11Bs143/25d – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck beschließt durch die gemäß § 33 Abs 2 erster Satz StPO zuständige Einzelrichterin Mag. a Hagen in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 3 StGB über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 23.5.2025, AZ ** (= GZ B*-8 der Staatsanwaltschaft Feldkirch):
Spruch
Der Beschwerde wird n i c h t Folge gegeben.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
BEGRÜNDUNG:
Text
Die Staatsanwaltschaft Feldkirch hat zu B* ein Ermittlungsverfahren gegen A* wegen „§§ 218 Abs 1a, 212 Abs. 3 StGB“ geführt. Sie stellte dieses Ermittlungsverfahren am 26.2.2025 gemäß § 190 StPO ein (ON 1.1).
Am 6.3.2025 beantragte der von einem Wahlverteidiger vertretene Beschuldigte unter Hinweis auf ein entsprechendes Leistungsverzeichnis in der Gesamthöhe von EUR 7.561,88 (darin enthalten ein Erfolgszuschlag von 50 % in der Höhe von EUR 2.100,33 netto) den Zuspruch von EUR 5.000,00 zu den Kosten der Verteidigung (ON 5).
Die Staatsanwaltschaft Feldkirch leitete hierauf den Akt dem Landesgericht Feldkirch zur Entscheidung zu, wobei sie darauf verwies, dass nach Einlangen des Abschlussberichts am 25.2.2025 das Verfahren gegen den Beschuldigten am 26.2.2025 eingestellt worden sei (ON 1.3).
Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Erstgericht den Beitrag zu den Kosten der Verteidigung des Beschuldigten gemäß § 196a StPO mit EUR 2.000,00.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitig erhobene (Kosten-)Beschwerde des Beschuldigten, die darauf abzielt, den angesprochenen Beitrag mit EUR 4.000,000 zu bestimmen. Die Leistungen seien genau aufgelistet worden, entsprächen dem Tarif und würden sich ohne Erfolgszuschlag auf EUR 5.040,79 (brutto) belaufen. Zudem sei im Hinblick auf die neuen Bestimmungen das Ansetzen mit nur 40 % der tatsächlichen tarifmäßigen Kosten sowie der Nichtberücksichtigung des im Tarif vorgesehenen Erfolgszuschlags unangemessen (ON 9).
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft einer Stellungnahme enthalten hat, ist nicht im Recht.
Wird ein Ermittlungsverfahren gemäß § 108 oder § 190 StPO eingestellt, so hat gemäß § 196a Abs 1 StPO der Bund dem Beschuldigten auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten. Der Beitrag umfasst die nötig gewesenen und vom Beschuldigten bestrittenen baren Auslagen und außer im Fall des § 61 Abs 2 StPO auch einen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers, dessen sich der Beschuldigte bedient. Der (letztgenannte) Beitrag ist unter Bedachtnahme auf den Umfang der Ermittlungen, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen und darf – abgesehen von den hier nicht vorliegenden Fällen des § 196a Abs 2 StPO – den Betrag von EUR 6.000,-- nicht übersteigen. Die Kriterien des Umfangs der Ermittlungen und der Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen sind anhand des konkreten Ermittlungsverfahrens zu gewichten. Ausschlaggebend sind insbesondere der sich auf die Verteidigung durchschlagende Aufwand bei den Ermittlungsmaßnahmen, die Dauer des Ermittlungsverfahrens, die Anzahl der Verfahrensbeteiligten sowie die Gestaltung des dem Ermittlungsverfahren zugrundeliegenden Sachverhalts, der in seiner Komplexität von ganz einfachen Fällen bis hin zu umfangreichen Strafverfahren (etwa organisierter Kriminalität oder Wirtschaftsstrafverfahren) variieren kann und bei dem auch Aspekte, die die Ermittlungsarbeit erheblich aufwendig gestalten (beispielsweise wirtschaftliche Verflechtungen, Auslandsbeteiligungen, schwer nachvollziehbare Geldflüsse, Erfordernis von Sachverständigengutachten oder Rechtshilfeersuchen) zu berücksichtigen sind.
