JudikaturOLG Innsbruck

3R104/23b – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
11. Dezember 2023

Kopf

Im Namen der Republik

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Kohlegger als Vorsitzenden sowie die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Pirchmoser und den Richter des Oberlandesgerichts MMag. Dr. Dobler als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geb am **, Personalberaterin in **, **straße **, vertreten durch Adam Felix Rechtsanwälte KG in **, **-Gasse **, gegen die beklagte Partei B* , geb am **, ohne aktuelle Berufsbezeichnung (früher: Schüler) in **, **, vertreten durch Dr. Martin Neuwirth, Dr. Alexander Neurauter, Rechtsanwälte in 1010 Wien, wegen EUR 32.059,57 und Feststellung (Streitwert gemäß § 56 Abs 2 S 1 JN: EUR 5.000,--; Gesamtstreitwert: EUR 37.059,57 je s.Ng.), über die Berufung der klagenden Partei (ON 72; Berufungsinteresse in der Hauptsache: EUR 37.059,57 und im Kostenpunkt EUR 577,98 je s.Ng.) gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 28.6.2023, 11 Cg 21/19s 68, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung in der Hauptsache wird k e i n e Folge gegeben.

Der Berufung im Kostenpunkt wird t e i l w e i s e Folge gegeben und der Kostenzuspruch an die beklagte Partei auf EUR 20.891,80 (einschließlich EUR 3.052,35 Umsatzsteuer und EUR 2.577,70 Barauslagen) reduziert.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen zu Handen der Beklagtenvertreter die mit EUR 3.386,36 (einschließlich EUR 564,39 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.

Die (ordentliche) Revision ist n i c h t zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 24.12.2017 ereignete sich gegen 12:00 Uhr in C* ** auf der (roten) Piste Nr 144 ein Schiunfall unter Beteiligung der Streitteile als Schifahrer: Der Unfallort liegt auf dem untersten Abschnitt der Piste kurz vor dem sogenannten „Flexenhäusl“. Der letzte Hangabschnitt oberhalb des markierten Unfallbereichs weist ein Gefälle von ca 22° auf, die Piste ist beidseitig randmarkiert mit einer Breite von ca 43 45 m. Die Sichtverhältnisse waren gut (Sonnenschein), die Piste war kompakt, aber nicht eisig. Es war wenig Pistenverkehr.

[Abb. 2 Blick aus rund 180m Entfernung – nicht wiedergegeben]

[Abb. 3 mit Unfallbereich – nicht wiedergegeben]

Der Beklagte fährt seit seinem dritten Lebensjahr Schi und befuhr die Piste im Unfallbereich zum ersten Mal. Ebenso fährt die Klägerin seit Kindheitstagen Schi und fährt „recht gut“.

Die Klägerin war am Unfallstag mit ihrem Ehegatten und ihren beiden Söhnen im Skigebiet Zürs mit Alpinschiern unterwegs, wobei sie einzeln und nicht als Gruppe fuhren. Der Beklagte war dort ebenso mit seinen Eltern sowie einem weiteren Familienmitglied mit Alpinschiern unterwegs.

Unmittelbar vor dem Zusammenstoß fuhr die Klägerin in kurzen Schwünge in gemäßigtem Tempo auf der rechten Seite der Piste Richtung Tal. Der Beklagte fuhr zur gleichen Zeit in langen Bögen ruhig, kontrolliert mit langsamer Geschwindigkeit talwärts. Im untersten Bereich der Piste kam es schließlich zur Kollision zwischen den Streitteilen, wobei die Klägerin sich mit den Händen nicht abstützte, auf die rechte Körperseite stürzte, mit dem Gesicht im Schnee landete, wodurch die Schibrille beschädigt wurde, und in Unfallendlage auf dem Bauch mit dem Kopf in Richtung Straße lag.

Sowohl Klägerin als auch Beklagter nahmen sich vor der Kollision wechselseitig nicht wahr.

Die Unfallendlage der Klägerin befand sich ca 17 18 m von der Kollisionsstelle entfernt, der Beklagte lag etwas seitlich oberhalb der Klägerin. Die Klägerin wurde durch die Kollision schwer verletzt. Der Beklagte blieb unverletzt, lediglich seine Schihose wurde beschädigt.

Die Klägerin erlitt im Zuge des Zusammenstoßes ein Hämatom in Form einer wolkig geformten dunkelbraunen Verfärbung an der rechten Körperaußenseite in Höhe der hinteren Achselfaltenlinie über den unteren Rippen. Diese Weichteileinblutung ist Folge einer lokalen stumpfen (nicht spitzen) mechanischen Gewalteinwirkung. Aus der Form der Verletzung kann nicht auf eine besondere Struktur der einwirkenden Oberfläche geschlossen werden. Das Hämatom kann vom eigenen Ellbogen der Klägerin stammen, jedoch sind auch andere stumpfmechanische Gewalteinwirkungen als Ursache möglich. Nähere Differenzierungen sind nicht möglich.

Überdies erklärte das Erstgericht folgende vom schitechnischen Sachverständigen erstellte Skizze zum integralen Urteilsbestandteil:

[Abb. der Skizze des schitechnischen Sachverständigen zu den Kontaktvarianten – nicht wiedergegeben]

Von diesem Sachverhalt muss das Berufungsgericht - als vom Rechtsmittel nicht tangiert - ausgehen (§ 498 Abs 1 ZPO).

