JudikaturOLG Innsbruck

4R82/25b – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
10. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht hat durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Prantl als Vorsitzende sowie die Richter des Oberlandesgerichts Mag. Schallhart und Mag. Eppacher als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. A* , vertreten durch Held Berdnik Astner Partner Rechtsanwälte GmbH in 1090 Wien, wider die beklagte Partei B*, vertreten durch MMag. Christian Mertens, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, wegen EUR 91.700,93 s.A. und Feststellung (Streitwert EUR 5.000,00), über die Berufung der klagenden Partei (Berufungsinteresse: EUR 96.700,93) gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 10.4.2025, **-37, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

1) Der Berufung wird keine Folge gegeben.

2) Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen zu Handen des Beklagtenvertreters die mit EUR 3.889,02 (darin EUR 648,17 an USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.

3) Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Text

Nach einem Skiunfall, bei dem sie einen Schienbeinkopfbruch rechts erlitt, wurde die Klägerin am 3.1.2022 in das Krankenhaus der Beklagten eingeliefert. Dort wurde ihr ein Oberschenkelspaltgips angelegt. Die Versorgung mittels Fixateur externe hatte die Klägerin abgelehnt, weil sie den Bruch so schnell wie möglich operiert haben wollte. Eine sofortige Operation war bei der Beklagten nicht möglich.

Die Anlage des Fixateur externe erfolgt dergestalt, dass jeweils zwei Bohrungen am Schienbein und am Oberschenkel gemacht und diese dann mit Stangen verbunden werden. Auf diese Art und Weise entsteht eine gelenküberbrückende, frakturstabile Situation. Durch die Anlage eines Fixateur externe kann die Entwicklung eines Kompartmentsyndroms nicht vermieden werden. Die Vorteile der Anlage eines Fixateurs externe im Vergleich zu einem Spaltgips liegen vor allem in der besseren Stabilität der Bruchsituation durch Frakturfixation, wodurch Schmerzen reduziert werden können, sowie in der besseren Kontrolle der Weichteilsituation, weil das Bein beim Fixateur externe frei liegt.

Nach einem Aufklärungsgespräch mit zwei behandelnden Ärzten der Beklagten unterfertigte die Klägerin einen Entlassungsrevers.

In der Früh des 4.1.2022 wurde die Klägerin mit einem Rettungswagen zur operativen Versorgung in eine Krankenanstalt nach F* überstellt, wo im Zuge der Aufnahmeuntersuchung der Verdacht auf ein Kompartmentsyndrom im Bereich des rechten Unterschenkels gestellt wurde, der sich in weiterer Folge bestätigte. Ein Kompartmentsyndrom ist dadurch gekennzeichnet, dass bei schweren Frakturen durch Einblutung in eine Muskelloge eine deutliche Druckerhöhung entstehen kann. Sofern diese nicht notfallmäßig in kürzester Zeit dekomprimiert wird, kann es zu bleibenden Muskel- und Nervenschäden kommen.

Dieser Sachverhalt ist im Berufungsverfahren unstrittig (§ 498 Abs 1 ZPO).

Die Klägerin begehrte aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes

Zum Aufklärungsfehler sowie den Behandlungsfehlern, die sie der Beklagten zur Last legte, brachte die Klägerin anspruchsbegründend zusammengefasst vor: Der Klägerin sei mitgeteilt worden, dass eine Operation des Bruches bei der Beklagten nicht möglich sei, weil kein Arzt verfügbar sei, der einen derart schweren Bruch operieren könne. Sie habe aus diesem Grund Kontakt mit einer Krankenanstalt in F* aufgenommen, die ihr zugesagt habe, den Bruch am nächsten Tag sofort zu operieren. Aus diesem Grund habe sie die Anlage eines Fixateur extern abgelehnt. Obwohl das Auftreten eines Kompartmentsyndroms in Betracht gezogen werden hätte müssen, habe die Beklagte die Verletzung der Klägerin nach der Anbringung des gespaltenen Oberschenkelgipses nicht überwacht. Sie sei auch nicht darüber aufgeklärt worden, dass das Risiko für die Entstehung eines Kompartmentsyndroms bestehe. Im Laufe des Abends/der Nacht habe sich dann tatsächlich ein Kompartmentsyndrom entwickelt. Obwohl der Klägerin, die unter unerträgliche Schmerzen gelitten habe, ca. alle zwei Stunden Opioide verabreicht worden seien, die allerdings keine Wirkung gezeigt hätten, und die Klägerin, die selbst Ärztin sei, auf ein Kompartmentmentsyndrom hingewiesen habe, habe die Beklagte das Kompartmentsyndrom weder diagnostiziert noch lege artis behandelt. Der angelegte Spaltgips sei nicht abgenommen worden, obwohl er im Hinblick auf die Beschwerden der Klägerin sofort zu entfernen gewesen wäre. Trotz eindeutiger Symptomatik sei keine intramuskuläre Druckmessung durchgeführt worden. Im Zuge des Aufenthalts sei das Kompartmentsyndrom von den diensthabenden Ärzten bzw. Krankenschwestern sodann mehrfach unrichtigerweise ausgeschlossen worden. Dies habe dazu geführt, dass die Beklagte der Klägerin keine Faszienspaltung angeboten habe. Damit sei die notwendige sofortige operative Behandlung des Kompartmentsyndroms entgegen dem Stand der Medizin unterlassen worden. Wäre die Verletzung der Klägerin überwacht sowie das Kompartmentsyndrom diagnostiziert und sofort operativ behandelt worden, hätte die Klägerin nach Durchführung einer Faszienspaltung keine bzw. wesentlich geringere Folgeschäden davongetragen, wesentlich geringere Schmerzen und keine Funktionseinschränkung erdulden müssen sowie keine psychische Beeinträchtigung erlitten. Mit Ausnahme des Fixateur extern habe die Klägerin keine weitere Behandlungen abgelehnt. Als sie den Revers am 3.11.2022 um 19:26 Uhr unterfertigt habe, habe noch kein Kompartmentsyndrom bestanden.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Zum Grund des Anspruchs wendete sie ein, die Klägerin sei über das Risiko der Entwicklung eines Kompartmentsyndroms aufgeklärt worden. Sie habe jedoch die stationäre Aufnahme zum Abschwellen sowie zu der Kompartment‐Überwachung kategorisch abgelehnt. In mehrfachen Gesprächen mit den behandelnden Fachärzten sei die Klägerin nochmals und eindringlichst auf die Notwendigkeit der sofortigen operativen Gelenksüberbrückung sowie der Kompartment‐Überwachung hingewiesen worden. Weiters sei die Klägerin mehrfach darauf hingewiesen worden, dass eine Verlegung mit dem Verletzungsbild und dem Kompartment‐Risiko medizinisch unverantwortlich sei. Dessen ungeachtet habe die Klägerin weiterhin auf der unversorgten Verlegung bestanden und die Krankenanstalt der Beklagten gegen den ausdrücklichen ärztlichen Rat der sie dort behandelnden Ärzte verlassen. Dazu habe sie auch den Revers unterfertigt. Um zumindest eine gewisse Ruhigstellung durchführen zu können, sei vorher noch ein gespaltener Oberschenkelgips angelegt worden. Auch die weitere Behandlung sei lege artis erfolgt. Schließlich habe die Klägerin das Krankenhaus der Beklagten am 4.1.2022 um 08:48 Uhr ohne Kompartment-Syndrom oder irgendwelche Anzeichen hiefür verlassen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit dem angefochtenen Urteil zur Gänze ab. Dieser Entscheidung legte es die auf den US 8 bis 18 getroffenen Feststellungen zu Grunde, die teilweise bereits eingangs der Berufungsentscheidung wiedergegeben wurden. Soweit für das Berufungsverfahren von Relevanz werden davon folgende Feststellungen hervorgehoben, die im Umfang der Beweisrüge der Klägerin fett hervorgehoben werden:

[Der behandelnde Arzt] schlug der Klägerin zur weiteren Behandlung zunächst die Anlage eines Fixateur externe vor und teilte dazu mit, dass dies aus seiner Sicht das beste Mittel der Wahl sei, um die Verletzung bzw. den Bruch vorübergehend ruhigzustellen und abschwellen zu lassen, sodass nach Ruhigstellung und Abschwellung zu einem späteren Zeitpunkt, also einige Tage später, eine definitive, operative Versorgung des Bruchs erfolgen kann. Er klärte die Klägerin zudem darüber auf, dass eine konservative Behandlung ebenfalls möglich sei, er hiervon jedoch abrät und jedenfalls einen operativen Eingriff zur definitiven Versorgung nach Anlage eines Fixateur externe samt Ruhigstellung und Abschwellung der Bruchsituation empfiehlt. […]

Die Klägerin lehnte, nach telefonischer Rücksprache mit [einem Vertrauensarzt], die Anlage eines Fixateur externe jedoch ab, da sie eine unverzügliche, definitive Versorgung des Bruchs durch sofortigen, operativen Eingriff wünschte. [Der behandelnde Arzt] teilte jedoch unter Hinweis auf die zunächst notwendige Anlage eines Fixateur externe zur Ruhigstellung und Abschwellung der Bruchsituation mit, dass eine sofortige, definitive Versorgung im Krankenhaus der beklagten Partei erst in einigen Tagen möglich ist. […] Die Entscheidung bzw. Empfehlung des [behandelnden Arztes] zur Anlage eines Fixateur externe wäre […] aus unfallchirurgischer Sicht richtig gewesen. […]

Zusammengefasst kann aus unfallchirurgischer Sicht eine definitive Versorgung einer derartig komplexen Schienbeinkopffraktur, wie diese die Klägerin erlitten hat, somit erst nach Abschwellen der Weichteilsituation ein paar Tage später sowie nach exakter präoperativer Planung von einem erfahrenen OP-Team durchgeführt werden.

