JudikaturOLG Innsbruck

23Rs23/24i – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
Arbeitsrecht
26. Juni 2024

Kopf

Im Namen der Republik

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Kohlegger als Vorsitzenden und die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Pirchmoser sowie den Richter des Oberlandesgerichts MMag. Dr. Dobler und die fachkundigen Laienrichter:innen AD in RR in Irene Rapp (aus dem Kreis der Arbeitgeber:innen) und AD RR Jürgen Fiedler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer:innen) als weitere Mitglieder des Senats in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , geb am B*, ohne Beschäftigungsangabe, **, **straße **, vertreten durch ****, und **** als Einvernehmensrechtsanwältin ****, gegen die beklagte Partei C* , D* E*, ** E*, **-Platz **, vertreten durch ihren Mitarbeiter Mag. F*, wegen Versehrtenrente, über die Berufung der klagenden Partei (ON 27) gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 4.3.2024, 33 Cgs 80/23a 23, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird k e i n e Folge gegeben. Die bekämpfte Entscheidung wird mit der berichtigenden Maßgabe bestätigt , dass deren Spruchpunkt 3. lautet:

„3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei vom 4.10.2022 bis 30.4.2023 eine vorläufige Versehrtenrente im Ausmaß von 20 % in Form einer Gesamtvergütung von EUR 2.338,65 (auf einer Bemessungsgrundlage von EUR 29.982,67) zu gewähren.“

Ein Kostenersatz findet im Berufungsverfahren nicht statt.

Die (ordentliche) Revision ist n i c h t zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am B* geborene Kläger stürzte am 14.7.2022 beim Aufbau eines Zelts aus einer Höhe von 5 m und zog sich dabei einen Bruch des Ellenschafts links zu. Mit Bescheid vom 22.9.2022 wurde der Unfall des Klägers als Arbeitsunfall anerkannt und als Verletzung der Bruch des Ellenschafts links festgestellt. In diesem Bescheid findet sich der weitere Ausspruch, dass allfällige weitere Gesundheitsstörungen der Feststellung mit dem späteren Leistungsbescheid vorbehalten werden.

Mit dem angefochtenen Leistungsbescheid vom 6.2.2023 gewährte die Beklagte dem Kläger für die aufgrund des Arbeitsunfalls vom 14.7.2022 bestehende Erwerbsminderung eine 20 %ige vorläufige Versehrtenrente in Form einer Gesamtvergütung von EUR 2.338,65 ausgehend von einer 20 %igen Minderung der Erwerbsfähigkeit vom 4.10.2022 bis 30.4.2023.

Von diesem Sachverhalt muss das Berufungsgericht gemäß den §§ 2 Abs 1 ASGG, 498 Abs 1 ZPO ausgehen.

Mit der (rechtzeitigen) Bescheidklage begehrt der Kläger , ihm auch über den 1.5.2023 hinaus eine Versehrtenrente in der gesetzlichen Höhe zu gewähren, weil er noch weiter an unfallbedingten Schmerzen leide.

Die Beklagte bestreitet, beantragt Klagsabweisung und wendet zusammengefasst ein, gemäß ihrem Anstaltsgutachten erreiche die ab 1.5.2023 verbleibende Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht das rentenbegründende Ausmaß von 20 %.

Mit dem bekämpften Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, dem Kläger auch über den 1.5.2023 eine Versehrtenrente in der gesetzlichen Höhe zu gewähren, ab (Spruchpunkt 1.). Darüber hinaus wiederholte es den angefochtenen Bescheid im Punkt der Feststellung, dass der Kläger anlässlich des Arbeitsunfalls vom 14.7.2022 einen Bruch des Ellenschafts links (Parier-Fraktur) erlitten hat (Spruchpunkt 2.) und die Beklagte schuldig ist, dem Kläger vom 4.10.2022 bis 30.4.2023 eine vorläufige Versehrtenrente im Ausmaß von 20 % zu gewähren (Spruchpunkt 3.).