Mit der am 6.5.2019 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die Klägerin nach Ausdehnung EUR 32.057,57 und die mit EUR 5.000,-- bewertete Feststellung der Haftung des Beklagten für sämtliche künftigen Folgen resultierend aus dem Schiunfall vom 24.12.2017. Dazu bringt sie zusammengefasst und gekürzt vor, sie sei in kurzen und gleichmäßigen Schwüngen am rechten Pistenrand talwärts Richtung C* gefahren. Kurz vor dem „**“ habe sie der Beklagte von hinten kommend mit überhöhter Geschwindigkeit gerammt. Dadurch sei die Klägerin zu Sturz gekommen. Die Klägerin habe den Unfall nicht vermeiden können. Das Alleinverschulden am Zustandekommen des Unfalls treffe den Beklagten. Dieser sei mit überhöhter Geschwindigkeit ohne die notwendige Sorgfalt und Aufmerksamkeit und ohne Beachtung der gültigen FIS Regeln mit der Klägerin kollidiert. Der Beklagte räume im Strafverfahren (Staatsanwaltschaft Feldkirch 85 BAZ 35/18k) selbst ein, in langgezogenen Kurven auf der Piste unterwegs gewesen zu sein. Dies entspreche einer Pistenkreuzung und müsse unter besonderer Vorsicht vorgenommen werden.

Der Beklagte bestreitet, beantragt kostenpflichtige Klagsabweisung und wendet zusammengefasst ein: Der Beklagte habe sich auf der roten Piste in Fahrtrichtung C* talwärts bewegt und vor der Kollision eine Linkskurve gefahren. Plötzlich sei die Klägerin von hinten/oben kommend als die schnellere Schifahrerin mit dem Beklagten kollidiert. Die Klägerin habe daher die FIS Regel Nr 3 missachtet. Das Alleinverschulden treffe deshalb sie. Sie sei nach der Kollision 18 m von der Kollisionsstelle bergab in Endlage zum Stillstand gekommen, während der Beklagte in einer Entfernung von rund 10 m von der Kollisionsstelle zu liegen gekommen sei. Dieser Umstand weise eindeutig darauf hin, dass die Klägerin die von hinten kommende schnellere Schifahrerin gewesen sei, die nach dem Sturz mit mehr Energie weiter talwärts getragen worden wäre.

Das Strafverfahren gegen den Beklagten sei gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt worden. Daraus sei für die Klägerin also nichts zu gewinnen.

Mit dem bekämpften Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren ab (Spruchpunkt 1.) und verpflichtete die Klägerin dazu, dem Beklagten die mit EUR 21.469,60 einschließlich dem von der Klägerin beeinwendeten Antrag auf Aktenabschrift vom 12.8.2019 (StA Feldkirch) bestimmten Verfahrenskosten zu ersetzen.

Diesem Erkenntnis legte das Erstgericht den eingangs der Berufungsentscheidung wiedergegebenen Sachverhalt samt Bildern und Skizze zugrunde, auf die gemäß § 500a ZPO verwiesen werden kann.

Darüber hinaus traf das Erstgericht folgende im Berufungsverfahren von der Klägerin bekämpfte Feststellungen (ON 68 S 5 vorletzter Absatz und S 6 erster Absatz):

„Es kann nicht festgestellt werden […], wie sich die Kollision ereignet hat, insbesondere ob bzw welche Körperteile der Streitteile in Kontakt waren. Ebenso kann nicht festgestellt werden, wer in der Annäherungsphase 2 3 Sekunden vor dem Zusammenstoß der von oben bzw hinten kommende Skifahrer war oder ob einer der Streitteile den Zusammenstoß hätte verhindern können.

[…]

Nicht festgestellt werden kann, welche Ursache für das Hämatom wahrscheinlicher ist, ein Anprall des Beklagten auf die rechte Körperseite und Sturz der Klägerin auf die rechte Körperseite bzw Anprall mit einem eigenen Körperteil der Klägerin im Zuge eines Sturzgeschehens auf die rechte Körperseite.“

In rechtlicher Beurteilung bejahte das Erstgericht seine internationale und örtliche Zuständigkeit und vertrat die Auffassung, dass wegen des Schadensortes österreichisches Recht zur Anwendung gelange. Nach österreichischem Recht müsse bei einem deliktischen Verhalten der Geschädigte grundsätzlich den Kausalzusammenhang, die Verletzung eines Schutzgesetzes im Sinn des § 1311 ABGB und das Verschulden des Schädigers (zutreffender: eine objektive Schutznormverletzung) beweisen. Da im vorliegenden Fall der Unfallhergang offen bleiben habe müssen, sei der Klägerin der Nachweis eines kausalen Verstoßes des Beklagten gegen eine FIS- oder POE-Regel nicht gelungen. Ihr Klagebegehren auf Leistung und Feststellung müsse daher abgewiesen werden.

Der Beklagte habe Anspruch auf Kostenersatz unter Einschluss des von der Klägerin vergeblich beeinwendeten Antrags auf Aktenabschrift vom 12.8.2021, der gemeinsam mit der Kostennote bescheinigt worden und daher zu honorieren sei.

Gegen diese Entscheidung wendet sich nunmehr die (rechtzeitige) Berufung der Klägerin aus den Rechtsmittelgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung, der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, die mit einer Berufung im Kostenpunkt verbunden ist. Das Rechtsmittel der Klägerin mündet in den Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinn einer vollständigen und kostenpflichtigen Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt; in eventu begehrt sie, den Kostenzuspruch an den Beklagten um EUR 577,98 auf EUR 20.891,62 zu reduzieren (ON 72 S 12).

