines räumlich ausgedehnten Brandes, der mit gewöhnlichen Mitteln nicht mehr unter Kontrolle zu bringen ist ( Murschetz in Höpfel/Ratz, WK 2 StGB § 169 Rz 3), an öffentlich zugänglichen und teils stark frequentierten Örtlichkeiten. Dies begründet vorliegend eine besondere Schwere der Tat, welche den weiteren Vollzug der Freiheitsstrafe erfordert, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegen zu wirken. Erst nach Verbüßung von zwei Drittel der Freiheitsstrafen spielen generalpräventive Erwägungen bei der Entscheidung über die bedingte Entlassung keine Rolle mehr.
In Stattgebung der Beschwerde der Staatsanwaltschaft Innsbruck waren daher der angefochtene Beschluss aufzuheben und die bedingte Entlassung des Strafgefangenen bereits nach Verbüßung der Hälfte der Freiheitsstrafen abzulehnen.