Dazu traf das Erstgericht folgende für das Verständnis der Berufungsentscheidung maßgebende Feststellung:

„Der Kläger befand sich vom 14.7. bis einschließlich 3.10.2022 im Krankenstand. Anschließend war der Kläger bis zum 30.4.2023 im Ausmaß von 20 % in seiner Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gemindert. Ab 1.5.2023 beträgt die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch 5 %.“

In rechtlicher Beurteilung schloss sich das Erstgericht davon ausgehend dem Standpunkt der Beklagten an, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers im vom Klagebegehren betroffenen Zeitraum ab 1.5.2023 5 % betrage und den 20 %igen Mindestwert gemäß § 203 Abs 1 ASVG nicht erreiche. Das Klagebegehren müsse abgewiesen werden.

Gegen diese Entscheidung wendet sich nunmehr die (rechtzeitige) Berufung des Klägers aus den Rechtsmittelgründen der (implizit) Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinn einer vollständigen Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt (ON 27 S 5 f).

In ihrer (fristgerechten) Berufungsbeantwortung beantragt die Beklagte , dem gegnerischen Rechtsmittel den Erfolg zu versagen (ON 29 S 3 f).

Nach Art und Inhalt der geltend gemachten Anfechtungsgründe war die Anberaumung einer öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung entbehrlich. Über das Rechtsmittel war daher in nichtöffentlicher Sitzung zu befinden (§§ 2 Abs 1 ASGG, 480 Abs 1 ZPO). Dabei erwies es sich aus nachstehenden Erwägungen als unbegründet :

Rechtliche Beurteilung

A. Zur (impliziten) Mängelrüge:

1.: Die unzureichende oder unrichtige Benennung der Rechtsmittelgründe steht gemäß den §§ 2 Abs 1 ASGG, 84 Abs 2 letzter Satz ZPO (entgegen § 474 Abs 2 ZPO) einer meritorischen Erledigung des Rechtsmittels dann nicht im Weg, wenn das Begehren deutlich erkennbar wird. Es reicht aus, wenn die Gründe sich insgesamt aus den Rechtsmittelvorbringen ergeben (6 Ob 177/15w ErwGr 2. mzwH). Daher schadet es grundsätzlich auch nicht, wenn die Rechtsmittelgründe – wie hier die Beweis- und die Mängelrüge des Klägers – nicht getrennt ausgeführt sind, soweit sich die Zugehörigkeit der Ausführungen zu dem einen oder anderen Rechtsmittelgrund hinreichend klar erkennen lässt (6 Ob 177/15w ErwGr 2.; RIS Justiz RS0041911; OLG Innsbruck zB 3 R 93/21g ErwGr B. c.). Lässt sich die Zuordnung allerdings aus den Rechtsmittelausführungen nicht eindeutig (genug) ableiten, gehen Unklarheiten zu Lasten des Rechtsmittelwerbers (6 Ob 177/15w ErwGr 2.; RIS Justiz RS0041761; vgl RS0041768; RS0041911).

2.: Daher schadet es der Berufung des Klägers grundsätzlich nicht, wenn er in der Beweisrüge kritisiert,

weil sich diese Beschwerdepunkte eindeutig aus dem Rechtsmittel ergeben und damit ebenso eindeutig dem Rechtsmittelgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens unterstellt werden können. Allerdings erweisen sich diese Kritikpunkte bei näherer Betrachtung als unbegründet:

2.1.: Vorauszuschicken ist, dass die Aussage einer Partei zur Klärung von Fragen, die einer besonderen Sachkunde eines Sachverständigen bedürfen und daher der Beurteilung von Sachverständigen vorbehalten sind (17 Ob 21/10b), wie etwa die Fragen des Gesundheitszustands des Klägers oder hier der Verursachung seiner beschriebenen Leiden durch den Unfall vom 14.7.2022, grundsätzlich ungeeignet (OLG Graz 4.5.2021, 6 Rs 4/21m; OLG Wien 16.7.2008, 7 Rs 96/08d, ARD 5968/8/2009; OLG Linz 24.7.2014, 11 Rs 70/14i; 3.12.1991, 12 Rs 113/91, SVSlg 41.534; OLG Innsbruck 30.5.2023, 23 Rs 10/23a ErwGr B. 3.3. in anderem Zusammenhang veröffentlicht zB in RIS Justiz RI0100161; OLG Innsbruck 11.7.2007, 23 Rs 39/07, SVSlg 54.790). Zu solchen fachspezifischen medizinischen Fragen kann nämlich ein medizinischer Laie wie etwa der betroffene Versicherte nichts beitragen, weil er nur seine subjektive Befindlichkeit darlegen kann (ebenso zB OLG Linz 25.9.2023, 11 Rs 58/23p; OLG Wien 16.7.2008, 7 Rs 96/08d, ARD 5968/8/2009). Schon deshalb bedurfte es keiner Vernehmung des Klägers als Partei, weil die hier interessierende medizinische Fachfrage, ob der Kläger in medizinischer Hinsicht aufgrund des Unfalls vom 14.7.2022 und des dabei erlittenen Bruchs des Ellenschafts links auch über den 30.4.2023 hinaus unter einer höheren als 5 %igen medizinischen MdE leidet, nicht durch förmliche Parteienvernehmung geklärt werden könnte. Es kommt im vorliegenden Verfahren betreffend eine Versehrtenrente eben nicht allein auf das Vorliegen (die „Existenz“) der vom Kläger beschriebenen Leiden, sondern auf deren Zusammenhang mit dem Ellenschaftbruch (die „Kausalität“) an (OLG Graz 22.3.2018, 6 Rs 19/18p; OLG Innsbruck 27.2.2024, 23 Rs 4/24w ErwGr A. 1.1. in anderem Zusammenhang veröffentlicht ua in RIS Justiz RI0100212 und RI0100177). Schon deshalb bedurfte es nicht der förmlichen Vernehmung des Klägers zu den in der Berufung angesprochenen medizinischen Fachfragen.

