JudikaturOLG Innsbruck

3R33/24p – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
10. April 2024

Kopf

Im Namen Der Republik

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Kohlegger als Vorsitzenden und die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Pirchmoser sowie den Richter des Oberlandesgerichts MMag. Dr. Dobler als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. A* , geboren am **, Physikerin in **, **straße **, vertreten durch Dr. Birgit Streif, Rechtsanwältin in 6020 Innsbruck, gegen die beklagte Partei B* , geboren am **, Fabriksdirektor in **, **, vertreten durch Mag. Dr. Günther Riess, Mag. Christine Schneider, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, wegen EUR 25.826,31 sNg, über die Berufung der beklagten Partei (ON 53; Berufungsinteresse gemäß § 56 Abs 2 JN: EUR 3.997,24 sNg) gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 23.1.2024, 11 Cg 124/21i-51, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird k e i n e Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt bis zur Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten.

Die Revision ist jedenfalls u n z u l ä s s i g .

Text

Entscheidungsgründe:

Am 6.3.2019 ereignete sich im Skigebiet ** gegen **.** Uhr ein Skiunfall unter Beteiligung der Klägerin und des Beklagten als Skiläufer, bei dem die Klägerin Verletzungen erlitt.

Der Unfallpistenabschnitt ist oberhalb des Unfallorts sehr breit (nach dem Inhalt des Gutachtens ON 31: 179 m Präparierungsbreite) und rund 220 m lang. Die präparierte Pistenfläche wird durch die Aufbauten einer ***anlage geteilt. Talseitig gesehen rechts mündet im oberen Anteil des beschriebenen Pistenabschnitts die *** Piste Nr 67 ein und führt talseitig rechts der ***anlage als Piste Nr 65 weiter. Talseitig links – zwischen ***anlage und dem „***lift“ – führt die Piste Nr 63 weiter. Auf der Piste Nr 63 befindet sich der Unfallbereich. Zum Unfallzeitpunkt herrschten gute Witterungsverhältnisse bei weichem Schnee.

Der Beklagte näherte sich der späteren Unfallstelle von der schwarzen Piste Nr 67 kommend als Skifahrer auf einem gut durchschnittlichen technischen Niveau an. Die Klägerin fuhr von einem Skiweg nach einem Halt in den Pistenbereich Nr 63 ein und folgte dieser Piste mit knapp mittellangen Bögen bis zum Unfallbereich. Der Beklagte hatte rund 190 m oberhalb der die Pisten teilenden ***anlage angehalten und fuhr sodann entlang des Zauns, der oberhalb der ***anlage geführt wurde, langsam in Richtung ***alm ab. Die Klägerin fuhr als routinierte, fortgeschrittene Skifahrerin links der Pistenmitte in knapp mittellangen Bögen bei gemäßigten Tempo über eine Streckenlänge von rund 45 m talwärts.

Die Klägerin erlitt bei dem Skiunfall eine Verletzung im Bereich des linken Kniegelenks.

Von diesem Sachverhalt muss das Berufungsgericht gemäß § 498 Abs 1 ZPO ausgehen.

Mit der am 23.12.2021 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die Klägerin letztlich – im Detail aufgeschlüsselt – EUR 25.826,31 sNg. Dazu bringt sie zusammengefasst vor, das Alleinverschulden an dem gegenständlichen Skiunfall treffe den Beklagten. Dieser sei während sie gerade in einem Rechtsbogen gefahren sei als wesentlich schnellerer Skifahrer von hinten kommend zu ihr aufgeschlossen und frontal gegen sie geprallt. Der Unfall habe sich auf ungefährer Höhe des ***turms im Bereich der Abfahrt Piste Nr 65 ereignet. Der Beklagte habe selbst vor der Polizei eingeräumt, die Klägerin bereits aus einer Entfernung von 10 m wahrgenommen zu haben. Die Klägerin habe sich für ihn im natürlichen Blickfeld bewegt und sei für ihn leicht erkennbar gewesen. Bei der vom Beklagten ausgeführten technisch einfachen Schrägfahrt habe er eine sehr gute Sicht geradeaus und hangaufwärts gehabt. Bei ordnungsgemäßer Beobachtung des Skiraums vor ihm hätte er die Klägerin jedenfalls rechtzeitig erkennen, gefahrenvermeidend abbremsen und ausweichen können. Die Klägerin selbst treffe kein Verschulden, weil sie den Beklagten trotz ordnungsgemäßer Aufmerksamkeit erst einen Sekundenbruchteil vor der Kollision wahrnehmen habe können.

Der Beklagte bestreitet, beantragt kostenpflichtige Klagsabweisung und wendet zusammengefasst ein, das Alleinverschulden an der Skikollision treffe die Klägerin: Nach eigener Darstellung wäre sie bei entsprechender Aufmerksamkeit als von oben kommende Skifahrerin in der Lage gewesen den Beklagten wahrzunehmen und die Kollision zu vermeiden. Sie hätte auf Sicht fahren und ihre Fahrlinie auf den bevorrangten Beklagten einstellen sowie rechtzeitig durch Fahrlinienverlagerung, Bremsen oder Stehenbleiben reagieren müssen. In der skitechnisch entscheidenden Phase vor der Kollision sei die Klägerin nicht im natürlichen Blickfeld des Beklagten und für ihn daher auch nicht wahrnehmbar gewesen. Für ihn sei der Unfall unvermeidbar gewesen, obwohl er tatsächlich im letzten Augenblick noch versucht habe, seine Fahrtrichtung zu ändern, also bei einer Blickwendung nach links aufwärts die direkt auf ihn zusteuernde Klägerin erkannt habe. Der Beklagte als der vordere Skifahrer sei bei seiner Schrägfahrt, während der er wesentlich an Geschwindigkeit verloren habe, nicht dazu angehalten gewesen, den Bereich oberhalb von sich zu überblicken. Er habe vielmehr darauf vertrauen können, dass er von der aus seiner Sicht hangbergwärts näher kommenden Klägerin nicht gefährdet werde.

