JudikaturOLG Innsbruck

3R83/24s – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
Gesellschaftsrecht
04. September 2024

Kopf

Beschluss

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Kohlegger als Vorsitzenden sowie die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Pirchmoser und den Richter des Oberlandesgerichts MMag. Dr. Dobler als weitere Mitglieder des Senats in der Firmenbuchsache der zu FN A* in das Firmenbuch eingetragenen B*- C* D*-GmbH in Liquidation mit dem Sitz in E* über den Rekurs des Gesellschafters Ing. F* G*, geb H*, Baumeister, **, **, vertreten durch Mag. Max Fankhauser, Rechtsanwalt in Ramsau im Zillertal, gegen den Beschluss des Landes- als Handelsgerichts Innsbruck vom 3.7.2024, 50 Fr 2383/24s-6, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs, dessen Kosten der Rekurswerber selbst zu tragen hat, wird keine Folge gegeben.

Der (ordentliche) Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung:

Im Firmenbuch des Erstgerichts ist zu FN A* die B*- C* D*-GmbH in Liquidation (im Folgenden die Gesellschaft) mit der Geschäftsanschrift **straße **, I* E*, und dem Geschäftszweig „J* C* K*, L*, Vermietung und Verpachtung von Immobilien, Beteiligung an anderen Unternehmen und Gesellschaften“ eingetragen. Die Gesellschaft ist infolge Kündigung vom 31.12.2021 aufgelöst und befindet sich im Stadium der Liquidation. Das zur Gänze einbezahlte Stammkapital beträgt EUR 35.000,--. Gesellschafter sind M*, geb **, mit einer Stammeinlage von EUR 19.250,-- (55 %) und Ing. F* G*, geb H*, mit einer Stammeinlage von EUR 15.750,-- (45 %).

Nach der zwischen den Gesellschaftern im Verfahren 56 Fr 5817/23a des Landesgerichts Innsbruck erzielten Einigung wurden die beiden oben genannten Gesellschafter mit (einstimmigem) Generalversammlungsbeschluss vom 28.2.2024 als Liquidatoren abberufen und Mag. N* O*, geb **, zum (einzigen) alleinvertretungsbefugten Liquidator bestellt und als solcher am 7.3.2024 im Firmenbuch eingetragen. Mit Schreiben vom 14.6.2024 erklärte der Liquidator Mag. O* seinen Rücktritt mit Wirkung zum 2.7.2024. Diesen Rücktritt haben die Gesellschafter zur Kenntnis genommen.

Im Verfahren 10 Cg 55/24i des Landesgerichts Innsbruck macht die Eigentümergemeinschaft **gasse **, **, Gewährleistungsansprüche gegen die Gesellschaft geltend; der Streitwert beläuft sich auf EUR 257.280,--.

Zu 42 Cg 63/24a des Landesgerichts Innsbruck macht die Eigentümergemeinschaft **straße **, I* E*, ebenfalls Gewährleistungsansprüche gegen die Gesellschaft geltend; der Streitwert beträgt EUR 245.652,--.

Der Antragsteller Ing. G* lehnte den vom Mehrheitsgesellschafter M* nach Rücktritt des Liquidators gemachten Vorschlag, die Liquidation gemeinsam abzuwickeln mit der Begründung ab, dies würde zu weiteren Auseinandersetzungen und zu Verzögerungen der Liquidation führen. Er bevorzuge die Bestellung eines außenstehenden Liquidators, selbst wenn dies mit höheren Kosten verbunden wäre.

Mit dem am 17.6.2024 beim Firmenbuchgericht eingelangten Antrag begehrt der Minderheitsgesellschafter Ing. G* die Bestellung einer „geeigneten natürlichen oder juristischen Person zum alleinvertretungsbefugten Liquidator“ für die Gesellschaft. Aufgrund des Rücktritts des bisherigen Liquidators sei die Gesellschaft nicht mehr vertreten. Da die Liquidation noch nicht abgeschlossen und im Hinblick auf die Divergenzen zwischen den Gesellschaftern eine Einigung auf die Person eines Liquidators nicht möglich sei, möge das Gericht von Amts wegen und mit Wirksamkeit ab 3.7.2024 einen solchen bestellen.

Mit Beschluss vom 20.6.2024 forderte das Erstgericht im Hinblick auf diesen Antrag beide Gesellschafter auf, binnen 7 Tagen eine geeignete Person als Liquidator vorzuschlagen.