2.2.: Anders als dies die Berufung schildert, wurde der Kläger in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 16.2.2024 im Beisein der Dolmetscherin für die rumänische Sprache G* über den Inhalt des bereits erwähnten Sachverständigengutachtens ON 7 in Kenntnis gesetzt, dieses Gutachten inhaltlich erklärt und mit ihm erörtert (ON 16 S 1 f). Der Vorwurf, der Kläger wäre zu dem Inhalt des Gutachtens, der dort dargestellten Vorgeschichte und Behandlung der Verletzung vom 14.7.2022 (ON 7 S 2 f), seine subjektiven Angaben dazu (ON 7 S 5) sowie den gutachterlichen Schlussfolgerungen daraus (ON 7 S 8 f) nicht im Rahmen einer Erörterung befragt worden, der in der Berufung aufgestellt wird, ist daher nicht aktenkonform. Der behauptete Verfahrensmangel der mangelnden Einvernahme des Klägers und der fehlenden Beiziehung einer in seiner Muttersprache rumänisch kundigen Dolmetscherin trifft daher ohnehin sachlich nicht zu .

2.3.: Unberechtigt ist schließlich der in der Berufung anklingende Vorwurf, der Kläger hätte keine ausreichende Gelegenheit dazu gehabt, seine Sicht der Ereignisse und seine Beschwerden in umfassender Weise darzulegen:

2.3.1.: Das Unterbleiben der förmlichen Parteienvernehmung zu medizinischen Fachfragen stellt keinen Verfahrensmangel dar, sofern der Partei Gelegenheit dazu geboten wurde, die maßgeblichen Umstände ihres Leidens im weitesten Sinne auf andere Weise in aller Regel im Zug der sog Anamnese mit dem Sachverständigen in das Verfahren einzubringen (OLG Graz 22.3.2018, 6 Rs 19/18p; OLG Linz 24.7.2014, 11 Rs 70/14i; 20.10.2009, 12 Rs 154/09, SVSlg 59.683; OLG Innsbruck 27.7.2023, 23 Rs 15/23m ErwGr 7., RIS Justiz RI0100177; 5.6.2019, 23 Rs 20/19s ErwGr A. 2.7.; Neumayr in ZellKomm³ II [2018] § 75 ASGG Rz 8 und Rz 11 je mwH).

2.3.2.: Auch das (Sozial)Gericht ist mangels eigener Fachkunde nicht dazu in der Lage, zielgerichtete Fragen zum Gesundheitszustand oder zum Zusammenhang der beschriebenen Leiden mit einem behaupteten Unfall/Vorfall zu stellen. Dazu müsste es einen medizinischen Sachverständigen zur Unterstützung der Fragestellung beiziehen. Deshalb gewährleistet die – hier durchgeführte – anamnestische Befragung der Partei durch den mit der Gutachtenserstellung gerichtlich betrauten Sachverständigen in bestmöglicher Weise die vollständige Schilderung der Leidenszustände. Sie ermöglicht schon bei der Befundaufnahme die genaue Abklärung der Beschwerdebilder durch – unter Verwertung der ihm zugänglichen Vorbefunde – gezielte Nachfrage des Gutachters (OLG Linz 25.9.2023, 11 Rs 58/23p). Allfällige Unklarheiten können bei der mündlichen Gutachtenserörterung beseitigt werden (§§ 367, 341 Abs 1, 289 Abs 1 ZPO).