Da die Klägerin ungeachtet dessen auf die sofortige, definitive Versorgung ihrer Verletzung bestand, nahm [der behandelnde Arzt] unter anderem telefonisch Kontakt mit dem diensthabenden Chirurgen [in der Krankenanstalt F*] auf, welcher ihm mitteilte, dass diese dazu bereit wären, die Klägerin am nächsten Morgen mittels Operation definitiv zu versorgen. Weiters teilte der diensthabende Chirurg […] mit, dass, wenn die Klägerin die Anlage des Fixateur externe ablehne, alternativ ein Spaltgips zur Ruhigstellung anzulegen sei. […]

(A) [Der behandelnde Arzt] teilte der Klägerin mit, dass bei Nicht-Anlage eines Fixateur externe aufgrund der instabilen Bruchsituation ein erhöhtes Risiko für eine Anschwellung und ein erhöhtes Risiko für das Auftreten eines Kompartmentsyndroms besteht, was im Verlauf zu weiteren Komplikationen und im Ergebnis zu einer Verzögerung der definitiven Versorgung des Bruchs führen kann. (B) Die Klägerin nahm dies zur Kenntnis, beharrte jedoch auf ihrem Standpunkt, lehnte die Anlage eines Fixateur externe weiterhin konsequent ab und bestand auf einer sofortigen, definitiven Versorgung durch Operation im Krankenhaus der Beklagten. [Der behandelnde Arzt] lehnte jedoch eine sofortige, definitive Versorgung des Bruchs ab, woraufhin die Klägerin die Verlegung in [die Krankenanstalt in F*] am nächsten Morgen wünschte, um dort die definitive Versorgung des Bruchs mittels Operation durchführen zu lassen.

[Der behandelnde Arzt] bereitete sodann am 3.1.2022 um 19:26 Uhr einen Revers mit folgendem Inhalt vor:

„I. Ich erkläre hiermit, dass ich das [Krankenhaus der Beklagten] über mein Verlangen und auf eigene Verantwortung gegen den ausdrücklichen Rat der behandelnden Ärzte vorzeitig verlasse. Ich lehne folgende mir empfohlene weitere Behandlung ab:

1. Eine stationäre Behandlung und Abklärung

2. eine Wundversorgung, eine Operation

3. eine Gipsruhigstellung oder eine weitere Gipsruhigstellung

4. eine Röntgen, Labor- und sonstige Untersuchung

5. Sonstiges:

[handschriftlich] Anlage Fixateur externe kniegelenksüberbrückend rechts

II. Ich wurde über die Art und Bedeutung der durch mein vorzeitiges Ausscheiden aus der Klinik eventuell entstehenden Gefahren für mein Leben oder meine Gesundheit aufgeklärt. Ich wurde insbesondere über folgende mögliche Komplikationen und Risiken aufmerksam gemacht:

[handschriftlich] Anschwellung, Kompartmentsyndrom, verzögerte definitive Versorgung.

Ich fühle mich durch das Gespräch ausreichend aufgeklärt und informiert.“

(C) Nachdem [der behandelnde Arzt] die Klägerin sohin im ärztlichen Aufklärungsgespräch ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass durch die Verweigerung der Anlage des Fixateur externe ein erhöhtes Risiko für eine Anschwellung, ein erhöhtes Risiko für das Auftreten eines Kompartmentsyndroms und damit einhergehend bei allfälligem Auftreten von weiteren Komplikationen auch das Risiko einer verzögerten definitiven Versorgung besteht, und die Klägerin dies zur Kenntnis nahm, wurde dieser Revers von der Klägerin und [vom behandelnden Arzt] jeweils eigenhändig unterfertigt.

Der Klägerin wurde daraufhin ein gespaltener Beingips rechts angelegt und diese nach Unterfertigung des Revers am 03.01.2022 um 19:26 Uhr stationär zur Kompartmentüberwachung im Krankenhaus der beklagten Partei aufgenommen. Zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme der Klägerin bestand kein drohendes Kompartmentsyndrom […]. Die Durchblutung, Motorik und Sensibilität bei der Klägerin (= DMS) war unauffällig. […]

(D) Eine „DMS“ Überprüfung kann grundsätzlich nämlich auch mit angelegtem Gips stattfinden, da ein Teil des Vorfußes, insbesondere die Zehen, frei liegen. Dies war auch bei der Klägerin der Fall. Man kann aus unfallchirurgischer Sicht die Farbe der Haut und die Temperatur des Fußes überprüfen und aufgrund der Farbgebung und der Temperatur die Durchblutung des Fußes prüfen. Es kann zudem auch ein Oximeter an die Zehe geklemmt werden, um die Sauerstoffsättigung zu überprüfen. Ferner kann man durch aktive oder passive Bewegung der Zehen überprüfen, ob die Motorik intakt ist und ob dadurch Schmerzen oder Gefühlsstörungen auftreten. Die Überwachung des Kompartmentsyndroms ist daher auch mit angelegtem Spaltgips möglich. Die Diagnose eines Kompartmentsyndroms kann trotz eines angelegten Gipses erfolgen.

Im stationären Bereich wird eine Kompartmentüberwachung stets vom Pflegepersonal durchgeführt. Das Pflegepersonal ist dazu angehalten, das „DMS“ zu kontrollieren und bei Auffälligkeiten einen Arzt zu konsultieren. […]

Es erfolgte in der Nacht vom 3.01.2022 auf den 4.01.2022 eine regelmäßige Kompartment-Überwachung durch [eine diplomierte Krankenschwester] und [einen Assistenzarzt] wie folgt:

Zunächst hat sich die Schmerzsituation der Klägerin wieder etwas verschlechtert, woraufhin diese von [der diplomierten Krankenschwester] am 3.1.2022 um 21:17 Uhr das Opiat Dipidolor, 7,5mg s.c. (subcutan) verabreicht bekam. Daraufhin stellte sich eine Besserung der Schmerzsituation ein. Nach ca. 2 Stunden hat sich die Schmerzsituation der Klägerin jedoch wieder verschlechtert und stellte sich so dar wie vor der Verabreichung des Opiats. Am 4.1.2022 um 00:19 Uhr wurde der Klägerin daraufhin neuerlich das Opiat Dipidolor, 7,5mg s.c. (subcutan) verabreicht.

Am 4.1.2022 um 0:44 Uhr klagte die Klägerin gegenüber [der diplomierten Krankenschwester] sodann trotz Bedarfsmedikation über anhaltende Schmerzen und wollte einen Arzt sprechen. (E) [Die diplomierte Krankenschwester] konsultierte daraufhin [den Assistenzarzt], welcher persönlich vorbei kam und mit der Klägerin ein Gespräch über ihre Schmerzsituation führte. Die Klägerin gab gegenüber [dem Assistenzarzt] an, dass durch die Einnahme der Schmerzmittel nunmehr wieder eine leichte Besserung bzw. Linderung ihrer Schmerzen eingetreten sei. Ferner überprüfte [der Assistenzarzt] bei der Klägerin das „DMS*“, indem er sie aufforderte, die Zehen zu bewegen. Die Klägerin konnte ihre Zehen bewegen und verspürte dabei keine Schmerzen. Mit der Klägerin wurde auch die Öffnung des Spaltgipses besprochen, wobei [der Assistenzarzt] mitteilte, dass der Spaltgips ein wenig gelockert werden kann, sofern keine Besserung eintritt. [Der Assistenzarzt] und die Klägerin kamen in der Folge überein, dass die Klägerin noch einmal nach ihm verlangen soll, wenn keine Besserung eintritt. In weiterer Folge hat die Klägerin im Verlauf der Nacht aber kein weiteres Mal nach einem Arzt verlangt, sodass der Spaltgips auch nicht gelockert wurde.

(F) Aus unfallchirurgischer Sicht wäre es kontraindiziert, den Gips zu entfernen, um das Kompartmentsyndrom überwachen zu können. Durch die Entfernung des Spaltgips käme nämlich erst recht wieder Bewegung in die Fraktur hinein, man könnte die Fraktur beispielsweise verschieben, man könnte aber auch Nerven schädigen, man könnte Gefäße schädigen und zudem eine vermehrte Durchblutung provozieren und dadurch erst recht die Entwicklung eines Kompartmentsyndroms begünstigen.

(G) Am 04.01.2022 um 06:28 Uhr äußerte die Klägerin gegenüber [der diplomierten Krankenschwester], dass sie während der Nacht trotz verabreichter Bedarfsmedikation stets gleichbleibende Schmerzen hatte. [Die diplomierte Krankenschwester] überprüfte am 04.01.2022 um 06:28 Uhr auch das „DMS“ der Klägerin mittels klinischer Untersuchung der Zehen (Hautfarbe, Temperatur, Bewegung der Zehen) und war das „DMS*“ der Klägerin auch zu diesem Zeitpunkt intakt. Anzeichen eines Kompartmentsyndroms bestanden nicht.

Ferner wurde im weiteren Verlauf während des stationären Aufenthalts der Klägerin im Krankenhaus der beklagten Partei eine regelmäßige Kompartment-Überwachung im Abstand von 2-3 Stunden wie folgt durchgeführt, wobei „o.B.“ die Abkürzung für „ohne Befund“ darstellt:

Sensibilität/Durchblutung vom 3.1.2022, 20:45 Uhr: o. B.

Sensibilität/Durchblutung vom 3.1.2022, 22:25 Uhr: o. B.

Sensibilität/Durchblutung vom 4.1.2022, 0:24 Uhr: o. B.

Sensibilität/Durchblutung vom 4.1.2022, 3:24 Uhr: o. B.

Sensibilität/Durchblutung vom 4.1.2022, 6:24 Uhr: o. B.

