7Bs145/25v – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Knapp, LL.M., als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Offer und Mag. Preßlaber als weitere Mitglieder des Senats in der Strafvollzugssache der A* wegen bedingter Entlassung nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG über den Antrag der Genannten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Vollzugsgericht vom 14.4.2025, GZ **-7, und die Beschwerde gegen diesen Beschluss in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird n i c h t bewilligt.
Die Beschwerde wird als unzulässig (verspätet) z u r ü c k g e w i e s e n .
Gegen diese Entscheidungen steht ein Rechtsmittel n i c h t zu (§ 89 Abs 6 StPO).
Text
BEGRÜNDUNG:
Die ** geborene A* verbüßt derzeit im elektronisch überwachten Hausarrest die über sie im Verfahren ** des Landesgerichts Innsbruck verhängte Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten.
Mit dem nun angefochtenen Beschluss lehnte das Erstgericht unter Hinweis auf spezialpräventive Bedenken die Entlassung zum Drittelstichtag ab (ON 7). Dieser Beschluss wurde der Strafgefangenen elektronisch am 16.4.2025 zugestellt (VJ-Automation).
Nach fruchtlosem Ablauf der 14-tägigen Rechtsmittelfrist brachte diese einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen diesen Beschluss nach § 364 StPO ein, mit dem sie gleichzeitig die Beschwerde verband. Dazu brachte sie - soweit hier von Relevanz - vor, von der erfolgten Zustellung an ihr elektronisches Postfach keine Kenntnis gehabt zu haben, da sie dieses bereits vor längerer Zeit (ca 2018/2019) eingerichtet, in der Folgezeit aber nicht mehr benützt und zudem seit Oktober 2023 auch keinen Zugriff mehr auf ihre dort registrierte E-Mail-Adresse gehabt habe. Durch ihre Betreuerin des Vereins B* habe sie am 17.4.2025 vom Beschluss Kenntnis erlangt und auf dessen postalische Zustellung gewartet, um dann eine Beschwerde erheben zu können. Trotz Mitteilung der zuständigen Geschäftsabteilung, dass der Beschluss am 16.4.2025 mittels RSa-Brief an ihre Adresse persönlich verschickt worden sei, habe sie zu keinem Zeitpunkt Briefpost in ihrem Briefkasten vorgefunden, an ihr digitales Postfach habe sie zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gedacht, da sie es seit längerer Zeit vergessen habe. Ihre Betreuerin beim Verein B* habe ihr dann am 5.5.2025 mitgeteilt, dass der Beschluss seit 2.5.2025 rechtskräftig sei, da er der Verurteilten am 16.4.2025 im elektronischen Weg an das digitale Postfach zugestellt worden sei. Ausgehend davon beantrage sie die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung einer Beschwerde, die sie in ihrem Schreiben auch sogleich ausführte (ON 9).
Rechtliche Beurteilung
Der Wiedereinsetzungsantrag, zu dem sich die Oberstaatsanwaltschaft einer Stellungnahme enthalten hat, ist nicht berechtigt.
Vorauszuschicken ist, dass der gegenständliche Beschluss der Strafgefangenen gemäß § 89a Abs 3 GOG nach den Bestimmungen des dritten Abschnitts des Zustellgesetzes elektronisch zugestellt wurde. Gemäß § 35 Abs 1 ZustG hat der Zustelldienst den Empfänger unverzüglich an der von ihm angegebenen E-Mailadresse davon zu verständigen, dass ein Dokument für ihn zur Abholung bereitliegt und an welcher Internetadresse er es abrufen kann (§ 35 Abs 1 Z 2 ZustG). Wird das Dokument nicht innerhalb von 48 Stunden nach der Verständigung abgeholt, hat eine zweite Verständigung zu erfolgen (§ 35 Abs 2 ZustG). Der Zustelldienst hat das Dokument zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten (§ 35 Abs 4 ZustG). In einem solchen Fall wird den Gerichten als Zustellinformation im VJ-Register der Status „elektronisch hinterlegt“ angezeigt (vgl 3 Ob 11/19t). Die Zustellung derart „hinterlegter“ Dokumente gilt am ersten Tag nach der Versendung der ersten elektronischen Verständigung bewirkt, wobei Samstage nicht als Werktage gelten (§ 35 Abs 6 ZustG). Hingegen gilt die Zustellung als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass die elektronischen Verständigungen nicht beim Empfänger eingelangt waren. Ebenfalls gilt sie nach § 35 Abs 7 ZustG nicht als bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger von den elektronischen Verständigungen keine Kenntnis hatte.