2.3.3.: Dass dem Kläger auch in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 16.2.2024 unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die rumänische Sprache noch einmal die Gelegenheit dazu geboten wurde, seine Leidenszustände und seine Einschätzung seiner verbliebenen Einschränkungen ausführlich darzulegen, wurde bereits oben dargestellt. Das Unterbleiben der förmlichen Parteienvernehmung des Klägers vermag daher einen Verfahrensmangel schon deshalb nicht abzugeben, weil der Kläger ausreichend Gelegenheit hatte, im Rahmen der Anamnese und Befundung durch den vom Erstgericht beigezogenen unter anderem orthopädisch-chirurgischen und unfallchirurgischen Sachverständigen vom 4.9.2023 seine Beschwerden ausreichend darzulegen.

2.3.4.: Soweit in der Berufung behauptet wird, die Anamnese durch den orthopädisch-chirurgischen und unfallchirurgischen Sachverständigen wäre unzureichend und oberflächlich geblieben, ist das Rechtsmittel auf die ausführliche Darstellung des Sachverständigen in ON 7 S 1 5 sowie den vom Sachverständigen ermittelten objektiven Befund ON 7 S 6 und 7 und die dem Sachverständigen zur Verfügung gestandenen gutachterlichen Befunde einschließlich des Anstaltsgutachtens (ON 7 S 7 f) zu verweisen. Auch hier vermag die Berufung nicht substanziiert darzulegen, welche vom Sachverständigen nicht bereits erfassten Beschwerden und Einschränkungen vom Kläger behauptet werden, die über den 30.4.2023 hinaus noch eine Erhöhung der bisher im Gutachten und im bekämpften Urteil festgestellten 5 %igen MdE rechtfertigen könnten. Auch hier fehlt es daher an der judikaturkonformen Darstellung der implizierten Mängelrüge (oben ErwGr A. 3.2.).

3.: Auch der Vorwurf der Berufung, der Sachverständige hätte der Befundaufnahme und Anamnese vom 4.9.2023 keine der rumänischen Sprache kundige übersetzungstaugliche Person beigezogen, geht ins Leere:

3.1.: Der Kläger erschien zur Befundaufnahme/Anamnese am 4.9.2023 beim Sachverständigen mit einem Freund, nämlich Herrn H*, der als Dolmetscher fungierte (ON 7 S 1). Dass dieser Freund des Klägers eine ausreichende Übersetzungshilfe bei der vom Sachverständigen durchgeführten Anamnese bieten konnte, zeigt schon die Tatsache, dass der Kläger diesen selbst zum Sachverständigen mitgebracht hat. Immerhin wurden die Angaben des Klägers auch anlässlich der Unfallaufnahme vor dem I* durch einen Hausdolmetscher übersetzt (siehe den Befundbericht des I* vom 3.10.2022 im Anstaltsakt, der in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 16.2.2024 vom Erstgericht ebenfalls in Anwesenheit der gerichtlich beeideten Dolmetscherin vorgetragen wurde: ON 16 S 1). Warum es auch bei der Anamnese – nach dem dargelegten Verfahrensgang – zusätzlich zur ohnehin veranlassten Beiziehung einer gerichtlich beeideten Dolmetscherin in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 16.2.2024 auch während der Befundaufnahme bei dem Sachverständigen der Anwesenheit nicht bloß des vom Kläger selbst beigezogenen übersetzenden Freunds, sondern eines gerichtlich beeideten Dolmetschers bedurft hätte, vermag die Berufung nicht darzustellen.