Der Antragsteller teilte dem Erstgericht daraufhin mit, er könne keine für die Bestellung zum Liquidator geeignete Person benennen. Die Bestellung der Gesellschafter sei im Hinblick auf die zwischen ihnen bestehenden Differenzen sowie aufgrund gegenläufiger Interessen in Bezug auf die Liquidation und Verwertung des Gesellschaftsvermögens untunlich und würde nur zu weiteren gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen ihnen führen. Die genannten Umstände stünden der gedeihlichen Abwicklung der Gesellschaft und allfälligen Gläubigerinteressen entgegen, weshalb wichtige Gründe für die gerichtliche Bestellung eines unabhängigen Liquidators iSd § 89 Abs 2 GmbHG vorlägen. Die Bestellung eines auf die Abwicklung größerer Insolvenzmassen spezialisierten Rechtsanwalts wäre zweckmäßig.

Der Mehrheitsgesellschafter M* äußerte sich ebenfalls. Er sei als vormaliger Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter am besten für die Funktion des Liquidators geeignet und daher als solcher zu bestellen. Die Bestellung eines außenstehenden Liquidators sei weder zielführend noch lägen die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 89 Abs 2 GmbHG hiefür vor. Er habe der Bestellung des Mag. O* zum Liquidator nur zugestimmt, weil es sich dabei um den langjährigen Steuerberater der Gesellschaft gehandelt habe. Dieser habe sein Amt aufgrund des Verhaltens und der Vorhalte des Antragstellers und wohl auch der zwischenzeitig gegen die Gesellschaft eingebrachten Gewährleistungsklagen zurückgelegt. Einem außenstehenden Dritten sei die Bestellung zum Liquidator schon im Hinblick auf die Gewährleistungsstreitigkeiten nicht zumutbar.

Sofern das Gericht die Voraussetzungen für eine gerichtliche Liquidatorenbestellung bejahe, wolle er selbst bestellt werden. Im Übrigen werde er von seinem Recht Gebrauch machen, sich im Rahmen der bereits für den 15.7.2024 terminisierten Generalversammlung zum Liquidator zu bestellen.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag des Gesellschafters Ing. G* auf Bestellung eines Liquidators ausgehend von der dargestellten Sachlage ab. Rechtlich führte es aus, eine Liquidatorenbestellung gemäß § 89 Abs 2 S 2 GmbHG setze voraus, dass solche im Amt seien. Fehlten diese wie hier seit dem wirksamen Rücktritt des bisherigen alleinigen Liquidators, gelange die zitierte Bestimmung nicht zur Anwendung, sondern handle es sich um einen Fall für die Bestellung eines Notliquidators. Die Bestellung eines solchen komme aber nur in Frage, wenn die Gesellschaft den Vertretungsnotstand nicht selbst beseitigen könne. Da dies, wie sich aus der Äußerung des Mehrheitsgesellschafters ergebe, im vorliegenden Fall ohne Weiteres möglich sei, weil eine beschlussfähige Generalversammlung existiere und damit ein entsprechender Bestellungsbeschluss gefasste werden könne, scheide auch die Bestellung eines Notliquidators aus.

Dagegen richtet sich der rechtzeitige Rekurs des Antragstellers Ing. G*. Aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung begehrt er die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinn der von ihm beantragten gerichtlichen Bestellung eines außenstehenden Liquidators für die Gesellschaft; in eventu wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Der Rekurswerber steht auf dem Standpunkt, entgegen der Ansicht des Erstgerichts sei für die Bestellung eines Liquidators gemäß § 89 Abs 2 GmbHG keineswegs Voraussetzung, dass ein solcher im Amt sei; vielmehr könne dieser nach der Intention des Gesetzes auch dann bestellt werden, wenn wie hier ein Liquidator gänzlich fehle. Wichtige Gründe für die Bestellung eines Liquidators nach der genannten Bestimmung seien etwa unüberbrückbare Differenzen unter den Liquidatoren, Interessenkollisionen zwischen dem Liquidator und der Gesellschaft oder generell Gründe, die eine ordnungsgemäße Abwicklung unmöglich machten. Da das Erstgericht zum diesbezüglichen Vorbringen des Antragstellers keine Feststellungen getroffen habe, lägen auch sekundäre Feststellungsmängel vor.

