JudikaturOLG Innsbruck

6Bs18/25k – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
26. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Friedrich als Einzelrichter (§ 33 Abs 2 StPO) in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Innsbruck gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 7.1.2025, GZ **-271, beschlossen:

Spruch

Der Beschwerde wird n i c h t Folge gegeben.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).

BEGRÜNDUNG:

Text

A* wurde mit dem unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Geschworenengericht vom 1.8.2024, GZ **-240, vom Vorwurf des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und des Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs 1 StGB gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Mit Schriftsatz vom 9.12.2025 (ON 267) beantragte der Freigesprochene durch seinen Verteidiger die Bestimmung eines Beitrages zu den Kosten der Verteidigung in Höhe von EUR 60.000,-- und den Zuspruch eines Barauslagenersatzes in Höhe von EUR 76.828,24 für die Beiziehung von Privatsachverständigen. Begründend wurde – soweit für dieses Beschwerdeverfahren relevant – ausgeführt, es werde von insgesamt elf eingeholten Privatgutachten, lediglich für drei Gutachter, welche maßgeblich durch ihre Gutachten und Fragestellungen in der Hauptverhandlung zur Entkräftung des Tatverdachtes beigetragen hätten, ein Barauslagenersatz begehrt. Es handle sich um die B* (Sachverständige und IT-Beratungshaus) und den dortigen Sachbearbeiter Priv. doz. Dr. C*, dessen Befund und Gutachten (ON 81.2) Anlass für die Erstellung eines weiteren Schritteberichts („**-Bericht“ in ON 94.3) durch das Landeskriminalamt gegeben habe. Dieser Bericht sei dann in weiterer Folge vom Sachverständigen Dr. D* einer eingehenden Beurteilung unterzogen worden, dies mit dem Ergebnis, dass die Staatsanwaltschaft Innsbruck einer Sachverständigen der E* GmbH den Auftrag zur Überprüfung des Privatgutachtens Dr. D* erteilt habe. Diese Sachverständige habe die Ergebnisse des Gutachtens Dr. D* bestätigt, wonach es sich bei den in der Anwendung gespeicherten Informationen, insbesondere hinsichtlich der zurückgelegten Schritte, nicht um verlässliche Informationen handle. Sowohl das Privatgutachten des Dr. C*, als auch jenes des Dr. D* sei von der Staatsanwaltschaft in der Angeklageschrift zitiert worden (Seite 20). Die renommierte kriminaltechnische Sachverständige und Expertin für Spurensicherung Mag. Dr. F* habe Befund und Gutachten zur Tatortsicherung erstattet und sei zum Ergebnis gekommen, dass keine ausreichende Tatortabsicherung stattgefunden habe und die Sicherung der am Tatort vorgefundenen Scherben nur bruchstückhaft erfolgt sei. Sämtliche Privatsachverständigengutachten seien vom Vorsitzenden des Schwurgerichtshofes den gerichtlich bestellten Sachverständigen als Beweismittel vorgelegt worden. Dr. D* und Mag. Dr. F* hätten im Sinne des § 249 Abs 3 StPO als von der Verteidigung beigezogene Privatsachverständige an der Hauptverhandlung teilgenommen.

Die Staatsanwaltschaft Innsbruck trat in ihrer Stellungnahme vom 11.12.2024 (ON 268) einem angemessenen Zuspruch zu den Kosten der Verteidigung gemäß § 393a Abs 2 StPO nicht entgegen, erachtete jedoch die Kosten des Sachverständigen Dr. C* als jedenfalls nicht ersatzfähig. Die Beziehung der Privatsachverständigen in der Hauptverhandlung sei an sich nicht notwendig gewesen. Sollten die Barauslagen im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Sachverständigen Dr. D* und Dr. F* für erforderlich gehalten werden, wären diese Kosten auf das erforderliche Ausmaß zu kürzen.

Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmt der Vorsitzende den vom Bund zu leistenden Beitrag zu den Verteidigungskosten des Freigesprochenen mit einem Pauschalbetrag von EUR 60.000,-- und sprach darüber hinaus einen Barauslagenersatz in Höhe von EUR 51.559,90 für die Gutachten der Sachverständigen Dr. C* und Mag. Dr. F* zu. Dazu führte er begründend aus, bei der Beurteilung der Notwendigkeit im Sinne des § 393a Abs 1 zweiter Satz StPO sei nicht auf den heutigen Wissenstand, sondern auf das Wissen im Moment der Einholung der Gutachten abzustellen. Ob die Gutachten einen Erkenntnisgewinn gebracht und Einfluss auf die Entscheidung der Geschworenen gehabt hätten, sei nicht erheblich und in Bezug auf die Geschworenen auch nicht beantwortbar. Nachvollziehbar sei, dass der Freigesprochene damals die Privatgutachten für nötig gehalten habe, um den dringenden Tatverdacht zu erschüttern. Darum seien diese baren Auslagen nötig gewesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Innsbruck mit dem Antrag, diesen aufzuheben, den vom Bund zu leistenden Pauschalbeitrag zu den Kosten der Verteidigung gemäß § 393a Abs 1 StPO dem Gesetz entsprechend zu bestimmen und das Mehrbegehren abzuweisen, in eventu dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung aufzutragen. In der Begründung vorangestellt wird hingegen, dass dem Zuspruch des Pauschalbeitrages von EUR 60.000,-- nicht entgegengetreten werde. Aufwendung für Privatgutachten seien jedoch im Allgemeinen nicht notwendig, weil Ermittlungsbehörden und Gericht zur amtswegigen Wahrheitsforschung verpflichtet seien und der Beschuldigte zweckdienliche Beweiserhebungen beantragen könne. Gegenständlich seien allenfalls die Kosten der Beiziehung eines Privatexperten im Zuge der Erörterung des Sachverständigengutachtens in der Hauptverhandlung ersatzfähig, wobei neben den Kosten für die tatsächliche Teilnahme des Experten an der Hauptverhandlung auch der Aufwand für eine angemessene Vorbereitung umfasst sein werde. Die Sachverständigen Dr. D* und Dr. MMag. F*, BA seien an allen drei Verhandlungstagen anwesend gewesen und hätten dies auch in Rechnung gestellt. Dr. C* sei bei der Hauptverhandlung nicht anwesend gewesen. Die Teilnahme der Privatexperten an der Hauptverhandlung könne nur während der Erstattung des Gutachtens eines Sachverständigen notwendig sein, weil nur da eine Befragung nach § 249 Abs 3 StPO möglich sei.

Die Oberstaatsanwaltschaft nahm von einer Stellungnahme zur Beschwerde der Staatsanwaltschaft Innsbruck Abstand.

Der Freigesprochene nahm durch seinen Verteidiger die ihm eingeräumte Möglichkeit, sich zu der Beschwerde zu äußern wahr und wiederholte den Antrag auf Zuspruch des Barauslagenersatzes.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde dringt nicht durch.

Bei Privatexperten, die ein Gutachten („Privatgutachten“) erstatten, handelt es sich nicht um Sachverständige im Sinne der Strafprozessordnung. Als solche sind nur jene Personen einzustufen, die im Auftrag der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts in sachkundiger Weise tätig werden ( Hinterhofer in Fuchs/Ratz, WK StPO § 125 Rz 18).