In seiner (fristgerechten) Berufungsbeantwortung beantragt der Beklagte , dem gegnerischen Rechtsmittel den Erfolg zu versagen (ON 73 S 7).

Nach Art und Inhalt der geltend gemachten Berufungsgründe war die Anberaumung einer öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung entbehrlich. Über das Rechtsmittel war daher in nichtöffentlicher Sitzung zu befinden (§ 480 Abs 1 ZPO). Dabei erwies es sich aus nachstehenden Erwägungen nur im Kostenpunkt fast vollständig als begründet:

Rechtliche Beurteilung

A. Zur Beweisrüge:

1.: Die Klägerin bekämpft die oben kursiv wiedergegebenen beiden Blöcke von Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts (ON 72 S 2 und S 8).

2.: Sie begehrt anstelle dessen folgende Ersatzfeststellungen:

„Festgestellt wird, dass sich der Beklagte von hinten in einem langen Linksschwung mit hoher Geschwindigkeit der Klägerin näherte und an sie von hinten im rechten Hüftbereich anschlug. Dadurch kam die in kurzen Schwüngen fahrende und zum Kollisionszeitpunkt in einer Linkskurve befindliche Klägerin zu Sturz. Der Beklagte befand sich in der Annäherungsphase hinter der Klägerin und hätte den Zusammenstoß verhindern können. Da die Klägerin nach vorne schaute, sah sie den Beklagten nicht. Sie konnte kein Verhalten setzen, um den Zusammenstoß zu vermeiden. Der Beklagte hat die Piste vor dem Einfahren nicht gesehen und nicht auf andere Schifahrer geachtet.

[…]

Das Hämatom wurde durch den Anprall des Beklagten gegen die rechte Körperseite der Klägerin verursacht.“

Wegen des engen inhaltlichen Zusammenhangs geht das Berufungsgericht im Folgenden auf beide angefochtenen Sachverhaltsfeststellungen und die in der Berufung ins Treffen geführten Beweisergebnisse gemeinsam ein:

3.: Vor der näheren Erörterung der in der Beweisrüge unterbreiteten Argumente sind zur Vermeidung von Wiederholungen folgende Grundsätze voranzustellen :

3.1.: In §§ 2 Abs 1 ASGG, 272 ZPO ist das Prinzip der freien richterlichen Beweiswürdigung verankert. Diese besteht darin, aus den - wie so oft auch hier - unterschiedlichen Verfahrensergebnissen Schlussfolgerungen im Hinblick auf die verfahrensrelevanten tatsächlichen Ereignisse zu ziehen. Der persönliche Eindruck des Gerichts, seine Kenntnisse der Lebensvorgänge, seine Erfahrungen in der menschlichen Gemeinschaft und seine Menschenkenntnis werden zur entscheidenden Grundlage für die Wahrheitsermittlung. Bei der Bildung seiner Überzeugung, ob die für die Feststellung einer Tatsache notwendige (hohe) Wahrscheinlichkeit vorliegt, ist der Richter im Grunde - und nur im gewissen Umfang durch Beweiserleichterungen wie etwa den Anscheinsbeweis, durch Zugeständnisse der Parteien wie prozessuale Geständnisse oder Einengungen der Tatsachengrundlagen zB in Säumnisfällen eingeschränkt - frei: Das Gericht ist nach der Zivilprozessordnung an keine festen Beweisregeln, dh an keine generell-abstrakten Regeln, wann ein bestimmter Beweis als erbracht anzusehen ist, gebunden, sondern nur an seine persönliche, unmittelbare und objektivierbare, also im Instanzenzug nachprüfbare Überzeugung von der Wahrheit und von der Richtigkeit der Beweisergebnisse. Es hat daher anhand der dargestellten Instrumente zu überprüfen, ob mit den vorliegenden Beweisergebnissen jener Wahrscheinlichkeitsgrad erreicht wird, der es rechtfertigt, die fraglichen Tatsachen nach dem anwendbaren Beweismaß für wahr zu halten. Bei dieser Überzeugungsbildung ist das Gericht nicht auf die aufgenommenen Beweise beschränkt, sondern kann auch das (vorprozessuale oder prozessuale) Verhalten der Prozessbeteiligten, sowie die Vorkommnisse in der gesamten Verhandlung berücksichtigen und miteinbeziehen (RIS Justiz RS0040127; OLG Innsbruck RIS Justiz RI0100103; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka ZPO 5 [2019] § 272 ZPO Rz 1; Klauser/Kodek JN ZPO 18 [2018] § 272 ZPO E 24 ff; OLG Innsbruck zB 3 R 88/22y ErwGr I.A.1.1.).