Zudem steht die Bemessung des Verteidigerkostenbeitrags immer auch unter dem Blickwinkel der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Verteidigung bzw der einzelnen Verteidigungshandlungen (EBRV 2557 der Blg XXVII. GP, S 3). Die Regelung des § 196a StPO wurde an jene des § 393a StPO angelehnt, für den von der Judikatur der Aktenumfang, die Schwierigkeit bzw Komplexität der Sach- und Rechtslage sowie der Umfang des Verfahrens (Hauptverhandlung, Rechtsmittel) herangezogen wurde.
Der Pauschalkostenbeitrag im Höchstbetrag der Grundstufe 1 in Höhe von EUR 6.000,-- soll grundsätzlich für alle Verteidigungshandlungen zur Verfügung stehen, die nicht außergewöhnlich oder extrem sind. Da die Bandbreite der Verfahren, die in diese Grundstufe fallen, von ganz einfachen Verteidigungsfällen, wie etwa einer gefährlichen Drohung, bis hin zu Wirtschaftsstrafsachen, reichen, kann sich der Beitrag je nach Umfang der Ermittlungen und Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen dem im Gesetz vorgesehenen Höchstbetrag annähern bzw sich von diesem weiter entfernen. Dabei wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass ein durchschnittliches Standardverfahren rund EUR 3.000,-- an Aufwand für die Verteidigung verursachen wird, wobei in dieser Berechnung zwar der Einheitssatz Berücksichtigung findet, entgegen den Beschwerdeausführungen Erfolgs- und Erschwerniszuschläge jedoch außer Betracht zu bleiben haben. Für Verfahren die in die bezirksgerichtliche Zuständigkeit fallen, erscheint angesichts deren zu erwartender im Regelfall geringerer Komplexität und auch der kürzeren Verfahrensdauer in diesem Sinne eine Reduktion der Ausgangsbasis auf die Hälfte des Durchschnittswerts, sohin EUR 1.500,-- angemessen (ERBV 2557 der Blg XXVII. GP, S 5). Eine Verpflichtung, einem Beschuldigten sämtliche Aufwendungen für seine Verteidigung zu ersetzen, sieht das Gesetz nicht vor und ist eine solche Verpflichtung weder den geltenden Verfassungsbestimmungen noch der Judikatur des EGMR zu entnehmen (EBRV 2557 der Blg XXVII. GP, S 2).
Hintergrund des gegenständlichen Strafverfahrens war die Beurteilung des Vorwurfs, ob der Beschuldigte, als Klassenvorstand der 2. Klasse der **, im Zeitraum zwischen 8.1.2024 bis 12.1.2024, in der Unterkunft in **, die zum Tatzeitpunkt 11-jährige Schülerin C* zumindest zwei Mal mit der flachen Hand am Gesäß berührt hat.
Der konkrete Verteidigungsaufwand im Ermittlungsverfahren bestand nach dem Akteninhalt in einer Stellungnahme vom 10.2.2025 (ON 2.17), der Vollmachtsbekanntgabe samt Mitteilung am 20.1.2025 (ON 2.19) sowie der Teilnahme an der Beschuldigtenvernehmung am 24.2.2025 (Beginn 14.08 Uhr, Ende der Vernehmung nach dem Durchlesen 16.45 Uhr; ON 2.5). Diese Verteidigungshandlungen waren notwendig und zweckmäßig.
Der Abschlussbericht wurde am 25.2.2025 der Staatsanwaltschaft Feldkirch übermittelt. Das gegenständliche Ermittlungsverfahren dauerte vom Zeitpunkt der Anzeigeerstattung am 12.9.2024 bis zur Einstellung am 26.2.2025 etwas mehr als fünf Monate. Insgesamt handelt es sich fallaktuell aufgrund der einfachen Sach- und Rechtslage, den eines durchschnittlichen bezirksgerichtlichen Verfahrens etwas übersteigenden Umfang gegen den Beschwerdeführer durchgeführten Ermittlungen und dem daraus folgenden Ausmaß des notwendigen und zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers um ein geringfügig über dem Durchschnitt liegendes Standardermittlungsverfahren. Dem Beschwerdeführer wurde vom Erstgericht mit EUR 2.000,-- daher bereits ein Betrag, über dem der für Verfahren die in die bezirksgerichtliche Zuständigkeit fallenden Hälfte des Durchschnittswerts, von EUR 1.500,-- zugesprochen. Dieser Betrag erweist sich unter Berücksichtigung des oben angeführten notwendigen und zweckmäßigen Verteidigungsaufwandes als angemessen, weshalb der Beschwerde nicht Folge zu geben war.