3.2.: In diesem Punkt wird der Rechtsmittelgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht judikaturkonform ausgeführt. Denn für eine erfolgreiche Mängelrüge müsste die abstrakte Erheblichkeit der unterbliebenen Parteienvernehmung richtig dargestellt werden: Der Rechtsmittelwerber muss wohl nicht die konkrete Nachteiligkeit des Mangels für seinen Prozessstandpunkt nachweisen; er muss aber - wenn dies nicht ausnahmsweise offenkundig ist - aufzeigen, dass der gerügte Verfahrensmangel abstrakt erheblich und damit geeignet war, das ihn belastende Ergebnis auch konkret verursacht zu haben (RIS Justiz RS0043027 [T1, T6, T10]). Der Berufungswerber ist daher dazu aufgerufen, in seiner Verfahrensrüge nachvollziehbar auszuführen, welche für ihn günstigen Verfahrensergebnisse zu erwarten gewesen wären, wenn der Verfahrensfehler nicht unterlaufen wäre (1 Ob 61/18d ErwGr 4.; 2 Ob 110/17s ErwGr 2.) bzw wenn er die Tatsachenfeststellung des Erstgerichts angreifen wollte, nachvollziehbar darzulegen, in welcher Hinsicht sich bei Unterbleiben des Mangels eine abweichende Sachverhaltsgrundlage ergeben hätte (7 Ob 213/18a ErwGr 2.; 1 Ob 61/18d ErwGr 4.; Lovrek in Fasching/Konecny ZPO³ IV/1 [2019] § 503 ZPO Rz 45). Denn andernfalls kann die Eignung des Mangels zur Behinderung der erschöpfenden Erörterung und gründlichen Beurteilung der Streitsache vom Rechtsmittelgericht - letztlich im Sinn eines Vergleichs zwischen dem tatsächlichen und dem im Rechtsmittel abstrakt zu behauptenden hypothetischen Verfahrensablauf - nicht beurteilt werden ( Lovrek § 503 ZPO Rz 45; vgl Kodek in Rechberger/Klicka [Hrsg] ZPO 5 [2019] § 471 Rz 11). Der Rechtsmittelwerber muss also darlegen, welchen Verlauf das Verfahren genommen hätte, wenn der gerügte Fehler unterblieben wäre (1 Ob 204/07t VersE 2198 = RdW 2008/209, 262). Die Mängelrüge bleibt jedoch die Frage darzulegen schuldig, welche für den Kläger günstigeren Verfahrensergebnisse oder für ihn vorteilhaftere abweichende Sachverhaltsgrundlage das Verfahren ergeben hätte, wenn auch bei der Anamnese durch den Sachverständigen als Dolmetscher nicht der vom Kläger mitgebrachte Freund, sondern ein gerichtlich beeideter Dolmetscher beigezogen worden wäre. In der Berufung findet sich nur der Vorwurf, dass das Ergebnis des vorgelegten Gutachtens mangels Einbeziehung eines Dolmetschers bestritten wird (ON 27 S 3 vierter Absatz). Dies ist für die judikaturkonforme Darstellung des Rechtsmittelgrunds der Mangelhaftigkeit des Verfahrens aber wie dargestellt nicht ausreichend.

4.: Die implizite Mängelrüge der Berufung muss daher versagen.

B. Zur Beweisrüge:

1.: Die rechtsprechungskonforme Ausführung des Rechtsmittelgrunds der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung erfordert die bestimmte Angabe

Die Ausführungen zur Beweisrüge müssen eindeutig erkennen lassen, aufgrund welcher Umwürdigung welcher bestimmten Beweismittel welche vom angefochtenen Urteil abweichenden Feststellungen angestrebt werden (5 Ob 311/85). Dabei reicht der Verweis auf einzelne für den Berufungswerber günstige Beweisergebnisse nicht aus; erforderlich ist vielmehr eine Auseinandersetzung mit sämtlichen Beweisergebnissen . Dabei ist darzustellen, warum das Erstgericht bei richtiger Beweiswürdigung gerade die begehrte Feststellung (und nicht aufgrund anderer vorliegender Beweismittel andere Feststellungen) hätte treffen müssen (10 ObS 5/22s Rz 10; 6 Ob 177/21d Rz 3).

