3R10/24f – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
beschluss
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Kohlegger als Vorsitzenden sowie die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Pirchmoser und den Richter des Oberlandesgerichts MMag. Dr. Dobler als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. A* , geb am **, ohne Beschäftigungsbezeichnung, **, **, vertreten durch Dr. Felix Graf, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, gegen die beklagte Partei B* , geb am **, Flugkapitän in **, **, vertreten durch Mag. Christof Brunner, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, wegen EUR 483.815,65 s.Ng., über den Rekurs der klagenden Partei (ON 38) gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 17.1.2024, 12 Cg 117/22v 36, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Der Rekurs wird z u r ü c k g e w i e s e n .
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen zu Handen des Beklagtenvertreters die mit EUR 3.087,06 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.
Der (ordentliche) Revisionsrekurs ist n i c h t zulässig.
Text
begründung:
Gegenstand des am 12.12.2022 eingeleiteten Verfahrens ist ein vom Kläger gegen den Beklagten behaupteter Schadenersatzanspruch. Der Beklagte habe als bestellter Gerichtssachverständiger im Verfahren 56 Cg 52/19v LG Feldkirch eine Haftung der C* GmbH D* als (dort) Beklagte für eine Schädigung des Klägers im Rahmen eines Tandemflugs vom 4.8.2016 gutachterlich verneint.
Dieses Begehren wurde vom Beklagten bestritten, weil das Gutachten fachgerecht erstattet worden sei.
Mit den Beschlüssen vom 5.9.2023 (ON 20) und vom 27.11.2023 (ON 27) bestellte das Erstgericht den Sachverständigen E*.
Dagegen brachte der Kläger am 27.12.2023 einen Ablehnungsantrag ein (ON 32): Der Sachverständige habe offenbar mit dem Beklagtenvertreter und dem Beklagten vorprozessual mehrfach Kontakt gehabt. Letztere seien auf Facebook „befreundet“. Der Beklagte kenne den Sachverständigen überdies aus dem *klub und beide hätten nahegelegene Wohnsitze. Das in der Paragleitercommunity vieldiskutierte und als Lehrbeispiel kursierende Video über den Absturz des Klägers habe der Sachverständige in seinem Gutachten nicht einmal erwähnt, obwohl er es kennen müsse oder wenn nicht, ihm die fachliche Qualität zur Begutachtung fehle.
Der Sachverständige (ON 35) und der Beklagte (ON 34) widersprachen dem Ablehnungsantrag, weil die Paragleitergemeinde so klein sei, dass sich ihre Mitglieder mindestens national auf Wettbewerben, Messen, Weiterbildungen oder Fliegertreffen udgl gelegentlich träfen und vom Sehen kennen würden. Alle professionellen Paragleiter seien Mitglieder im österreichischen *klub, der dem F* (G* H*) und dem I* (J* H*) stark verbunden sei. Ein persönliches Naheverhältnis werde bestritten.
Mit dem bekämpften Beschluss verwarf das Erstgericht den Ablehnungsantrag des Klägers (Spruchpunkt 1.) und verpflichtete den Kläger zum Ersatz der mit EUR 2.474,70 bestimmten Kosten des Zwischenstreits über die Ablehnung des Sachverständigen. Bloß berufliche Kontakte auf Wettbewerben, Messen, Weiterbildungen oder Fliegertreffen, die nach den unwiderlegten Ausführungen des Sachverständigen 2012 geendet hätten, stellten keinen Befangenheitsgrund dar. Persönliche Bekanntschaft/Nahebeziehung sei aufgrund der unwiderlegbaren Angaben des Sachverständigen trotz der eingeräumten Facebookfreundschaft (zum Beklagtenvertreter) nicht gegeben, die Viedeoaufzeichnung sei dem Sachverständigen unbekannt gewesen. Fachliche Unkenntnis gebe keinen Befangenheitsgrund iS § 355 ZPO ab.
Gegen diese Entscheidung wendet sich nunmehr der (rechtzeitige) Rekurs des Klägers aus den Rechtsmittelgründen der Nichtigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung dahin abzuändern, dass der Sachverständige abgelehnt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückweisungsantrag gestellt; hilfsweise wird die Aufhebung des Kostenzuspruchs über den Zwischenstreit an den Kläger verlangt (ON 38 S 7).
In seiner (fristgerechten) Rekursbeantwortung beantragt der Beklagte , den gegnerischen Rekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm keine Folge zu geben und den Kläger jedenfalls in den Ersatz der Kosten des Rekursverfahrens zu verfällen (ON 42 S 6 f).