Dem Rekurs kommt aus nachstehenden Gründen keine Berechtigung zu:

Rechtliche Beurteilung

1. Das Erstgericht begründete die Antragsabweisung gestützt auf den Gesetzeswortlaut und die Lehrmeinung Gelters (in Gruber/Harrer GmbHG² § 89 Rz 18) primär damit, bei gänzlichem Fehlen eines Liquidators wie im vorliegenden Fall gelange § 89 Abs 2 S 2 GmbHG nicht zur Anwendung; vielmehr handle es sich um einen Fall für die Bestellung eines Notliquidators. Der Rekurswerber wiederum beruft sich auf die gegenteilige Ansicht von Koppensteiner/Rüffler (GmbHG³ § 89 Rz 12), wonach auch im Fall des Fehlens von Liquidatoren nach § 89 Abs 2 GmbHG vorzugehen sei.

2. Richtig ist, dass in Bezug auf die Frage, ob im Fall des gänzlichen Fehlens von Liquidatoren nur eine auf § 15a GmbHG gegründete Bestellung eines Notliquidators oder auch ein Vorgehen nach § 89 Abs 2 GmbHG in Betracht kommt, in der Lehre unterschiedliche Ansichten vertreten werden. Haberer/Zehetner (in Straube/Ratka/Rauter WK GmbHG § 89 [Stand 1.3.2024, rdb.at] Rz 22) etwa vertreten unter Berufung auf Koppensteiner/Rüffler (aaO) die Ansicht, ein wichtiger Grund für eine Liquidatorenbestellung gemäß § 89 Abs 2 GmbHG liege auch dann vor, wenn die Gesellschaft über keinen Liquidator verfüge. Nach Foglar-Deinhardstein/Trettnak (in Foglar-Deinhardstein/Aburumieh/Hoffenscher-Summer GmbHG² § 89 Rz 23f) wiederum ist im Fall des Fehlens von Liquidatoren nicht nach § 89 GmbHG vorzugehen, sondern ein Antrag auf Bestellung eines Notliquidators gemäß § 15a GmbHG zu stellen. Soweit für das Rechtsmittelgericht überblickbar, wurde die Frage von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht näher beleuchtet. Mit dem OLG Wien ist davon auszugehen, dass das Fehlen eines Liquidators allein noch nicht genügt, weil durch diesen Zustand zunächst nur die Pflicht der Gesellschafter ausgelöst wird, auf einen Beschluss über die Liquidatorenbestellung hinzuwirken (vgl ErwGr 6.3.)

3.1. § 89 GmbHG regelt die Einsetzung von Liquidatoren anstelle von Geschäftsführern im Falle der Auflösung der Gesellschaft. Gemäß Abs 2 leg cit treten als Liquidatoren die Geschäftsführer ein, wenn nicht durch den Gesellschaftsvertrag oder einen Beschluss der Gesellschafter eine oder mehrere andere Personen dazu bestellt werden. Neben diesen oder an deren Stelle kann das Gericht nach Abs 2 Satz 2 leg cit auf Antrag des Aufsichtsrats oder von Gesellschaftern, deren Stammeinlagen den zehnten Teil des Stammkapitals oder den Nennbetrag von EUR 700.000,-- oder eine im Gesellschaftsvertrag festgelegte geringere Höhe erreichen, aus wichtigen Gründen auch andere Liquidatoren ernennen.

3.2. Dass der Antragsteller aufgrund der Höhe seiner Stammeinlage antragslegitimiert im Sinn dieser Bestimmung ist, steht außer Zweifel.

4.1. Allgemein anerkannt ist, dass über die Verweisung des § 92 Abs 1 GmbHG im Fall des Fehlens eines Liquidators auch im Liquidationsstadium § 15a GmbHG zur Anwendung gelangt (RIS-Justiz RS0118770; 6 Ob 26/19w; Wasserer in U. Torggler GmbHG § 89 Rz 7, Koppensteiner/Rüffler aaO Rz 19; Gelter aaO Rz 17). Nach Abs 1 leg cit hat das Gericht, soweit die zur Vertretung der Gesellschaft erforderlichen Geschäftsführer – hier Liquidatoren – fehlen, diese in dringenden Fällen auf Antrag eines Beteiligten für die Zeit bis zur Behebung des Mangels zu bestellen.

4.2. Dass dem Antragsteller als Minderheitsgesellschafter auch eine Antragslegitimation nach § 15a GmbHG zukommt, ist ebensowenig zweifelhaft wie die Antragslegitimation nach § 89 Abs 2 GmbHG, kommt diese doch sogar Gläubigern der Gesellschaft oder auch solchen Gesellschaftern zu, deren Stammeinlage die Grenze des § 89 Abs 2 Satz 2 GmbHG nicht erreicht (RIS-Justiz RS0113945; RS0060013).

