7Bs140/25h – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch die Richterin Dr. Offer als Vorsitzende sowie den Senatspräsidenten Mag. Knapp, LL.M., und die Richterin Mag. Preßlaber als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen A* B* und einen weiteren Angeklagten wegen der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung der Staatsanwaltschaft Innsbruck wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffensenat vom 21.3.2025, GZ **-54, nach der am 3.7.2025 in Anwesenheit der Schriftführerin Rp Mag. Neuner, der Sitzungsvertreterin der Oberstaatsanwaltschaft OStA Mag. Draschl, des Angeklagten A* B*, seines gesetzlichen Vertreters C* B* und seines Verteidigers RA Mag. Hechenberger für RA Mag. Oliver Mathis öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird n i c h t Folge gegeben.
Text
Entscheidungsgründe :
Ein Jugendschöffensenat des Landesgerichts Innsbruck erkannte mit dem angefochtenen Urteil, das zudem unangefochten in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche eines weiteren Mitangeklagten enthält, den ** geborenen B* des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB (zu 1.), der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (zu 2. und 6.), der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB [zu 3. a) und b)], der Verbrechen der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB [zu 4. a) und b)], des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (zu 5.) und des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (zu 7.) schuldig.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat dieser Angeklagte in ** und **
Hiefür verhängte der Jugendschöffensenat über B* in Anwendung der §§ 28 Abs 1 StGB, 5 (zu ergänzen: Z 4) JGG nach § 142 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von zwölf Monaten und rechnete darauf die im Verfahren erlittene Vorhaft vom 18.1.2025, 16.25 Uhr (Anhalteprotokoll ON 10) bis 21.1.2025, 10.00 Uhr (Enthaftungsbericht ON 21), aktenkonform an und verurteilte den Angeklagten weiters nach § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens. Nach § 43 Abs 1 StGB wurde die verhängte Freiheitsstrafe zur Gänze unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Zu den Personalien des B* konstatierte der Jugendschöffensenat, dass dieser gerichtlich unbescholten sei, seinen Hauptschulabschluss nachhole, kein Einkommen erziele und von seinen Eltern ca EUR 150,-- monatlich an Taschengeld erhalte.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht den bisher ordentlichen Lebenswandel und den auffallenden Widerspruch der Tat(en) mit dem sonstigen Verhalten, das volle und reumütige Geständnis, eine teilweise Schadensgutmachung, das positive Nachtatverhalten durch Entschuldigung und den Umstand, dass eine Tat beim Versuch blieb, mildernd, erschwerend die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen, die Tatbegehung mit Mittätern und die körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen des Opfers D* sowie die Tatbegehung während anhängigen Verfahrens als erschwerend. Mit Rücksicht auf diese Strafzumessungsgründe und im Lichte allgemeiner Strafbemessungserwägungen sei eine Freiheitsstrafe von zwölf Monaten schuld- und tatangemessen. Die Gewährung zur Gänze bedingter Strafnachsicht nach § 43 Abs 1 StGB stützte das Erstgericht auf die nach einem persönlichen Umzug sich abzeichnende bessere gesellschaftliche Integrierung, die bisherige Unbescholtenheit und die spezialpräventiven Wirkungen des durchgeführten Strafverfahrens unter Berücksichtigung der kurzen Hafterfahrung. In einem beschloss der Jugendschöffensenat nach § 494 StPO gemäß § 50 Abs 1 StGB für den Angeklagten für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe anzuordnen und erteilte ihm nach §§ 50 Abs 1, 51 Abs 1 StGB die Weisung, ein Anti-Gewalt-Training zu absolvieren und dem Erstgericht darüber regelmäßig über die Bewährungshilfe zu berichten (ON 55).
Gegen dieses Urteil richtet sich eine rechtzeitig und schriftlich ausgeführte Berufung der Staatsanwaltschaft Innsbruck wegen des Ausspruchs über die Strafe, die darauf abzielt, die Strafe schuld- und tatangemessen zu erhöhen, die Gewährung bedingter Strafnachsicht aus dem Ersturteil auszuscheiden und über den Angeklagten eine schuld- und tatangemessene Strafe in Anwendung der §§ 43a Abs 2 oder 43a Abs 3 StGB zu verhängen. Argumentativ moniert die Staatsanwaltschaft, dass einige aggravierende Momente unberücksichtigt geblieben seien und den Erschwerungsgründen zu wenig Gewicht beigemessen worden sei. B* sei bereits zu ** des Landesgerichts Innsbruck in den Genuss einer diversionellen Maßnahme gekommen. Trotz dazu erteilter Weisungen habe er die nunmehr angelasteten und abgeurteilten Taten vollkommen unbeeindruckt während der Probezeit begangen (ON 51 und ON 66).
