JudikaturOLG Innsbruck

3R44/24f – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
Gesellschaftsrecht
14. Mai 2024

Kopf

Beschluss

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Kohlegger als Vorsitzenden und die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Pirchmoser sowie den Richter des Oberlandesgerichts MMag. Dr. Dobler als weitere Mitglieder des Senats in der Firmenbuchsache der zu FN A* in das Firmenbuch eingetragenen B* C* GmbH mit dem Sitz in D* über die Rekurse der Gesellschaft und des Geschäftsführers gegen die Beschlüsse des Landes- als Handelsgerichts Feldkirch vom 12.4.2024, 15 Fr 732/24g 5 und 6, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Den Rekursen wird k e i n e Folge gegeben.

Der (ordentliche) Revisionsrekurs ist n i c h t zulässig.

Text

Begründung:

Im Firmenbuch des Erstgerichts ist zu FN A* die B* C* GmbH mit dem Sitz in D*, mit dem Geschäftszweig Handel mit Waren aller Art, mit dem seit 21.3.1988 selbstständig vertretungsbefugten unternehmensrechtlichen Geschäftsführer C* B* (jun.), geb am **, und mit dem Stichtag für den Jahresabschluss zum 31.12. eines jeden Jahres eingetragen.

Mit den Zwangsstrafverfügungen vom 19.3.2024, 15 Fr 732/24g 1 (Gesellschaft) und 2 (Geschäftsführer) verhängte das Erstgericht über diese beiden Adressaten jeweils Zwangsstrafen von EUR 700,-- (für den Strafzeitraum 1.1. bis 28.2.2023), weil diese die Unterlagen für die Rechnungslegung, insbesondere den Jahresabschluss der Gesellschaft zum 31.12.2021 nicht bis zum 28.2.2023 (Stichtag der Zwangsstrafverfügungen) vollständig beim Erstgericht eingereicht hätten.

Diese Zwangsstrafverfügungen setzten die Gesellschaft und der Geschäftsführer mit den fristgerechten Einsprüchen ON 3 und ON 4 außer Kraft. Darin machten die Einspruchswerber – soweit für das Rekursverfahren relevant – geltend, die Buchhalterin der Gesellschaft sei am 28.9.2021 vom Arbeitsplatz weg verhaftet worden, weil sie größere Geldbeträge über mehrere Jahre hinweg zu Lasten der Gesellschaft veruntreut habe. Über diesen Umstand sei das Firmenbuchgericht mit E Mail vom 23.12.2022 in Kenntnis gesetzt worden. Die Gesellschaft hätte daher den Istzustand des Rechnungswesens neu feststellen und die Buchhaltung der Jahre 2020 und 2021 sanieren müssen und habe dazu den früher 30 Jahre lang für die Gesellschaft tätigen mittlerweile 74 jährigen und gesundheitlich angeschlagenen Personalverrechner E* als selbstständigen Buchhalter beigezogen. Allein dieser habe bis zur Einspruchserhebung ca 600 Arbeitsstunden für die notwendige Rekonstruktion/Überarbeitung von tausenden Buchungszeilen investieren müssen. E* sei im April 2021 erkrankt und seither gesundheitlich angeschlagen, weshalb er sich seit September 2023 auch in ärztliche Behandlung begeben habe müssen. Deshalb sei erst der Jahresabschluss zum 31.12.2021 fertig gestellt und werde am 12.4.2024 beim Erstgericht eingereicht werden. Der Jahresabschluss zum 31.12.2022 werde erst im Juli 2024 einreichfähig sein.

Ohne weitere Erhebungen erließ das Erstgericht am 12.4.2024, 15 Fr 732/24g 5 (Gesellschaft) und 6 (Geschäftsführer) im ordentlichen Verfahren über beide Adressaten jeweils eine Zwangsstrafe von EUR 700,--. Diese hätten den Jahresabschluss zum 31.12.2021 entgegen den §§ 277 ff UGB, 3a Abs 2 COVID-19-GesG nicht längstens bis zum 28.2.2023 (Stichtag) beim Erstgericht eingereicht. Die Gesellschaft hätte nicht schlüssig dargelegt, inwieweit die behaupteten Malversationen der früheren Buchhalterin die Möglichkeit ausgeschlossen hätten, den Jahresabschluss wenigstens in dem faktisch bis zu den Zwangsstrafverfügungen vom 19.3.2024 gewährten Zeitraum einreichen zu können.