Privatexpertisen können jedoch zur Kontrolle der Gutachten staatsanwaltschaftlich oder gerichtlich bestellter Sachverständiger eingesetzt werden. Diese Kontrollfunktion ist in der Strafprozessordnung in mehreren Bereichen vorgesehen. So kann der Gegenäußerung zur Anklageschrift eine Privatexpertise („Stellungnahme samt Schlussfolgerungen einer Person mit besonderem Fachwissen“) angeschlossen werden, wenn sich die Anklageschrift auf Befund und Gutachten eines Sachverständigen stützt (§ 222 Abs 3 StPO). Die Verfahrensbeteiligten können unter Berufung auf die Privatexpertise die Beziehung eines weiteren Sachverständigen beantragen, insbesondere wenn damit Unklarheiten, Widersprüche, methodische Mängel bzw logisch nicht haltbare Schlussfolgerungen in Befund oder Gutachten des staatsanwaltschaftlich oder gerichtlich bestellten Sachverständigen nachzuweisen sind (§ 127 Abs 3 StPO). Schließlich können Privatgutachter der Vorbereitung und Unterstützung der Befragung des Sachverständigen durch den Angeklagten (Verteidiger) in der Hauptverhandlung dienen (§ 249 Abs 3 StPO). Die Schlüsse eines Privatgutachtens können die Staatsanwaltschaft oder das Gericht auch zu amtswegiger Beweisaufnahme im Sinne des § 3 StPO (objektive Wahrheitsforschung) veranlassen ( Hinterhofer aaO Rz 26ff).

Daraus erhellt, dass entgegen der von der Beschwerde ersichtlich vertretenen Ansicht die für ein Privatgutachten aufgewendeten Auslagen nicht nur dann im Sinne des § 393a Abs 1 StPO nötig gewesen sein können, wenn sie durch die Beiziehung des Experten im Zuge der Erörterung des Gutachtens eines staatsanwaltschaftlich oder gerichtlich bestellten Sachverständigen entstanden sind. Durch die mit dem Strafprozessreformgesetz I (BGBl I Nr. 93/2007) eingeführte Bestimmung des § 249 Abs 3 StPO sollte dem Beschuldigten (Angeklagten) die Möglichkeit eröffnet werden, der Beweiswürdigung Elemente zuzuführen, die einen begründeten Zweifel an den Annahmen im Befund bzw. den daraus gezogenen Schlussfolgerungen nähren können (EBRV 231 BlgNR 24. GP, 14).

Mit Blick auf diese Intention des Gesetzgebers kann die grundsätzliche Anerkennung der Beiziehung von Privatsachverständigen auch in der Kostenfrage nicht ohne Auswirkung bleiben und müssen, wenn die Beiziehung eines Privatsachverständigen zu dem Zweck erfolgt, dem Angeklagten oder seinem Verteidiger eine über ihr eigenes Wissen und Können hinausgehende Information zu verschaffen und es ihnen dadurch leichter ermöglichen, sachdienliche Anträge an das Gericht oder entsprechende Fragen an den gerichtlich bestellten Sachverständigen zu stellen, die daraus resultierenden Kosten als Barauslagen im Sinne des § 393 Abs 2 StPO anerkannt werden, wobei die Notwendigkeit allerdings im Einzelfall streng zu prüfen ist (OLG Linz 8 Bs 107/12k).

Die Notwendigkeit der Barauslagen für die Verteidigung hat das Gericht am Maßstab einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nach der Aktenlage und allfälligen ergänzenden Mitteilungen im Antrag zu prüfen ( Lendl in Fuchs/Ratz, WK StPO § 393a Rz 4; Kirchbacher, StPO 15 § 393a Rz 2). Vorliegend legt der Antrag schlüssig und aktenkonform dar, dass die in Rede stehenden Privatgutachten der Experten Dr. C* und Mag. Dr. F* jedenfalls weitere amtswegige Beweisaufnahme veranlassten. Ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß sie für die Entscheidung der Geschworenen schlussendlich maßgeblich waren, kann – worauf bereits das Erstgericht zutreffend verwies – wegen der im geschworenengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehen Anführung von Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht beurteilt werden.

Zusammengefasst kann somit den für die Gutachten der Privatgutachter Dr. C* und Mag. Dr. F* aufgewandten Auslagen die Notwendigkeit zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht abgesprochen werden.

Rückverweise