4R43/25t – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht hat durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Prantl als Vorsitzende sowie die Richter des Oberlandesgerichts Mag. Schallhart und Mag. Eppacher als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei A* , vertreten durch Dr. Karl Hepperger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei C* GmbH , vertreten durch Dr. Sabine Prantner, Rechtsanwältin in Innsbruck, wegen EUR 25.000 und Feststellung (Streitwert EUR 5.000), über die Berufung der klagenden Partei (Berufungsinteresse EUR 30.000) gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 31.01.2025, **, in nicht-öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird keine Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen zu Handen der Beklagtenvertreterin die mit EUR 3.138,12 (darin enthalten EUR 523,02 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt insgesamt nicht EUR 30.000.
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrt aus dem Titel der Arzthaftung EUR 25.000 Schmerzengeld und eine Haftungsfeststellung mit der Begründung, der Operateur habe sich unmittelbar vor dem Eingriff für eine andere Operationsmethode entschieden, über welche der Kläger nicht aufgeklärt worden sei. Die Aufklärung sei zu knapp vor dem Eingriff erfolgt. Über einen Becken/Beingips für 6 Wochen sei er nicht informiert worden. Obwohl der Eingriff laut Aufklärungsbogen arthroskopisch sein sollte, sei er offen erfolgt. Die Kapsel-Bandraffung sei ein experimenteller Eingriff, dem der Kläger nicht zugestimmt habe. In Narkose habe der Operateur keine Luxation und Relaxierung provozieren können, sodass der Eingriff abgebrochen werden hätte müssen. Die Operation sei nicht erforderlich und nicht zielführend gewesen. Der Kläger leide seither an Dauerfolgen, über welche er nicht aufgeklärt worden sei.
Die Beklagte wandte ein, die Behandlung und Aufklärung des seit Mitte 2015 in regelmäßigen Abständen aufgrund seines Grundleidens in der Ambulanz vorstellig gewordenen Klägers sei kunstgerecht gewesen. Der Eingriff sei wegen des Leidensdrucks indiziert und die Therapie der Wahl gewesen. Es handle sich nicht um einen experimentellen Eingriff. Dem Kläger sei keine Erfolgsgarantie gegeben worden. Er sei sich der Risiken bewusst gewesen und habe zugestimmt.
Mit der angefochtenen Entscheidung wies das Erstgericht das Klagebegehren ab, wobei es von folgendem Sachverhalt ausging. Die vom Kläger bekämpften Feststellungen sind mit [A] gekennzeichnet.
Der Kläger leidet unter einem seltenen Erkrankungsbild, dem Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS), das ihn vor und nach dem Eingriff nicht nur in Bezug auf das Hüftgelenk wiederholt in ärztliche Behandlung zwingt. Im Zeitraum etwa eines halben Jahres vor dem Eingriff kam der Kläger etwa 15mal mit anamnestischen Luxations- bzw. Subluxationsereignissen in die Ambulanz der Traumatologie der Beklagten. Grund für die Vorstellungen und Einlieferungen mit dem Notarzt waren rezidivierende Hüftluxationen bei EDS bei Zustand nach CAM-Impingment-OP vor über 10 Jahren. Die durch alltägliche Bagatellereignisse, wie das Setzen auf einen Stuhl, ausgelösten Luxations- und Subluxationsereignisse waren sehr schmerzhaft. Eine chronifizierte Hüftinstabilität limitiert die Lebensqualität wegen konstanter Subluxationsbefürchtung und Schmerzempfindung und birgt das Risiko eines frühzeitigen Gelenkverschleißes. Initial wird zunächst eine konservative Behandlung empfohlen, aber gleichzeitig darauf verwiesen, dass operative Interventionsmöglichkeiten zu prüfen sind, wenn das Beschwerdebild therapiefraktär bleibt. Weil die natürliche Strukturschwäche des Bindegewebes beim EDS zu berücksichtigen ist, können arthroskopische Kapselrekonstruktionstechniken versucht werden, sind aber mit einem höheren Rezidivrisiko behaftet. Die offenen technischen Optionen reichen von der reinen Kapselduplikatur bis zur Augmentation der vorderen Gelenkskapselanteile mit Eigen- und Fremdgewebe. Konservative Maßnahmen bestehen aus der Aktivitätsmodifikation, Orthesenbehandlung und Nutzung von Gehhilfen.