3.2.: Anlässlich der Behandlung einer Beweisrüge einer Berufung ist folglich nur zu überprüfen, ob das Erstgericht die ihm vorliegenden Beweisergebnisse nach der Aktenlage schlüssig gewürdigt hat, jedoch nicht, ob seine Feststellungen mit der objektiven Wirklichkeit tatsächlich übereinstimmen (3 Ob 2004/96v; OLG Innsbruck 25 Rs 135/12g, SVSlg 62.419; 3 R 73/22t ErwGr A.1.1.; 13 Ra 6/22p ErwGr A.2.; A. Kodek in Rechberger/Klicka ZPO 5 [2019] § 482 Rz 6 aE; Petschek/Stagel Der österreichische Zivilprozess [1963] 367). Gemäß §§ 2 Abs 1 ASGG, 272 ZPO obliegt die Beweiswürdigung primär dem erkennenden Gericht. Dieses hat wie dargelegt nach sorgfältiger Überzeugung unter Berücksichtigung der Ergebnisse des gesamten Verfahrens zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzusehen ist oder nicht. Der bloße Umstand, dass nach den Beweisergebnissen allenfalls auch andere Feststellungen möglich gewesen wären, oder dass in den Akten einzelne Beweisergebnisse existieren, die für den Prozessstandpunkt des Berufungswerbers sprechen, reicht im Allgemeinen noch nicht aus, eine unrichtige oder bedenkliche Beweiswürdigung mit dem Ergebnis aufzuzeigen, dass die erstinstanzlichen Feststellungen abgeändert werden müssen (OLG Wien 133 R 80/18i ErwGr 2.1. [veröffentlicht unter RIS Justiz RW0000815]; 34 R 47/16f ErwGr 3.5. [Veröffentlichung in RIS Justiz RW0000784]; 34 R 125/15z ErwGr I.2. [Veröffentlichung unter RIS Justiz RW0000847, RW0000846]; LG Eisenstadt 13 R 93/03d, RIS Justiz RES0000012; OLG Innsbruck wie vor). Die Beweisrüge muss also überzeugend darlegen, dass die getroffenen Feststellungen entweder überhaupt zwingend unrichtig sind (OLG Wien 8 Rs 47/12b, SVSlg 62.416; 7 Ra 80/11b, ZAS Judikatur 2012/95; LG Feldkirch 3 R 11/17s; 2 R 99/13v) oder wenigstens bedeutend überzeugendere Beweisergebnisse für andere Feststellungen vorliegen (OLG Wien wie vor; LGZ Wien 38 R 161/14d, MietSlg 66.718; LG Feldkirch wie vor; vgl auch LG Linz 15 R 201/09y, EFSlg 124.958; OLG Innsbruck RIS Justiz RI0100099; 13 Ra 24/20g ErwGr A.2.). Auch das Berufungsgericht ist im Rahmen der Überprüfung der vom Erstgericht getroffenen Sachverhaltsfeststellungen nicht dazu verpflichtet, sich mit jedem einzelnen Beweisergebnis und/oder mit jedem einzelnen Argument des Berufungswerbers auseinanderzusetzen (RIS Justiz RS0043162; OLG Innsbruck zB 2 R 72/18g ErwGr II.1.2.). Solche zumindest bedeutend überzeugendere Beweisergebnisse für die in der Berufung erkennbaren Alternativfeststellungen - die gemäß dem zutreffenden Standpunkt der Berufungsbeantwortung für einen Erfolg der Beweisrüge auf der Tatsachenebene erforderlich wären - vermag die Berufung aber aus nachstehenden Erwägungen nicht aufzuzeigen:

3.3.: Wie in der Beweisrüge nicht weiter bestritten wird, hat der schitechnische Sachverständige - ausgehend von seinem schitechnischen Lokalaugenschein am 7.4.2022 (ON 51 S 3) - in seinem mündlichen Gutachten in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 22.9.2022 - durch die oben wiedergegebene Skizze untermauert - zwei grundsätzlich mögliche Kollisionsvarianten der beiden beteiligten Schiläufer erörtert und ermittelt. Die eine Variante entspricht jener der Klägerin, wonach sie die voranfahrende, langsamere und von hinten angefahrene Schifahrerin gewesen sei und die andere dem Prozessvorbringen des Beklagten, das im Wesentlichen umgekehrt lautet (ON 57 S 7 ff). Auf eine dieser beiden Varianten konnte sich der Sachverständige nicht abschließend festlegen, weil er in einer wesentlichen unten noch näher darzustellenden Prämisse auf das Fachwissen eines (Gerichts)Mediziners angewiesen war. Diese Unklarheiten in der Unfallaufklärung sind im konkreten Fall nicht überraschend, weil sich der Unfall am 24.12.2017 ereignete (Abschlussbericht 85 BAZ 35/18k StA Feldkirch), es erst mehr als vier Jahre später zum ersten schitechnischen Lokalaugenschein am 7.4.2022 kam und sich einerseits die örtlichen Gegebenheiten auf Schipisten erfahrungsgemäß (§ 269 ZPO) - von ganz signifikanten Geländeformationen abgesehen - schon in einer Schisaison infolge Schneefalls, unter Umständen Beschneiung, Pistenpräparierung, kurzfristigen Warmlufteinbrüchen und dadurch bedingten starken Schmelzvorgängen so weit verändern können, dass bestimmte Unfalldetails überhaupt nicht mehr zu rekonstruieren sind. Umso mehr trifft dies dann zu, wenn die Rekonstruktion mehrere Saisonen nach dem Unfall erfolgte, wie dies hier zutrifft. Noch häufiger müssen sich Divergenzen ergeben, wenn Erinnerungen an Vorgänge auf der Piste nicht mehr vorliegen - wie zB beim Beklagten (ON 38) und teilweise bei der Klägerin - oder nicht an Ort und Stelle auf der Piste, sondern im Verhandlungssaal - wie teilweise in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 22.9.2022 die Klägerin und einer ihrer Söhne (ON 57 S 4 ff) - wiedergegeben werden. Auch der gerichtsmedizinische Sachverständige geht in seinem Gutachten ON 59 und in der mündlichen Gutachtenserörterung in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 17.3.2023 ua von mehreren ihm übermittelten Fotos ohne Datierung (ON 59 S 3) aus, die keine der beiden Varianten überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen (ON 59 S 4 iVm ON 65 S 2 f). Zusammengefasst führte der gerichtsmedizinische Sachverständige aus, er könne nicht sagen, welche Version (jene der Klägerin oder jene des Beklagten) bzw welche Verletzungsursache wahrscheinlicher sei (ON 65 S 3 zweiter Absatz). Für die Rekonstruktion dieses Schiunfalls stehen daher doch noch weniger und viel „weichere“ Fakten und Tatsachengrundlagen zur Verfügung als zB bei jenen (ohnehin seltenen) Verkehrsunfällen, bei denen praktisch keine oder nur eine ungenügende Spurenabzeichnung und/oder Spurensicherung und/oder Bilddokumentation vorliegt. In all diesen Fällen muss bei der Unfallrekonstruktion relativ weitgehend auf Erfahrungstatsachen und auf Näherungs- sowie Bandbreitenwerte zurückgegriffen werden, wie es die gerichtlich beeideten Sachverständigen hier zu Recht nachvollziehbar und anhand einzelner Beispiele - insoweit in der Berufung unbestritten - überzeugend begründet und getan haben (vgl etwa ähnliche Fälle wie zB OLG Innsbruck 3 R 150/22s ErwGr C. 4. in LG Innsbruck 81 Cg 31/22d oder 3 R 220/11v ErwGr I. B. 4. in LG Feldkirch 8 Cg 103/09p). Das hier anwendbare Regelbeweismaß für gerichtliche Feststellungen ist jedoch jenes der (zumindest) hohen Wahrscheinlichkeit (RIS Justiz RS0110701; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka ZPO 5 [2019] Vor § 266 ZPO Rz 5 ff). Diese notwendige hohe Wahrscheinlichkeit für den tatsächlichen Unfalleintritt im Sinn der von der Klägerin vertretenen Version vermag die Berufung nicht erfolgreich zu argumentieren:

4.: Ausgehend von diesen Grundsätzen erweist sich die Beweisrüge als unberechtigt:

4.1.: Die Unterschiede zwischen den in der Berufung auszugsweise abgedruckten (ON 72 S 3 f) Aussagen des Beklagten vor der D* vom 24.12.2017 in englischer Sprache (85 BAZ 35/18k StA Feldkirch) und im Rechtshilfeverfahren vor dem Gericht erster Instanz Limburg Abteilung Hasselt vom 30.9.2020 (ON 38) fallen - ausgehend von den gerichtsbekannten Schwächen, Mängeln und Fehlerquellen von Personalbeweisen (für viele dazu etwa: Fucik in Fucik/Hartl/Schlosser Verkehrsunfall I [1989] Rz 73 und zweite Auflage [2009] Rz 73 S 58 ff; Grassberger Psychologie des Strafverfahrens² [1968] 53, 56 f, 70 f, 77 f; Sacher in Fucik/Hartl/Schlosser/Wielke Verkehrsunfall II [1998] Rz 201 ff und zweite Auflage [2008] Rz 92, 95 f, 104 ff, 108 f, 201 ff sowie S 185 ff; OLG Innsbruck 3 R 150/22s ErwGr C. 6. in anderem Zusammenhang veröffentlicht in RIS Justiz RI0100099 und RI0100103) und der Zeitspanne zwischen diesen beiden Vernehmungen von mehr als zweieinhalb Jahren erwartungsgemäß - nicht in beweiswürdigungsmäßig relevanten, sondern nur in semantischen und vernachlässigbaren Bereichen aus. Aus diesen geringfügig unterschiedlichen Formulierungen ist daher für die Berufung, die daraus eine Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beklagten ableiten möchte, nichts zu gewinnen.