Die Überprüfung der Sensibilität/Durchblutung wurde wiederum von [der diplomierten Krankenschwester] durch klinische Untersuchung der frei liegenden Zehen der Klägerin durchgeführt, also Überprüfung von Temperatur, Hautfarbe und Bewegung der Zehen. Die Überprüfung der Sensibilität/Durchblutung in Intervallen von 2-3 Stunden ist aus fachlicher Sicht lege artis. (H) Auch die Überprüfung der Sensibilität/Durchblutung an sich durch die von [der diplomierten Krankenschwester] angewandte Methodik erfolgte lege artis. [...]

(i) Die „VAS“ (visuell analoge Schmerzskala) der Klägerin wurde am 4.1.2022 um 7:55 Uhr mit 4/4 erhoben.

Aus unfallchirurgischer Sicht wäre es auch möglich gewesen, der Klägerin am 04.01.2022 um 06:00 Uhr (also wiederum ca. 3 Stunden nach der letzten Gabe) neuerlich Dipidolor 7,5mg zu verabreichen. Damit wäre man bei der Klägerin noch immer weit unter der maximalen Dosierung gelegen.

Am 4.1.2022 um 08:48 Uhr wurde die Klägerin dann mit anliegendem weißen Beingips liegend entlassen und mit dem Rettungswagen in das Krankenhaus F* überstellt. (J) Zu diesem Zeitpunkt hat bei der Klägerin kein Kompartmentsyndrom bestanden. Wäre zu diesem Zeitpunkt ein Kompartmentsyndrom bei der Klägerin vorhanden gewesen, hätte dieser Transport niemals stattfinden dürfen, sondern wäre eine sofortige Kompartmentspaltung im Operationssaal des Krankenhauses der beklagten Partei notwendig geworden

(K) Es ist aus unfallchirurgischer Sicht ausgeschlossen, dass die Klägerin das Kompartmentsyndrom während ihres (stationären) Aufenthalts im Krankenhaus der beklagten Partei von 03.01.2022 auf den 04.01.2022 entwickelt hat. Die Klägerin hat das Krankenhaus der beklagten Partei ohne Kompartmentsyndrom verlassen. (L) Das bei der Klägerin aufgetretene Kompartmentsyndrom hat sich vielmehr erstmals während der Überstellungsfahrt im Rettungswagen zum Krankenhaus F* entwickelt.

Die Klägerin hat in der Nacht vom 03.01.2022 auf den 04.01.2022 im Zuge ihres stationären Aufenthalts zur Kompartment-Überwachung im Krankenhaus der beklagten Partei an erheblichen Schmerzen gelitten. (M) Diese Schmerzen waren jedoch nicht von derart starker Intensität, dass der Verdacht auf eine Entwicklung eines Kompartmentsyndroms entstanden ist. Eine derart komplexe Fraktur, wie sie die Klägerin erlitten hat, verursacht auch ohne Kompartmentsyndrom erhebliche Schmerzen. (N) Die Sensibilität, Motorik sowie die Durchblutung in der Peripherie des rechten Beines waren während des gesamten stationären Aufenthaltes der Klägerin durchwegs erhalten.

(O) Da zu keinem Zeitpunkt ein klinischer Hinweis auf ein drohendes Kompartmentsyndrom bei unauffälliger Durchblutung, Sensibilität und Motorik und bei im Großen und Ganzen beherrschbaren Schmerzen vorlag, war auch eine Indikation zur Logendruckmessung nicht gegeben. Eine Logendruckmessung ist aus unfallchirurgischer Sicht aber ohnehin nicht erforderlich, wenn man - wie im vorliegenden Fall der Klägerin - einen ansprechbaren und wachen Patienten vor sich hat.

(P) Zusammengefasst hat die Behandlung der Klägerin im Krankenhaus der beklagten Partei von der Erstbehandlung am 03.01.2022 um 17:22 Uhr bis zu ihrer Entlassung am 04.01.2022 um 08:48 Uhr allen medizinischen Standards entsprochen und erfolgte sach- und fachgerecht bzw. lege artis.“

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der Beklagten sei weder ein Behandlungs- noch ein Aufklärungsfehler anzulasten. Bei der Klägerin habe sich zu einem späteren Zeitpunkt jenes (Kompartment-)Risiko verwirklicht, über das sie aufgeklärt worden sei, das sie aber in Kauf genommen habe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus den Rechtsmittelgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der Aktenwidrigkeit sowie der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung erhobene Berufung der Klägerin mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Klagsstattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, dem Rechtsmittel den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung, über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nicht öffentlicher Sitzung entschieden werden kann, ist nicht berechtigt.

1. Zur Mangelhaftigkeit des Verfahrens

1.1 Aus Sicht der Berufungswerberin haften sowohl dem erstinstanzlichen Verfahren als auch der angefochtenen Entscheidung mehrere Verfahrensmängel an. Im Kern richtet sich die Kritik der Klägerin gegen das Gutachten des Sachverständigen, das in mehrfacher Hinsicht unschlüssig, widersprüchlich und unzureichend geblieben sei. Da das Erstgericht vor diesem Hintergrund kein weiteres Gutachten eingeholt habe, liege ein Verstoß gegen § 362 Abs 2 ZPO vor. Außerdem habe das Erstgericht die Beweiswürdigung unzulässig an den Sachverständigen delegiert. Zudem habe das Erstgericht eine vorweggenommene Beweiswürdigung getätigt, weil es zwei von der Klägerin beantragte Beweise nicht aufgenommen habe. Schließlich hafte dem Urteil ein Begründungsmangel im Sinn des § 496 Abs 1 Z 2 ZPO an.

Dazu ist wie folgt Stellung zu nehmen:

1.2 Voranzustellen ist, dass der Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens dann vorliegt, wenn der Verstoß gegen ein Verfahrensgesetz geeignet war, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern. Der Mangel muss abstrakt geeignet sein, die Unrichtigkeit der Entscheidung zum Nachteil der rügenden Partei herbeizuführen (RS0043049).

Auch ein Stoffsammlungsmangel infolge unterbliebener Beweisaufnahme kann zu einer Mangelhaftigkeit des Verfahrens führen. Eine solcher Mangel setzt zwar keine Rüge gemäß § 196 ZPO voraus (RS0037055); allerdings muss die abstrakte Eignung des Verfahrensmangels - sofern eine solche nicht offenkundig ist - im Rechtsmittel konkret und nachvollziehbar aufgezeigt werden (RS0116273 [T1], RS0043049 [T6]). Dies bedeutet, dass sich aus der Berufung erschließen lassen muss, welche für die Entscheidung des Rechtsfalls relevanten Ergebnisse bei Aufnahme der vermissten Beweismittel hätten erzielt werden können (6 Ob 184/20g mwN; vgl auch Pimmer in Fasching/Konecny³ § 496 ZPO Rz 37). Die gesetzmäßige Ausführung des Berufungsgrundes der Mangelhaftigkeit des Verfahrens erfordert deshalb, dass der Berufungswerber die für die Entscheidung wesentlichen Feststellungen anführt, die zu treffen gewesen wären (RS0043039).

1.3 Zur behaupteten Delegation der Beweiswürdigung

1.3.1 Die Klägerin moniert (siehe Punkt 1.1 sowie 2.1 lit a der Berufung), das Erstgericht habe es unterlassen, dem Sachverständigen den maßgeblichen Sachverhalt vorzugeben, von welchem dieser bei seiner Begutachtung auszugehen habe. Tatsächlich habe dieser den Sachverhalt eigenständig festgestellt und darüber hinaus selbst gewürdigt und damit eine genuine Aufgabe des Gerichts wahrgenommen. Dies betreffe vor allem die vom Sachverständigen zur Schmerzintensität getätigten Aussagen. Bei objektiver Würdigung aller vorliegenden Beweismittel, einschließlich der subjektiven Angaben der Klägerin, hätte das Erstgericht die Schmerzen der Klägerin als qualvoll, therapieresistent und demnach dahingehend beurteilen müssen, dass diese auf ein Kompartmentsyndrom hingewiesen hätten.

1.3.2 Der Gutachter betonte mehrfach, seine Beurteilung auf Basis der ihm vorliegenden Dokumentation der Beklagten vorzunehmen. Über entsprechende Frage stellte er im Rahmen der mündlichen Gutachtenserörterung klar, dass die von der Klägerin im Prozess geschilderten Schmerzen in einem Widerspruch zu den Behandlungsunterlagen stünden. Ob man von der Richtigkeit dieser Angaben auszugehen habe, stelle aber eine Frage der Beweiswürdigung dar. Er könne aus Sachverständigensicht lediglich darauf hinweisen, dass sich die von der Klägerin geschilderte Schmerzentwicklung aus den Unterlagen nicht ableiten lasse (Protokoll vom 25.3.2025 = ON 34, Seite 9).

Bereits aufgrund dieser Klarstellung zeigt sich, dass der Vorwurf, der Sachverständige sei beweiswürdigend tätig gewesen, nicht richtig ist. Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, dass sich das Erstgericht in der angefochtenen Entscheidung umfangreich mit den zur Schmerzsituation der Klägerin aufgenommenen Personalbeweisen auseinandersetzte. Auf Basis dieser Würdigung beschäftigte es sich in weiterer Folge mit den Ergebnissen des Sachverständigengutachtens und führte dabei insgesamt mit nachvollziehbarer Begründung aus, weswegen es die vom Sachverständigen gezogenen Schlüsse, die wesentlich auf einer Einschätzung der Schmerzsituation beruhten, als überzeugend erachtet. Damit geht aber auch der Vorwurf ins Leere, das Erstgericht habe die Beweiswürdigung in unzulässiger Weise an den Sachverständigen delegiert.