[A] Es erfolgte eine jeweils bemühte, sach- und fachgerechte Erstabklärung und -behandlung der Akutereignisse mit dem Ziel, dem Kläger Betreuung und fachliche Hilfestellung zur Verfügung zu stellen. Die weiterführende Diagnostik und Beratung des Klägers nach Zuweisung in organisationsinterne Spezialambulanzen waren vom Bemühen getragen, den Kläger in seinen regelmäßig auftretenden Einschränkungen zu unterstützen und ihm therapeutischen Rat anzubieten. Nach den einzelnen Akutereignissen wurden dem Kläger konservative Behandlungsmaßnahmen empfohlen.
Der Kläger war bereits langjährig bei seiner Mutter, einer ausgebildeten Physiotherapeutin, in Therapie und Schulung. Diese Therapien waren ausgereizt. Der Kläger war dauerhaft durch Akutbeschwerden mit ärztlicher Behandlungsnotwendigkeit in seinem täglichen Handlungs- und Gestaltungsspielraum eingeengt.
[A] Aufgrund des Leidensdrucks und des maßgeblichen Krankheitsgefühls drängte der Kläger gegenüber den Ärzten der Beklagten auf eine Operation. Die Beklagte diskutierte die Problematik des Klägers mit diesem ausführlich und mehrfach. Im März 2021 vertrat sie noch die Meinung, dass eine Kapsel-Bandraffung keinen Erfolg bringen könne und daher eine knöcherne Stabilisierung erfolgen sollte. Sie teilte dem Kläger mit, dass sein Fall, insbesondere die Möglichkeit einer Stabilisierung der Operation der Hüfte, noch teamintern besprochen werde und bestellte ihn wieder ein. Nach Durchführung von Recherchen und Beratung unter den Ärzten schlug die Beklagte dem Kläger eine offene Kapselrekonstruktion vor. Diese Methode ist zwar kein standardisierter Eingriff, aber für die vorliegende Indikationsstellung und für das Krankheitsbild des Klägers innerhalb eines therapeutischen Korridors möglicher Optionen von den Empfehlungen des medizinischen Schriftums umfasst und vertretbar. Die Beklagte erklärte dem Kläger die Operationsmethode einer Kapselraffung. Sie teilte ihm mit, dass die Ärzte allenfalls intraoperativ entscheiden müssten, ob noch weitere Maßnahmen gesetzt werden müssen. Es war klar, dass das Gelenk stabilisiert wird. Noch offen war der Grad der Raffung und ob ein Patch für eine zusätzliche Stabilisierung angebracht wird. Sie teilte dem Kläger mit, dass es sich bei der Operation um einen Versuch handle, die Kapsel zu stabilisieren, um Subluxationen zu vermeiden. Die Beklagte gab dem Kläger keine Erfolgsgarantie ab, sie bezeichnete den Eingriff nicht als Experiment. Der Kläger war mit der vorgeschlagenen offenen Kapselraffung bei der linken Hüfte einverstanden. Ein Operationstermin wurde vereinbart. Die Indikationsstellung für die operative Behandlungsmaßnahme erfolgte sach- und fachgerecht und entspricht den medizinischen Behandlungserfordernissen und dem Stand der Medizin.
Da es nach diesem Gespräch zu weiteren Luxationen kam, organisierte der Kläger bei der Beklagten eine Vorverlegung des Operationstermins.