5.1. Zweck des § 15a GmbHG ist es, die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft – hier im Liquidationsstadium – auch dann zu gewährleisten, wenn keine Organe zu deren Vertretung vorhanden sind; ist die Gesellschaft hingegen rechtlich uneingeschränkt handlungsfähig, so besteht für die Bestellung eines Notgeschäftsführers/-liquidators kein Raum (6 Ob 26/19w; 6 Ob 10/06y). Dem im Gesetz genannten Fall des Fehlens der Geschäftsführer/Liquidatoren sind die Fälle gleichzuhalten, in denen das zur Vertretung der Gesellschaft berufene Organ zwar ausreichend besetzt ist, die Vertretung jedoch infolge Weigerung einzelner oder aller Geschäftsführer/Liquidatoren, ihr Amt zu erfüllen, lahmgelegt ist (RIS Justiz RS0060010) oder das Organ aus rechtlichen oder faktischen Gründen daran gehindert ist, sein Amt auszuüben ( Arnold/Pampel in Gruber/Harrer , GmbHG² § 15a Rz 12), also etwa bei länger andauernder Krankheit oder dauernder Abwesenheit (6 Ob 26/19w; Arnold/Pampel aaO Rz 16).

5.2. Die Bestellung eines Notgeschäftsführers-/liquidators nach § 15a GmbHG durch das Firmenbuchgericht stellt einen einschneidenden Eingriff in die Willensbildung der Gesellschaft dar. Die Voraussetzungen für die Bestellung sind daher streng auszulegen. Die Bestellung eines Notgeschäftsführers-/liquidators ist gegenüber der gesellschaftsautonomen Vorsorge für die Vertretung subsidiär (6 Ob 53/06x mwN). Die Voraussetzungen sind nur dann gegeben, wenn glaubhaft gemacht wird, dass ohne unverzügliche Abhilfe erhebliche Nachteile für die Gesellschaft, ihre Gesellschafter oder für Dritte drohen. Bereits nach dem Gesetzeswortlaut ist unabdingbare Voraussetzung für die Bestellung eines Notgeschäftsführers die Dringlichkeit .

Diese ist nach der Rechtsprechung dann nicht anzunehmen, wenn die Gesellschaftsorgane in der Lage sind, den Vertretungsmangel in angemessener Frist – vor allem gesellschaftsintern durch die Bestellung eines Geschäftsführers/Liquidators – zu beseitigen (6 Ob 26/19w; RIS-Justiz RS0059953) und damit zu rechnen ist, dass dies auch geschehen wird ( Koppensteiner/Rüffler aaO 15a Rz 5; N. Arnold/Pampel aaO Rz 24); dies gilt insbesondere für den Fall der Antragstellung durch einen Gesellschafter ( Zib in U. Torggler GmbHG § 15a Rz 18). Da die Notgeschäftsführerbestellung ultima ratio ist, muss jeder, der dazu in der Lage ist, zunächst die Lösung des Problems versuchen, dh sich um eine entsprechende Beschlussfassung der Generalversammlung bemühen ( Koppensteiner/Rüffler aaO Rz 6).

6.1. Auch § 89 Abs 2 S 2 GmbHG verlangt für die gerichtliche Bestellung eines Liquidators das Vorliegen wichtiger Gründe. Dabei handelt es sich um eine Bestellungsvoraussetzung ( Koppensteiner/Rüffler aaO Rz 18). Da auch im Liquidationsstadium über § 92 Abs 2 GmbHG die hinsichtlich der Rechtsverhältnisse der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft im GmbHG getroffenen Anordnungen – insbesondere die in § 15 GmbHG normierte Pflicht zur Bestellung eines Geschäftsführers (RIS Justiz RS0122598) – grundsätzlich Anwendung finden, trifft die Gesellschafter auch in diesem Stadium die Verpflichtung, selbst für eine Vertretung der Gesellschaft zu sorgen. Erst wenn sie dieser Pflicht nicht nachkommen, ist vom Gericht ein (Not)Liquidator zu bestellen (3 Ob 95/10g).