2.: Diesen von der Judikatur vorgegebenen Anforderungen genügt die Beweisrüge des Klägers schon deshalb nicht, weil sich dieser in seiner Berufungsausführung weder mit den den erstinstanzlichen Feststellungen zugrunde liegenden gutachterlichen Ausführungen des orthopädisch-chirurgischen und unfallchirurgischen Sachverständigen befasst noch Aufschluss darüber gibt, welche unrichtige Beweiswürdigung den bekämpften Feststellungen zugrunde liegen sollte und aufgrund welcher konkreten Beweisergebnisse die in der Berufung geforderten Ersatzfeststellungen – im Kern eine medizinische Minderung der Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ab 1.5.2023 von mindestens 20 % (ON 27 S 2 drittletzter Absatz) – gerechtfertigt gewesen wären. Die Berufung enthält in diesen Teilen nur allgemeine Ausführungen, die sich entgegen der ständigen Rechtsprechung nicht mit sämtlichen Beweisergebnissen, insbesondere der Anamnese des Sachverständigen mit dem Kläger, der Erörterung dieser Anamnese mit dem Kläger durch das Erstgericht und mit den Grundlagen und fachlichen Schlussfolgerungen des Sachverständigen in seinem Gutachten ON 7 befassen.

3.: Auf diese nicht rechtsprechungskonforme Beweisrüge des Rechtsmittelwerbers kann das Berufungsgericht daher mangels sachlichen Substrats deren Ausführungen keine inhaltlichen Gegenausführungen erstatten.

C. Zur Rechtsrüge:

1.: Die judikaturkonforme Ausführung des Berufungsgrunds der unrichtigen rechtlichen Beurteilung muss zwei Anforderungen gerecht werden, nämlich

2.: Egal, ob dies in einer Revision oder in einer Berufung geschieht (9 ObA 39/18b ErwGr 2.), erfordert die judikaturgemäße Ausführung des Rechtsmittelgrunds der unrichtigen rechtlichen Beurteilung die substanziierte Darlegung, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Sache in der bekämpften Entscheidung erster Instanz unrichtig sein soll (9 ObA 39/18b ErwGr 2.; 1 Ob 4/16v ErwGr 1.; 1 Ob 224/15w ErwGr 1.; 4 Ob 80/14i; 10 Ob 30/04s; 10 ObS 213/02z; RIS Justiz RS0043605; RS0043480 [T20]; RS0043603 [T4]): Es muss also – ausgehend vom in erster Instanz festgestellten Sachverhalt – dargelegt werden, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Sache unrichtig sein soll (RIS Justiz RS0043603), weil sonst keine Überprüfung der im angefochtenen Urteil vertretenen Rechtsansicht stattfinden kann (9 Ob 10/21t ErwGr 4.; RIS Justiz RS0043654 [T15]).

3.: Es fehlt demgemäß an einer judikaturgemäßen Ausführung, wenn sich der Rechtsmittelwerber mit den rechtlichen Argumenten des erstinstanzlichen Gerichts gar nicht auseinandersetzt (9 ObA 39/18b ErwGr 2.; vgl RIS Justiz RS0043603 [T9]). Auch das bloße Aufstellen einer Rechtsbehauptung (RIS Justiz RS0043603 [T6]) oder die bloße Behauptung, es liege eine unrichtige rechtliche Beurteilung durch die Vorinstanz vor, genügt nicht (10 Ob 30/04s; 10 ObS 132/00k; 9 ObS 8/87; RIS Justiz RS0043480 [T14]). Ebenso wenig genügt die bloße Darstellung einer gesetzlichen Regelung und der Verweis auf diese (10 ObS 138/22z). Auch die bloße Behauptung, das Urteil sei durch „sekundäre Feststellungsmängel“ belastet, genügt nicht (10 ObS 56/15f). Es entspricht nicht diesen Vorgaben in der Judikatur, die rechtliche Beurteilung des vorinstanzlichen Gerichts allgemein (ohne Konkretisierung) als unrichtig (2 Ob 84/12k; 8 Ob 515/88; RIS Justiz RS0041719 [T4]), mit bloßen „Leerformeln“ (4 Ob 80/14i; 10 ObS 132/00k; 9 ObS 8/87) oder pauschal (4 Ob 80/14i) - daher in der konkreten Sache begründungslos (4 Ob 80/14i; 5 Ob 74/05a; 5 Ob 538/76, RZ 1977/50, 106) - zu bekämpfen (4 Ob 80/14i). Eine solche Rechtsrüge lässt die Überprüfung der im angefochtenen Urteil vertretenen Rechtsansicht eben gar nicht zu (9 Ob 10/21t ErwGr 4.; 5 Ob 74/05a). Eine diesen Grundsätzen nicht entsprechend ausgeführte Rechtsrüge ist einer nicht erhobenen gleichzuhalten und kann keine Überprüfung der im angefochtenen Urteil vertretenen Rechtsansicht bewirken (9 Ob 10/21t ErwGr 4.; 4 Ob 80/14i; vgl RIS Justiz RS0043654 [T6]). Die bei Vorliegen einer gesetzgemäß ausgeführten Rechtsrüge bestehende Verpflichtung zur Überprüfung der materiell-rechtlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung – oder deren bekämpften selbstständigen Aspekten – (vgl RIS Justiz RS0043352), aktiviert sich also mangels einer solchen judikaturkonform ausgeführten Rechtsrüge nicht (5 Ob 199/12v; 1 Ob 70/12v; 9 ObA 156/89).

