JudikaturOLG Innsbruck

7Bs97/25k – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
10. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck beschließt durch den gemäß § 33 Abs 2 erster Satz StPO zuständigen Senatspräsidenten Mag. Dampf als Einzelrichter in der Strafsache gegen A* wegen der Vergehen der Tierquälerei nach § 222 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StGB über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 12.3.2025, GZ **-47:

Spruch

In t e i l w e i s e r Stattgebung der Beschwerde wird der angefochtene Beschluss dahingehend abgeändert, dass die Gebühren des Sachverständigen B* für seine Tätigkeit im Verfahren ** des Landesgerichts Feldkirch mit EUR 4.015,-- (in Worten: viertausendnullfünfzehn Euro) bestimmt werden.

Das Mehrbegehren des Sachverständigen wird a b g e w i e s e n .

Im Übrigen wird der Beschwerde n i c h t Folge gegeben.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).

Text

Begründung :

Nach Vertagung der Hauptverhandlung am 9.7.2024 (ON 19) wurde B* mit Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 2.8.2024 (ON 23) zum Sachverständigen bestellt und mit der Erstattung von Befund und Gutachten zu folgenden Fragen erstattet:

Am 10.9.2024 übermittelte der Sachverständige sein schriftliches Gutachten (ON 29.1) samt einer Gebührennote (ON 29.2), die er mit weiterem Schriftsatz berichtigte (ON 34).

Der in ** wohnhafte Sachverständige wurde zur vertagten Hauptverhandlung am 12.11.2024 (von 09.00 bis voraussichtlich 13.00 Uhr) geladen (ON 1.22). Die Hauptverhandlung am 12.11.2024, an der der Sachverständige durchgehend teilnahm, dauerte nach dem ungerügt gebliebenen Protokoll von 09.00 bis 13.30 Uhr (ON 35). Nach Vernehmung von fünf Zeuginnen, denen unter anderem auch der Sachverständige Fragen stellte, erstattete der Sachverständige über einen längeren, im Protokoll aber nicht ausgewiesenen Zeitraum sein Gutachten, ergänzte dieses und beantwortete zahlreiche Fragen der Einzelrichterin, des öffentlichen Anklägers sowie des Verteidigers (PS 14 bis 19). Im Anschluss daran folgten die Vernehmung eines weiteren Zeugen sowie die ergänzende Vernehmung des Angeklagten, wobei der Sachverständige von der Einzelrichterin auch dazu beigezogen und erst am Ende um 13.30 Uhr entlassen wurde und seinen Gebührenanspruch anmeldete.

Mit Gebührennote vom 29.11.2024 (ON 38) begehrte der Sachverständige für die Teilnahme an der Hauptverhandlung weitere EUR 3.806,34 unter Beifügung der Belege für die Kosten der Anreise mittels öffentlicher Verkehrsmittel, einer Hotelrechnung sowie mehrerer früher von ihm erstellter Rechnungen zum Nachweis des von ihm begehrten Stundensatzes von EUR 400,-- (AS 3 bis 19 in ON 38).

Infolge Einwendungen des Revisors (ON 39) übermittelte der Sachverständige berichtigte Gebührennoten über EUR 2.400,-- für die Erstattung des schriftlichen Befunds und Gutachtens (ON 44, 2) sowie über EUR 3.568,04 für die Teilnahme an der Hauptverhandlung (ON 44, 1), dies erneut unter Übermittlung von Vergleichsrechnungen zur Bescheinigung seines begehrten Stundensatzes von EUR 400,-- (ON 44, 3 ff).

Dagegen erstattete der Angeklagte Einwendungen betreffend die geltend gemachten Reisekosten sowie die Gebühren für die Zeitversäumnis und die Teilnahme an der Hauptverhandlung (ON 46).

Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Landesgericht Feldkirch die Gebühren des Sachverständigen mit insgesamt (gerundet) EUR 4.494,--, darin enthalten EUR 2.400,-- an Mühewaltung für das schriftliche Gutachten samt Befund (6 Stunden à EUR 400,--; § 34 GebAG), EUR 690,90 für Zeitversäumnis (21 Stunden à EUR 32,90; § 32 GebAG), EUR 675,-- für die Teilnahme an der Hauptverhandlung (4,5 Stunden à EUR 150,--; § 35 GebAG), EUR 153,60 für das Aktenstudium zur Vorbereitung der Gutachtenserörterung (4 Stunden à EUR 38,40; § 34 GebAG), EUR 412,10 für Reisekosten (§ 28 GebAG), EUR 55,-- für Verpflegung („§ 29 GebAG“) und EUR 108,-- für Nächtigung („§ 29 GebAG“).