Mit dem bekämpften Urteil verpflichtete das Erstgericht den Beklagten – ausgehend von einer Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 1 im Grundverhältnis – zur Leistung von EUR 3.997,27 sNg (Spruchpunkt 1), wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren von EUR 21.829,07 sNg sowie das nicht mehr berufungsgegenständliche Feststellungsbegehren (Spruchpunkt 3) ab und behielt die Entscheidung über die Verfahrenskosten bis zur Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache vor (Spruchpunkt 4). Diesem Erkenntnis legte das Erstgericht die nachstehenden Urteilsannahmen zugrunde. Soweit diese im Rechtsmittel des Beklagten bekämpft werden, sind die Urteilsannahmen – entsprechend der gewählten Chronologie und Bezeichnung in der Berufung – mit den Kleinbuchstaben a) bis d) bezeichnet und kursiv gesetzt:

Im Zug der Kollision traf der sehr groß gewachsene Beklagte mit robustem Körperbau auf eine sicherlich leichtgewichtigere Klägerin mit einem wahrscheinlichen Hauptkontaktbereich der jeweils rechten Oberkörper- und Schulterbereiche.

a) „ Nicht festgestellt werden kann, welcher der Unfallbeteiligten unmittelbar vor Kollision mit einer höheren Fahrgeschwindigkeit sich dem späteren Unfallbereich annäherte. Nicht festgestellt werden kann, ob einer der Unfallbeteiligten schneller als der andere unterwegs war.“

Einige wenige Sekunden vor der Kollision befand sich der Beklagte bereits auf Höhe der Einfahrt in die schmälere Passage und in etwa auch auf gleicher Höhe mit der Klägerin.“

Die Klägerin hätte sich spätestens mit ihrem vorletzten oder letzten Linksschwung aus der möglichen Gefahrenzone in Ansehung des herannahenden Beklagten entfernen können.

c) „ Nicht festgestellt werden konnte, ob der Beklagte als nachkommender Skifahrer im Zuge der Letztannäherung anzusehen war.“

Die Kollision erfolgte letztlich im Rahmen einer gegengleichen wechselseitigen Annäherung auf annähernd gleicher Höhe im Hang.

b) „ Zwei bis drei Sekunden vor dem Kontakt, also in der entscheidenden Letztannäherung, in der noch beiderseits Abwehrreaktionen möglich gewesen wären, befanden sich die Streitteile bereits auf gleicher oder annähernd gleicher Höhe im Hang .“

Bei dieser unmittelbaren Annäherung in der letzten Phase bestand weder für die Klägerin noch für den Beklagten die Möglichkeit einer unfallvermeidenden Reaktion. Bei annähernd gleicher Fahrgeschwindigkeit hatte der Beklagte im Zuge seiner Traversenfahrt oberhalb der ***anlage guten Blick auch Richtung „oben“. Im Zuge dieser Traversenfahrt bestand für ihn bei Blick nach vorne ein gleicher Blickanteil nach links oben wie auch nach rechts unten. Die Klägerin wiederum hatte insbesondere im Bereich der Ausfahrt ihrer jeweiligen Rechtsschwünge die günstige Möglichkeit, in Richtung des Beklagten vorausschauend zu blicken.

d) „ Beide hätten sich bei Annäherung an die Kollisionsstelle bei vorausschauender Blickweise wechselseitig wahrnehmen können .“

Jener Zeitpunkt, zu dem die Klägerin noch gefahrenabwehrend reagieren hätte können, war bei ihrer vorletzten Rechtsschwungausfahrt; diesfalls hätte sie nämlich den Linksschwung weiter vom herannahenden Beklagten setzen können.

d) „ Beim Beklagten wäre die Möglichkeit einer gefahrenabwehrenden Reaktion zu dem Zeitpunkt gegeben gewesen, als er sich dem Ende der ***anlage näherte. Zu diesem Zeitpunkt hätten beide noch gefahrenabwehrend reagieren können .“

In rechtlicher Beurteilung zum im Rechtsmittel einzig umstrittenen Grund der klägerischen Ansprüche vertrat das Erstgericht die Auffassung, beiden Beteiligten liege eine Verletzung der gebotenen Sorgfaltspflicht zur Last: Sowohl der Beklagte als auch die Klägerin hätten jedenfalls unfallvermeidend reagieren können, wenn sie vorausschauend ihre Fahrlinien dem späteren Unfallgegner angepasst hätten. Da festgestelltermaßen sowohl die Klägerin als auch der Beklagte unfallvermeidende Reaktionen setzen hätten können, treffe beide ein gleichteiliges Verschulden am Skiunfall. Dementsprechend habe die Klägerin Anspruch auf Ersatz von 50 % der ihr entstandenen Schäden, die sich nach den Feststellungen nur mit EUR 7.994,47 (ungekürzt) ergäben.

Gegen den klagsstattgebenden Teil dieses Erkenntnisses wendet sich nunmehr die (rechtzeitige) Berufung des Beklagten aus den Rechtsmittelgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinn einer kostenpflichtigen gänzlichen Klagsabweisung abzuändern, hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt (ON 53 S 10 f).

In ihrer (fristgerechten) Berufungsbeantwortung beantragt die Beklagte, dem gegnerischen Rechtsmittel kostenpflichtig den Erfolg zu versagen (ON 55 S 7 f).