Der Rekurs erweist sich aus nachstehenden Erwägungen als unzulässig:
Rechtliche Beurteilung
1.: Gemäß § 366 Abs 1 ZPO ist eine abgesonderte Anfechtung eines Beschlusses, mit dem die Ablehnung eines Sachverständigen verworfen wird, nicht zulässig (3 Ob 212/22f Rz 10; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka ZPO 5 [2019] § 366 ZPO Rz 1; Spitzer in Kodek/Oberhammer ZPO ON [2024] § 366 Rz 4 FN 6; für das außerstreitige Verfahren siehe §§ 35, 45 zweiter Satz AußStrG und RIS Justiz RS0040730 [T10, T12]; OLG Wien 16.6.2023, 6 R 197/23v; für das ASG-Verfahren zB OLG Wien 24.2.2023, 7 Rs 94/22b). Anderes gilt nur in einem von einem Hauptprozess unabhängigen Beweissicherungsverfahren, weil in einem solchen eine weitere Anfechtung im Sinn des § 515 ZPO nicht mehr erwartet werden kann (3 Ob 212/22f Rz 10; RIS Justiz RS0123678). In solchen Fällen können die Parteien gemäß § 515 ZPO ihre Beschwerden gegen diesen Beschluss mit einem gegen die nachfolgende anfechtbare Entscheidung – zB einer Gebührenbestimmung (3 Ob 212/22f Rn 12 ff; OLG Wien 3 R 47/19g, SV 2020/1, 38) – eingebrachten Rechtsmittel verbinden und zur Geltung bringen, oder damit bis zur Endentscheidung zuwarten und das Rechtsmittel des Rekurses mit dem Rechtsmittel gegen die Endentscheidung verbinden (5 Ob 21/97t; OLG Wien 2 R 139/19d, SV 2021/1, 37; OLG Wien 8 Rs 118/14b, SVSlg 64.810; 10 Rs 14/01, SVSlg 50.252; OLG Innsbruck 22.1.2024, 5 R 79/23s, 80/23p ErwGr A. 6.1.; 3 R 66/23i, 67/23m = RIS Justiz RI0100155).
2.: Wohl hat das Oberlandesgericht Innsbruck in 3 R 66/23i, 67/23m, RIS Justiz RI0100155, den Standpunkt vertreten, dass eine – wenn auch sinngemäß deren Unterbleiben im Zwischenstreit über die Ablehnung nachholende – nach der Verwerfung der Ablehnung gegen den Sachverständigen abgesondert getroffene Kostenentscheidung als nächstfolgend anfechtbare Entscheidung im Sinn des § 515 ZPO anzusehen ist (3 R 66/23i, 67/23m ErwGr A. 2.). Im vorliegenden Fall wurde die Kostenentscheidung aber mit dem Beschluss über die Verwerfung der Ablehnung des Sachverständigen (§ 355 ZPO) verbunden und nicht eine in einem später gesondert ausgefertigten zeitlich nachfolgenden und formal anfechtbaren Beschluss gefasste Kostenentscheidung. Diese Kostenentscheidung ändert daher nichts am Eingreifen der Rechtsmittelbeschränkung des § 366 Abs 1 ZPO. Der Rekurs war daher als unzulässig zurückzuweisen, weil hier eine unterschiedliche Behandlung der ebenfalls angefochtenen Kostenentscheidung (Spruchpunkt 2. ON 36) wegen des untrennbaren Sachzusammenhangs mit der Ablehnungsfrage nicht in Betracht kommt: Der Umstand, dass der Rekurs in der Sache mit jenem gegen den Kostenausspruch (Spruchpunkt 2.) zur Verwerfung des Ablehnungsantrags (ON 36 Spruchpunkt 1.) verbunden wurde, ändert nichts an der fehlenden selbstständigen Anfechtbarkeit des erstinstanzlichen Beschlusses (4 Ob 73/22x Rz 10; 9 Ob 27/18p). Die Entscheidung über die Kosten teilt das Schicksal der Entscheidung in der Hauptsache und ist daher ebenfalls nicht abgesondert anfechtbar (4 Ob 73/22x Rz 10; 4 Ob 156/06d). Bei Bejahung der selbstständigen Anfechtbarkeit der Kostenentscheidung und der damit einhergehenden Möglichkeit der Verbindung des Rekurses gegen die Verwerfung des Ablehnungsantrags wäre die Bestimmung des § 366 Abs 2 ZPO obsolet. Andernfalls würde die Bekämpfung einer akzessorischen Nebenentscheidung stets die Bekämpfung einer Hauptsachenentscheidung (hier: Verwerfung der Ablehnung des Sachverständigen) eröffnen, für die der Gesetzgeber die abgesonderte Anfechtbarkeit ausdrücklich ausgeschlossen hat. Voraussetzung der Statthaftigkeit eines aufgeschobenen Rekurses wäre wie erwähnt, dass das Rechtsmittel, mit dem er verbunden wird, auch verfahrensrechtlich zulässig ist (RIS Justiz RS0043991; RI0100155). Dies ist hier nicht der Fall, weil die Kostenentscheidung in ON 36 Spruchpunkt 2. ebenfalls nicht gesondert anfechtbar ist. Damit wird auch kein Rechtsschutzdefizit bewirkt: Der Kläger kann eine Überprüfung der Kostenentscheidung gemeinsam mit einer allfälligen Bekämpfung der Entscheidung in der Hauptsache erwirken (4 Ob 73/22x Rz 10 12).
3.: Da das Rechtsmittel jedenfalls unzulässig ist, steht die noch ausstehende Erledigung des Ablehnungsantrags des Klägers gegen den die Entscheidung verfassenden Richter des Landesgerichts Innsbruck in diesem Verfahren nicht entgegen.
4.: Die Kostenentscheidung im Rekursverfahren beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Rekursgegner hat zutreffend auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen, sodass ihm Kostenersatz zusteht (4 Ob 73/22x Rz 14).
5.: Ein Beschluss des Rekursgerichts, mit dem ein Rekurs gegen eine Entscheidung erster Instanz zurückgewiesen wurde, ist nur unter den Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO anfechtbar (4 Ob 73/22x Rz 6 f; RIS Justiz RS0044501). Eine erhebliche Rechtsfrage in der von § 528 Abs 1 ZPO geforderten Qualität war aber in diesem Rekursverfahren nicht zu lösen, sodass sich der weitere Rechtszug an das Höchstgericht als nicht zulässig erweist. Darüber war gemäß den §§ 526 Abs 3, 500 Abs 2 Z 3 ZPO ein eigener Ausspruch in den Tenor der Rekursentscheidung aufzunehmen.