6.2. Ein wichtiger Grund iSd § 89 Abs 2 S 2 GmbHG liegt dann vor, wenn ohne die Entscheidung des Gerichts die ordnungsgemäße und ungestörte Abwicklung ohne Nachteile für die Beteiligten nicht gewährleistet ist. Dies gilt etwa im Fall der Uneinigkeit unter den Liquidatoren (RIS-Justiz RS006008; Wasserer aaO Rz 4). Allein der Umstand, dass der Liquidator nicht das Vertrauen der Minderheit genießt, ist kein wichtiger Grund für die gerichtliche Abberufung bzw Bestellung eines Liquidators, sollen doch die im Gesetz vorgesehenen Minderheitsrechte nicht dadurch erweitert werden, dass ohne triftige Gründe ein Liquidator abberufen (RIS-Justiz RS0060038) oder wie hier über Ansinnen allein des Minderheitsgesellschafters ein gesellschaftsfremder Liquidator bestellt wird.

6.3. Wie unter ErwGr 2. dargelegt wird in der Literatur zum Teil die Auffassung vertreten, ein wichtiger Grund für eine Liquidatorenbestellung gemäß § 89 Abs 2 GmbHG liege auch dann vor, wenn die Gesellschaft über keinen Liquidator verfüge. Diese isolierte Betrachtung ist aber zu kurz gegriffen. Die beiden genannten Autoren beziehen für ihre Ansicht jeweils auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 24.8.1994, 6 R 73/94, NZ 1995, 114. Selbst aus dieser Entscheidung kann aber nicht abgeleitet werden, allein das (aktuelle) Fehlen eines Liquidators wäre ein ausreichender Grund für eine gerichtliche Liquidatorenbestellung gemäß § 89 Abs 2 S 2 GmbHG. Vielmehr stellte das Oberlandesgericht Wien in dieser Entscheidung klar, dass zunächst auf eine Beschlussfassung der Gesellschafter über die Bestellung eines Liquidators zu dringen und erst im Fall des Ausbleibens einer solchen nach § 89 Abs 2 S 2 GmbHG vorzugehen ist. Nichts anderes ergibt sich auch aus der Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 20.12.1993, 6 R 131/93, NZ 1994, 237. Auch dort machte das Oberlandesgericht Wien die Bestellung eines Notliquidators vom Fehlen geborener Liquidatoren iSd § 89 Abs 2 S 1 GmbHG und der mangelnden Bereitschaft der Gesellschafter zur Bestellung eines Liquidators abhängig.

7.1. Ausgehend von den dargestellten Grundsätzen sind im vorliegenden Fall weder die Voraussetzungen für die Bestellung eines Notliquidators iSd §§ 92 Abs 1, 15a GmbHG noch eines Liquidators gemäß § 89 Abs 2 GmbHG erfüllt. Im Hinblick auf die weitgehend gleich gelagerte Problemlage, die durch diese beiden Bestimmungen geregelt wird, ist für die Beurteilung der Dringlichkeit iSd § 15a GmbHG und die wichtigen Gründe iSd § 89 Abs 2 GmbHG – jedenfalls im vorliegenden Fall – der gleiche Beurteilungsmaßstab anzulegen.

7.2. Wie das Erstgericht in seiner Entscheidungsbegründung hervorgehoben hat, steht bereits die Ankündigung des Mehrheitsgesellschafters in seiner in diesem Verfahren erstatteten Äußerung, sich selbst im Rahmen der für den 15.7.2024 einberufenen Generalversammlung mittels Gesellschafterbeschlusses zum Liquidator zu bestellen, der vom Minderheitsgesellschafter angestrebten gerichtlichen Bestellung eines außenstehenden (Not)Liquidators entgegen, ist auf diese Weise doch die Herstellung der vollen Handlungsfähigkeit der Gesellschaft in absehbarer Zeit sichergestellt. Die gerichtliche Bestellung würde der in der dargestellten Rechtsprechung zum Ausdruck kommenden Intention des Gesetzes, wonach diese erst als ultima ratio nach Ausschöpfung der gesellschaftsinternen Regelungsmöglichkeiten zu erfolgen hat, zuwiderlaufen.

7.3. Auch die vom Antragsteller im Verfahren erster Instanz nur allgemein behaupteten, nicht näher dargestellten Differenzen zwischen den Gesellschaftern und allfällige, ebenfalls nicht näher spezifizierte gegenläufige Interessen der Gesellschafter in Bezug auf die Liquidation und die Verwertung des Gesellschaftsvermögens bilden keinen hinreichenden Grund für die Bestellung einer außenstehenden Person zum Liquidator, bewirken diese allein doch nach der dargestellten Rechtsprechung noch nicht die vom Gesetz und der Judikatur als Bestellungsvoraussetzung normierte Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft bzw des Liquidators. Ungeachtet des in diesem Umfang für den Antragsteller im Rekursverfahren geltenden Neuerungsverbots (§ 49 Abs 2 und 3 AußStrG) ist darauf hinzuweisen, dass er es auch im Rekurs unterlässt, seine inhaltsleeren Behauptungen näher zu konkretisieren.