Gegen diese Entscheidungen wenden sich nunmehr die (rechtzeitigen) Rekurse der Gesellschaft und des Geschäftsführers aus den Rechtsmittelgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit den Anträgen, die bekämpften Zwangsstrafbeschlüsse ersatzlos aufzuheben und die Zwangsstrafverfahren einzustellen (ON 8 S 7 und ON 9 S 7).

Die Rekurse erweisen sich aus nachstehenden Erwägungen als unberechtigt:

Rechtliche Beurteilung

1.: In den Rechtsmitteln wird – mit geringfügigen den Anforderungen mehrerer Rechtsmittelgründe geschuldeten Variationen – unter allen drei Rekursgründen geltend gemacht, das Erstgericht habe sich nicht ausreichend mit den Einspruchsgründen, insbesondere den Malversationen der ehemaligen Buchhalterin, der dadurch notwendigen Beiziehung einer anderen Buchhaltungskraft, dem zuletzt angegriffenen Gesundheitszustand des von der Gesellschaft betrauten Mitarbeiters und dem enormen Zeitaufwand, davon rund 600 Arbeitsstunden, den allein dieser aufwenden habe müssen, um die Buchhaltung für die Steuerberatung der Gesellschaft F* bearbeitungsreif zu machen, auseinandergesetzt. Zur Bescheinigung der Malversationen legten die Rekurswerber im Rechtsmittelverfahren das gegen die ehemalige Buchhalterin ergangene strafgerichtliche Erkenntnis des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 18.11.2022, 50 Hv 75/22v, vor.

2.: Wie das Erstgericht im Ergebnis zutreffend erkannte, gehen diese Argumente – soweit sie nicht, wie unten noch darzustellen sein wird, dem Neuerungsverbot widersprechen – in zweifacher Hinsicht am Kern der den Geschäftsführer und die Gesellschaft (§ 283 Abs 7 UGB) treffenden und die bekämpften Zwangsstrafbeschlüsse rechtfertigenden Säumnisse vorbei:

3.: Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und der vier Oberlandesgerichte als Rekursgerichte in Firmenbuchsachen, dass der Geschäftsführer nachweislich alles unternehmen muss , um die rechtzeitige Erfüllung der gesetzlichen Offenlegungspflichten der Gesellschaft im Sinn der §§ 277 ff UGB zu erfüllen. Der Zweck der Offenlegung von Jahresabschlüssen besteht darin, Dritte , die die buchhalterische und finanzielle Situation der Gesellschaft nicht ausreichend kennen oder kennen können, zu informieren . Dieser Zweck könnte jedoch leicht vereitelt werden, ließe man der Gesellschaft und ihren Organen die Möglichkeit offen, sich unter Berufung auf innere Umstände den Offenlegungspflichten zu entziehen. Der Zweck der Offenlegungspflichten rechtfertigt daher eine strenge Vorgangsweise durch die Firmenbuchgerichte (OGH 6 Ob 30/21m ErwGr 4.1.; 6 Ob 259/20m ErwGr 4.1.). Als die Verhängung von Zwangsstrafen rechtfertigendes Fehlverhalten genügt dabei bereits leichtes Verschulden (RIS Justiz RS0123571). Das Fehlen von (zutreffenden) Unterlagen allein bewirkt noch nicht die Unmöglichkeit der Aufstellung des Jahresabschlusses. Der Geschäftsführer einer Gesellschaft ist nämlich verpflichtet, fehlende Buchhaltungsunterlagen zu beschaffen und allenfalls zu rekonstruieren (OGH 6 Ob 119/01w; OLG Graz 11.1.2012, 4 R 6/12b ErwGr 6.; OLG Innsbruck zB 27.4.2022, 3 R 40/22i, 44/22b ErwGr 1.). Überdies ist es zwar in erster Linie die Pflicht des Geschäftsführers, ua den Jahresabschluss aufzustellen (§ 222 Abs 1 UGB). Dies bedeutet aber nicht, dass er die Jahresabschlussarbeiten selbst ausführen müsste. Er hat lediglich dafür zu sorgen, dass dies fristgerecht geschieht und muss dies auch entsprechend koordinieren und überwachen (OGH 6 Ob 818/82, HS 14.310/21; OLG Wien 27.3.2021, 28 R 27/01y, NZ 2002/93, 242). Der Geschäftsführer hat durch zweckentsprechende Organisationsmaßnahmen in seinem Geschäftsbereich für eine rechtzeitige Erfüllung der Offenlegungspflichten zu sorgen (6 Ob 129/11f; 6 Ob 33/09k; RIS Justiz RS0127065). Einen Geschäftsführer treffen daher ua Kontrollpflichten etwa gegenüber Mitarbeitern oder berufsmäßigen Parteienvertretern, ob die Einreichung des Jahresabschlusses auch tatsächlich erfolgt ist; andernfalls sind die Rechtsfolgen des § 283 UGB zu tragen (6 Ob 175/17d; 6 Ob 8/12p). Gemäß der Judikatur des Obersten Gerichtshofs und der vier Oberlandesgerichte in Firmenbuchsachen liegt kein unvorhergesehenes und/oder unabwendbares Ereignis im Sinn des § 283 Abs 2 zweiter und dritter Satz UGB, das die fristgerechte Offenlegung hindert, vor, wenn etwa eine Betriebsprüfung stattfindet und es deshalb zu Verzögerungen kommt (RIS Justiz RS0127070), wenn eine Erkrankung oder das Alter des Geschäftsführers die rechtzeitige Aufstellung oder Einreichung verhindern (OGH 6 Ob 8/12p ErwGr 2.2.; OLG Wien 27.3.2001, 28 R 27/01y, NZ 2002/93, 242; OLG Innsbruck zB 27.4.2022, 3 R 40/22i, 44/22b ErwGr 1.), wenn Steuerformulare fehlen (6 Ob 66/12p) oder wenn Unterlagen in einem Strafverfahren beschlagnahmt werden, weil der Beschuldigte und der Privatbeteiligte zB die Gesellschaft in gerichtlichen Strafverfahren (§§ 51 f StPO) als auch im Finanzstrafverfahren (§ 79 FinStrG) das Recht auf Akteneinsicht und auf Abschriften (Ablichtungen) von Akten oder Aktenteilen haben (OLG Wien 27.3.2021, 28 R 27/01y, NZ 2002/93, 242; OLG Graz 11.1.2012, 4 R 6/12b ErwGr 6.; OLG Linz 28.7.2010, 6 R 143/10g).