4.2.: Die Kritik der Berufung, das angefochtene Urteil (seine Beweiswürdigung) leide an einem Begründungsmangel , weil es einerseits eine Kollision (mit schweren Verletzungsfolgen für die Klägerin) feststelle und andererseits der Beklagte sich in beiden Aussagen - die die Beweiswürdigung komprimiert wiedergebe - keiner Kollision entsinnen könne, stellt eine implizite Mängelrüge dar. Die einzelnen Berufungsgründe dürfen jedoch grundsätzlich nicht gemeinsam ausgeführt werden (RIS Justiz RS0041768 [T1]). Dies wird im Wesentlichen aus der Bestimmung des § 474 Abs 2 ZPO abgeleitet. Wenn nämlich die Berufung nach diesem Maßstab insgesamt nicht hinreichend klar getrennt ausgeführt ist, kommt eine Verwerfung der Berufung in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 474 Abs 2 ZPO in Betracht (4 Ob 268/97h; RIS Justiz RS0041768 [T3]). Die unzureichende oder unrichtige Benennung der Rechtsmittelgründe steht gemäß § 84 Abs 2 letzter Satz ZPO (also ohne die formelle Folge nach § 474 Abs 2 ZPO) einer meritorischen Erledigung des Rechtsmittels dann nicht im Weg, wenn das Begehren ausreichend deutlich erkennbar ist. Es reicht aus, wenn die Gründe sich insgesamt aus dem Rechtsmittelvorbringen hinreichend deutlich ergeben (6 Ob 177/15w ErwGr 2. mzwH; OLG Innsbruck zB 3 R 31/22s ErwGr A. 2.1.; 3 R 93/21g ErwGr B.c.). Dies bedeutet also, dass sowohl mehrere in einem Rechtsmittel (zulässigerweise) verquickte Rechtsmittel ausreichend konkret getrennt ausgeführt sein müssen (9 ObA 99/20d ErwGr 2.: Berufung und Befangenheitsantrag). Ein Rechtsmittel, das sich - wie hier jenes der Klägerin - auf mehrere Rechtsmittel gründe stützt, muss diese sachlich getrennt und nicht inhaltlich miteinander vermengt ausführen (6 Ob 177/15w ErwGr 2.). Wird schließlich ein bestimmter Rechtsmittel grund ausgeführt, muss dieser hinreichend klar und stringent dargestellt werden und klar diesem Rechtsmittelgrund zuordenbare Ausführungen enthalten (9 Ob 89/14z ErwGr 2.; vgl 2 Ob 41/16t). Lässt sich aus einem Rechtsmittelschriftsatz die Zuordnung zu dem einen der anderen dort zulässigerweise gemeinsam ausgeführten Rechtsmittel nicht hinreichend klar erkennen (9 ObA 99/20d ErwGr 2.), innerhalb eines Rechtsmittels nicht mit hinreichender Klarheit erkennen, welcher konkrete Rechtsmittelgrund ausgeführt wird (6 Ob 177/15w ErwGr 2.) oder innerhalb des konkreten Rechtsmittels nicht klar zuordnen, welche Ausführungen den systematischen Anforderungen dieses Rechtsmittelgrunds entsprechen (9 Ob 89/14z ErwGr 2.), gehen alle dadurch entstehenden Unklarheiten zu Lasten des Rechtsmittelwerbers (9 ObA 99/20d ErwGr 2.; 2 Ob 41/16t; 6 Ob 177/15w ErwGr 2.; 9 Ob 89/14z ErwGr 2.; 6 Ob 38/10x; RIS Justiz RS0041761; RS0041768; RS0041911 [T1]). Die in die Beweisrüge der Klägerin in diesem Zusammenhang eingestreute Mängelrüge ist entgegen den Vorgaben in der Judikatur nicht gesetzgemäß getrennt ausgeführt, sodass ohnehin alle verbleibenden Unklarheiten zu Lasten der Klägerin als Berufungswerberin gehen. Soweit sie hinreichend klar erkennbar wird, trifft diese Kritik in zumindest dreifacher Hinsicht nicht zu:

4.2.1.: Zum Ersten hat das Erstgericht ausdrücklich negativ festgestellt „wie sich die Kollision ereignet hat, insbesondere ob bzw welche Körperteile der Streitteile in Kontakt waren“ . Aus dieser Negativfeststellung kann zwanglos entnommen werden, dass das Erstgericht den Körperkontakt , auf den die Berufung besonders abhebt (vgl zB die fett gedruckten Passagen in ON 72 S 3 Mitte, in der die Beweiswürdigung des Erstgerichts [dort ON 68 S 6 vierter Absatz] zitiert wird), weil sie damit das Hämatom am Körper der Klägerin begründen will, gerade nicht als erwiesen annehmen wollte . Nach diesen Feststellungen hätte die Kollision zB auch durch Kontakt zwischen Schiern miteinander oder zwischen einem oder mehreren Schiern mit einem oder mehreren Schistöcken oder zwischen Schistöcken untereinander ausgelöst werden können. Dass das Erstgericht von einem Körperkontakt der Streitteile anlässlich des Unfallgeschehens ausgegangen wäre, widerspricht daher der Feststellungslage.

4.2.2.: Die in ON 72 S 3 Mitte enthaltenen Zitate aus der Beweiswürdigung des Erstgerichts in ON 68 S 6 vierter Absatz betreffen nur die Einleitung der Beweiswürdigung des Erstgerichts, nämlich die komprimierte Darstellung der Aussagen der Streitteile zum Unfallgeschehen. Dass sich daraus bei isolierter Betrachtung Widersprüche ergeben müssen, liegt in der Natur des hier zu beurteilenden Falls, wo sich die Angaben beider Streitteile unvereinbar gegenüber stehen. Die Berufung übergeht die detaillierten beweiswürdigenden Ausführungen des Erstgerichts unter Einbeziehung der Angaben des schitechnischen und des gerichtsmedizinischen Sachverständigen in S 6 ab drittletzter Absatz bis S 8 erster Absatz großteils und würdigt sie nicht. Dies mag mit der prozessstandpunktoptimierten Darstellung der Berufung zu rechtfertigen sein, ändert aber nichts daran, dass die Beweiswürdigung des Erstgerichts in diesem Zusammenhang nicht bloß tadelsfrei, sondern sorgfältig ist.