Während der Sachverständige und der Revisor den Beschluss unangefochten ließen, wendet sich der Angeklagte mit seiner rechtzeitigen Beschwerde (ON 49) ausschließlich gegen die Höhe der zugesprochenen Gebühren für Mühewaltung, Zeitversäumnis und die Teilnahme an der Hauptverhandlung. Das schriftliche Gutachten umfasse nur drei Seiten samt zwei Lichtbildern, weshalb Mühewaltung lediglich im Ausmaß von zwei Stunden zu vergüten gewesen wäre. Der Sachverständige habe zwar 4,5 Stunden an der Hauptverhandlung teilgenommen, jedoch nicht die gesamte Dauer eine Ergänzung oder Erklärung seines Sachverständigengutachtens erstattet. Die Erörterung bzw Ergänzung habe gesamt eine angefangene Stunde gedauert, weshalb für die weiteren 3,5 Stunden lediglich eine Gebühr gemäß § 35 Abs 1 GebAG in Höhe von EUR 49,-- pro Stunde zustehe. Die weitere Gebühr nach § 35 Abs 2 GebAG stehe daher lediglich für eine Stunde zu. Dass sich eine Zeitversäumnis von 21 Stunden, wie vom Erstgericht begründet, aus den gelegten Zugtickets des Sachverständigen ergäbe, könne der Angeklagte mangels Übermittlung der Zugtickets nicht überprüfen und habe eine eigene Recherche ergeben, dass der Weg von ** nach ** 7,5 Stunden bedürfe, woraus folge, dass lediglich eine Zeitversäumnis von 15 Stunden gebühre. Ausgehend davon mündet die Beschwerde in den Antrag, die Gebühren des Sachverständigen mit insgesamt lediglich EUR 2.343,70 zu bestimmen.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde, zu der sich weder der Sachverständige noch der Revisor äußerten, ist im Ergebnis teilweise berechtigt.

Nach § 34 Abs 1 GebAG ist die Gebühr eines Sachverständigen für Mühewaltung (Aufnahme des Befunds und die Erstattung des Gutachtens) nach richterlichem Ermessen (hier) nach der aufgewendeten Zeit und Mühe und nach den Einkünften zu bestimmen, die der Sachverständige für eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit im außergerichtlichen Erwerbsleben üblicherweise bezöge. Soweit es sich (wie hier) um Leistungen handelt, die nicht nach Tarif zu entlohnen sind, ist bei der Bemessung der Gebühren nach § 34 Abs 1 GebAG im Hinblick auf die öffentliche Aufgabe der Rechtspflege zum Wohl der Allgemeinheit ein Abschlag von 20 % vorzunehmen. Die Angaben eines Sachverständigen über die tatsächlich erbrachten Leistungen sind grundsätzlich solange als wahr anzusehen, als nicht das Gegenteil behauptet und bewiesen wird. Nur wenn die Angaben wegen des besonderen Ausmaßes der verzeichneten Stunden bedenklich erscheinen oder eine Unklarheit hinsichtlich des faktischen Stundenausmaßes besteht, ist das Gericht zur weiteren Erhebung und Nachprüfung des tatsächlichen Aufwands verpflichtet (RIS-Justiz RS0120631, RS0059212, RS0059228). Eine Prüfung der Angemessenheit der vom Sachverständigen aufgewendeten Zeit hat also im Allgemeinen nicht zu erfolgen, sondern können die Zeitangaben des Sachverständigen nur durch den Beweis des Gegenteils widerlegt werden. Der notwendige Zeitaufwand für eine geistige Leistung steht in keinem zwingenden Verhältnis zum Umfang der schriftlichen Darstellungen. Für einen Rückschluss von der Seitenzahl des Gutachtens auf die angemessene Arbeitszeit fehlt jegliche sachliche Grundlage. Es ist daher von der vom Sachverständigen angegebenen Stundenanzahl auszugehen, solange nicht das Gegenteil bewiesen wird ( Weber , Das Recht der Sachverständigen und Dolmetscher 5 [2020] S 157 mwN; Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG - GebAG 4 [2018] § 34 E 185 ff mwN).

Ausgehend von diesen Grundsätzen vermag die Beschwerde unter bloßer Berufung auf die Seitenanzahl des schriftlichen Gutachtens keine Bedenken an der Richtigkeit der Angaben des Sachverständigen erwecken, wonach er für die Besichtigung von Weingärten zur Befundaufnahme zweieinhalb Stunden und für die schriftliche Gutachtenserstellung dreieinhalb Stunden benötigte. Dabei darf auch nicht übersehen werden, dass dem Sachverständigen bei der Bestellung mehrere Fragen durch das Erstgericht zur Beantwortung aufgetragen wurden. Die zugesprochene Gebühr für Mühewaltung für das schriftliche Gutachten samt Befundaufnahme im Ausmaß von sechs Stunden ist daher nicht zu beanstanden. Jedoch ließ das Erstgericht den in § 34 Abs 2 GebAG normierten Abschlag von 20 % unberücksichtigt, den der Sachverständige ausgehend von seinem üblichen Stundensatz für eine gleiche Tätigkeit im außergerichtlichen Erwerbsleben nicht in Anschlag brachte. Deshalb war in diesbezüglicher Stattgebung der Beschwerde die Gebühr für Mühewaltung für das schriftliche Gutachten samt Befundaufnahme auf EUR 1.920,-- herabzusetzen.

Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß § 32 Abs 1 GebAG gebührt (hier) für den Weg vom Wohnort des Sachverständigen zum Gericht, für die Wartezeit und für den Rückweg zur Wohnung. Der Beschwerde zuwider ist - in Übereinstimmung mit der Ansicht des Erstgerichts - die vom Sachverständigen geltend gemachte Zeitversäumnis von 21 Stunden mit Blick auf die vorgelegten Belege der öffentlichen Verkehrsmittel plausibel und nachvollziehbar, weshalb an deren Richtigkeit keine Bedenken bestehen. Soweit der Beschwerdeführer behauptet, ihm seien die Zugtickets zur Überprüfung nicht vorgelegt worden, ist dies aufgrund der vom Erstgericht am 3.12.2024 verfügten Zustellung (ON 1.27) der Gebührennote des Sachverständigen vom 29.11.2024, der - wie bereits oben erwähnt - sämtliche Belege (auch die Zugtickets) über die Reisekosten angeschlossen sind (vgl erneut ON 38), nicht nachvollziehbar. Im Übrigen legt der Beschwerdeführer die von ihm ins Treffen geführte eigene Recherche, die eine Wegzeit pro Strecke von lediglich 7,5 Stunden ergeben hätte, nicht offen und lässt zudem Wegzeiten des Sachverständigen von seiner Wohnung bis zum Bahnhof, allfällige Wartezeiten, den Weg in ** zum Landesgericht Feldkirch und ebenso dieselben für die Rückreise unberücksichtigt. Das Oberlandesgericht hegt daher an der vom Sachverständigen geltend gemachten Zeitversäumnis von 21 Stunden keine Bedenken.

Ist ein Sachverständiger während einer Gerichtsverhandlung anwesend, so kommen drei Bestimmungen für seine Entlohnung in Frage: Wird in der Verhandlung Befund aufgenommen, etwa durch Einvernahme von Zeugen, deren Aussage der Sachverständige in seinem Gutachten zu berücksichtigen hat, oder erstattet der Sachverständige ein mündliches Gutachten, so kann er Gebühr für Mühewaltung nach § 34 GebAG geltend machen. Ergänzt oder erläutert der Sachverständige sein schriftliches Gutachten, so kann er nach § 35 Abs 2 GebAG eine Gebühr für die Teilnahme an der Verhandlung verzeichnen. Seine sonstige Anwesenheit in der Verhandlung ist nach § 35 Abs 1 GebAG für jede auch nur begonnene Stunde zu entlohnen ( Weber aaO S 168 f mwN).

Der Sachverständige wurde vom Erstgericht bereits zum Beginn der Hauptverhandlung hinzugezogen, (offensichtlich) um die Angaben der einvernommenen Zeugen mitzuverfolgen und diese in seine Gutachtenserstattung und -ergänzung einfließen zu lassen. Der Sachverständige stellte – wie bereits oben ausgeführt – mehreren Zeugen auch Fragen und erstattete im Anschluss sein Gutachten und ergänzte dieses, wobei er auch zahlreiche Fragen des Erstgerichts und der Verfahrensbeteiligten beantwortete. Ausgehend davon ist aber der Beschwerde zuwider die vom Erstgericht bestimmte Gebühr für die Teilnahme an der Hauptverhandlung in Höhe von EUR 675,-- nicht zu beanstanden.

Bleibt lediglich der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass die vom Erstgericht vorgenommene Minderung des Stundensatzes auf EUR 150,-- aus § 35 Abs 2 GebAG nicht abgeleitet werden kann. Rechnungsgrundlage ist nämlich nicht der Stundensatz, sondern die dem Sachverständigen zustehende Mühewaltungsgebühr für das erläuterte und ergänzte Gutachten, weshalb grundsätzlich die vom Sachverständigen für die Teilnahme an der Hauptverhandlung geltend gemachte Gebühr in einem Prozentsatz von der Grundleistung zu bestimmen gewesen wäre (dazu instruktiv erneut Weber aaO S 170 ff [insbesondere Rz 11] mwN; Krammer/Schmidt/Guggenbichler aaO § 35 E 85). Weil der Sachverständige aber die Reduzierung seines Stundensatzes von EUR 400,-- auf EUR 150,-- unbekämpft ließ, hatte es bei dieser Anmerkung sein Bewenden.

In teilweiser Stattgebung der Beschwerde war daher der angefochtene Beschluss dahingehend abzuändern, dass die Gebühren des Sachverständigen für seine Tätigkeit in diesem Strafverfahren - unter gleichzeitiger Abweisung des Mehrbegehrens - mit insgesamt (gerundet nach § 39 Abs 2 GebAG) EUR 4.015,-- bestimmt werden.

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