[A] Am Vortag der Operation wurde der Kläger stationär aufgenommen und mit ihm am späten Nachmittag ein Aufklärungsgespräch über die geplante offene Kapsel-Bandraffung geführt. Die Beklagte verwendete einen standardisierten Aufklärungsbogen über Arthroskopie des Hüftgelenks, wobei sie die Überschrift ausstrich und handschriftlich "offene Kapselraffung Hüfte links" ergänzte. Das von ihr verwendete Einwilligungsformular umfasste folgende Risiken und Komplikationen: Hämatome, Wundheilungsstörungen, Wundinfektionen, oberflächliche und tiefe Beinvenenthrombosen, Blutverlust mit der Notwendigkeit von Blutersatz, Gefäßverletzungen, Nervenverletzungen, allgemeine Operationsrisiken (kardiopulmonal, Pneumonien, Lungenembolien), als spezielle Risiken und Komplikationen auch das Rezidiv, die Erfolglosigkeit, Implantat- und Fremdmaterialfehllagen oder -migrationen, allergische Komplikationen, Material- oder Instrumentenbruch, heterotope Ossifikationen, Bewegungs- und Funktionseinschränkungen, bleibende Muskelatrophien, Neuauftreten der Schmerzen, unzureichende Schmerz- und Symptomreduktion, Gelenksschäden, Knochenmarködeme und Knochennekrosen.
Die Beklagte erklärte dem Kläger die geplante Vorgangsweise und ging mit ihm die im Aufklärungsbogen angeführten Risiken und Komplikationen durch. Nicht festgestellt werden kann, ob der Kläger darüber aufgeklärt wurde, dass zur Sicherung des Operations- und Ausheilungsergebnisses ein Becken/Beingipsverband angebracht wird. Eine konkrete Erfolgsrate des Eingriffs wurde mit dem Kläger nicht besprochen. Aus medizinischer Sicht konnte die konkrete Erfolgsrate des Eingriffs ex ante nicht beziffert werden. Als Alternative zum Eingriff besprach die Beklagte die Belassung und Beobachtung des Zustands unter weiterhin konservativen Maßnahmen. Der Kläger hatte keine weiteren Fragen, erklärte sich mit der Operation einverstanden und unterschrieb das Aufklärungsblatt. Am Morgen des Operationstags wurden mit dem Kläger nochmals das genaue Procedere und die Operationsziele besprochen. Es wurde ihm mitgeteilt, dass es sich bei dem Eingriff um einen Versuch handle, die Kapsel zu stabilisieren, um Subluxationen zu vermeiden. Der Kläger hatte keine weiteren Fragen und war mit dem Eingriff einverstanden. Beim Kläger wurde eine offene Kapselrekonstruktion der Hüfte links und Patch-Stabilisierung links mit Becken/Beingipsanlage durchgeführt. Die konkret ausgewählte und durchgeführte Operationstechnik wird vom medizinisch-naturwissenschaftlichen Schriftum für die vorliegende Indikationsstellung und für das Krankheitsbild des Klägers gedeckt. Der Eingriff wurde sach- und fachgerecht durchgeführt und verlief komplikationsfrei.
Die postoperative Gipsanlage ist Teil der gesamten Therapiemaßnahme, um die Kapselheilung nach dem Eingriff durch Ausschaltung der Hüftgelenksbeweglichkeit sicherzustellen. Im weiteren Verlauf zeigte sich die Erfolglosigkeit des Eingriffs, die nicht auf eine fehlerhafte technische Durchführung oder ungeeignete Indikationsstellung zurückzuführen ist, sondern auf das Risiko und eine behandlungs- und krankheitsimmanente Komplikation, die auch bei bestem Bemühen und sorgfältigstem Vorgehen nicht vermeidbar ist.
[A] Das zugrundeliegende Ehlers-Danlos-Syndrom ist jene Erkrankung, die die Besonderheit und auch die Erschwernisse in der Behandlung der vorliegenden Hüftinstabilität bewirkt hat. Der Verlauf beim Kläger war schicksalhaft und nicht auf einen Behandlungsfehler zurückzuführen. Das implantierte Fremdmaterial ist nicht zu entfernen, Probleme damit werden in Zukunft nicht mehr auftreten. Nach Ablauf von 3 bis 4 Monaten befindet sich der Kläger wieder in jenem körperlichen Funktions- und Schmerzzustand, in dem er sich auch ohne den Eingriff befunden hätte. Weitere Spätfolgen sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen.
