JudikaturOLG Innsbruck

11Bs129/25w – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
23. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Dampf als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. a Hagen und Mag. a Obwieser als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen A* wegen der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 29.4.2025, GZ ** 23, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Der Beschwerde wird n i c h t Folge gegeben.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).

Begründung:

Text

Mit dem angefochtenen, gleich zu Beginn der Hauptverhandlung am 29.4.2025 verkündeten (PS 2 in ON 22) Beschluss wies das Landesgericht Innsbruck den Antrag des Angeklagten auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers ab. Die schriftliche Ausfertigung des Beschlusses (ON 23) enthält - im Übrigen neben einer unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung in Ansehung der Beschwerdefrist bei wie hier Verkündung eines Beschlusses (vgl § 88 Abs 1; instruktiv Tipold, WK-StPO § 88 Rz 6 ) nachfolgende Begründung:

Mit Strafantrag der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 10.3.2025, **, werden A* die Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB zur Last gelegt.

Entsprechend dem Tenor des Strafantrags habe er in B* die C*

I.

vorsätzlich am Körper verletzt:

II.

am 21.11.2024 durch die Äußerung, er werde sie umbringen, wenn sie ihn anzeige, gefährlich zumindest mit der Zufügung einer Körperverletzung bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Die Ladung zur Hauptverhandlung wurde dem Angeklagten am 14.3.2025 elektronisch zugestellt.

Mit Eingabe vom 8.4.2025 (ON 16.2) sowie vom 11.4.2025 (ON 17) beantragte der Angeklagte die Bewilligung der Verfahrenshilfe. Der Angeklagte sei derzeit Student am D* B* (E*) und beziehe finanzielle Unterstützung durch das F* sowie ein Stipendium. Laut Mitteilung über den Leistungsanspruch vom 13.12.2024 (ON 17.3) bekomme er derzeit Notstandshilfe in Höhe von EUR 43,26 täglich sowie laut Bescheid der G* B* vom 30.9.2022 (ON 17.2) eine Studienbeihilfe in Höhe von EUR 1.182,-- monatlich. Laut eigenen Angaben des Angeklagten betrage seine monatliche Miete EUR 480,-- monatlich, für Lebensmittel (inkl Versorgung der Kinder) würde er etwa EUR 500,-- brauchen. Für „Persönliche Betreuung/soziale Aktvitäten“ habe der Angeklagte monatliche Ausgaben in Höhe von EUR 400,--. Konkrete Angaben zu einem etwaigen Vermögen sind aus dem Antrag des Angeklagten nicht ersichtlich. Als offene Beträge führt der Angeklagte an (ON 17.4), er habe ausstehende Beträge in Höhe von ca EUR 4.000,--. Gemeinsam mit C* hat A* zwei minderjährige Kinder.

Daraus folgt:

Gemäß § 61 Abs 1 StPO muss der Angeklagte durch einen Verteidiger vertreten sein (notwendige Vertretung), und zwar

1. im gesamten Verfahren, wenn und solange er in Untersuchungshaft oder gemäß § 173 Abs 4 in Strafhaft angehalten wird,

2. im gesamten Verfahren zur Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 StGB (§ 429 Abs 2, 430 Abs 3, 436, 439 Abs 1 StPO),

3. in der Hauptverhandlung zur Unterbringung in einer der in den §§ 22 und 23 StGB genannten Anstalten (§ 439 Abs 1 StPO),

4. in der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht als Geschworenen- oder Schöffengericht,

5. in der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht als Einzelrichter, wenn für die Straftat, außer in den Fällen der §§ 129 Abs 2 Z 1 und 164 Abs 4 StGB, eine drei Jahre übersteigende Freiheitsstrafe angedroht ist,

5a. in der kontradiktorischen Vernehmung (§ 165), soweit in der Hauptverhandlung nach den Z 3 bis 5 notwendige Verteidigung bestünde,

6. im Rechtsmittelverfahren aufgrund einer Anmeldung einer Nichtigkeitsbeschwerde oder einer Berufung gegen ein Urteil des Schöffen- oder des Geschworenengerichts,

7. bei der Ausführung eines Antrags auf Erneuerung des Strafverfahrens und beim Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über einen solchen (§§ 363a Abs 2 und 363c StPO).

Ist der Angeklagte außerstande, ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhalts die gesamten Kosten der Verteidigung zu tragen, so hat das Gericht auf Antrag des Angeklagten zu beschließen, ihm einen Verteidiger beizugeben, dessen Kosten er nicht oder nur zum Teil (§ 393 Abs 1a StPO) zu tragen hat, wenn und soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse der zweckentsprechenden Verteidigung, erforderlich ist (Verfahrenshilfeverteidiger). Dabei ist ihm gemäß § 61 Abs 2 neben den Fällen des Abs 1 ein Verteidiger jedenfalls beizugeben, wenn der Beschuldigte schutzbedürftig ist, an einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung seiner Entscheidungsfähigkeit leidet und er deshalb nicht in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen, für das Rechtsmittelverfahren aufgrund einer Anmeldung einer Berufung oder bei schwieriger Sach- oder Rechtslage.