Nach Art und Inhalt der geltend gemachten Anfechtungsgründe war die Anberaumung einer öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung entbehrlich. Über das Rechtsmittel war daher in nichtöffentlicher Sitzung zu befinden (§ 480 Abs 1 ZPO). Dabei erwies es sich aus nachstehenden Erwägungen als unbegründet:

Rechtliche Beurteilung

A. Zur Beweisrüge:

1.: Anstelle der oben bei der Wiedergabe der von der Beweisrüge betroffenen Urteilsfeststellungen des Erstgerichts kursiv gesetzten Feststellungen begehrt die Klägerin (in der von ihr gewählten Chronologie und Bezeichnung) folgende Ersatzfeststellungen:

a) „ Die Klägerin näherte sich unmittelbar vor der Kollision dem späteren Unfallbereich mit einer höheren Fahrgeschwindigkeit als der Beklagte an.

Die Klägerin war schneller als der Beklagte unterwegs.

b) „ Einige wenige Sekunden vor der Kollision befand sich der Beklagte bereits auf Höhe der Einfahrt in die schmälere Passage und unterhalb der von oben kommenden Klägerin.

Zwei bis drei Sekunden vor dem Kontakt, also in der entscheidenden Letztannäherung, in der noch beiderseits Abwehrreaktionen möglich gewesen wären, befand sich die Klägerin höher als der Beklagte im Hang.

c) „ Der Beklagte war bis zur Kollision nie der nachkommende Skifahrer.“

d) „ Beide hätten sich bei Annäherung an die Kollisionsstelle wahrnehmen können, wobei der Beklagte im natürlichen Blickfeld der Klägerin spurte, während der Beklagte hierfür auch den Bereich oberhalb von sich beobachten hätte müssen.

Beim Beklagten wäre keine Möglichkeit einer gefahrenabwehrenden Reaktion gegeben gewesen, weil er nicht davon ausgehen konnte/musste, dass sich ihm die von oben kommende Klägerin so weit nähert, dass er keinen Raum mehr für seine Schwünge hat. Nur die von oben kommende Klägerin hatte durch mehr Abstand, Fahrlinienverlagerung und Geschwindigkeitsreduktion die Möglichkeit, gefahrenabwehrend zu reagieren. “ (ON 53 S 6 bis 10)

2.: Vorauszuschicken ist, dass sich die Beweisrüge – soweit sie rechtsprechungskonform ausgeführt ist (also nicht in ihrem Punkt d) in ON 53 S 9 f) – ausschließlich auf die Ausführungen des vom Erstgericht bestellten skitechnischen Sachverständigen Mag. C* ON 31 (Hauptgutachten), ON 36 (schriftliche Gutachtensergänzung) und ON 47 (mündliche Gutachtenserörterung) bezieht (siehe zB ON 53 S 6 Mitte, S 7 viertletzter und drittletzter Absatz, S 8 viertletzter und drittletzter Absatz). Daher kann die Beweisrüge, weil sie sich zur Rechtfertigung der von ihr gewünschten Ersatzfeststellungen (nur) auf das skitechnische Gutachten bezieht, gemeinsam behandelt werden:

3.: In § 272 ZPO ist das Prinzip der freien richterlichen Beweiswürdigung verankert. Diese besteht darin, aus den – wie so oft auch hier – unterschiedlichen Verfahrensergebnissen Schlussfolgerungen im Hinblick auf die verfahrensrelevanten tatsächlichen Ereignisse zu ziehen. Der persönliche Eindruck des Gerichts, seine Kenntnisse der Lebensvorgänge, seine Erfahrungen in der menschlichen Gemeinschaft und seine Menschenkenntnis werden zur entscheidenden Grundlage für die Wahrheitsermittlung. Bei der Bildung seiner Überzeugung, ob die für die Feststellung einer Tatsache notwendige (hohe) Wahrscheinlichkeit vorliegt, ist der Richter im Grunde – und nur im gewissen Umfang durch Beweiserleichterungen wie etwa den Anscheinsbeweis, durch Zugeständnisse der Parteien wie prozessuale Geständnisse oder Einengungen der Tatsachengrundlagen zB in Säumnisfällen eingeschränkt – frei: Das Gericht ist nach der Zivilprozessordnung an keine festen Beweisregeln, dh an keine generell-abstrakten Regeln, wann ein bestimmter Beweis als erbracht anzusehen ist, gebunden, sondern nur an seine persönliche, unmittelbare und objektivierbare, also im Instanzenzug nachprüfbare Überzeugung von der Wahrheit und von der Richtigkeit der Beweisergebnisse. Es hat daher anhand der dargestellten Instrumente zu überprüfen, ob mit den vorliegenden Beweisergebnissen jener Wahrscheinlichkeitsgrad erreicht wird, der es rechtfertigt, die fraglichen Tatsachen nach dem anwendbaren Beweismaß für wahr zu halten. Bei dieser Überzeugungsbildung ist das Gericht nicht auf die aufgenommenen Beweise beschränkt, sondern kann auch das (vorprozessuale oder prozessuale) Verhalten der Prozessbeteiligten, sowie die Vorkommnisse in der gesamten Verhandlung berücksichtigen und miteinbeziehen (RIS Justiz RS0040127; OLG Innsbruck RIS Justiz RI0100103; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka ZPO 5 [2019] § 272 ZPO Rz 1; Klauser/Kodek JN ZPO 18 [2018] § 272 ZPO E 24 ff; OLG Innsbruck zB 3 R 88/22y ErwGr I.A.1.1.).