1.4 Zur unterbliebenen Einholung eines weiteren Gutachtens

1.4.1 Die Klägerin beantragte in der Tagsatzung vom 25.3.2025 die Einholung eines weiteren traumatologischen Gutachtens. Begründend führte sie aus, dass der Sachverständige die Angaben der Klägerin zu den von ihr verspürten Schmerzen von Anfang an außer Acht gelassen habe. Zudem stünden die Ausführungen des Sachverständigen im Widerspruch zu zwei von ihr vorgelegten medizinischen Fachartikeln (Beilagen R und S). Allerdings wäre das Erstgericht ohnedies zur Einholung eines weiteren Gutachtens verpflichtet gewesen. Das Gutachten sei nämlich unvollständig im Sinn des § 362 Abs 2 ZPO geblieben, weil der Sachverständige

1.4.2 Diesem Beweisantrag wurde vom Erstgericht nicht gefolgt, was von der Klägerin nunmehr als Stoffsammlungsmangel gerügt wird. Die Einholung eines neuen, unabhängigen Sachverständigengutachtens aus dem Fachbereich Unfallchirurgie hätte eine objektive und fachlich fundierte Klärung der entscheidungsrelevanten medizinischen Fragen ermöglicht. Insbesondere wäre dadurch überprüfbar gewesen, ob im maßgeblichen Zeitraum tatsächlich Symptome eines aufziehenden Kompartmentsyndroms vorgelegen seien, wie diese bei fachgerechter Überwachung erkennbar gewesen wären und ob ärztliche Maßnahmen unterlassen worden seien, die bei Anwendung des medizinischen Fachstandards geboten gewesen wären. Ein solches Zweitgutachten hätte somit nicht nur die bestehenden Widersprüche zum Privatgutachten (Beilage Q) sowie zu den medizinischen Fachstandards (Beilagen R und S) auflösen, sondern auch die Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit der Annahmen des bisherigen Gutachtens überprüfen und gegebenenfalls widerlegen können. Es wäre daher geeignet gewesen, eine entscheidende Korrektur der Tatsachengrundlage herbeizuführen und die rechtliche Beurteilung durch das Gericht maßgeblich zu beeinflussen.

Hierzu ist auszuführen:

Aus den dargelegten Ausführungen ließe sich nicht ableiten, welche wesentlichen Feststellungen das Erstgericht nach Ansicht der Berufungswerberin getroffen hätte, wenn ein weiteres Gutachten aufgenommen worden wäre. Allerdings ergibt sich aus den weiteren Berufungsausführungen mit hinreichender Klarheit, dass nach der Ansicht der Klägerin auf Basis der Aufnahme eines weiteren Sachbefunds die Feststellung zu treffen gewesen wäre, das Kompartmentsyndrom habe sich bereits während des stationären Aufenthalts der Klägerin im Krankenhaus der Beklagten entwickelt.

1.4.3 Nach § 362 Abs 2 ZPO hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen eine neuerliche Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen unter anderem dann anzuordnen, wenn ein bereits abgegebenes Gutachten ungenügend und nicht vervollständigbar erscheint oder vom bereits befassten Sachverständigen widersprüchliche Ansichten geäußert wurden. Nur insoweit kann in der Nichteinholung eines zweiten Gutachtens aus demselben Fachgebiet ein Verfahrensmangel gelegen sein. Die Beurteilung der Schlüssigkeit und Vollständigkeit eines bereits vorliegenden Gutachtens bildet hingegen nach der ständigen Rechtsprechung einen Akt der richterlichen Beweiswürdigung und kann demgemäß nur mit Beweisrüge angefochten werden (RS0043320; RS0043163; RS0113643).

1.4.4 Die von § 362 Abs 2 ZPO geforderten Voraussetzungen liegen nicht vor:

1.4.4.1 Unter Punkt 1.2 lit b der Berufung macht die Klägerin eine Aktenwidrigkeit geltend, auf die noch einzugehen sein wird. Im Übrigen vertritt das Rechtsmittel unter Hinweis auf die vorliegenden Behandlungsunterlagen, es sei aus medizinischer Sicht zwingend erforderlich gewesen, dass die Klägerin vor ihrer Entlassung nochmals klinisch kontrolliert und eine Schmerzskala erhoben werde. Diese Ausführungen richten sich aber gegen die Schlüssigkeit und Vollständigkeit des Gutachtens, die nicht im Rahmen der Verfahrensrüge, sondern anlässlich der Behandlung der Beweisrüge zu prüfen sind.

1.4.4.2 Unter Punkt 1.2 lit c der Berufung argumentiert die Verfahrensrüge, dass das Gutachten im Widerspruch zum medizinischen Standard stehe, der sich aus den Beilagen Q, R und S ableite. Damit zeigt die Verfahrensrüge aber keine Widersprüchlichkeit des Gutachtens selbst auf. Ob dem Gutachten angesichts des vorgelegten Privatgutachtens (Beilage Q) sowie der medizinischen Fachartikel (Beilage R und S) Überzeugungskraft beizumessen ist, stellt ebenfalls eine Frage der Beweiswürdigung dar.

Abgesehen davon übermittelte das Erstgericht dem gerichtlich bestellten Sachverständigen das Privatgutachten sowie die beiden von der Klägerin vorgelegten Fachartikel. Diese Urkunden lagen den Erörterungsfragen der Klägerin zu Grunde, zu denen der Sachverständige im Rahmen der mündlichen Erörterung Stellung nahm. Dass er im Ergebnis bei seiner fachlichen Meinung blieb, vermag keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens zu begründen.

1.4.4.3 Unter Punkt 1.2 lit d der Berufung wird die (angeblich) fehlende Nachvollziehbarkeit des Gutachtens im Zusammenhang mit der Einschätzung der Schmerzperioden gerügt. Auch damit wird kein Widerspruch des Gutachtens selbst releviert. Widersprüchliche Ausführungen erkennt die Klägerin abermals darin, dass der Sachverständige einerseits festgehalten habe, dass man jedenfalls hellhörig werden müsste, wenn jemand auf Schmerzmittel, wie sie der Klägerin verabreicht worden seien, nicht reagiere. Andererseits sei der Sachverständige aber davon ausgegangen, dass keine Schmerzen vorgelegen hätten, die auf ein Kompartmentsyndrom hingewiesen hätten. Dem ist zu entgegnen, dass die Berufung die Ausführungen des Sachverständigen unvollständig zitiert. Wie bereits erwähnt, wies der Sachverständige nämlich ausdrücklich darauf hin, dass die Frage, ob von den von der Klägerin im Prozess geschilderten Schmerzperioden auszugehen sei, dem Bereich der Beweiswürdigung zuzuordnen sei. Damit kann im Umstand, dass der Sachverständige auf Basis der vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht von einer derartigen Schmerzsituation ausging, die auf ein bereits bestehendes Kompartmentsyndrom hingedeutet hätten, keine Widersprüchlichkeit im Sinn des § 362 Abs 2 ZPO erkannt werden.

1.4.4.4 Unter Punkt 1.2 lit e der Berufung werden widersprüchliche Ausführungen des Sachverständigen zur Entstehungsgeschichte des Kompartmentsyndroms behauptet. Der Sachverständige habe zunächst von einer sehr raschen Entwicklung, im Rahmen der mündlichen Erörterung hingegen davon gesprochen, dass eine langsame, dynamische Entwicklung üblich sei. Auch hier ist kein Widerspruch erkennbar. Tatsächlich führte der Sachverständige im schriftlichen Gutachten nämlich aus, dass sich ein Kompartmentsyndrom „mitunter“ rasch entwickeln könne. Die Formulierungen „mitunter“ und „üblich“ stellen klar, dass der Sachverständige gerade keine allgemeingültigen Aussagen zur Entwicklung eines Kompartmentsyndroms tätigte. Weshalb die Aussage des Sachverständigen widersprüchlich sein soll, dass ein Kompartmentsyndrom im Allgemeinen langsam, in Einzelfällen aber rasch auftreten kann, ist nicht nachvollziehbar. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch in Beilage S die Rede davon ist, dass die Entwicklung eines Kompartmentsyndroms ein schneller und dynamischer Prozess sei.

1.4.4.5 Unter Punkt 1.2 lit f der Berufung kommt die Berufung wiederum auf die Schmerzeinschätzung des Sachverständigen zurück. Dabei unterstellt sie abermals die Angaben der Klägerin, lässt aber außer Acht, dass sich das Erstgericht mit dieser Frage im Rahmen der Beweiswürdigung detailliert auseinandersetzte. Selbst nach dem Standpunkt der Berufungswerberin fällt die Beurteilung der Frage, welchen Schmerzen die Klägerin nun tatsächlich ausgesetzt war, in den Bereich der Beweiswürdigung, die eben nicht dem Sachverständigen obliegt. Damit ist der von der Berufung gerügte Umstand, dass der Sachverständige darlegen hätte müssen, weshalb die Pflicht zur Hinzuziehung eines Arztes trotz mehrfach geäußerter schwerer Schmerzen nicht bestanden haben sollte, von Vornherein nicht geeignet, einen relevanten Verfahrensfehler aufzuzeigen.

1.4.4.6 Unter Punkt 1.2 lit g der Berufung vermeint die Klägerin, der Sachverständige habe der Klägerin mehrfach vorgeworfen, dass sie die Anlegung des Fixateur externe abgelehnt habe. Damit wird kein Umstand aufgezeigt, der eine Unvollständigkeit des Gutachtens bewirken könnte.