Der Angeklagte beantragte in der mündlichen Berufungsverhandlung, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Oberstaatsanwaltschaft sprach sich in ihrer Stellungnahme für einen Rechtsmittelerfolg aus.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht im Recht.
Die vom Erstgericht herangezogenen Strafzumessungsgründe treffen überwiegend zu. Sie sind zunächst dahingehend zu präzisieren, dass der Angeklagte durch sein volles und reumütiges Geständnis auch einen wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung geleistet hat. Dieser Umstand erhöht das Gewicht des besonderen Milderungsgrunds nach § 34 Abs 1 Z 17 StGB ( Riffel in Höpfel/Ratz , WK² StGB § 34 Rz 38). Die berücksichtigte teilweise Schadensgutmachung besteht darin, dass der Angeklagte für die von ihm verursachten Schäden zu 7. der Gemeinde ** EUR 100,-- gezahlt hat (ON 50.3.11) und über seinen gesetzlichen Vertreter in der Hauptverhandlung dem Opfer D* EUR 240,-- übergab (PS 15 in ON 53). Auf den Versuch beschränkt blieb einzig und allein die Nötigung zu 5.. Mit Blick auf seine förmliche Einvernahme nach § 164 StPO als Beschuldigter zum Urteilsfaktum 6. am 5.7.2024 (BV ON 50.2.8) liegt hinsichtlich mehrerer abgeurteilter Taten eine aggravierende Tatbegehung während anhängigen Verfahrens vor (RIS-Justiz RS0090984).
Zu ergänzen sind die Strafzumessungsgründe lediglich auf der erschwerenden Seite dahingehend, dass insgesamt von einem langen Deliktszeitraum auszugehen ist ( Riffel aaO § 33 Rz 4, RIS-Justiz RS0096654), bei den beiden Verbrechen des Raubes zu 3. a) und b) jeweils beide räuberische Mittel eingesetzt wurden und beim Vergehen des Betrugs zu 1. von Tatwiederholungen auszugehen ist. Weil die Taten zu 2. und 6. sowie zu 3. und 4. jeweils zu eigenen Schuldsprüchen führten, liegen der Strafberufung zuwider neben dem vom Erstgericht bereits herangezogenen Erschwerungsgrund nach § 33 Abs 1 Z 1 StGB aber nicht auch noch aggravierende Tatwiederholungen vor. Der (nur unwesentlich) ältere Angeklagte und der Mitangeklagte haben nach den Urteilsannahmen gegenüber dem zum Beginn des Tatzeitraums 13jährigen Opfer D* ihre „körperliche Überlegenheit etabliert und eine Atmosphäre der Angst vor körperlichen Angriffen erzeugt“ (US 5f). Damit ist wie die Staatsanwaltschaft zutreffend aufzeigt vom besonderen Erschwerungsgrund nach § 33 Abs 2 Z 4 StGB auszugehen ( Riffel aaO § 33 Rz 34/4).
Trotz dieser nur im erschwerenden Bereich ergänzten und im Übrigen leicht präzisierten Strafzumessungsgründen ist beim heranzuziehenden Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe die vom Erstgericht über B* verhängte Freiheitsstrafe von einem Jahr nicht korrekturbedürftig milde ausgefallen. Sie trägt sämtlichen Aspekten der Taten des Angeklagten und seiner Täterpersönlichkeit sowie präventiven Strafbemessungserwägungen hinreichend Rechnung und bedarf entgegen der Strafberufung der Staatsanwaltschaft keiner Anhebung.
In Anbetracht des jugendlichen Alters des Angeklagten, über den nun nach Durchführung eines Strafverfahrens eine Freiheitsstrafe verhängt und deren Vollzug angedroht wurde iVm den spezialpräventiven Wirkungen eines förmlichen Strafverfahrens insbesondere mit Blick auf die kurzzeitige Hafterfahrung und der sich abzeichnenden persönlichen Konsolidierung und positiven Veränderungen laut dem aktuellen in der Berufungsverhandlung verlesenen Bericht der Bewährungshilfe ist trotz erneuter Straffälligkeit nach einer diversionellen Erledigung einer Strafsache die Gewährung zur Gänze bedingter Strafnachsicht nach § 43 Abs 1 StGB spezial- aber auch generalpräventiv noch vertretbar und weder eine Strafteilung nach § 43a Abs 3 StGB noch eine Strafenkombination nach § 43a Abs 2 StGB angezeigt, um den Angeklagten in Zukunft von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten. Auch generalpräventive Erfordernisse gebieten das nicht.
Damit konnte die Berufung der Staatsanwaltschaft nicht durchdringen.
Ausgehend davon trifft den Angeklagten keine Kostentragungspflicht für die Kosten des Berufungsverfahrens (§ 390a Abs 1 zweiter Satz StPO).