Im vorliegenden Verfahren besteht keine notwendige Verteidigung (§ 61 Abs 1 StPO). Auch die in Abs 2 leg cit weiters aufgezählten Gründe liegen nicht vor, vor allem ist es mit Blick auf die Umstände des konkreten Sachverhalts nicht erforderlich, dem Angeklagten im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckmäßigen Verteidigung einen Verteidiger beizugeben. In concreto erscheint weder die Sach- noch die Rechtslage als schwierig im Sinne dieser Bestimmung, weil keine komplexen Beweisfragen zu erkennen sind und die Sach- und Rechtslage daher auch von rechtsunkundigen Personen bewältigt werden kann, sodass der Antrag des Angeklagten abzuweisen ist.

Daneben liegen der Vollständigkeit halber auch die auf wirtschaftlicher Seite vom Gesetz geforderten Voraussetzungen beim Angeklagten nicht vor, der mit Blick auf sein monatliches Einkommen und die ihn treffenden finanziellen Verpflichtungen ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhalts die gesamten Kosten eines gewählten Verteidigers zu tragen im Stande ist.

Dagegen richtet sich die durch „Anmeldung“ noch in der Hauptverhandlung rechtzeitig erhobene Beschwerde des Angeklagten, die er mit E Mails vom 7.5.2025 (ON 25 und 26) sowie 14.5.2025 (ON 32) schriftlich näher ausführte.

Die Oberstaatsanwaltschaft enthielt sich einer Stellungnahme zum Rechtsmittel des Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist trotz der prozessualen Unbeachtlichkeit der per E Mail eingebrachten Beschwerdeausführungen (RIS Justiz RS0127859 [insb T3]) zulässig, weil der Angeklagte diese unmittelbar nach Verkündung in der Hauptverhandlung durch „Anmeldung“ zu Protokoll erhob und im Beschwerdeverfahren keine Pflicht zur Begründung des Rechtsmittels besteht (RIS-Justiz RS0117216, RS0118014; Kirchbacher, StPO 15 § 88 Rz 1). Dem Rechtsmittel kommt aber keine Berechtigung zu.

Die Anklagevorwürfe, der bisherige Verfahrensgang und die gesetzlichen Bestimmungen für die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers sind im angefochtenen Beschluss zutreffend wiedergegeben, weshalb zur Vermeidung von Wiederholungen darauf identifizierend verwiesen wird.

Die wirtschaftliche Bedürftigkeit iSd § 61 Abs 2 StPO ist zwar notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers.

Zutreffend ging das Erstgericht davon aus, dass die Beigebung eines Verteidigers fallaktuell nicht im Interesse der Rechtspflege, insbesondere auch nicht im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung erforderlich ist, weil zunächst kein im § 61 Abs 2 Z 1 bis 4 StPO angeführter Fall vorliegt. Mit Blick auf die dem Strafantrag zugrundeliegenden (angeklagten) Sachverhalte liegt trotz der Tatmehrheit aufgrund der vorliegenden Ermittlungsergebnisse, die sich im Wesentlichen auf die Angaben des Opfers (Mutter des gemeinsamen Kindes), Lichtbilder, ärztliche Unterlagen und die leugnende Verantwortung des Angeklagten beschränken, insbesondere kein Fall von schwieriger Sach- oder Rechtslage iSd § 61 Abs 2 Z 4 StPO vor. Zudem sind auch andere Gründe (zum nicht abschließenden Katalog der Z 1 bis 4 des § 61 Abs 2 StPO, in denen die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers ex lege jedenfalls erforderlich ist – vgl Soyer/Schumann , WK StPO § 61 Rz 55), welche die Beigebung eines Verteidigers im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung erforderlich machen würden, dem Akteninhalt nicht zu entnehmen. Allfälligen Schwierigkeiten des Angeklagten mit der Gerichtssprache Deutsch kann durch Beziehung eines/einer Dolmetschers/Dolmetscherin ausreichend Rechnung getragen werden ( Soyer/Schumann aaO Rz 61; RIS-Justiz RS0124386).

Der bislang gerichtlich unbescholtene Angeklagte ist daher unter Berücksichtigung der für den Einzelrichter geltenden Manuduktionspflicht (§ 6 Abs 2 erster Satz StPO) auch nach Ansicht des Oberlandesgerichts durchaus in der Lage, sich selbst zu verteidigen.

Weil der Antrag schon aus diesem Grunde zu Recht abgewiesen wurde, war der Beschwerde ein Erfolg zu versagen und erübrigt sich demnach ein Eingehen auf die Frage der wirtschaftlichen Bedürftigkeit des Angeklagten iSd § 61 Abs 2 StPO.

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