1.4.4.7 Schließlich wirft die Berufung dem Sachverständigen unter Punkt 1.2 lit h Falschangaben hinsichtlich der Kontaktaufnahme mit dem Krankenhaus vor. Die damit angedeutete Mangelhaftigkeit wegen einer behaupteten Befangenheit des Sachverständigen ist ebenfalls nicht gegeben. Im Erörterungsantrag vom 28.2.2025 (ON 32) forderte die Klägerin den Sachverständigen zur Stellungnahme auf, ob dieser die behandelnden Ärzte der Beklagten vorab kannte, wenn ja, woher und ob im Zuge des Verfahrens seitens der Beklagten eine Kontaktaufnahme mit dem Sachverständigen erfolgte und wenn ja, mit welchem Inhalt. Diese Frage verneinte der Sachverständige im Rahmen der mündlichen Gutachtenserörterung. Dass der Sachverständige zu diesem Zeitpunkt von sich aus bereits Kontakt mit der Beklagten aufgenommen hatte, um einen Auszug aus dem „Suchtgiftbuch“ einzuholen, lässt entgegen der Ansicht der Berufungswerberin eine Widersprüchlichkeit auch nicht im Ansatz erkennen. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der Sachverständige die von ihm initiierte Kontaktaufnahme ohnedies selbst offenlegte und dazu die Beilage I vorlegte.

1.5 Zur behaupteten vorgreifenden Beweiswürdigung

1.5.1 In der Tagsatzung vom 11.9.2024 (ON 17, Seite 13) beantragte die Klägerin, das Erstgericht möge der Beklagten die Vorlage eines Auszugs aus dem „Suchtgiftbuch“ betreffend die Behandlung der Klägerin auftragen, aus welcher sich ergebe, welche Medikation der Klägerin bei der Beklagten verabreicht worden sei (ON 17, Seite 13). Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich, dass das Erstgericht diesen Auftrag für nicht erforderlich erachtete, weil das „Suchtgiftbuch“ vom Sachverständigen eingeholt und in seinem Gutachten berücksichtigt worden sei.

1.5.1.1 Nach Ansicht der Klägerin ist in dieser Vorgangsweise eine vorweggenommene Beweiswürdigung des Erstgerichts zu erkennen. Nur anhand eines originalen Auszugs aus dem Suchtgiftbuch hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden können, welche Schmerzmittel die Klägerin zu welchem Zeitpunkt erhalten habe. Aus dem beantragten Beweismittel hätte sich das Verabreichen von starken Schmerzmitteln in einem derart hohen Ausmaß ergeben, weswegen das Erstgericht vom Vorliegen unerträglicher Schmerzen ausgehen hätte müssen, was wiederum deutlich für das Vorhandensein eines Kompartmentsyndroms während des Aufenthalts im Krankenhaus der Beklagten gesprochen hätte.

1.5.1.2 Diese Ausführungen sind nicht geeignet, einen Verfahrensfehler aufzuzeigen, der sich zumindest abstrakt zum Nachteil der Klägerin auswirken konnte. Eine Vorlagepflicht des Prozessgegners besteht gemäß § 304 ZPO nämlich nur, wenn der Gegner nach bürgerlichem Recht zur Ausfolgung oder Vorlage der Urkunde verpflichtet ist oder wenn die Urkunde ihrem Inhalt nach eine beiden Parteien gemeinschaftliche (siehe RS005021; RS0040484; RS0035034) ist. Beides ist in Bezug auf das sogenannte Suchtgiftbuch zu verneinen, bei dem es sich um ein Vormerkbuch handelt, das in § 8 Abs 5 SV (BGBl II Nr. 374/1997 idgF) geregelt ist. Demnach haben Krankenanstalten über Bezug und Verwendung von Suchtgift derart genaue Vormerkungen zu führen, dass sie den Behörden - und nicht den behandelten Personen - über Verlangen Auskünfte hierüber erteilen können.

1.5.1.3 Abgesehen davon beinhaltete der Erörterungsantrag der Klägerin (Frage 16.5 in ON 32, Seite 5) folgende Passage: „ Hat der Sachverständige die Einträge betreffend die Klägerin im Suchtmittelbuch eingeholt bzw eingesehen? Wenn ja, was schließt er daraus im Hinblick auf die Stärke der Schmerzen der Klägerin? Wenn nein, möge er dies nachholen und wird dazu auch neuerlich beantragt, der beklagten Partei aufzutragen, einen Auszug aus dem „Suchtgiftbuch“ betreffend die Behandlung der Klägerin vom 3.1.2022 auf 4.1.2022 vorzulegen, aus welchem sich ergibt, welche Medikation die Klägerin im Zuge der Behandlung durch die beklagte Partei verabreicht erhalten hat. Dies zum Beweis dafür, dass die Klägerin in der Nacht vom 03. auf 04.01.2022 unerträgliche Schmerzen hatte, welche die Bildung des Kompartmentsyndroms darlegen.

Offensichtlich im Hinblick auf diese Frage richtete der Sachverständige eine Anfrage an die Beklagte. Diese übermittelte dem Sachverständigen per Mail eine Aufstellung über die der Klägerin verabreichten Medikamente und die Zeitpunkte der Verabreichung. Diese vom Sachverständigen in der Tagsatzung vom 25.3.2025 vorgelegte Aufstellung wurde als Beilage I zum Akt genommen. Dass der daraus ersichtliche Inhalt nicht richtig sei, wurde von der Klägerin weder in der Tagsatzung noch in der Berufung geltend gemacht. Insbesondere legte sie nicht dar, dass ihr darüberhinausgehende schmerzlindernde Medikamente verabreicht worden seien. Da sie ihren Antrag auf Einholung des „Suchtgiftbuchs“ nicht wiederholte, bestand für das Erstgericht kein Anlass zur Annahme, dass die Klägerin ihren im Erörterungsantrag gestellten Eventualantrag aufrecht halten wollte. Dazu bestand umso weniger Grund, weil die Erläuterung des Sachverständigen unwidersprochen blieb, wonach er von der Beklagten die Mitteilung erhalten habe, dass das Suchtgiftbuch nicht ausdruckbar sei, sondern nur von einem Arzt eine schriftliche Zusammenfassung übermittelt werden könne.

1.5.1.4 Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Klägerin nach dem Inhalt des Protokolls hinsichtlich der Beilage I zwar nicht zum Urkundenerklären aufgefordert wurde. Die Unterlassung der Aufforderung stellt einen Verfahrensmangel dar, der jedoch gemäß § 196 ZPO rügepflichtig gewesen wäre. Dies war aber nicht der Fall. Ein entsprechender Verfahrensfehler wird von der Klägerin im Rechtsmittelverfahren ohnedies nicht aufgegriffen.

1.5.1.5 Der Vorwurf der vorweggenommenen Beweiswürdigung geht auch insofern ins Leere, weil sich der Inhalt der Beilage I zwanglos mit der ärztlichen Dokumentation in Beilage 2 in Einklang bringen lässt. Hinsichtlich der Beilage 2 anerkannte die Klägerin die Echtheit (Protokoll vom 10.7.2024 = ON 7, Seite 2). Zur Richtigkeit verwies sie auf das eigene Vorbringen, in dem sie keine über Beilage 2 hinausgehende Medikamenteneinnahme behauptete.

1.5.2 Weiters kritisiert die Klägerin, dass das Erstgericht der Beklagten nicht aufgetragen habe, den ärztlichen Dekurs betreffend die Behandlung der Klägerin vorzulegen. Hätte das Gericht dem Antrag der Klägerin entsprochen, wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit offenkundig geworden, dass eine entsprechende Dokumentation fehle und somit eine lege artis Kompartmentüberwachung nicht erfolgt sei.

1.5.2.1 Dieser Standpunkt vermag wiederum keinen Verfahrensfehler aufzuzeigen. Einerseits übergeht die Klägerin die Ausführungen des Sachverständigen, dass die Kompartmentüberwachung durch die Pflege erfolgt sei, weswegen es keinen ärztlichen Dekurs gebe. Andererseits wurden von der Beklagten mit Ausnahme der vom Assistenzarzt um 0:57 Uhr vorgenommenen Behandlung, die in Beilage 2 dokumentiert ist, bis zur Entlassung der Klägerin kein weiteres ärztliches Einschreiten behauptet.

Warum die von der Klägerin behauptete „ unterlassene Beiziehung des ärztlichen Dekurses “ nicht nur einen Verfahrensfehler, sondern auch eine mangelhafte Beweiswürdigung darstellen soll, wie dies in der Berufung releviert wird, ist nicht nachvollziehbar.

1.6 Zum gerügten Begründungsmangel

1.6.1 Mit dem Argument, dem Erstgericht sei ein erheblicher Verfahrensfehler unterlaufen, weil wie Begründung des angefochtenen Urteils unzureichend geblieben sei, macht die Klägerin eine weitere Mangelhaftigkeit nach § 496 Abs 1 Z 2 ZPO geltend, die aber ebenfalls nicht vorliegt.

1.6.2 Gemäß § 272 ZPO hat das Erstgericht in knapper, überprüfbarer und logisch einwandfrei nachvollziehbarer Form darzulegen, warum das Gericht auf Grund bestimmter Beweis- oder Verhandlungsergebnisse bestimmte Tatsachen feststellt oder für den Ausgang des Rechtsstreits erhebliche Tatsachen nicht feststellen kann, damit sowohl die Parteien als auch das Rechtsmittelgericht die Schlüssigkeit seines Werturteils überprüfen können (RS0040122). Nach der Judikatur liegt nur dann eine mangelnde Begründung vor, wenn die Entscheidung gar nicht oder so unzureichend begründet ist, dass sie sich nicht überprüfen lässt (vgl etwa OLG Innsbruck 4 R 12/25h Erwg 1.1 mwN).

1.6.3 Hier hat sich das Erstgericht ausführlich auf 11 Seiten (US 18 bis 28) mit den vorliegenden Verfahrensergebnissen und insbesondere auch mit der Aussage der Klägerin auseinandergesetzt und diese Beweisergebnisse einer sorgfältigen und nachvollziehbaren Wertung unterzogen. Die Nachvollziehbarkeit dieser Ausführungen zeigt sich bereits darin, dass die Berufungswerberin in der Lage ist, sich im Detail mit der Begründung des Erstgerichts auseinanderzusetzen. Damit kann von einem Verfahrensfehler in Form eines Begründungsfehlers keine Rede sein. Auf die vorgebrachten Argumente wird aber in der Behandlung der Beweisrüge Rücksicht genommen (RS0111425; RS0041851).