4.: Anlässlich der Behandlung einer Beweisrüge einer Berufung ist folglich nur zu überprüfen, ob das Erstgericht die ihm vorliegenden Beweisergebnisse nach der Aktenlage schlüssig gewürdigt hat, jedoch nicht, ob seine Feststellungen mit der objektiven Wirklichkeit tatsächlich übereinstimmen (3 Ob 2004/96v; OLG Innsbruck 25 Rs 135/12g, SVSlg 62.419; 3 R 73/22t ErwGr A.1.1.; 13 Ra 6/22p ErwGr A.2.; A. Kodek in Rechberger/Klicka ZPO 5 [2019] § 482 Rz 6 aE; Petschek/Stagel Der österreichische Zivilprozess [1963] 367). Gemäß § 272 ZPO obliegt die Beweiswürdigung primär dem erkennenden Gericht. Dieses hat wie dargelegt nach sorgfältiger Überzeugung unter Berücksichtigung der Ergebnisse des gesamten Verfahrens zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzusehen ist oder nicht. Der bloße Umstand, dass nach den Beweisergebnissen allenfalls auch andere Feststellungen möglich gewesen wären, oder dass in den Akten einzelne Beweisergebnisse existieren, die für den Prozessstandpunkt des Berufungswerbers sprechen, reicht im Allgemeinen noch nicht aus, eine unrichtige oder bedenkliche Beweiswürdigung mit dem Ergebnis aufzuzeigen, dass die erstinstanzlichen Feststellungen abgeändert werden müssen (OLG Wien 133 R 80/18i ErwGr 2.1. [veröffentlicht unter RIS Justiz RW0000815]; 34 R 47/16f ErwGr 3.5. [Veröffentlichung in RIS Justiz RW0000784]; 34 R 125/15z ErwGr I.2. [Veröffentlichung unter RIS Justiz RW0000847, RW0000846]; LG Eisenstadt 13 R 93/03d, RIS Justiz RES0000012; OLG Innsbruck wie vor). Die Beweisrüge muss also überzeugend darlegen, dass die getroffenen Feststellungen entweder überhaupt zwingend unrichtig sind (OLG Wien 8 Rs 47/12b, SVSlg 62.416; 7 Ra 80/11b ZAS Judikatur 2012/95; LG Feldkirch 3 R 11/17s; 2 R 99/13v) oder wenigstens bedeutend überzeugendere Beweisergebnisse für andere Feststellungen vorliegen (OLG Wien wie vor; LGZ Wien 38 R 161/14d, MietSlg 66.718; LG Feldkirch wie vor; vgl auch LG Linz 15 R 201/09y, EFSlg 124.958; OLG Innsbruck RIS Justiz RI0100099; 13 Ra 24/20g ErwGr A.2.). Auch das Berufungsgericht ist im Rahmen der Überprüfung der vom Erstgericht getroffenen Sachverhaltsfeststellungen nicht dazu verpflichtet, sich mit jedem einzelnen Beweisergebnis und/oder mit jedem einzelnen Argument des Berufungswerbers auseinanderzusetzen (RIS Justiz RS0043162; OLG Innsbruck zB 2 R 72/18g ErwGr II.1.2.). Solche zumindest bedeutend überzeugendere Beweisergebnisse für die allenfalls in der Berufung erkennbaren Alternativfeststellungen vermag die Berufung aber aus nachstehenden Erwägungen nicht aufzuzeigen:

5.: Entgegen dem Standpunkt der Berufung kann mit dem Hinweis auf einzelne – oft aus dem konkreten Sachzusammenhang gerissenen – Passagen des Gutachtens des skitechnischen Sachverständigen kein Erfolg der Beweisrüge des Beklagten erzwungen werden: Dazu bedürfte es einer konkreten Auseinandersetzung mit allen Beweisergebnissen (6 Ob 177/21d Rz 3), die in der Berufung fehlt. Das Erstgericht hat sich nämlich – wie sich aus den Urteilsfeststellungen klar ergibt – zunächst auf den von den beiden beteiligten Skiläufern während des vom skitechnischen Sachverständigen am 26.1.2023 durchgeführten Lokalaugenscheins an Ort und Stelle im Beisein der Parteienvertreter (ON 31 S 2 f) beschriebenen Unfallort entschieden. Der Unfallort war grundsätzlich unklar (ON 47 S 3 erster und zweiter Absatz), weil der Kollisionsort laut Lokalaugenschein von der von der PI D* am 29.5.2019 verfassten Darstellung abweicht (die Darstellung der Polizei geht von einem etwas tiefer gelegenen Unfallort aus: ON 47 S 3 zweiter Absatz). Aus der Beweiswürdigung des Erstgerichts ergibt sich klar, dass es von der weiter oben gelegenen und nicht der im Rahmen der polizeilichen Befundaufnahme unterstellten Unfallstelle ausging, die beide beteiligten Skiläufer während des Ortsaugenscheins mit dem skitechnischen Sachverständigen bezeichnet haben (ON 51 S 6 dritter Absatz). Auch aus den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts in ON 51 S 4 zweiter Absatz ergibt sich zB eindeutig, dass diese auf den Darstellungen des Sachverständigen laut höher am Hang gelegener Variante, wie sie während des Lokalaugenscheins von beiden Skifahrern übereinstimmend dokumentiert und dargestellt wurde, beruhen (ON 31 S 11 f). Davon ausgehend hat das Erstgericht zu Recht jene Ausführungen des Sachverständigen, die sich auf die andere denkbare Unfallvariante beziehen und aus denen in der Berufung zitiert wird, außer Acht gelassen. Setzt man diese von beiden Skiläufern an Ort und Stelle übereinstimmend beschriebene Unfallposition als die zutreffendere voraus, der die Berufung keine schlüssigere Alternativvariante entgegen halten kann, sind die getroffenen Urteilsfeststellungen in den Ausführungen des skitechnischen Sachverständigen gedeckt:

5.1.: Dieser hat in ON 31 S 14 vierter Absatz ausdrücklich festgehalten, dass bei dieser Variante offen bleiben muss, welcher der Unfallbeteiligten unmittelbar vor der Kollision sich mit einer höheren Fahrgeschwindigkeit dem späteren Unfallbereich näherte, somit einer der beiden Beteiligten schneller fuhr als der andere (ON 31 S 14 vierter Absatz). Darin ist die zu a) angefochtene Feststellung des Erstgerichts gedeckt.

5.2.: Ebenso schlüssig ausgehend von der beim Lokalaugenschein übereinstimmend präsentierten Unfallstelle führte der Sachverständige in ON 31 S 15 dritter Absatz aus, dass sich der Beklagte einige wenige Sekunden vor der Kollision bereits auf Höhe der Einfahrt in die schmälere Passage befand und damit in etwa auf gleicher Hanghöhe wie die Klägerin. Zwei bis drei Sekunden vor dem Kontakt in der entscheidenden Letztannäherungsphase, in der beiderseits Abwehrreaktionen denkbar gewesen wären, befanden sich die Streitteile bereits auf gleicher oder annähernd gleicher Hanghöhe (ON 31 S 15 letzter Absatz S 16 erster Absatz). Somit werden auch die zu b) angefochtenen Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts vollständig vom Inhalt des skitechnischen Gutachtens gerechtfertigt.

5.3.: Schließlich hat der Sachverständige in ON 31 S 15 vierter Absatz festgehalten, es müsse offen bleiben, ob der Beklagte als nachkommender (hangwärts höher stehender) Skifahrer im Zug der Letztannäherung angesehen werden müsse. Auch die zu c) bekämpfte Sachverhaltsannahme findet daher zwanglos Deckung im skitechnischen Gutachten.

6.: Was die zu d) angefochtenen Urteilsfeststellungen anlangt, macht die Beweisrüge keinerlei Beweismittel oder alternative Beweiswürdigung geltend, die die vom Erstgericht in diesem Teil getroffenen Feststellungen zweifelhaft erschienen ließen (ON 53 S 8 f). Die rechtsprechungskonforme Ausführung des Rechtsmittelgrunds der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung erfordert die bestimmte Angabe 1) welche konkrete Feststellung bekämpft wird, 2) infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen wurde, 3) welche Feststellung stattdessen begehrt wird und 4) aufgrund welcher Beweisergebnisse die begehrte Feststellung zu treffen gewesen wäre (RIS-Justiz RS0041835 [T5]; Kodek in Rechberger/Klicka ZPO 5 [2019] § 471 ZPO Rz 15). Die Ausführungen zur Beweisrüge müssen eindeutig erkennen lassen, aufgrund welcher Umwürdigung welcher bestimmten Beweismittel welche vom angefochtenen Urteil abweichenden Feststellungen angestrebt werden (5 Ob 311/85). Dabei reicht der Verweis auf einzelne für den Berufungswerber günstige Beweisergebnisse nicht aus; erforderlich ist vielmehr eine Auseinandersetzung mit sämtlichen Beweisergebnissen. Dabei ist darzustellen, warum das Erstgericht bei richtiger Beweiswürdigung gerade die begehrte Feststellung (und nicht aufgrund anderer vorliegender Beweismittel andere Feststellungen) hätte treffen müssen (10 ObS 5/22s Rz 10; 6 Ob 177/21d Rz 3). Diesen von der Judikatur vorgegebenen Anforderungen genügt die Beweisrüge des Beklagten schon deshalb nicht, weil sie sich in dieser Passage (Punkt d) ihrer Ausführungen weder mit den den erstinstanzlichen Feststellungen zugrundeliegenden gutachterlichen Ausführungen des skitechnischen Sachverständigen befasst noch Aufschluss darüber gibt, welche unrichtige Beweiswürdigung den bekämpften Feststellungen zugrundeliegen sollte und aufgrund welcher konkreten Beweisergebnisse die begehrten Ersatzfeststellungen gerechtfertigt gewesen wären. Die Berufung enthält in diesen Bereichen nur allgemeine Ausführungen, die sich offensichtlich auf die Ortskenntnis des am Lokalaugenschein teilnehmenden Parteienvertreters und dessen – offensichtlich – profundes skitechnisches Wissen beziehen, nicht aber auf konkrete Beweismittel im vorliegenden Verfahren. Damit kann das Berufungsgericht auf die Beweisrüge mangels ihrer judikaturkonformen Darstellung nicht eingehen.

Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch diese Feststellungen in der Darstellung des skitechnischen Sachverständigen gedeckt sind (ON 31 S 14 fünfter und sechster Absatz). Die Beweisrüge wäre daher auch in Punkt d) inhaltlich unbegründet.

7.: Insgesamt betrachtet muss die Beweisrüge daher aus den erwähnten inhaltlichen und teilweise auch formellen Gründen versagen. Das Berufungsgericht hat seiner rechtlichen Beurteilung die vom Erstgericht getroffenen Urteilsannahmen zugrundezulegen.

B. Zur Rechtsrüge:

1.: Vorauszuschicken ist, dass das Erstgericht und die Parteien die Rechtsfrage zutreffend nach österreichischem Recht abhandeln: Mangels Anhaltspunkten für eine wirksame abweichende Rechtswahl oder für die Anknüpfungsregel für die speziellen Deliktstypen in den Art 5 bis Art 9 Rom II-VO (EG) Nr. 864/2007 ist aufgrund des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts im Zeitpunkt des Schadensereignisses im selben Staat (Österreich) das Recht dieses Staats gemäß Art 4 Abs 2 Rom II-VO anwendbar, weil der Sachverhalt keine offensichtliche engere Verbindung zu einem anderen Staat aufweist ( Neumayr Vor Art 1 Rom II VO in KBB 7 [2023] Rz 3).