Rechtlich verneinte das Erstgericht das Vorliegen eines Behandlungs- oder Aufklärungsfehlers. Die Negativfeststellung zur Aufklärung über den Becken/Beingips schade nicht, da davon auszugehen sei, dass der Kläger auch bei Aufklärung darüber in die Operation eingewilligt hätte.
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Berufung des Klägers aus den Berufungsgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Abänderungsantrag auf Klagsstattgabe. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagte beantragt mit rechtzeitiger Berufungsbeantwortung (unsubstantiiert) die Zurückweisung der Berufung, hilfsweise dieser keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1. Mit Beweisrüge bekämpft der Kläger den oben zu [A] hervorgehobenen Sachverhalt und begehrt stattdessen festzustellen:
Das Erstgericht stütze die Feststellungen vor allem auf das Gutachten. Der Kläger habe in seiner Aussage ausgeführt, es handle sich um einen experimentellen Eingriff, hinsichtlich dessen man sich geeinigt habe, ihn nicht durchzuführen. Dem Eingriff hätte er nicht zugestimmt. Die Einschränkungen des Klägers nach dem Eingriff seien durch seine Aussage und Urkunden dokumentiert. Die Aufklärung habe am Vorabend und damit zu kurz vor dem Eingriff stattgefunden, da eine Frist von zwei Wochen vor dem Eingriff einzuhalten sei. Weiters wiederholt der Berufungswerber sein erstinstanzliches Vorbringen.
1.1. Bei der vom Kläger zu a) gewünschten Ersatzfeststellung handelt es sich um eine rechtliche Beurteilung, die einer Tatsachenfeststellung nicht zugänglich ist. Damit liegt zwischen bekämpften und gewünschten Feststellungen auch nicht das notwendige Austauschverhältnis vor, sodass die Beweisrüge in diesem Umfang nicht gesetzmäßig geltend gemacht ist (RS0041835, RI0100145).
1.2 Auch darüber hinaus ist die Beweisrüge nicht berechtigt. Der vom Erstgericht geschaffene Sachverhalt ist Ausfluss einer schlüssigen und überzeugenden Beweiswürdigung, in welcher sich das Erstgericht mit den wesentlichen Beweisergebnissen auseinandergesetzt hat. Das Berufungsgericht kann daher auf diese Ausführungen gemäß § 500a ZPO verweisen (vgl. RS0122301), deren Richtigkeit durch die in der Berufung angestellten Überlegungen nicht erschüttert werden. Bereits das Erstgericht hat die Widersprüchlichkeiten in den Angaben des Klägers herausgearbeitet. Dabei ist weiters zu berücksichtigen, dass die Aufklärung nicht nur am Tag vor der Operation stattfand, sondern in mehreren Terminen Behandlungsmöglichkeiten diskutiert wurden. Aufgrund der Beweisergebnisse hat das Erstgericht auch diese Umstände zutreffend festgestellt. Der Kläger gestand im Zuge seiner Einvernahme zu, dass ihm die Operationsmethode vorgeschlagen worden sei.
Den gewünschten Feststellungen zu Art und Durchführung des Eingriffs stehen die klaren Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen entgegen, auf welche das Erstgericht seine diesbezüglichen Feststellungen zutreffend stützte. Zu diesen Themen gibt es keine widersprechenden Beweisergebnisse. Dasselbe gilt für die vom Kläger behaupteten Folgen der Operation. Auch die diesbezüglichen Feststellungen des Erstgerichts lassen sich zwanglos aus dem eingeholten Gutachten ableiten. Der gewünschten Feststellung, die Operation sei nicht sach- und fachgerecht durchgeführt worden, stehen darüber hinaus die unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichts entgegen, wonach die Erfolglosigkeit der Operation nicht auf eine fehlerhafte technische Durchführung oder ungeeignete Indikationsstellung zurückzuführen ist, sondern auf Behandlungs- und krankheitsimmanente Komplikationen. Eine inhaltliche Befassung mit einer Beweisrüge scheidet aus, wenn eine angestrebte Feststellung einer weiteren, unbekämpft gebliebenen Feststellung widerspricht und daher zu einer Sachverhaltsgrundlage führen würde, die einer abschließenden rechtlichen Beurteilung nicht mehr zugänglich wäre (RI0100163).