4.2.3.: Selbst in den in der Berufung wiedergegebenen Passagen der Angaben des Beklagten vor der D* ( „it might have been that our bodys [richtig: bodies] collided“ ) und vor dem Gericht erster Instanz Limburg ( „Ich habe mich ihr nicht angenähert; sie hat mich angefahren. […]“ als Antwort auf die Frage 6 und „Ich habe die Klägerin nie herannahen sehen; sie hat mich angefahren. Ich war dabei, einen Bogen nach links zu machen und sie hat mich angefahren; von links hinten“ auf Frage 10 je in ON 38 S 4) folgert der Beklagte sehr deutlich erkennbar aus dem Gesamtablauf seiner Erinnerungen eine Kollision zwischen den Beteiligten, auch wenn er sich an diesen konkreten Moment und dieses konkrete Geschehen nach seinen Schilderungen nicht mehr erinnern konnte. Insofern liegt zwischen der vom Erstgericht verwerteten gesamthaften Aussage des Beklagten und der negativen Tatsachenfeststellung über den genauen Verlauf und die Art der Kollision, wobei das Erstgericht insbesondere offen ließ, ob es zu einem Körperkontakt der Streitteile kam, kein erkennbarer Widerspruch vor. Außerdem vergleicht das Rechtsmittel sprichwörtlich Äpfel (Tatsachenfeststellungen) mit Birnen (Beweiswürdigung von Verfahrensergebnissen). Das Wesen der freien Beweiswürdigung ist es, wie oben dargelegt, gerade, aus unterschiedlichen Verfahrensergebnissen - hier zB die referierten Gesamterinnerungen des Beklagten über das Geschehen vor und nach der in Art und Ablauf offen bleibenden Kollision und seinen Erinnerungslücken dazu - hier einen geschlossenen Unfallablauf zu rekonstruieren (Positivfeststellung) oder mehr oder weniger weitgehend eine „non liquet“-Situation anzunehmen und bereits zum Gesamtablauf des Kollisionsgeschehens mehr oder weniger weitgehend Negativfeststellungen zu treffen. Dabei musste das Erstgericht die Beweisergebnisse und die daraus abzuleitenden unterschiedlichen Ereignisvarianten gegenüberstellen, diskutieren und damit auch teilweise wiedergeben, sodass die in der Beweiswürdigung daraus zwingendermaßen teilweise resultierenden Widersprüche der wiedergegebenen unterschiedlichen Varianten bzw Verfahrensergebnisse - je nach Formulierung - keine inhaltlichen Begründungsmängel darstellen müssen. Im vorliegenden Fall sind die beweiswürdigenden Ausführungen des Erstgerichts jedenfalls so eindeutig und klar, dass sie - unter Außerachtlassung der einzelnen Passagen, die im Rechtsmittel aus ihrem Gesamtzusammenhang gerissen werden - der Berufung jedenfalls standhalten und als schlüssig übernommen werden können.

4.3.: Die in der Berufung zitierten (ON 72 S 6 erster Absatz) Äußerungen des schitechnischen Sachverständigen im mündlichen Gutachten ON 57 S 8 zweiter Absatz aE: „Es ist naheliegender, dass der, der diesen seitlichen Anstoß ausübte, der Nachkommende war als umgekehrt“ erreicht nicht das Niveau der zumindest hohen Wahrscheinlichkeit, die wie oben näher erläutert, beim hier geltenden Regelbeweismaß für die Schöpfung einer positiven Feststellung zwingend erforderlich wäre. Die Berufung spricht selbst nur von einer „Wahrscheinlichkeitsprognose“ (ON 72 S 6 zweiter Absatz), die keine Aussage über die erforderliche zumindest hohe Wahrscheinlichkeit trifft und lässt so mittelbar selbst erkennen, dass diese verfestigte Wahrscheinlichkeitsform nicht vorliegt.

4.4.: Die in der Berufung in ON 72 S 5 dritter Absatz erwähnte Tatsache, dass der Kläger vor der D* am 24.12.2017 in englischer Sprache, die nicht die Muttersprache des Beklagten darstellte, einvernommen wurde, allein sagt überhaupt nichts über die Richtigkeit, Überzeugungsfähigkeit und Beweiskraft dieser Angaben aus, sondern stellt deren Abwertung lediglich eine im konkreten Einzelfall nicht belegte Vermutung der Klägerin dar. Sie setzt nämlich folgende in der Berufung in keiner Weise belegte Prämisse: Entweder wäre der Kläger der englischen Sprache nicht ausreichend mächtig gewesen, um sich zwei österreichischen Polizeibeamt:innen, die in einem Fremdenverkehrsort (Lech) eingesetzt werden, wo die Verständigung mit ausländischen Gästen hauptsächlich in Englisch erfolgt; oder andererseits wären die Sprachkenntnisse der beiden mit der Vernehmung betrauten Polizeibeamt:innen in dieser Weise unzureichend gewesen. Dafür finden sich aber keinerlei Verfahrensergebnisse. Insbesondere hat die Klägerin an die beiden in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 22.9.2022 vernommenen beiden Polizeibeamt:innen keine zielführenden Fragen über die Englischkenntnisse der beiden Beamt:innen gestellt (ON 57 S 2 und 3).

4.5.: Die in der Berufung (ON 72 S 6 f) wiedergegebenen Erklärungen stammen entgegen der Ansicht der Berufung (ON 72 S 6 dritter Absatz) vom schitechnischen und nicht, wie dort irrtümlich unterstellt, vom gerichtsmedizinischen Sachverständigen. Die in der Berufung in ON 72 S 6 vierter Absatz zitierte Wortfolge zur Möglichkeit der Entstehung des Hämatoms entweder aus einem Aufprall von hinten oder dem eigenen Sturz nach vorn „schwer erklärbar zusätzlich […] noch ein Hämatom […] im Zusammenhang mit dem Aufschlag [der Klägerin nach vorne]“ ist dem schitechnischen Gutachten ON 57 S 8 vierter Absatz entnommen. Übergangen wird dabei jedoch die Einleitung des schitechnischen Sachverständigen zu dieser Stellungnahme: „Als Nichtmediziner kann ich nicht objektivieren, woher die Verletzung kommt, nämlich von einem Aufprall oder von einem Anstoß von hinten. Was mechanisch meinerseits zu ergänzen ist:“ (ON 57 S 8 dritter Absatz). Dieser vom schitechnischen Sachverständigen geäußerte Vorbehalt relativiert seine vorher zitierten (zeitlich unmittelbar danach deponierten) Angaben erheblich und lässt sie nicht jene zumindest hohe Wahrscheinlichkeit erreichen, die für die der Berufung vorschwebende Übernahme der Ereignisvariante der Klägerin als Tatsachenfeststellung gefordert wäre.