4.: Wurde die Entscheidung erster Instanz von der unterlegenen (beschwerten) Partei nur in einem oder mehreren, aber nicht in allen rechtlich selbstständig beurteilbaren Rechtsfragen (7 Ob 231/16w ErwGr 3.; 9 ObA 110/14p; 10 ObS 132/00k) wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten oder ist die Rechtsrüge in einem oder in mehreren Punkten in einer oder in mehreren selbstständig beurteilbaren Rechtsfragen nicht gehörig entsprechend der vorgenannten Grundsätze ausgeführt (10 Ob 19/18v; 10 Ob 90/16s; 10 ObS 179/13s; 6 Ob 202/13v), dann tritt insoweit dieselbe Rechtsfolge ein wie in jenen Fällen, in denen die Rechtsrüge überhaupt nicht rechtsprechungsgemäß ausgeführt ist (dazu: 7 Ob 149/17p ErwGr 5.; 7 Ob 231/16w ErwGr 3.; 9 ObA 110/14p; 10 ObS 132/00k; RIS Justiz RS0043480 [T2]).

5.: Diese Versäumnisse können im Revisionsverfahren (in dritter Instanz) nicht mehr nachgeholt werden und andere als die in zweiter Instanz gesetzgemäß ausgeführten Punkte können daher in der Rechtsrüge der Revision (§ 503 Z 4 ZPO) nicht mehr geltend gemacht werden (4 Ob 224/15t ErwGr 3.; 1 Ob 184/12h ErwGr 2.1.; 1 Ob 125/12g; RIS Justiz RS0043338 [T4, T10, T11, T13]; RS0043480 [insb T22]; RS0043573 [insb T2, T13, T29, T31, T33, T36, T42]; Kodek in Rechberger/Klicka ZPO 5 [2019] § 503 Rz 27 iVm 23; Zechner in Fasching/Konecny ZPO² IV/1 [2005] § 503 Rz 56 iVm Rz 191).

6.: Unter dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung verweist das Rechtsmittel aber nur darauf, dass das Erstgericht „angesichts der Leiden des Klägers/Berufungswerbers in ihrer Gesamtsicht in Verbindung mit seiner Sprachbarriere“ und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der „Billigkeit“ die Versehrtenrente auch über den 1.5.2023 hinaus gewähren hätte müssen, weil der Kläger ab dem 1.5.2023 in seiner Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von mindestens 20 % auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gemindert wäre. Damit wirft der Berufungswerber dem Erstgericht unsubstanziiert eine unrichtige rechtliche Beurteilung vor und verweist auf das von der Berufung angestrebte rechtliche Ergebnis. Es wird nicht begründet, warum nach Ansicht aus den Leiden des Klägers, aus seiner Sprachbarriere und aus dem Grundsatz der Billigkeit genau das in der Berufung gewünschte Ergebnis zu erzielen wäre. Überdies geht die Berufung nicht vom in der bekämpften Entscheidung festgestellten Urteilssachverhalt aus. Dort heißt es nämlich, dass der Kläger bis zum 30.4.2023 im Ausmaß von 20 % in seiner Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gemindert war und ab 1.5.2023 nur noch zu 5 % (ON 23 S 2 dritter Absatz der Feststellungen). Damit ist die Rechtsrüge in mehrfacher Hinsicht nicht gesetzgemäß ausgeführt und dem Berufungsgericht insoweit eine Behandlung verwehrt.