4.: Dass den Geschäftsführer – für dessen Fehlverhalten die Gesellschaft gemäß § 283 Abs 7 UGB einzustehen hat – irgendein Umstand daran gehindert hätte, eine (oder mehrere) andere, jüngere Personen, zB Mitarbeiter:innen oder Vertragspartner:innen der von ihr ohnehin konsultierten Steuerberatungsgesellschaft als den im Einspruch erwähnten, der bereits zum Zeitpunkt der Verhaftung der früheren Buchhalterin längst das Regelpensionsalter für Männer (65 Jahre) überschritten hatte, für die Rekonstruktion und Aufbereitung der Buchhaltungsunterlagen auszuwählen oder wenigstens später auf die SARS-Cov-19-Erkrankung des tatsächlich beigezogenen Mitarbeiters zu reagieren und ihn rechtzeitig zu ersetzen, wurde in den Einsprüchen – und übrigens auch in den ohnehin dem Neuerungsverbot unterliegenden Rekursen – nicht einmal behauptet. Dass dem Geschäftsführer bei der wie dargelegt von ihm geschuldeten Sorgfalt (§ 25 Abs 1 GmbHG) die Betrauung von geeigneten Personen oder wenigstens die rechtzeitige Reaktion auf die Erkrankung des tatsächlich gewählten Mitarbeiters und damit bis zu dem vom Erstgericht mit den Zwangsstrafbeschlüssen ON 1 und ON 2 faktisch gewährten Zeitpunkt die Erstellung eines einreichungsfähigen Jahresabschlusses zum 31.12.2021 möglich gewesen wäre, liegt auf der Hand und wurde weder in den Einsprüchen noch den dem Neuerungsverbot unterliegenden Rekursen nachvollziehbar entkräftet (siehe dazu auch gleich ErwGr 5.). Damit liegt dem Geschäftsführer jedenfalls zumindest ein leicht fahrlässiges Fehlverhalten zur Last, das die Verhängung der beiden Zwangsstrafverfügungen gegen ihn und die Gesellschaft jedenfalls rechtfertigte, ohne dass es noch näherer Erhebungen oder Feststellungen zum tatsächlichen Malversationsumfang der mittlerweile in erster Instanz schöffengerichtlich verurteilten ehemaligen Buchhalterin, zum Rekonstruktionsaufwand durch den tatsächlich beigezogenen Mitarbeiter oder ausdrücklicher Beschlussfeststellungen zu diesen für die rechtliche Beurteilung nicht entscheidungswesentlichen Sachverhaltskomplexen bedurft hätte. Auch die Beweisrüge, die sich mit einer in Feststellungsform gekleideten rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts auseinandersetzt, ist daher nicht zu behandeln. Selbst wenn man die in den Einsprüchen aufgestellten oben wiedergegebenen Behauptungen als wahr unterstellt, ändern sie nichts an dem dargestellten, zumindest leicht fahrlässigen Fehlverhalten (Verstoß gegen die Verpflichtung des Geschäftsführers zur Betrauung von geeigneten Personen zur Rekonstruktion der erforderlichen Buchhaltungsunterlagen und zur rechtzeitigen Reaktion auf die Erkrankung des tatsächlich betrauten Vertragspartners sowie [ErwGr 6.] unterlassener vorläufiger Jahresabschluss).

5.: Dazu kommt noch, dass in den Einsprüchen nur die Rede davon ist, dass zahlreiche Buchungszeilen (Datensätze) überprüft und rekonstruiert werden mussten. In den Einsprüchen wird mit keinem Wort erwähnt, ob diese Überprüfung zu einer Änderung der maßgebenden Entscheidungsgrundlagen für die Jahresabschlüsse geführt hätte. Nur unter dieser Bedingung wären aber die behaupteten Malversationen bzw Rekonstruktionsarbeiten überhaupt kausal für eine allfällige Verspätung der Einreichung des Jahresabschlusses zum 31.12.2021. Da ein solcher kausaler Zusammenhang zwischen Malversationen/Rekonstruktionen und Grundlagen für die Jahresabschlüsse in den beiden Einsprüchen nicht einmal substanziiert erwähnt (behauptet) wird, erweisen sich die Einspruchsgründe auch unter diesem Aspekt als rechtlich nicht erheblich. Da das Firmenbuchgericht grundsätzlich keine amtswegige Ermittlungspflicht zu möglichen Hinderungsgründen, die die Verhängung einer Zwangsstrafe im Offenlegungsverfahren abwenden würden, trifft (6 Ob 235/11v ErwGr 3.1.; 6 Ob 234/11x ErwGr 3.1.; OLG Graz 11.1.2012, 4 R 6/12b ErwGr 5.; OLG Innsbruck zB 27.4.2002, 3 R 40/22i, 44/22b ErwGr 2.), obliegt dem Einspruchswerber im ordentlichen Verfahren schon im Einspruchsschriftsatz die konkrete Dartuung jener Hindernisse, die seiner Ansicht nach der Erfüllung seiner Offenlegungspflicht entgegenstehen (6 Ob 134/11s; 6 Ob 246/07f; RIS Justiz RS0069653; OLG Graz und OLG Innsbruck wie vor).