7.4. Gleiches gilt für die von Gläubigern gegen die Gesellschaft eingeleiteten Gewährleistungsprozesse. Warum diese gerichtlichen Verfahren der Bestellung des Mehrheitsgesellschafters zum Liquidator entgegenstünden, vermag der Antragsteller nicht nachvollziehbar darzulegen. Auch im Fall seiner früheren Funktion als Geschäftsführer hätte sich der Mehrheitsgesellschafter – ebenso wie der vormals ebenfalls als Geschäftsführer bestellte Antragsteller – damit befassen müssen. Warum Ersterer dies als Liquidator nicht leisten können sollte, ist nicht erkennbar.

7.5. Damit liegen bereits ausgehend von der der erstinstanzlichen Beschlussfassung zugrundeliegenden Sachlage die Voraussetzungen für die vom Antragsteller intendierte gerichtliche Liquidatorenbestellung nicht vor. Das Erstgericht hat den Antrag daher zu Recht abgewiesen.

8. Hinzu kommt, dass sich aus vom Erst- dem Rechtsmittelgericht nach Vorlage des Rekurses übermittelten Urkunden ergibt, dass die angekündigte Bestellung des Mehrheitsgesellschafters zum Liquidator zwischenzeitig tatsächlich stattgefunden hat. Nach dem Inhalt des gemeinsam mit dem zu 50 Fr 3305/24x beim Firmenbuchgericht eingebrachten Antrag des Mehrheitsgesellschafters vom 31.7.2024 auf Löschung des zurückgetretenen und Eintragung eines neuen Liquidators vorgelegten Protokolls der Generalversammlung vom 15.7.2024 wurde der Mehrheitsgesellschafter mittels Generalversammlungsbeschlusses an diesem Tag mit sofortiger Wirkung zum selbständig vertretungsbefugten Liquidator der Gesellschaft bestellt. Da auch der Vertreter des Mehrheitsgesellschafters und damit 100 % des Stammkapitals bei dieser Generalversammlung anwesend war, war die Beschlussfähigkeit gegeben. Der Vertreter des Minderheitsgesellschafters sprach sich in der Versammlung gegen die Beschlussfassung aus und erhob Widerspruch. Mit Eingabe vom 8.8.2024 verständigte er das Firmenbuchgericht über die Einbringung einer Anfechtungsklage beim Landesgericht Innsbruck und beantragte die Unterbrechung des Eintragungsverfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung hierüber.

Auch diese Vorgänge vermögen an der dargelegten rechtlichen Beurteilung nichts zu ändern. Vielmehr ergibt sich daraus, dass die Beseitigung des Vertretungsnotstands vom Mehrheitsgesellschafter nicht nur angekündigt, sondern auch tatsächlich verwirklicht wurde. Allein die gerichtliche Anfechtung der Beschlussfassung durch den Minderheitsgesellschafter bewirkt noch nicht die Unwirksamkeit der Beschlussfassung. Damit sind auch ausgehend von diesen aktenkundigen Vorgängen die Voraussetzungen für die gerichtliche Bestellung eines außenstehenden (Not)Liquidators nicht erfüllt.

9. Dem Rekurs kommt daher keine Berechtigung zu.

10. Der Rekurswerber hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen. Im Hinblick auf die Stellungnahme des Mehrheitsgesellschafters und seine zwischenzeitig erfolgte aktenkundige Liquidatorenbestellung war dessen Einbeziehung in das vorliegende Rekursverfahren entbehrlich.

11. Wie die Zitate belegen konnte sich das Rekursgericht in allen maßgeblichen Rechtsfragen auf eine einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs stützen. Die Frage der Bestellung eines (Not)Liquidators hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (6 Ob 201/20g; 6 Ob 26/19w; 6 Ob 39/14z). Eine erhebliche Rechtsfrage in der von den §§ 15 FBG, 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität war daher in diesem Rekursverfahren nicht zu lösen, weshalb die ordentliche Revision nicht zuzulassen und hierüber gemäß §§ 15 FBG, 59 Abs 1 Z 2 AußStrG ein Ausspruch in den Tenor der Rekursentscheidung aufzunehmen war.

12. Da nicht über einen rein vermögensrechtlichen Anspruch zu entscheiden war, bedurfte es keiner Bewertung des Entscheidungsgegenstands (§ 59 Abs 2 AußStrG).

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