Da es keine Rolle spielt, ob es dem Berufungswerber gelingt, die Berufungsausführungen unter dem richtigen Rechtsmittelgrund geltend zu machen, kann auf die Ausführungen zur Aufklärung bei Behandlung der Rechtsrüge eingegangen werden (vgl. RS0041851).
2. In der Rechtsrüge argumentiert der Kläger, das Erstgericht habe die Beweislastumkehr nach § 1298 ABGB nicht berücksichtigt, da er einen vertraglichen Schadenersatzanspruch geltend mache. Es hätte die Beklagte beweisen müssen, dass sie die erhöhten Einschränkungen und erhöhten Schmerzen des Klägers nicht verursacht habe. Der Kläger macht einen sekundären Feststellungsmangel geltend, da Feststellungen zum Sorgfaltsmaßstab fehlten, welcher von den Ärzten zu erwarten gewesen wäre. Erst dann hätte unter Berücksichtigung des erhöhten Sorgfaltsmaßstabs nach § 1299 ABGB beurteilt werden können, ob ein Behandlungsfehler vorliege. Schließlich wiederholt der Berufungswerber, die Aufklärung am Abend vor der Operation sei zu spät erfolgt, da eine Frist von 2 Wochen zwischen Aufklärung und Operation liegen solle, um eine angemessene Überlegung sicherzustellen. Nur so könne der Patient die Risiken der Operation abwägen und entscheiden, ob er sich der Operation unterziehen wolle. Der Kläger sei durch die späte Aufklärung einer Stresssituation ausgesetzt gewesen, da er keine Möglichkeit mehr gehabt habe, die Entscheidung zu überdenken oder die Behandlung abzulehnen, was er sonst getan hätte.
2.1. Der von Ärzten zu erwartende Sorgfaltsmaßstab ist einer Feststellung nicht zugänglich, da es sich dabei um eine rechtliche Beurteilung handelt. Der Berufungswerber selbst verweist dazu auf § 1299 ABGB. Ein sekundärer Feststellungsmangel liegt nicht vor.
Der Arzt haftet als Sachverständiger im Sinn des § 1299 ABGB nicht für außergewöhnliche Kenntnisse und außergewöhnlichen Fleiß, wohl aber für die Kenntnisse und den Fleiß, den seine Fachgenossen gewöhnlich haben (RS0026489). Entscheidend ist der Leistungsstand der betreffenden Berufsgruppe, der sich durch die typischen Fähigkeiten des jeweiligen Berufsstands definiert. Maßstab ist das durchschnittlich in der Branche zu erwartende Wissen, weshalb nicht für außergewöhnliche Kenntnisse oder außergewöhnlichen Fleiß gehaftet wird (RS0026535 [T13], RS0026489). Konkret steht fest, dass der Eingriff sach- und fachgerecht und komplikationsfrei durchgeführt wurde und die geeignete Operationsmethode gewählt wurde.
2.2. Mit der Argumentation, dass er erhöhte Einschränkungen und Schmerzen habe, geht der Berufungswerber nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Es steht fest, dass sich der Kläger wieder in jenem körperlichen Funktions- und Schmerzzustand befindet, in dem er sich auch ohne den Eingriff befunden hätte und dass Spätfolgen ausgeschlossen sind. Eine Rechtsrüge, die nicht vom konkret festgestellten Sachverhalt ausgeht, kann einer weiteren Behandlung nicht zugeführt werden (RS0043603).