6.: Schließlich ist den Überlegungen des Rechtsmittels der Inhalt der Einsprüche entgegenzuhalten: Dort wird mit keinem Wort behauptet, dass die beschriebenen Malversationen der früheren Buchhalterin und Rekonstruktionsmaßnahmen des tatsächlich beigezogenen Mitarbeiters auch die Einbringung zumindest eines vorläufigen Jahresabschlusses unmöglich gemacht hätten: Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und der vier Oberlandesgerichte in Firmenbuchsachen genügt zur Wahrung der Offenlegungsfristen (§§ 277 ff UGB, 3a Abs 2 COVID-19-GesG) die Einreichung eines vorläufigen Jahresabschlusses (RIS Justiz RS0127129; OLG Innsbruck wie vor). Ob im konkreten Fall die Erstellung eines vorläufigen Jahresabschlusses möglich war oder gewesen wäre, stellt eine Beurteilung des konkreten Einzelfalls dar (6 Ob 30/21m ErwGr 3.; 6 Ob 259/20m ErwGr 3.; OLG Innsbruck wie vor). Im vorliegenden Fall waren Datensätze (Buchungen/Buchungszeilen) vorhanden und (bloß) auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Mit diesem Hinweis/Vorbehalt wäre ein vorläufiger Jahresabschluss jederzeit möglich gewesen. Da wie erwähnt das Firmenbuchgericht grundsätzlich keine amtswegige Ermittlungspflicht zu möglichen Hinderungsgründen, die der Verhängung einer Zwangsstrafe im Offenlegungsverfahren entgegenstehen würden, trifft, hätten die Rekurswerber auch die Unmöglichkeit eines vorläufigen Jahresabschlusses bereits in ihren Einsprüchen schlüssig darlegen und behaupten müssen. Auch das Unterbleiben eines vorläufigen Jahresabschlusses rechtfertigt daher die angefochtenen Beschlüsse.

7.: Endlich ist noch festzuhalten, dass im durch die Einsprüche eingeleiteten ordentlichen Zwangsstrafverfahren im Rekursverfahren das Neuerungsverbot der §§ 15 FBG, 49 Abs 1 und Abs 2 AußStrG gilt ( Dokalik/Birnbauer Das Neuverfahren zur Erzwingung der Offenlegung nach den §§ 277 ff UGB, GesRZ 2011, 22). Die Vorlage des Straferkenntnisses betreffend die frühere Buchhalterin der Gesellschaft stellt daher eine im Rekursverfahren unzulässige und rechtlich unbeachtliche Neuerung dar, auf die nicht weiter einzugehen ist. Ganz abgesehen davon betrifft sie Umstände, die für die Beurteilung des Fehlverhaltens des Geschäftsführers (Betrauung einer nicht geeigneten Person für die Rekonstruktion der Buchhaltungsunterlagen, verspätete Reaktion auf dessen Erkrankung, unterlassene Einreichung eines vorläufigen Jahresabschlusses) rechtlich nicht relevant ist.

8.: Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die wirksame Vorlage des zB vorläufigen Jahresabschlusses spätestens bis zum Tag vor der Verhängung der Zwangsstrafverfügungen – hier also dem 18.3.2024 (ON 1 und 2) – beim Firmenbuchgericht bewirkt werden hätte müssen, um noch Berücksichtigung zu finden und die Verhängung der Zwangsstrafe im ordentlichen Verfahren auszuschließen (6 Ob 214/15m ErwGr II.1.; RIS Justiz RS0126978). § 283 Abs 1 UGB sieht vor, dass die Zwangsstrafe zwingend nach Ablauf der Offenlegungsfrist zu verhängen ist (6 Ob 129/11f ErwGr 2.6.) und eine Zwangsstrafe auch dann zu vollstrecken ist , wenn der gerichtlichen Anordnung nachgekommen wurde oder deren Erfüllung unmöglich geworden ist (6 Ob 60/17t ErwGr 1.; 6 Ob 129/11f ErwGr 2.6.). Damit führt jede Unterlassung der Vorlage des Jahresabschlusses (zunächst) innerhalb der Offenlegungsfrist und (dann) nicht spätestens einen Tag vor Erlassung der Zwangsstrafverfügung (vgl § 283 Abs 2 Satz 1 UGB) zwingend zur Verhängung einer Zwangsstrafe. Ob dieser Jahresabschluss nach Ablauf der Offenlegungspflicht dennoch vorgelegt wird, hat nur für die Zulässigkeit der Verhängung weiterer Zwangsstrafen (§ 283 Abs 1 letzter Satz UGB) Bedeutung (6 Ob 129/11f ErwGr 2.6.; OLG Innsbruck 26.3.2024, 3 R 29/24z, 30/24x ErwGr 2.1.; Dokalik/Birnbauer GesRZ 2011, 24). Die Regelung des § 283 Abs 2 und Abs 3 UGB über die Zwangsstrafverfügung und die Einspruchserhebung sind in diesem Umfang prozessualer Natur und vermögen die Notwendigkeit der Verhängung der Zwangsstrafe als zwingende Konsequenz der Nichteinreichung innerhalb der materiellen Offenlegungsfrist nicht zu ändern. Für die Verhängung einer Zwangsstrafe im ordentlichen Verfahren gemäß § 283 Abs 3 UGB ist daher ausschließlich Voraussetzung, dass der Jahresabschluss im Sinn des § 283 Abs 1 UGB nicht innerhalb der Offenlegungsfrist und nicht spätestens einen Tag vor Verhängung der Zwangsstrafverfügung eingereicht wurde. Wenn bereits einmal eine Zwangsstrafverfügung verhängt wurde, wie hier gegen die beiden Rekurswerber am 19.3.2024, weil die Bilanz nicht innerhalb dieser Fristen eingereicht wurde, steht die nachträgliche Einreichung der Bilanz der Verhängung einer Zwangsstrafe im ordentlichen Verfahren nach § 283 Abs 1 UGB aus den dargelegten materiellen Erwägungen (6 Ob 8/08g, EvBl 2008, 538/105) nicht entgegen (6 Ob 30/21m Rz 1; 6 Ob 129/11f ErwGr 2.6.; RIS Justiz RS0126978; RS0123335; OLG Innsbruck wie vor). Dafür, dass der Gesetzgeber mit der Möglichkeit des Einspruchs eine weitere Nachfrist einräumen hätte wollen, innerhalb derer der Jahresabschluss nachgereicht werden und die Verhängung einer Zwangsstrafe vermieden werden könnte, bieten weder der Wortlaut des Gesetzes noch die Entstehungsgeschichte der Regelung irgendeinen Anhaltspunkt. Bei dieser Auslegung hätte die Gesellschaft sonst die Möglichkeit, mit der Vorlage des Jahresabschlusses sanktionslos bis 14 Tage nach Zustellung der Zwangsstrafverfügung zuzuwarten. Eine derartige Möglichkeit würde der Absicht der Reform durch das BBG 2011, das Zwangsstrafverfahren zu verschärfen und damit die Erfüllung der unionsrechtlich vorgegebenen Offenlegungspflichten besser durchzusetzen, diametral zuwiderlaufen (6 Ob 129/11f ErwGr 2.7.; RIS Justiz RS0123335; OLG Innsbruck wie vor). Daher ändert die Vorlage des Jahresabschlusses zum 31.12.2021 am 12.4.2024, also am Tag der bekämpften Beschlüsse im ordentlichen Verfahren, nichts an der Zulässigkeit der bekämpften Zwangsstrafbeschlüsse.

9.: Den Rekursen muss daher in allen Punkten der Erfolg versagt bleiben.

10.: Eine Kosten entscheidung konnte entfallen, weil diesbezüglicher Aufwand in den Rechtsmitteln nicht verzeichnet wurde.

11.: Das Rekursgericht konnte sich in allen erheblichen Rechtsfragen auf eine einheitliche Rechtslage und Rechtsprechung stützen, von der es nicht abgewichen ist. Der weitere Rechtszug im Sinn der §§ 15 FBG, 62 Abs 1 AußStrG erweist sich daher als nicht zulässig, worüber gemäß den §§ 15 FBG, 59 Abs 1 Z 2 AußStrG ein eigener Ausspruch in den Tenor der Rekursentscheidung aufzunehmen war.

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