1.7 Der Verfahrensrüge kommt daher insgesamt kein Erfolg zu.

2. Zur Aktenwidrigkeit

2.1 Als aktenwidrig rügt die Klägerin die Feststellung (i), die das Erstgericht auf das Sachverständigengutachten sowie die Beilage 2 gestützt habe. Dem Sachverständigen sei aber ein offenkundiger Irrtum unterlaufen. Aus der Beilage 2 ergebe sich nämlich, dass am 4.1.2022 um 07:55 Uhr lediglich die Kostform dokumentiert worden sei. Die tatsächliche und letzte Erhebung der Schmerzskala (VAS) habe laut der Beilage 2 bereits um 00:01 Uhr stattgefunden.

2.1.1 Eine Aktenwidrigkeit ist gegeben, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden, wenn etwa der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks unrichtig wiedergegeben und infolge dessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde. Erwägungen der Tatsacheninstanz, weshalb ein Sachverhalt als erwiesen angenommen oder bestimmte Feststellungen nicht getroffen werden können, fallen demgegenüber in das Gebiet der Beweiswürdigung (RS0043347 [T10]).

2.1.2 Eine derartige Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Richtig ist zwar, dass laut der Beilage 2 die VAS (letztmalig) am 4.1.2022 um 00:01 Uhr erhoben wurde. Die Feststellung (i) war für das Sachverhaltsbild, das vom Erstgericht der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde, aber nicht maßgeblich. Der Sachverständige führte in Beantwortung der Erörterungsfrage 6 zunächst aus, dass die VAS nur eine grobe Orientierungshilfe darstelle, weil Schmerzen und deren Intensität nicht objektivierbar seien. Der maßgeblichen Feststellung, dass sich das Kompartmentsyndrom erst nach Abschluss der Behandlung im Krankenhaus der Beklagten entwickelte, ging vielmehr unter anderem eine umfassende Würdigung der aufgenommenen Personalbeweise voraus, die sich auch eingehend mit der Intensität der von der Klägerin verspürten Schmerzen beschäftigte. Davon ausgehend zog das Erstgericht entsprechende Schlüsse aus dem Sachverständigengutachten.

2.1.3 Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die als Zeugin vernommene diplomierte Krankenschwester zu Protokoll gab, sie habe aus der Fieberkurve herausgelesen, dass bei der Klägerin kurz vor der Entlassung gegen 07:00 Uhr der VAS bei 4 gelegen sei (Protokoll vom 25.3.2025 = ON 34, Seite 4). Davon, dass es für die Feststellung (i) keinen Anhaltspunkt im Akt geben sollte, könnte vor diesem Hintergrund nicht gesprochen werden.

2.2 Auch unter dem Berufungsgrund der Aktenwidrigkeit nimmt die Klägerin auf das „Suchtgiftbuch“ Bezug. Das Erstgericht habe sich auf US 7 auf die Behauptung gestützt, dass das „Suchtgiftbuch im Zuge der Erstattung des Gutachtens vom Sachverständigen eingeholt worden und ausführlich berücksichtigt worden sei“. Ein authentischer Auszug aus dem Suchtgiftbuch sei aber weder von der Beklagten vorgelegt, noch vom Gericht angefordert worden.

Die von der Berufung zitierte Passage des Ersturteils stellt keine Feststellung, sondern die Auseinandersetzung des Erstgerichts mit dem von der Klägerin gestellten Beweisantrag (vgl bereits 1.5.1 der Berufungsentscheidung) dar. Bereits deswegen liegt die behauptete Aktenwidrigkeit nicht vor.

3. Zur Beweisrüge

3.1 Der Behandlung der Beweisrüge sind zunächst folgende Grundsätze voranzustellen:

In § 272 ZPO ist das Prinzip der freien richterlichen Beweiswürdigung verankert. Diese besteht darin, aus den unterschiedlichen Verfahrensergebnissen Schlussfolgerungen im Hinblick auf die verfahrensrelevanten tatsächlichen Ereignisse zu ziehen. Der persönliche Eindruck des Gerichts, seine Kenntnisse der Lebensvorgänge, seine Erfahrungen in der menschlichen Gemeinschaft und seine Menschenkenntnis werden zur entscheidenden Grundlage für die Wahrheitsermittlung. Bei der Bildung seiner Überzeugung, ob die für die Feststellung einer Tatsache notwendige (hohe) Wahrscheinlichkeit vorliegt, ist der Richter im Grunde frei. Das Gericht ist nach der Zivilprozessordnung an keine festen Beweisregeln, d.h. an keine generell-abstrakten Regeln, wann ein bestimmter Beweis als erbracht anzusehen ist, gebunden, sondern nur an seine persönliche, unmittelbare und objektivierbare, also im Instanzenzug nachprüfbare Überzeugung von der Wahrheit und von der Richtigkeit der Beweisergebnisse. Es hat daher anhand der dargestellten Instrumente zu überprüfen, ob mit den vorliegenden Beweisergebnissen jener Wahrscheinlichkeitsgrad erreicht wird, der es rechtfertigt, die fraglichen Tatsachen nach dem anwendbaren Beweismaß für wahr zu halten. Bei dieser Überzeugungsbildung ist das Gericht nicht auf die aufgenommenen Beweise beschränkt, sondern kann auch das (vorprozessuale oder prozessuale) Verhalten der Prozessbeteiligten, sowie die Vorkommnisse in der gesamten Verhandlung berücksichtigen und miteinbeziehen (RI0100103).

Anlässlich der Behandlung einer Beweisrüge ist damit zu überprüfen, ob das Erstgericht die ihm vorliegenden Beweisergebnisse nach der Aktenlage schlüssig gewürdigt hat. Der bloße Umstand, dass nach den Beweisergebnissen allenfalls auch andere Feststellungen möglich gewesen wären, oder dass in den Akten einzelne Beweisergebnisse existieren, die für den Prozessstandpunkt des Berufungswerbers sprechen, reicht im Allgemeinen noch nicht aus, eine unrichtige oder bedenkliche Beweiswürdigung mit dem Ergebnis aufzuzeigen, dass die erstinstanzlichen Feststellungen abgeändert werden müssen. Die Beweisrüge muss also überzeugend darlegen, dass die getroffenen Feststellungen entweder überhaupt zwingend unrichtig sind oder wenigstens bedeutend überzeugendere Beweisergebnisse für andere Feststellungen vorliegen (RI0100099).

3.2 Die von der Klägerin begehrten Ersatzfeststellungen zielen im Wesentlichen auf zwei Umstände ab. Einerseits möchte die Berufung in Bekämpfung der Feststellungen (A), (B) und (C) festgestellt wissen, dass die Klägerin von den behandelnden Ärzten nie über das Risiko der Entstehung eines Kompartmentsyndroms aufgeklärt worden sei (Seite 22 bis 25 der Berufung). Die weiteren Teile der detailliert und umfangreich ausgeführten Beweisrüge (Seite 26 bis 59 der Berufung) versuchen eine Änderung des Sachverhalts dahin herbeizuführen, dass das Kompartmentsyndrom schon aufgetreten sei, als sich die Klägerin noch in Behandlung der Beklagten befand.

3.3 In Bezug auf die Aufklärung führt die Klägerin begründend aus, das Erstgericht habe eine einseitige und nicht nachvollziehbare Präferenz zugunsten der Angaben des medizinischen Personals der Beklagten erkennen lassen, während die Aussagen der Klägerin ohne ausreichende Begründung als nicht glaubhaft verworfen worden seien. Die Zeugen hätten widersprüchliche Angaben gemacht. Zudem hätte ein Zeuge, nämlich der Assistenzarzt, auffallende Erinnerungslücken gezeigt. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Klägerin aus Sicht der behandelnden Ärzte möglicherweise eine komplizierte Patientin gewesen sei, weil sie - noch dazu knapp vor Dienstschluss - einen externen Vertrauensarzt beigezogen und auf einer sofortigen operativen Versorgung ihrer Verletzung bestanden habe.

3.3.1 Diese Ausführungen sind nicht geeignet, begründete Bedenken an der nachvollziehbaren, sorgfältigen und schlüssigen Beweiswürdigung des Erstgerichts hervorzurufen, der sich das Berufungsgericht anschließt und auf die zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden kann (§ 500a ZPO).

3.3.2 Wie bereits erwähnt, vermag eine Beweisrüge nicht nur deshalb durchzudringen, weil nach der Aktenlage andere Feststellungen möglich gewesen wären. Ergänzend sind den Berufungsausführungen in diesem Zusammenhang kurz folgende Überlegungen entgegen zu halten:

Aus der von der Klägerin vorgelegten Beilage A geht hervor, dass die Klägerin zur Kompartmentüberwachung aufgenommen wurde. Dass das Risiko der Entstehung eines Kompartmentsyndroms mit der Klägerin daher zu keinem Zeitpunkt erörtert worden sein sollte, erscheint schon vor diesem Hintergrund wenig lebensnah. Der behandelnde Arzt dokumentierte am 3.1.2025 um 20:28 Uhr die aus seiner Sicht wesentlichen Ergebnisse der mit der Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt geführten Gespräche (vgl Beilage 2). Dabei hielt er ausdrücklich fest, dass er die Klägerin, die die Anlage des Fixateur externe unstrittigerweise ablehnte, über die Risiken, insbesondere über ein mögliches Kompartmentsyndrom, aufgeklärt habe. Die Berufung kann nicht nachvollziehbar erklären, warum sich der Zeuge dieser Mühe unterzogen haben sollte, wenn es die dokumentierte Aufklärung gar nicht gegeben haben sollte.