2.3 Ob ein ärztlicher Kunstfehler vorliegt, ist eine Tatfrage (RS0026418). Der schadenersatzbegehrende Kläger muss das Vorliegen oder doch einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines ärztlichen Kunstfehlers beweisen. Sodann hat die Beklagte die Schuldlosigkeit des Operateurs zu beweisen (RS0026412). Nur wenn der Beweis eines Behandlungsfehlers erbracht wurde, sind nach der Rechtsprechung wegen der besonderen Schwierigkeiten eines exakten Beweises geringere Anforderungen an den Nachweis der Kausalität des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Schaden zu stellen; der Anscheinsbeweis reicht aus (RS0038222). Dem Kläger ist der Nachweis eines Behandlungsfehlers nicht gelungen. Es steht fest, dass der Eingriff kunstgerecht durchgeführt wurde und dessen Erfolglosigkeit nicht auf eine fehlerhafte technische Durchführung oder ungeeignete Indikationsstellung zurückzuführen ist.
2.4 Die ärztliche Aufklärung soll den Patienten in die Lage versetzen, die Tragweite seiner Einwilligung in eine ärztliche Heilbehandlung zu überschauen und ihm die für seine Entscheidung maßgebenden Kriterien liefern (RS0026413). Die ärztliche Aufklärung hat so rechtzeitig zu erfolgen, dass dem Patienten eine angemessene Überlegungsfrist offenbleibt. Die Dauer der dem Patienten nach entsprechender Aufklärung durch den Arzt einzuräumenden Überlegungsfrist hängt von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere von der Dringlichkeit der Behandlung ab (RS0118651). Üblicherweise genügt, wenn der Patient zumindest die Möglichkeit hat, noch einmal "eine Nacht darüber zu schlafen" (7 Ob 64/11d). Eine erstmals 2 Stunden vor einer Hallux-Operation erfolgte Aufklärung über eine konkrete Operationsmethode im Vergleich zu alternativen Behandlungsmethoden sowie der Hinweis auf bestimmte Risiken wurde als verspätet angesehen (1 Ob 215/11s). Zu 1 Ob 107/20x erachtete der Oberste Gerichtshof die Beurteilung einer gegen 16.00 Uhr am Vortag erfolgten Aufklärung über eine - zuvor nicht geplante - Prostataektomie als rechtzeitig für nicht korrekturbedürftig. Der Umfang der Aufklärungspflicht ist eine Frage des Einzelfalls (RS0026529).
Dem Erstgericht ist beizupflichten, dass die Aufklärung des Klägers als rechtzeitig zu beurteilen ist. Mit dem Kläger wurden die Behandlungsmöglichkeiten und die letztlich durchgeführte Operation schon vor dem dezidierten Aufklärungsgespräch mehrfach durchbesprochen. Der Kläger hatte einen hohen Leidensdruck und drängte deshalb sogar auf eine Vorverlegung des Operationstermins. Er wurde mit der Diagnose und der gewählten Operationsmethode nicht erstmals am Vorabend vor dem Operationstermin konfrontiert, es handelte sich bei diesem Aufklärungsgespräch nur noch um die abschließende, voll umfängliche Aufklärung. Eine überraschende Situation lag für den Kläger nicht vor und er hatte keine weiteren Fragen zum Eingriff.
Der Berufungswerber behauptet (ohne nähere Begründung), es sei eine Frist von 2 Wochen vor dem Eingriff einzuhalten. Nach § 6 Abs 1 ÄsthOpG ist eine zweiwöchige Überlegungsfrist einzuhalten, allerdings nur für - hier nicht erfolgte - ästhetische Eingriffe ohne medizinische Indikation. Die Aufklärung war rechtzeitig.
2.5 Auf die Anschlussberufung der Beklagten in ihrer Berufungsbeantwortung muss aufgrund dieses Ergebnisses nicht mehr eingegangen werden.
3. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 50, 41 ZPO.
4. Da der Entscheidungsgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, nicht nur in einem Geldbetrag besteht, hat ein Ausspruch gemäß § 500 Abs 2 Z 1 ZPO zu erfolgen. Dabei bestand kein Anlass, von der vom Kläger unwidersprochen vorgenommenen Bewertung abzurücken.
5. Die Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig, weil sich das Berufungsgericht an höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und die Entscheidung keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat.