JudikaturOLG Innsbruck

6Bs134/25v – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
16. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Friedrich als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Klammer und den Richter Mag. Melichar als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens der Erpressung nach §§ 15 Abs 1, 144 Abs 1 StGB über die Berufung der Angeklagten wegen Nichtigkeit sowie der Aussprüche über die Schuld und die Strafe gegen das einzelrichterliche Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 5.3.2025, GZ **-16, und die Beschwerde der Angeklagten gegen den Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht nach der am 16.7.2025 in Anwesenheit der Schriftführerin Rp Mag. Neuner, der Oberstaatsanwältin Mag. Draschl, der Angeklagten und ihrer Verteidigerin RA Mag. Presl öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag

Spruch

Der Berufung wird n i c h t Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

beschlossen:

Der Beschwerde wird F o l g e gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu ** des Landesgerichtes Innsbruck a b g e s e h e n , die Probezeit dazu jedoch gemäß § 494a Abs 6 StPO auf 5 (fünf) Jahre v e r l ä n g e r t .

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am ** geborene A* des Verbrechens der Erpressung nach §§ 15 Abs 1, 144 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür nach § 144 [zu ergänzen: Abs 1] StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Gleichzeitig wurde gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO der Widerruf der bedingten Strafnachsicht zum Urteil des Landesgerichtes Innsbruck zu ** (8 Monate Freiheitsstrafe) beschlossen.

Nach dem Schuldspruch hat A* am 14.11.2024 in ** mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Genötigten sich unrechtmäßig zu bereichern, B* über die App „**“ durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung an der Freiheit oder am Vermögen, nämlich die Ankündigung, ihr Freund C* werde bei der Hauptverhandlung am Landesgericht Innsbruck zu ** am 10.12.2024 gegen den Lebensgefährten von B*, nämlich D*, im Sinne des Strafantrages aussagen, wenn sie nicht EUR 500,00 bezahle, zu einer Handlung, nämlich der Bezahlung eines Geldbetrages in Höhe von EUR 500,00, zu nötigen versucht.

Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 13) und fristgerecht schriftlich ausgeführte (ON 17) Berufung der Angeklagten wegen Nichtigkeit sowie der Aussprüche über die Schuld und die Strafe und die Beschwerde gegen den Beschluss auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu ** des Landesgerichtes Innsbruck. Die Berufung mündet in die Anträge, die Angeklagte freizusprechen, in eventu die Strafsache zur neuerlichen Verhandlung an das Erstgericht zurückzuverweisen, in eventu die Freiheitsstrafe zu mildern und vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht abzusehen.

Die Oberstaatsanwaltschaft erachtet in ihrer ausführlichen Stellungnahme die Berufung und die Beschwerde der Angeklagten für nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Mit dem Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO macht die Berufungswerberin eine unzureichende Begründung geltend, da sich aus den Beweisergebnissen nicht ergebe, dass die Angeklagte damit gedroht habe, ihr Freund C* würde in dem gegen D* geführten Strafverfahren falsch aussagen. Die Berufungswerberin spricht dabei keine für die Schuld- oder Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache an (RIS-Justiz RS0117264, RS0099497, RS0117499), zumal die Frage, ob eine in der Hauptverhandlung zu tätigende Aussage inhaltlich richtig ist oder nicht, für die Beurteilung der Tauglichkeit dieses eingesetzten Nötigungsmittels irrelevant ist, solange dem Opfer gegenüber der Eindruck vermittelt wird, durch die nach dem Willen der Angeklagten zu steuernde - wahrheitsgemäße oder falsche - Aussage ihres Freundes Einfluss auf den Ausgang des gegen die Sympathieperson des Opfers geführten Strafverfahrens üben zu wollen. Der Erstrichter stellte zudem auch die Äußerung der Angeklagten fest, dass im Falle der Zahlung der Freund der Angeklagten nicht zur Verhandlung erscheinen würde bzw. seine Aussage zurückziehen würde, und B* nicht gewusst habe, dass dies nicht möglich sei (US 4 und 5).