2.: Wie in der Berufung richtig dargestellt wird, haben Skifahrer im Einklang mit dem allgemeinen Sorgfaltsgebot, insbesondere im Hinblick auf die körperliche Integrität, danach zu trachten, dass sie andere nicht gefährden. Dabei kommt den sogenannten „FIS-Regeln“ und den vom österreichischen Kuratorium für alpine Sicherheit erarbeiteten Pistenordnungsentwurf (sogenannte POE-Regeln) als Zusammenfassung der Sorgfaltspflichten, die bei der Ausübung des alpinen Skisports im Interesse aller Beteiligten zu beachten sind und eine Anwendung des allgemeinen Grundsatzes bilden, wonach sich jeder so verhalten muss, dass er niemanden anderen gefährdet, erhebliche Bedeutung zu (RIS-Justiz RS0023793; RS0023410 [T2]). Nach der FIS-Regel 1 (Rücksichtnahme auf andere Skifahrer und Snowboarder) muss sich unter anderem jeder Skifahrer so verhalten, dass er niemanden anderen gefährdet oder schädigt. In neuralgischen Pistenbereichen, wie etwa Kreuzungs- oder Gegenverkehrsbereichen, besteht daher eine Verpflichtung zur besonderen Vorsicht und Aufmerksamkeit sowie zur Beobachtung des entgegenkommenden bzw kreuzenden Verkehrs (1 Ob 59/19m; 5 Ob 11/18f; 1 Ob 16/12b). Gemäß der FIS-Regel 2 (Beherrschung der Geschwindigkeit und der Fahrweise) besteht unter anderem für jeden Skifahrer das Gebot des Fahrens auf Sicht (RIS-Justiz RS0023345; RS0023544; RS0023868) und zur kontrollierten Fahrweise (RIS-Justiz RS0023429). FIS-Regel 5 (Einfahren, Anfahren und Hangaufwärtsfahren) verpflichtet unter anderem jeden Skifahrer, der in eine Abfahrt einfährt, nach einem Halt wieder anfährt oder hangaufwärts schwingen oder fahren will, sich nach oben und unten zu vergewissern, ob er dies ohne Gefahr für sich oder andere tun kann. FIS-Regel 5 ist daher Ausdruck des Gedankens, dass demjenigen, der sich in atypischer Weise entgegen der allgemeinen Fahrtrichtung bewegt – oder sich erst in den Pistenverkehr einordnet – und so eine Gefahr begründet, die anderen Pistenbenützer häufig überrascht und daher besondere Sorgfaltspflichten treffen (RIS-Justiz RS0120377).

3.: Das Erstgericht hat richtig erkannt, dass es bei Skiunfällen von zwei privaten Skiläufern und Pistenbenützern grundsätzlich um eine Verschuldens - und nicht um eine Gefährdungs haftung geht. Für ein Verschulden des Unfallgegners, also zB fahrtechnische Fehler oder Missachtung von Pistenregeln oder sonst nach den Umständen erheblichen Sorgfaltsverstößen ist derjenige Unfallbeteiligte im Prozess behauptungs- und beweispflichtig, der sich auf ein solches Fehlverhalten des Unfallgegners beruft (für Skiunfälle ausdrücklich etwa: 10 Ob 170/00y; OLG Innsbruck 3 R 36/20y ErwGr B. 2.; 3 R 80/19t ErwGr C. 4.1.). Daher hätte der Beklagte ein unfallkausales Fehlverhalten der Klägerin in den von ihm in der Berufung ventilierten Richtungen, insbesondere dass die Klägerin bereits in ihrer Position von ihrem Haltepunkt aus einen guten Überblick auf die Gegebenheiten bzw den Unfallbereich insbesondere auch die Ankommrichtung des Beklagten gehabt hätte und den Beklagten daher schon zu diesem Zeitpunkt wahrnehmen hätte können und müssen (ON 53 S 4 Mitte und S 5 Mitte), beweisen müssen. Dass die Klägerin insbesondere im Rahmen der Ausfahrt ihrer jeweiligen Rechtsschwünge die günstige Möglichkeit gehabt hätte, vorausschauend in Richtung des Beklagten zu blicken (ON 51 S 5 dritter Absatz), steht ohnehin unbekämpft fest. Die Berufung übersieht aber, dass auch der Beklagte im Zuge seiner Traversenfahrt (teilweisen Pistenquerung) ein gleicher Blickanteil nach links oben wie auch nach rechts unten bestand und er deshalb auf die Annäherungsrichtung der Klägerin Sicht hatte (wiederum unbekämpft festgestellt in ON 51 S 5 dritter Absatz). Daher traf das Erstgericht die vom Berufungsgericht gebilligte Feststellung, dass beide Skiläufer sich bei Annäherung an die Kollisionsstelle bei vorausschauender Blickweise wechselseitig wahrnehmen hätten können (ON 51 S 5 dritter Absatz ca Mitte). Berücksichtigt man also für den Bereich der Erledigung der Rechtsrüge des Beklagten zwingend (RIS-Justiz RS0042663 [T1]; RS0043603 [T2, T8]) die gesamten in der Berufung nicht beachteten Urteilsfeststellungen ist aus diesen die Meinung der Berufung, nämlich dass die Klägerin die hangaufwärts befindliche „nachkommende“ Skifahrerin gewesen wäre, die entsprechend FIS-Regel 5 bereits bei ihrer Einfahrt besonderen Sorgfaltspflichten unterlegen wäre (RIS-Justiz RS0120377), nicht zu rechtfertigen.

4.: Der dem Rechtsmittel – möglicherweise – vorschwebenden Berücksichtigung des in ON 53 S 4 Mitte und ON 53 S 5 Mitte beschriebenen Einfahrens der Klägerin aus der Stillstandsposition in die Piste erfolgte wie selbst das Rechtsmittel einräumt nach den Feststellungen geraume Zeit vor der späteren Kollision (zB ON 53 S 4 drittletzter Absatz). Einem Verstoß der Klägerin gegen FIS-Regel Nr 5 steht die Tatsache entgegen, dass die Verpflichtung zu erhöhter Aufmerksamkeit, Vorsicht und gegebenenfalls zum Anhalten aufgrund der Einfahrsituation nur bis zu einem Zeitpunkt bestand, in welchem sie dem auch vom Beklagten benutzten Pistenabschnitt herrschenden Verkehr angepasst war ( Michitsch Die FIS-Pistenregeln im Vergleich zur StVO, ZVR 2007/21, 40 [44 L Pkt E erster Absatz]; OLG Innsbruck 11.11.2010, 3 R 160/10v ErwGr B. 4.). Es gibt jedoch keinen aktenkundigen Umstand, der den Schluss zuließe, dass die Klägerin trotz der festgestelltermaßen (ON 51 S 4 Mitte) von ihr bis zur Kollisionsstelle zurückgelegten Strecke von (mindestens) 45 m noch nicht Teil des Pistenverkehrs geworden sei und ihr Einfahrmanöver nicht bereits beendet hätte. Solche konkreten aktenbasierten Umstände trägt auch die Berufung nicht vor. Auch nach dem Akteninhalt, insbesondere dem skitechnischen Gutachten ON 31 S 5 (wie auch den eben zitierten Feststellungen), betrug die Fahrstrecke der Klägerin ab dem Einfahren bis zum Unfallort mindestens 45 m. Damit kann zwanglos unterstellt werden, dass sie bereits Teil des Pistenverkehrs auf dem Unfallabschnitt der Piste war. Es fehlt daher bereits am Nachweis eines objektiv schutznormwidrigen Verhaltens der Klägerin.

5.: Entgegen dem Standpunkt der Berufung konnte der Beklagte seine Behauptungen, die Klägerin sei die von oben kommende Skiläuferin gewesen, die der Beklagte in der skitechnisch entscheidenden Phase vor der Kollision nicht erkennen hätte können (ON 11 S 2), die er weder in der Tagsatzung zum 26.1.2023 ON 23 noch im Schriftsatz vom 6.6.2023 (ON 39 S 2) oder in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 19.10.2023 (ON 47 S 7) substantiiert ergänzt hat, nicht unter Beweis stellen, wie der Vergleich mit den eben dargestellten Urteilsfeststellungen zeigt.

Falls die Berufung auf eine längere Wahrnehmbarkeit des Beklagten durch die Klägerin abstellen sollte, ist festzuhalten, dass in der Berufung – auch im Rahmen der Rüge eines sekundären Feststellungsmangels – nicht konkret dargestellt wird, ab welchem Zeitpunkt sich der Beklagte für die Klägerin als Gefahr oder zu berücksichtigendes Hindernis auf der Piste darstellte. Das Erstgericht wollte ganz offensichtlich Feststellungen über die konkreten Bewegungsabläufe nur auf den letzten zwei bis drei Sekunden vor der Kollision als gesichert annehmen (ON 51 S 4 f iVm dem Hinweis in der Beweiswürdigung auf die auch durch den Ehegatten der Klägerin als Zeugen nicht näher aufklärbaren Fahrlinien in S 6 unten). In diesen letzten Sekunden vor der Kollision, die übrigens selbst im Rechtsmittel als wesentlich dargestellt werden (ON 53 S 5 dritter Absatz aE), trifft beide Skiläufer in gleichem Ausmaß ein Verstoß gegen FIS-Regel 1 und FIS-Regel 2, also ein Aufmerksamkeitsdefizit und eine Fehlreaktion.

6.: Auch die in der Berufung an den zitierten Stellen begehrte ergänzende Tatsachenfeststellung (ON 53 S 4 Mitte und S 5 Mitte), wonach die Klägerin „mangels Sichtbehinderung schon von ihrem Haltepunkt aus bereits einen guten Überblick auf die Gegebenheiten bzw den Unfallbereich und insb. auch die Ankommrichtung des Beklagten gehabt hätte und sie den Beklagten (ausgehend von ihrer Verpflichtung, sich vor dem Losfahren über den Pistenverkehr zu vergewissern) schon zu diesem Zeitpunkt wahrnehmen hätte können/müssen“, führte selbst wenn sie getroffen würde ebenfalls nicht zu einer für den Beklagten günstigeren Endbeurteilung: Denn in diesen begehrten ergänzenden Feststellungen wird weder dargestellt noch darauf (tatsächlich) Rücksicht genommen, ob die Klägerin den Beklagten zum Zeitpunkt der in den ergänzenden Feststellungen unterstellten Losfahrt von ihrem Haltepunkt als Gefahr erkennen hätte können. Dies ist bei der nach den Feststellungen des Erstgerichts im von den ergänzenden Feststellungen angesprochenen rund 220 m langen und enorm breiten Pistenabschnitt (ON 51 S 4 erster Absatz der Urteilsannahmen) ohne weitere – im Rechtsmittel fehlende – Argumentation auch nicht einsichtig und nicht schlüssig begründbar. Dass es nach den oben zu ErwGr 4. erwähnten Feststellungen am Nachweis eines Verstoßes der Klägerin gegen FIS-Regel 5 fehlt, wurde bereits dargelegt. Wenn man die ergänzend begehrten Feststellungen auch darauf bezieht, scheitert die Rüge wegen sekundärer Feststellungsmängel insoweit an den gegenteiligen Feststellungen in ON 51 S 4 Mitte (RIS-Justiz RS0043320 [T18]).

7.: Soweit die Rechtsrüge auf die letzte Phase von zwei bis drei Sekunden vor der Kollision abstellt (ON 53 S 4 Mitte und ON 53 S 5 dritter Absatz), kollidieren die verlangten ergänzenden Feststellungen mit den vom Erstgericht bereits getroffenen: Denn einerseits steht fest, dass die Klägerin bei ihrer vorletzten Rechtsschwungausfahrt unfallvermeidend (gefahrenabwehrend) reagieren hätte können, indem sie den Linksschwung weiter vom herannahenden Beklagten setzen hätte können; andererseits wurde vom Erstgericht angenommen, dass dem Beklagten die Möglichkeit einer gefahrenabwehrenden Reaktion bereits zu einem Zeitpunkt offen stand, als er sich dem Ende der ***anlage näherte. Zu diesem Zeitpunkt hätten also beide Skiläufer noch gefahrenabwehrend reagieren können (ON 51 S 5 dritter Absatz), weil sie sich zwei bis drei Sekunden vor dem Kontakt bereits auf gleicher oder annähernd gleicher Höhe im Hang befanden (ON 51 S 5 zweiter Absatz). Ein sekundärer oder auch rechtlicher Feststellungsmangel kann dann nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden, wenn das Erstgericht zu einem Sachverhaltskomplex bereits Feststellungen getroffen hat, mögen sie auch den Vorstellungen des Berufungswerbers zuwiderlaufen (RIS-Justiz RS0043320 [T18]; RS0043480 [T15, T19]; RS0053317 [T1]). Aus welcher Ausgangsposition sich die Streitteile in diese Situation zwei bis drei Sekunden vor der späteren Kollision begeben haben, insbesondere welche Blickmöglichkeiten die beteiligten Skiläufer – so die Darstellung der Berufung bezogen auf die Klägerin – lange vor Erreichen dieser Positionen der Letztvermeidbarkeit zwei bis drei Sekunden vor der Kollision hatten, ist bei dieser Feststellungslage nicht mehr entscheidungserheblich.

8.: Auch bei Skiunfällen gilt grundsätzlich, dass das Mitverschulden iSd § 1304 ABGB kein Verschulden im technischen Sinn voraussetzt; auch eine Rechtswidrigkeit des Verhaltens ist nicht erforderlich; es genügt vielmehr eine Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern , worunter auch die Gesundheit fällt (5 Ob 11/18f ErwGr 3.3.; vgl RIS-Justiz RS0022681; RS0032045; OLG Innsbruck zB 2.4.2019, 3 R 21/19s ErwGr B. 3.1.). Bei der Beurteilung des Fehlverhaltens des Verletzten – auch Skifahrers – steht die Frage im Vordergrund, ob er jene Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die ein verständiger Teilnehmer/Skifahrer in seiner Lage angewendet hätte, um eine Schädigung zu verhindern oder abzuwenden (OGH und OLG Innsbruck wie vor; vgl RIS-Justiz RS0022681 [T15]). Das Ausmaß eines Mitverschuldens des Geschädigten kann wegen seiner Einzelfallbezogenheit nicht als erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO gewertet werden (RIS-Justiz RS0087606 [T1]; RS0022681 [T8, T10, T11]).

9.: Die Abwägung des beiderseitigen Fehlverhaltens von unter anderem Skiläufern stellt auch bei Skiunfällen auf die konkreten Einzelfallumstände abstellende Ermessensentscheidung dar (2 Ob 113/09w; 2 Ob 49/09h; OLG Innsbruck zB 24.1.2020, 3 R 80/19t ErwGr 4.2.). Dabei ist ua zu berücksichtigen, wer das primär unfallauslösende Fehlverhalten setzte (1 Ob 59/19m ErwGr 5. aE; 3 Ob 171/05a; OLG Innsbruck wie vor). Dabei wird auch gewichtet, welcher der beteiligten Skifahrer besonders schwer (OLG Innsbruck wie vor und 3 R 194/11w; 3 R 137/11p; 3 R 39/10z) oder gegen besonders viele Pistenordnungsregeln gleichzeitig verstoßen (vgl 6 Ob 269/00b; OLG Innsbruck 3 R 80/19t ErwGr 4.2.; 3 R 194/11w) oder wer sonst ein außergewöhnliches Fahrmanöver durchgeführt hat (6 Ob 269/00b; OLG Innsbruck 3 R 80/19t ErwGr 4.2.; 3 R 137/11p). Wenn keiner der beteiligten Wintersportler ein primär unfallauslösendes oder besonders schweres oder mehrfach (gegen Pistenordnungsregeln) verstoßendes Verhalten verwirklicht hat, sondern – wie hier – beide (bloß) unaufmerksam fuhren, ist im Zweifel eine Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 1 angemessen (1 Ob 59/19m ErwGr 5. aE mwH auf 1 Ob 16/12b; OLG Innsbruck 3 R 80/19t ErwGr 4.2.).

Auch gegen die gleichteilige Verschuldensbeurteilung des Erstgerichts vermag die Berufung ausgehend vom dargestellten Urteilssachverhalt keine stichhaltigen Gründe ins Treffen zu führen.

10.: Auch die Rechtsrüge der Berufung muss daher versagen.

C. Verfahrensrechtliches:

1.: Da das Erstgericht über die Verfahrenskosten erster Instanz nicht entschieden, sondern einen gemäß § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO unanfechtbaren Kostenvorbehalt bis zur rechtskräftigen Entscheidung gefasst hat, ist in höherer Instanz gemäß § 52 Abs 2 Satz 2 ZPO ebenfalls ein Kostenvorbehalt zu setzen, weil nach dieser Bestimmung immer das Erstgericht nach rechtskräftiger Erledigung der Streitsache über sämtliche Verfahrenskosten zu entscheiden hat (für viele: Schindler/Schmoliner in Kodek/Oberhammer ZPO-ON [2023] § 52 Rz 12).

2.: Der weitere Rechtszug ist gemäß § 502 Abs 2 ZPO (Berufungsinteresse übersteigt nicht EUR 5.000,--) jedenfalls abgeschnitten, worüber gemäß § 500 Abs 2 ZPO ein eigener Ausspruch in den Tenor der Berufungsentscheidung aufzunehmen war.

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