Auffallend ist auch, dass in der sorgfältig verfassten Klage noch kein Aufklärungsfehler geltend gemacht wurde. Sowohl das in der Klage erstattete Vorbringen als auch das Feststellungsbegehren stellten ausschließlich auf behauptete Behandlungsfehler ab. Den Vorwurf, es habe keine Kompartment-Risikoaufklärung stattgefunden, erhob die Klägerin erst im Schriftsatz vom 31.5.2024 (ON 5), nachdem die Beklagte zuvor in der Klagebeantwortung vorgebracht hatte, dass die Klägerin mehrfach über dieses Risiko aufgeklärt worden sei.

Hervorzuheben ist vor allem der Umstand, dass die Klägerin den Revers unterfertigte, in welchem das Kompartmentrisiko ausdrücklich erwähnt wurde. Die Berufung versucht diesen Umstand zu entkräften und argumentiert, der Revers belege nicht, dass tatsächlich auch eine mündliche Aufklärung stattgefunden habe.

Dieses Argument überzeugt nicht. Bei lebensnaher Betrachtung wird es nicht alltäglich sein, dass ein Patient, der mit schweren Verletzungen in ein Krankenhaus eingeliefert wird, eine ihm empfohlene operative Versorgung ablehnt. Die Berufung geht an diversen Stellen selbst davon aus, dass keine Alltagssituation vorgelegen habe. Dass die Verletzung, die die Klägerin beim Skiunfall erlitt, als komplex zu beurteilen ist, war im gesamten erstinstanzlichen Verfahren unstrittig. Dies wurde auch vom Sachverständigen bestätigt. Dass die behandelnden Ärzte ungeachtet der Schwere dieser Verletzung die ablehnende Haltung der Klägerin einfach kommentarlos hingenommen haben sollten, ohne zu versuchen, die Klägerin von der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der von ihnen vorgeschlagenen Behandlung zu überzeugen, erscheint kaum nachvollziehbar. Außerdem ist es wenig überzeugend, dass die Klägerin - wie von ihr ausgesagt - einfach einen Revers unterfertigt haben sollte, ohne diesen gelesen zu haben. Auch die Unterfertigung eines Reverses kann - jedenfalls aus Sicht eines Patienten - nicht als belanglose Alltagshandlung angesehen werden. Für die Klägerin war es realistischerweise schon aufgrund ihrer medizinischen Ausbildung klar, dass ein Revers primär der Absicherung des Krankenhausträgers vor späteren Haftungsansprüchen dient. Das von der Klägerin behauptete Verhalten, nämlich die Unterfertigung des Reverses ohne diesen vorher gelesen zu haben, wäre etwa dann denkbar, wenn sie unter so starken Schmerzen gelitten haben sollte, aufgrund derer sie nicht in der Lage gewesen wäre, sich mit dem Inhalt eines ihr vorgelegten schriftlichen Dokuments zu beschäftigen. Von derartigen Schmerzen kann aber selbst nach der Aussage der Klägerin nicht ausgegangen werden. Obwohl sie im Zuge ihrer Befragung vom 10.7.2024 mehrfach davon sprach, bereits im Zeitpunkt des Gesprächs mit dem behandelnden Arzt unerträgliche Schmerzen verspürt zu haben, war die Klägerin nach ihrer Schilderung dennoch in der Lage, zielgerichtet, selbstbewusst und selbstbestimmt zu handeln. Sie nahm nicht nur Kontakt mit einem externen Vertrauensarzt auf, sondern übermittelte ihm auch die Röntgenbilder sowie Lichtbilder von ihrem verletzten Knie (ON 7, Seite 6). Gerade in diesem Verhalten der Klägerin sind gewichtige Umstände zu erblicken, die der Annahme entgegenstehen, dass sie den Revers einfach unterfertigte, ohne darüber mit dem behandelnden Arzt zu sprechen oder zumindest das von ihr unterschriebene Schriftstück geprüft zu haben.

3.4 In Bezug auf den Zeitpunkt der Entstehung des Kompartmentsyndroms stellt es das Rechtsmittel als unstrittig dar (vgl Punkt 3.3.4 der Berufung), dass die letzte DMS-Kontrolle der Klägerin am 4.1.2022 um 6:24 Uhr erfolgte.

3.4.1 Die Beweiswürdigung des Erstgerichts, dass sich jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt kein Kompartmentsyndrom gebildet hatte, ist nicht zu beanstanden. Auch zu diesem Prozessthema kann zunächst auf die § 272 ZPO entsprechenden Ausführungen des Erstgerichts verwiesen werden, das sich abermals eingehend mit den Personalbeweisen beschäftigte und die daraus gewonnenen Überzeugungen mit den Urkunden sowie den Ausführungen des Sachverständigen in eine Gesamtbetrachtung einfließen ließ (§ 500a ZPO).

3.4.2 Ein zentraler Aspekt der in der Berufung geäußerten Kritik liegt im Vorwurf, das Erstgericht habe die Schmerzperioden der Klägerin falsch eingeschätzt. Richtigerweise hätten die unerträglichen Schmerzen, denen die Klägerin ausgesetzt gewesen sei, für das Auftreten eines Kompartmentsyndroms gesprochen.

Dieser Kritik vermag sich das Berufungsgericht nicht anzuschließen. Zwar sagte die Klägerin aus, dass sich die Schmerzen im Verlauf der Nacht kontinuierlich gesteigert hätten, nachdem die Wirkung des ersten Opiats nachgelassen habe. Diese Aussage steht der nachvollziehbaren Beweiswürdigung des Erstgerichts aber nicht entgegen. An dieser Stelle ist festzuhalten, dass für das Berufungsgericht kein Zweifel daran besteht, dass die Klägerin verletzungsbedingt starke Schmerzen zu erdulden hatte. Dies wurde auch vom Sachverständigen und den als Zeugen befragten behandelnden Ärzten der Beklagten nicht in Frage gestellt. Aus dem Gutachten (vgl etwa ON 34, Seite 8) ergibt sich aber in Übereinstimmung mit den Beilagen R und S, dass für ein Kompartmentsyndrom nicht starke Schmerzen per se, sondern solche Schmerzen typisch sind, die in keinem Verhältnis zu den für diese Verletzung zu erwartenden Schmerzen stehen und zudem auch medikamentös nicht mehr zu beherrschen sind. Damit ist klargestellt, dass aus dem Umstand allein, dass die Klägerin unter Schmerzen zu leiden hatte, der von der Berufung gewünschte Schluss nicht abgeleitet werden kann.

Zudem ergibt sich sowohl aus der Aussage der Klägerin selbst als auch aus den vorliegenden Behandlungsunterlagen, dass das subjektive Schmerzempfinden der Klägerin im Laufe der Nacht wiederholt abnahm. So sagte sie aus, dass sich die Beschwerden leicht gebessert hätten, als sie in das Krankenzimmer gebracht worden sei. Eine weitere Linderung habe das Schmerzmittel bewirkt, das sie von der diplomierten Krankenschwester erhalten habe. Außerdem konnte sich die Klägerin an den Inhalt des mit dem Assistenzarzt um ca 1.00 Uhr in der Nacht geführten Gesprächs erinnern. Nach diesem Gespräch verlangte sie nach ihrer eigenen Schilderung keinen Arzt mehr. In der Beilage 2 ist vermerkt, dass die Klägerin gegenüber der diplomierten Krankenschwester angab, die ganze Nacht gleichbleibende Schmerzen gehabt zu haben. Warum die Beweiswürdigung sowie die Einschätzung des Sachverständigen ausgehend von diesen Verfahrensergebnissen unrichtig sein sollen, die beide davon ausgingen, dass die Schmerzen der Klägerin nicht unbeherrschbar waren, ist nicht nachvollziehbar.

Aus welchen Erwägungen das Erstgericht den von der Klägerin in der Tagsatzung vom 25.3.2025 zu Protokoll gegebenen Schmerzangaben keine Überzeugungskraft beimaß, wurde in der angefochtenen Entscheidung ebenfalls nachvollziehbar begründet. Tatsächlich können die Schmerzangaben der Klägerin nicht ohne kritische Würdigung übernommen werden. Sie weisen nämlich einige Ungereimtheiten auf, die vom Erstgericht in zulässiger Weise nach § 272 ZPO gewürdigt wurden. Wie bereits erwähnt, schilderte die Klägerin, dass ihre Schmerzen bereits zu Beginn der Behandlung unerträglich gewesen seien. An anderer Stelle sagte sie hingegen, dass die Schmerzen die ganze Nacht hindurch zugenommen hätten, bis sie unerträglich und auf der Transportfahrt schließlich qualvoll geworden seien. Im Rahmen ihrer ersten Befragung sprach die Klägerin von einer wiederholten Abnahme der Schmerzen. Anlässlich der ergänzenden Befragung gab sie hingegen zu Protokoll, die verabreichten Schmerzmedikamente hätten gar keine Erleichterung gebracht.

Zu berücksichtigen ist schließlich noch die Aussage des Assistenzarztes. Dieser schilderte, dass er mit der Klägerin in der Nacht die Schmerzsituation besprochen habe. Letztlich sei er mit der Klägerin übereingekommen, den Gips vorerst unverändert zu belassen. Allerdings habe er zur Klägerin gesagt, dass sie sich melden sollte, wenn sich die Schmerzen verschlechtern sollten. Dies war im weiteren Verlauf der Nacht unstrittigerweise nicht der Fall. Die Aussage des Assistenzarztes stützt damit ebenfalls die Beweiswürdigung des Erstgerichts sowie die Schmerzeinschätzung des Sachverständigen. In der Berufung wird die Auffassung vertreten, der Zeuge habe einen sichtlich nervösen Eindruck hinterlassen. Dem ist zu entgegen, dass das Erstgericht dem Zeugen, von dem es sich einen persönlichen Eindruck verschaffen konnte, eben eine hohe Glaubhaftigkeit beimaß.