7.: Nur der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass die Frage, ob bestehende Beschwerden in medizinischer Hinsicht Folgen eines Unfalls sind, also die Feststellung der sog „natürlichen Kausalität“, und die weitere Frage, inwieweit die Erwerbstätigkeit des Versicherten aus medizinischer Sicht gemindert ist, dem Tatsachenbereich zugeordnet wird und keine Rechtsfrage darstellt. Erst wenn die Frage des natürlichen Kausalzusammenhangs – einer Verletzungsfolge aus dem behaupteten Unfallereignis – durch die Tatsacheninstanz bejaht wurde, kann die Frage des juristischen Kausalzusammenhangs zB im Sinn der Theorie der „wesentlichen Bedingung“ als Rechtsfrage beantwortet werden (10 ObS 52/18x; 10 ObS 215/00s; RIS Justiz RS0043534; OLG Graz 27.4.2022, 7 Rs 13/22v; OLG Innsbruck 27.2.2024, 23 Rs 4/24w ErwGr C. 3. in anderem Zusammenhang veröffentlicht ua in RIS Justiz RI0100212 und RI0100177; 30.8.2023, 23 Rs 23/23p ErwGr 2.2.1.; 30.8.2023, 23 Rs 22/23s ErwGr 3.). Die Rechtsrüge der Berufung greift daher nur Tat- und keine Rechtsfragen an. Für die Behandlung als Beweisrüge fehlt es diesen Teilen an der rechtsprechungskonformen, aber zB erörterten Voraussetzungen, weil sie den Urteilsfeststellungen nur einen anderen Sachverhalt entgegenhält.

8.: Wie das Erstgericht in seiner Entscheidungsbegründung (ON 23 S 1) richtig erwähnte, gewährte die Beklagte dem Kläger aufgrund des festgestellten Arbeitsunfalls vom 14.7.2022 eine vorläufige Versehrtenrente in Form einer Gesamtvergütung, nämlich von EUR 2.338,65. Diesen integralen Bestandteil des bekämpften, durch die rechtzeitige Bescheidklage außer Kraft getretenen Bescheids erwähnt das Erstgericht in seinem im Wesentlichen eine Bescheidwiederholung darstellenden Spruch in Punkt 3. nicht. Die bekämpfte Entscheidung war daher in ihrem Punkt 3. dahin zu berichtigen (§§ 2 Abs 1 ASGG, 419 Abs 3 ZPO), dass auch die von der Beklagten zu leistende Gesamtvergütung von EUR 2.338,65 in den bescheidwiederholenden Spruch aufzunehmen war.

D. Verfahrensrechtliches:

1.: Der Kläger ist auch im Rechtsmittelverfahren unterlegen, sodass er keinen Anspruch auf die verzeichneten Kosten hat (§§ 2 Abs 1 ASGG, 50, 40 ZPO). Somit ist nur mehr ein Kostenzuspruch aus Billigkeit im Sinn des § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG in Betracht zu ziehen. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung setzt ein Kostenersatz nach Billigkeit voraus, dass sowohl tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten des Verfahrens vorliegen als auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Versicherten einen Kostenersatz nahelegen. Es ist Sache des Versicherten, Umstände, die einen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen können, vor Schluss der der Entscheidung über den Kostenersatz unmittelbar vorangehenden Verhandlung geltend zu machen, es sei denn, sie ergeben sich aus dem Akteninhalt ( Neumayr in ZellKomm³ II [2018] § 77 ASGG Rz 13; Sonntag in Köck/Sonntag ASGG [2020] § 77 Rz 21 und 22). Der Kläger wäre sohin hier spätestens in der Rechtsmittelschrift gehalten gewesen, die Umstände, die einen Kostenersatz aus Billigkeit nahelegen, darzulegen. Da er dies insbesondere hinsichtlich seiner Vermögensverhältnisse unterlassen hat, kommt ein Kostenersatzanspruch nach dieser Bestimmung schon aus diesem Grund nicht in Betracht.

2.: Das Berufungsgericht konnte sich – soweit revisible Rechtsfragen betroffen sind – auf eine einheitliche Rechtsprechung des Höchstgerichts stützen, von der es nicht abgewichen ist. Eine Rechtsfrage von der in den §§ 2 Abs 1 ASGG, 502 Abs 1 und Abs 5 Z 4 ZPO geforderten Qualität war daher im vorliegenden Berufungsverfahren nicht zu prüfen. Der weitere Rechtszug an das Höchstgericht erweist sich daher als nicht zulässig, worüber im Tenor gesondert abzusprechen war (§§ 2 Abs 1 ASGG, 500 Abs 2 Z 3 ZPO).

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