JudikaturOLG Innsbruck

7Bs191/25h – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
17. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Knapp, LL.M., als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Offer und Mag. Preßlaber als weitere Mitglieder des Senats in der Strafvollzugssache des A* wegen vorläufigen Absehens vom Strafvollzug wegen Einreiseverbots oder Aufenthaltsverbots nach § 133a StVG über die Beschwerde des Strafgefangenen gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Vollzugsgericht vom 2.6.2025, GZ **-7, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Der Beschwerde wird n i c h t Folge gegeben.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO iVm § 17 Abs 1 Z 3 StVG).

Text

Begründung :

Der ** geborene A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt Innsbruck die über ihn zum Verfahren ** des Landesgerichts für Strafsachen Graz wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1 und Abs 3 Z 2, Abs 4 erster Fall FPG und einer weiteren strafbaren Handlung verhängte Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Der Hälftestichtag fiel auf den 10.7.2025, der Drittelstichtag wird am 10.2.2026 erreicht sein.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat zu IFA-Zahl ** gegen den Strafgefangenen ein für die Dauer von neun Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Der Bescheid vom 22.10.2024 ist rechtskräftig (Mitteilung BFA ON 5). Gegen eine freiwillige Ausreise des Strafgefangenen bestehen seitens der genannten Behörde keine Bedenken (ON 6.5). Der Strafgefangene verfügt über einen rumänischen Personalausweis, der noch bis 2031 gültig ist (ON 6.8). Sein GGV-Konto weist einen Guthabensstand von EUR 693,80 auf (ON 6.9). Er erklärte sich bereit, seiner Ausreiseverpflichtung umgehend nachzukommen (ON 6.3).

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss hat das Landesgericht Innsbruck als Vollzugsgericht den Antrag des Strafgefangenen nach § 133a StVG auf vorläufiges Absehen vom weiteren Vollzug der Freiheitsstrafe abgewiesen und dies mit aus der besonderen Schwere der Taten abgeleiteten generalpräventiven Erwägungen begründet (ON 7).

Gegen diesen Beschluss richtet sich eine im Zweifel rechtzeitige und schriftlich ausgeführte Beschwerde des Strafgefangenen, die darauf abzielt, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Bewilligung des Vorgehens nach § 133a StVG abzuändern. Argumentativ bringt der Beschwerdeführer vor, dass er sich das erste Mal in einem österreichischen Gefängnis befinde. In der Justizanstalt sei kein Platz mehr für Häftlinge. Daraus würden schlechte Haftbedingungen resultieren. Er würde nie wieder nach Österreich kommen oder reisen und sei bereit seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen (ON 8 und ON 12 sowie ON 16).

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft einer Stellungnahme enthalten hat, ist nicht im Recht.

Nach § 133a Abs 1 StVG ist vom weiteren Vollzug einer Strafe vorläufig abzusehen, wenn der Verurteilte die Hälfte der Strafzeit, mindestens aber drei Monate, verbüßt hat, wenn

gegen ihn ein Aufenthaltsverbot besteht,

er sich bereit erklärt hat, seiner Ausreiseverpflichtung in den Herkunftsstaat (§ 2 Abs 1 Z 17 AsylG) unverzüglich nachzukommen

und zu erwarten ist, das er dieser Verpflichtung auch nachkommen wird

und der Ausreise darüber hinaus keine rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse entgegen stehen.

Diese allgemeinen Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 133a Abs 1 StVG würden vorliegen. Allerdings stehen dem generalpräventive Erwägungen im Sinn des § 133a Abs 2 StVG entgegen. Hat ein Verurteilter nämlich die Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel einer Freiheitsstrafe verbüßt, so ist er trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach § 133a Abs 1 StVG solange nicht bedingt zu entlassen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat(en) ausnahmsweise des weiteren Vollzugs der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegen zu wirken.

Die Formulierung im Sinn des § 133a Abs 2 StVG ist bewusst an jene des § 46 Abs 2 StGB angeglichen ( Pieber in WK² StVG § 133a Rz 16). Zu beachten ist daher nicht nur der bloße Abschreckungseffekt bei potentiellen Tätern, sondern auch das Interesse an der Festigung genereller Normtreue in der Bevölkerung. Diese Aspekte generalpräventiver Natur müssen aus der Schwere der Tat ableitbar sein ( Jerabek/Ropper in WK² StGB § 46 Rz 16).

Dem derzeitigen Strafvollzug liegt eine rechtskräftige Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Graz zu ** zugrunde. Nach dem Inhalt des dortigen Schuldspruchs hat der Strafgefangene als Mitglied einer kriminellen Vereinigung die rechtswidrige Einreise und Durchreise von Drittstaatenangehörigen, die jeweils nicht im Besitz von Dokumenten waren, die sie zur Ein- oder Durchreise in oder durch den Schengenraum berechtigt hätten (§ 15 Abs 2 FPG), in oder durch einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union mit dem Vorsatz gefördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, wobei er die Taten jeweils in Bezug auf mindestens drei Fremde beging, und zwar

1. am 4.10.2023 in ** und an anderen Orten, indem er im Auftrag der abgesondert verfolgten Mittäter B* und „C*“ mit einem PKW zumindest sechs Drittstaatenangehörige von ** ausgehend über Slowenien und sodann über den Grenzübergang ** nach Österreich und weiter nach Deutschland brachte, und

2. am 10.10.2023 in ** und anderen Orten, indem er im Auftrag der abgesondert verfolgten Mittäter B* und „C*“ mit einem PKW ** von ** ausgehend 39 türkische Staatsangehörige unter Mithilfe des D* von Slowenien über den Grenzübergang ** nach Österreich brachte, wobei die Fremden durch ihre mehrstündige (ununterbrochene) Beförderung auf der Ladefläche des Kastenwagens im Dunkeln, ohne Sitze und Sicherheitsgurte, bei mangelnder Frischluftzufuhr, längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wurden.

Diesen Taten des Strafgefangenen haftet selbst innerhalb des Deliktsspektrums ein überdurchschnittlich hoher sozialer Störwert an (Tatbegehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung und zum Teil unter qualifizierenden Umständen, große Zahl an Fremden). Diese besondere Schwere der dem derzeitigen Strafvollzug zugrundeliegenden Taten steht ausnahmsweise im Sinn des § 133a Abs 2 StVG einem vorläufigen Absehen vom Strafvollzug wegen Einreiseverbots und Aufenthaltsverbots schon zum Hälftestichtag entgegen, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegen zu wirken. Daran vermögen die in der Beschwerde vorgetragenen Argumente, die im Wesentlichen auf das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen nach § 133a Abs 1 StVG hinweisen, nichts zu ändern.

Diese Aspekte generalpräventiver Natur werden erst mit dem Drittelstichtag am 10.2.2026 nicht mehr beachtlich sein.

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