3.4.3 Auch der Umstand, dass das Erstgericht das medizinische Gutachten als schlüssig und nachvollziehbar erachtete und die Feststellungen in weiten Teilen auf die Ergebnisse des Sachbefunds stützte, ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin leitet die Unschlüssigkeit des Gutachtens vor allem aus den Beilagen Q, R und S ab, aus denen nach ihrer Auffassung der Stand der Medizin abzuleiten sei, der vom gerichtlichen Sachverständigen nicht berücksichtigt worden sei. In Bezug auf die Beilagen R und S ist zunächst darauf zu verweisen, dass sich diese nicht explizit mit dem Verletzungsbild der Klägerin, nämlich einer Tibiakopffraktur, beschäftigen. Auch wird in diesen Artikeln nicht der Frage nachgegangen, welche Leitlinien einzuhalten sind, wenn eine Tibiakopffraktur nicht sofort operativ versorgt werden kann und gleichzeitig kein Fixateure externe angelegt werden kann. Bereits deshalb kann den von der Klägerin vorgelegten Fachartikeln keine nennenswerte Relevanz beigemessen werden, sodass allen Rechtsmittelausführungen, die sich auf diese Urkunden stützen, weitgehend die Grundlage entzogen ist. Zu erwähnen ist allerdings, dass aus beiden Artikeln hervorgeht, dass die Symptome eines Kompartmentsyndroms subjektiv und schwer objektivierbar seien. Dass gerade im konkreten Fall allfällige Symptome anhand der Ergebnisse der klinischen Untersuchung zu beurteilen sind, ergibt sich ebenfalls aus dem gerichtlichen Gutachten.

Mit der Beilage Q legte die Klägerin eine Stellungnahme eines Privatsachverständigen zum schriftlichen Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen vor. Allerdings orientiert sich diese Stellungnahme nicht an der vom Erstgericht beweiswürdigend vorgenommenen Schmerzeinschätzung. Mit Ausnahme der Schmerzangaben der Klägerin lässt die Stellungnahme eine nähere Begründung für den vom Privatsachverständigen gezogenen Schluss vermissen, warum das Kompartmentsyndrom bereits bis zur Entlassung der Klägerin entstanden sein soll. Außerdem warf der Privatsachverständige mehrere aus seiner Sicht an den Assistenzarzt (und nicht an den gerichtlichen Sachverständigen) zu stellende Fragen auf, ohne dazu eine fachliche Beurteilung abzugeben. Unter anderem wird die Frage aufgeworfen, warum die Klägerin ohne abermalige ärztliche Kontrolle entlassen worden sei. Dabei übergeht er aber die (unbekämpft festgestellte) Aussage des gerichtlichen Sachverständigen, dass die Kompartmentüberwachung bei stationärer Behandlung immer durch das Pflegepersonal vorgenommen wird. Die Stellungnahme des Privatsachverständigen ist deshalb nicht geeignet, das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen zu erschüttern.

3.4.4 Das Erstgericht legte in der Beweiswürdigung auch ausführlich dar, aus welchen Erwägungen es davon ausging, dass im Krankenhaus der Beklagten eine Kompartmentüberwachung erfolgte und dass diese Überwachung dem Stand der Medizin entsprach. Die in diesem Zusammenhang geübte Kritik der Berufung, die Ansicht des Sachverständigen, man könne aufgrund einer Begutachtung der Zehen ein Kompartmentsyndrom an der Wade diagnostizieren, zeuge von eklatanten fachlichen Defiziten, geht von einer isolierten Betrachtung des Gutachtens aus. Der Sachverständige begründete seinen Schluss, dass das Syndrom erst auf dem Krankentransport entstanden sei, nicht nur mit dem Ergebnis der „Zehenbegutachtung“. Dieser Begründung lagen vielmehr mehrere Faktoren, und hier vor allem die Beurteilung der Schmerzintensität, zu Grunde.

3.5 Für die Zeit ab 06:24 Uhr (letzte DMS-Kontrolle) führt die Berufung schließlich ins Treffen, dass bis zur Entlassung der Klägerin um 8:48 Uhr mehr als zwei Stunden vergangen seien, in denen keine klinische Überprüfung der Klägerin mehr vorgenommen worden sei. Ein sich ab 6:24 Uhr entwickelndes Kompartmentsyndrom habe somit gar nicht diagnostiziert werden können. Diese Ausführungen richten sich primär gegen die Feststellungen (K) und (L).

Dazu ist auszuführen:

3.5.1 In der Klage behauptete die Klägerin, dass das Kompartmentsyndrom „ im Laufe des Abends/der Nacht “ entstanden sei. Die Aussage der Klägerin könnte ebenfalls dahin verstanden werden, dass das Kompartmentsyndrom bereits vorhanden war, als sie gegen 1:00 Uhr mit dem Assistenzarzt gesprochen und ihn gefragt habe, ob es sein könne, dass sie ein Kompartmentsyndrom habe. Aus einer Gesamtbetrachtung der erstinstanzlichen Prozessbehauptungen lässt sich bei der gebotenen objektiven Betrachtung aber nicht ableiten, dass sich die Klägerin auf einen bestimmten Zeitpunkt für die Entstehung des Kompartmentsyndroms festlegte. Ihr Vorbringen ist letztlich dahin zu verstehen, dass sich das Syndrom entwickelte, solange sie noch im Krankenhaus der Beklagten aufhältig war.

3.5.2 Richtig ist, dass nach 6:24 Uhr keine weiteren Untersuchungen mehr dokumentiert sind. Nach diesem Zeitpunkt liegende Untersuchungen wurden von der Beklagten gar nicht behauptet. Die Feststellung, dass um 7:55 Uhr nochmals eine VAS erhoben wurde, beruht auf einer offenkundigen - wenngleich keine Aktenwidrigkeit begründenden - Verwechslung/Unrichtigkeit. Vor diesem Hintergrund ist der Beweisrüge beizupflichten, dass fraglich ist, wie der Sachverständige zum Ergebnis gelangen konnte, dass sich das Kompartmentsyndrom mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erst auf der Transportfahrt entwickelt haben soll.

Das Erstgericht stützte auch die Feststellungen (K) und (L) auf das medizinische Gutachten. Es führte aber zudem beweiswürdigend aus, die Klägerin habe ausgesagt, dass sie im Rettungswagen „qualvolle“ Schmerzen erlitten habe. Diese Aussage spreche für die Annahme des Sachverständigen, dass sich das Kompartmentsyndrom erst dort entwickelt habe. In diesem Zusammenhang ist abermals darauf hinzuweisen, dass auch nach den Beilagen R und S Schmerzen dann auf ein Kompartmentsyndrom hinweisen, wenn sie in keinem Verhältnis zu den für diese Verletzung erwarteten Schmerzen mehr stehen. Vor diesem Hintergrund besteht für das Berufungsgericht auch kein Anlass zur Korrektur der Feststellungen (K) und (L) bzw all jener Feststellungen, aus denen sich ableitet, dass das Kompartmentsyndrom noch nicht vorhanden war, als die Klägerin das Krankenhaus der Beklagten verließ.

3.5.3 Letztendlich käme den Feststellungen (K) und (L) aber gar keine Entscheidungsrelevanz zu, soweit sie sich auf die Zeit ab 6:24 Uhr beziehen. Bis 6:24 Uhr nahmen die behandelnden Personen der Beklagten Untersuchungen und Kontrollen der Klägerin vor. Die dazu getroffenen Feststellungen beruhen auf einer sorgfältigen Beweiswürdigung des Erstgerichts und werden - wie dargelegt - vom Berufungsgericht übernommen. Unbekämpft steht darüber hinaus fest, dass die Überprüfung der Sensibilität/Durchblutung in Intervallen von zwei bis drei Stunden lege artis war (US 14).

Da die Klägerin gar nicht behauptete, nach 6:24 Uhr weitere Behandlungen verlangt zu haben und es dem Stand der Medizin entspricht, dass DMS-Kontrollen in Intervallen von zwei bis drei Stunden vorzunehmen sind, kann im Umstand, dass nach 6:24 Uhr keine weitere Kontrolle mehr erfolgte, jedenfalls kein Behandlungsfehler der Klägerin erblickt werden. Die Klägerin verließ das das Krankenhaus um 8:48 Uhr und damit noch innerhalb des 3 Stunden-Fensters, der dem Stand der Medizin entsprach. Für das Vorliegen eines Behandlungsfehlers wäre aber die Klägerin beweispflichtig (RS0026209 [T3, T4, T5]).

3.6 Die Berufung vermag daher keine Änderung der vom Erstgericht geschaffenen Sachverhaltsgrundlage herbeizuführen.

4. Eine Rechtsrüge führt das Rechtsmittel nicht aus, sodass dem Berufungsgericht eine rechtliche Überprüfung verwehrt ist. Damit kann der Berufung insgesamt keine Berechtigung zukommen.

5. Da die Klägerin auch im Berufungsverfahren nicht durchdrang, ist sie verpflichtet, der Beklagten die tarifmäßig verzeichneten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen (§§ 50, 41 ZPO).

6. Eine Bewertung des das Feststellungsbegehren betreffenden Entscheidungsgegenstands ist nicht erforderlich, weil bereits das Leistungsbegehren die Schwelle von EUR 30.000,00 übersteigt.

7. Da im Verfahren keine Rechtsfragen zu behandeln waren, liegen die Voraussetzungen nach § 502 ZPO nicht vor. Die (ordentliche) Revision ist somit nicht zuzulassen.

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