Der weiteren Kritik, dass das Erstgericht keinerlei Feststellungen dazu getroffen habe, ob es sich bei D* um den Lebensgefährten der B* gehandelt habe, ist zu entgegnen, dass sich diese Feststellung mehrfach im Urteil wiederfindet (US 3 bis 5). Auch die Kritik, dass die Feststellung, dass es sich bei D* um den Lebensgefährten von B* gehandelt habe, vom Erstgericht nicht begründet worden sei, spricht keine für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache an, zumal nicht nur Lebensgefährten als Sympathiepersonen im Sinn des § 74 Z 5 StGB gelten. Voraussetzung ist, dass sich das angekündigte Übel gegen die Person des Bedrohten, gegen dessen Angehörige oder gegen andere unter seinen Schutz gestellte oder ihm persönlich nahestehende Personen richtet. Persönlich nahestehend sind Personen, die nach den gegebenen Umständen ein gewisses persönliches Naheverhältnis erkennen lassen. Dazu zählen zum Beispiel (und zwar "ohne, dass es dabei auf eine besondere individuelle Zuneigung ankäme") auch die jeweils dienstverrichtenden Kollegen eines Gendarmeriepostens. Unter diesem Gesichtspunkt können nicht nur Berufskollegen, sondern auch ideologisch oder politisch Gleichgesinnte, Mitglieder von Sportvereinen etc., alle innerhalb eines überschaubaren Kreises, als nahestehend im Sinn der Z 5 angesehen werden. Die Verwirklichung der Ankündigung muss sich in all den Fällen der Drittbeziehung auch für den Betroffenen selbst als Übel darstellen ( Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz , WK 2 StGB § 74 Rz 27). In diesem Sinne ist die Frage, ob es sich bei D* um den "Lebensgefährten" oder den "Freund" der B* gehandelt hat, nicht tatbestandsrelevant und wird dabei keine entscheidende Tatsache oder ein Mangel im Sinne der Anfechtungskategorien des § 281 Abs 1 Z 5 StPO aufgezeigt.

Die von der Berufungswerberin im Rahmen der geltend gemachten Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO vermisste Feststellung, dass D* und B* in einem Verhältnis zueinander stehen, traf das Erstgericht mehrfach auf den Seiten 3 bis 5 des Ersturteiles, indem D* als Lebensgefährte von B* bezeichnet wurde. Daraus ergibt sich unzweifelhaft, dass der Erstrichter davon ausging, dass es sich bei D* um eine Sympathieperson von B* gehandelt hat. Indem die Berufungswerberin sich nicht an diesen Feststellungen des Erstgerichtes orientierte, verfehlt sie damit den Bezugspunkt materiell-rechtlicher Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0116565 [insbesonders T2].

Inwiefern der Umstand, dass B* nicht die finanziellen Mittel gehabt habe, den geforderten Geldbetrag auch tatsächlich zu bezahlen, den Erpressungsversuch der Angeklagten nicht bloß relativ, sondern absolut untauglich machte, kann die weitere Rechtsrüge nicht nachvollziehbar darlegen.

Dem als Anregung auf amtswegige Wahrnehmung einer Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO zu verstehenden Einwand in der Berufungsverhandlung, dass der Schlusssatz des Chatverlaufes „Sonst is ma des egal - Wie ihr wollt“ (Lichtbild Nr. 4 in ON 2.3) einen freiwilligen Rücktritt vom Versuch darstellen würde, kann nicht näher getreten werden. Diese Passage ist im Zusammenhang mit der gesamten Nachricht gelesen dahingehend zu verstehen, dass B* die Konsequenzen für ihre Entscheidung, den geforderten Betrag nicht zu bezahlen, selbst zu verantworten habe. Von einem freiwilligen Rücktritt vom Versuch der Erpressung kann dabei nicht gesprochen werden. Doch auch im Falle der Auslegung dieser Worte als Aufgabe des Tatplans der Angeklagten, fehlt dabei das in § 16 Abs 1 StGB für den Rücktritt vom Versuch geforderte Moment der Freiwilligkeit, da B* bis dahin die geforderte Summe nicht bezahlte und die Angeklagte davon ausgehen musste, von B* den Geldbetrag überhaupt nicht zu erhalten (idS RIS-Justiz RS0090012).

Auch die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld ist nicht berechtigt.

Die Berufungswerberin argumentiert mit ihrer Verantwortung, wonach B* auf sie zugekommen sei und um EUR 1.000,-- oder EUR 2.000,-- eine Gefälligkeitsaussage erwirken habe wollen, was von B* vehement bestritten wurde (ON 14 Seite 3f). Mit dem weiteren Berufungsargument, dass aus den ausgetauschten Nachrichten eindeutig ersichtlich sei, dass B* keine EUR 100,-- besitze und schon deshalb nicht EUR 500,-- bezahlen hätte können, widerlegt sich die Berufungswerberin selbst. Wenn B* keine EUR 100,-- besessen hätte, wäre es ihr mit Sicherheit fremd gewesen, der Angeklagten EUR 1.000,-- oder EUR 2.000,-- zu bieten, um deren Freund zu einer Gefälligkeitsaussage zu bewegen.

Warum die Drohung mit der Einflussnahme auf die Aussage eines Zeugen in einem Strafverfahren eine andere Person nicht in Furcht und Unruhe versetzen soll, kann die Berufung nicht nachvollziehbar darlegen. Auch das Argument, dass die Zeugin B* sich aufgrund der Tat der Angeklagten an eine Bewährungshelferin gewendet hat, und dies darauf hindeute, dass bei ihr keine Furcht und Unruhe vorgeherrscht hätten, sondern vielmehr Neugier und Unentschlossenheit, vermag nicht zu überzeugen, zumal durchaus nachvollziehbar ist, dass B* Rat und Hilfe bei der Bewährungshelferin ihres Freundes gesucht hat.

Warum das angedrohte Übel nicht von einer derartigen Wichtigkeit sein soll, beim Opfer begründete Besorgnis einzuflößen, ist ebenfalls nicht nachvollziehbar, da die Angeklagte in einer Chat-Nachricht immerhin damit drohte, dass D* aufgrund der Aussage ihres Freundes C* in Haft komme (ON 2.3, drittes Lichtbild). Aus den vorliegenden Chat-Nachrichten (ON 2.3) ergibt sich in ihrer Gesamtheit ganz klar, dass die Angeklagte B* damit gedroht hat, dass wenn sie nicht EUR 500,-- bezahlt, der Freund der Angeklagten in dem Sinne aussagen werde, dass D* in dem gegen ihn geführten Verfahren eine Haftstrafe zu erwarten habe.

Die in der Berufung wegen des Ausspruchs über Schuld vorgebrachten Argumente überzeugen insgesamt nicht. Der erfahrene Erstrichter war in der Lage, sich auch einen persönlichen Eindruck von der Angeklagten und von der Zeugin B* zu verschaffen. Nicht zuletzt auch aufgrund dieses persönlichen Eindrucks sowie aus dem Inhalt der vorliegenden Chat-Konversation zwischen der Angeklagten und B* hat der Erstrichter die Urteilskonstatierungen nachvollziehbar und überzeugend begründet. Die dagegen vorgebrachten Argumente erwecken keine Zweifel des Berufungssenates an der erstgerichtlichen Beweiswürdigung. Insgesamt betrachtet sind daher die erstgerichtlichen Feststellungen unbedenklich zustande gekommen und tragen den Schuldspruch.

Auch die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe ist nicht berechtigt. Die vom Erstgericht ansonsten zutreffend und vollständig genannten Strafzumessungsgründe sind lediglich dahingehend zu ergänzen, dass die Tatbegehung während offener Probezeit sich im Rahmen des § 32 StGB als aggravierend auswirkt (RIS-Justiz RS0090954, RS0090597).

Angesichts des Vorliegens von fünf einschlägigen Vorstrafen ist die bei einem Strafrahmen von 6 Monaten bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe schuld- und tatangemessen und wird auch den genannten Strafzumessungsgründen und den allgemeinen Grundsätzen der Strafbemessung nach § 32 StGB gerecht. Die Anwendung des § 37 Abs 1 StGB oder eine bedingte Nachsicht nach § 43 Abs 1 StGB sowie die Anwendung des § 43a Abs 2 bzw. Abs 3 StGB kommt aufgrund der einschlägigen Vorstrafenbelastung der Angeklagten aus spezialpräventiven Gründen nicht in Betracht.

Der Berufung war sohin nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung stützt auf die im Spruch angeführte Gesetzesstelle.

Berechtigt ist jedoch die Beschwerde gegen den Widerruf der bedingten Strafnachsicht. Im Hinblick auf die hier verhängte unbedingte Freiheitsstrafe sowie den positiven Bericht der Bewährungshelferin vom 09.07.2025 konnte vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu ** des Landesgerichtes Innsbruck abgesehen werden, zumal dies in Anbetracht der neuerlichen Verurteilung nicht zusätzlich zu dieser geboten erscheint, um die Angeklagte von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Gemäß § 494a Abs 6 StPO war jedoch die Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern, insbesonders auch um eine Fortführung der von der Bewährungshelferin als sinnvoll und zweckmäßig erachteten Bewährungshilfe zu ermöglichen.

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