Nach § 364 Abs 1 StPO ist den Beteiligten des Verfahrens gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung, Ausführung oder Erhebung eines Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, sofern sie 1. nachweisen, dass es ihnen durch unvorhersehbare oder unabwendbare Ereignisse unmöglich war, die Frist einzuhalten oder die Verfahrenshandlungen vorzunehmen, es sei denn, dass ihnen oder ihren Vertretern ein Versehen nicht bloß minderen Grades zur Last liegt, 2. die Wiedereinsetzung innerhalb von 14 Tagen nach dem Aufhören des Hindernisses beantragen und 3. die versäumte schriftliche Verfahrenshandlung zugleich mit dem Antrag nachholen. Unvorhersehbar ist ein Ereignis dann, wenn sein Eintritt für den Betroffenen aus dessen subjektiver Perspektive nicht zu erwarten war, Unabwendbarkeit liegt vor, wenn sich ein Ereignis nach den objektiven Verhältnissen auch für eine normative Vergleichsfigur nicht verhindern lässt. Ein Versehen bloß minderen Grades bezeichnet die leichte Fahrlässigkeit und liegt bei einem Fehler vor, der auch einem sorgfältigen Menschen gelegentlich unterlaufen kann ( Lewisch, WK-StPO § 364 Rz 20 mwN).
Anlassbezogen wird von der Strafgefangenen kein tauglicher Wiedereinsetzungsgrund ins Treffen geführt.
Aus der VJ ergibt sich, dass der gegenständliche Beschluss dem elektronischen Zustelldienst am 15.4.2025 übergeben und dieser die Strafgefangene am 15.4.2025 um 15.39 Uhr erstmals unter der von ihr bekanntgegebenen Verständigungsadresse "**" elektronisch verständigt hat. Der Beschluss wurde gemäß § 35 ZustellG sodann am 16.4.2025 elektronisch hinterlegt, eine zweite elektronische Verständigung erfolgte am 17.4.2025 um 15.40 Uhr.
Dem Vorbringen der Wiedereinsetzungswerberin, auf ihr digitales Postfach vergessen und auf die von ihr dort hinterlegte E-Mailadresse keinen Zugriff mehr gehabt zu haben, ist zu entgegnen, dass nach § 28b Abs 2 Satz 1 ZustellG der angemeldete Teilnehmer dafür Sorge zu tragen hat, dass die bekanntgegebenen Daten gemäß Abs 1 leg cit laufend - losgelöst von einem konkreten Verfahren - richtig sind. So sind Änderungen der elektronischen Adressen unverzüglich bekanntzugeben. Wird diese Verpflichtung verletzt, kann die Zustellung durch Übermittlung der Verständigung an die bisherige elektronische Adresse rechtswirksam erfolgen, auch wenn der Empfänger dort nicht mehr erreichbar ist. Obwohl diese rechtliche Konsequenz im Zustellgesetz nicht ausdrücklich angeordnet ist, ergibt sie sich schon daraus, dass der Gesetzgeber die Verantwortung dafür, dass die im Teilnehmerverzeichnis gespeicherten Daten richtig und aktuell sind, eindeutig dem Teilnehmer zuweist. Damit trägt er auch die Gefahr, dass die Behörde bzw das Gericht Änderungen oder die Aufgabe der bisherigen elektronischen Adresse nicht erkennen kann (VwGH 12.12.2024, Ro 2023/02/0017, ecolex 2025/163). Daraus folgt, dass wer - wie hier die Wiedereinsetzungswerberin - nach § 28b Abs 2 Satz 1 ZustG säumig ist, seine elektronische Adresse für Verständigungen gemäß § 35 Abs 1 und 2 Satz 1 ZustG zu aktualisieren, die Gefahr trägt und sich nicht darauf berufen kann, dass die Übermittlung einer Verständigung an eine bereits deaktivierte E-Mail-Adresse erfolgt und die Verständigung nicht in seinem „elektronischen Verfügungsbereich“ eingelangt ist. Da § 35 Abs 7 Z 1 ZustellG, wonach eine Zustellung mangels Kenntnis des Empfängers von einer elektronischen Verständigung nicht als bewirkt gilt, technische Gebrechen und Ortsabwesenheit mit mangelnder Internetverbindung umfasst, nicht jedoch die selbst verursachte Unkenntnis aufgrund der Verletzung der Aktualisierungspflichten nach § 28b Abs 2 ZustellG (Verwaltungsgerichtshof vom 12.12.2024, RO2023/02/0017, Ecolex 2025/163), ist für sie auch daraus nichts zu gewinnen.
Ausgehend davon handelt es sich bei der Verletzung der der Wiedereinsetzungswerberin auferlegten Pflichten im aufgezeigten Sinn nicht um einen bloß minderen Grad des Versehens, sodass fallaktuell kein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis vorlag, weshalb die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu verweigern ist.
Dadurch erweist sich aber die Beschwerde als verspätet. Denn Beschwerden sind gemäß § 88 Abs 1 StPO binnen 14 Tagen ab Bekanntmachung oder ab Kenntnis der Nichterledigung oder Verletzung des subjektiven Rechts schriftlich oder auf elektronischem Weg einzubringen. Für die Fristenberechnung gilt § 84 Abs 1 StPO. Aufgrund der Zustellung durch Hinterlegung mit 16.4.2025 endete die Frist zur Erhebung der Beschwerde mit Ablauf des 30.4.2025, sodass die am 15.5.2025 erhobene Beschwere als verspätet zu werten und gemäß § 89 Abs 2 StPO zurückzuweisen war.
Der Rechtsmittelausschluss ergibt sich aus RIS-Justiz RS0124618 [T6] bzw § 89 Abs 6 StPO.