4.6.: Die weiter in der Berufung referierte Darstellung über die „größte Wahrscheinlichkeit“ , mit der der schitechnische Sachverständige die Unfallvariante der Klägerin annimmt (ON 57 S 8 vorletzter und S 9 zweiter Absatz), hat die in der Berufung wiedergegebene (ON 72 S 6 Mitte) Prämisse, dass die Anprallverletzung der Klägerin mit Hämatom nicht vom Sturz, sondern von einem Schistock, einer Faust oder einem Ellbogen (jedenfalls von hinten kommend) stammt (ON 57 S 8 drittletzter Absatz). Genau diese Prämisse konnte das gerichtsmedizinische Sachverständigengutachten jedoch nicht erhärten. Genau diese beiden Ereignisvarianten ließ der gerichtsmedizinische Sachverständige ausdrücklich offen: Dieser konnte also die Hämatomgenese nicht klären. Dies ergibt sich eindeutig aus der mündlichen Gutachtenserörterung des gerichtsmedizinischen Sachverständigen in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 17.3.2023, weil er dieses Hämatom auch vom eigenen Ellenbogen der Klägerin, den sie sich im Rahmen des Sturzgeschehens in den Körper rammte, stammen kann (ON 65 S 2 erster, dritter, vorletzter und letzter Absatz, S 3 zweiter Absatz; vgl ebenso das schriftliche Gutachten ON 59 S 4 letzter Absatz). Damit fehlt der vorstehenden Überlegung des schitechnischen Sachverständigen jedoch die von ihm selbst gesetzte Grundlage.

4.7.: Die in der Berufung zitierte Passage (ON 72 S 7 vorletzter Absatz) im schriftlichen gerichtsmedizinischen Gutachten ON 65 S 2 vorletzter Absatz „Wie bereits ausgeführt, ist es grundsätzlich möglich, dass die Verletzung der Klägerin von einem Schistock oder einer Faust des Beklagten stammt. Möglich, aber weniger wahrscheinlich ist die Verursachung durch den Ellbogen des Beklagten“ bezieht sich einerseits nicht auf den Ellenbogen der Klägerin, sondern auf die geringe Wahrscheinlichkeit, dass das Hämatom von einem Ellenbogen des Beklagten stammt. Bezogen auf die Ursache des Hämatoms durch Schistock/Faust des Beklagten oder Ellenbogen der Klägerin stellt der Sachverständige beide Varianten im Wesentlichen gleich wahrscheinlich gegenüber (ON 59 S 4 letzter Absatz, ON 65 S 3 zweiter Absatz). Eine Verursachung durch den Ellenbogen des Beklagten hielt der Gerichtsmediziner sogar für weniger wahrscheinlich (ON 65 S 2 vorletzter Absatz aE). Insgesamt wird nicht erkennbar, wie die für gerichtliche Feststellungen erforderliche hohe Wahrscheinlichkeit für die Ereignisvariante der Klägerin (Hämatomursache Schistock oder Faust oder Ellbogen des Beklagten) erreicht werden könnte.

4.8.: Die Schlussfolgerungen in der Berufung, wonach beide Sachverständige die Unfallvariante der Klägerin mit zumindest hoher Wahrscheinlichkeit stützen würden (ON 72 S 7 letzter Absatz, S 8 erster Absatz), ist daher bei genauer Betrachtung der Verfahrensergebnisse nicht zu rechtfertigen.

4.9.: Außer mehreren Spekulationen in ON 72 S 9 vermag die Berufung auch kein konkretes Beweismittel anzuführen oder keine schlüssige und nachvollziehbare Ableitung dafür darzulegen, warum mit zumindest hoher Wahrscheinlichkeit der Anstoß der Klägerin durch den Beklagten von hinten und die Herbeiführung des Hämatoms am Körper der Klägerin durch ihren eigenen Ellenbogen zusammenfallen sollten: Mit anderen Worten warum die zumindest nach der mündlichen Gutachtenserörterung des gerichtsmedizinischen Sachverständigen im Wesentlichen gleich wahrscheinliche Entstehung des Hämatoms durch den eigenen Ellenbogen der Klägerin nicht die Variante des Beklagten stützen sollte. Auch diese Überlegungen können daher die Beweisrüge der Berufung zu keinem sachlichen Erfolg führen.

5.: Die Beweisrüge kann daher nicht erfolgreich sein.

B. Zur Rechtsrüge:

1.: Die Rechtsrüge der Berufung konzentriert sich auf die Darstellung eines dem Erstgericht angeblich unterlaufenen Feststellungsmangels: Die Feststellung des Erstgerichts in ON 68 S 5 vierter Absatz „Sowohl Klägerin als auch Beklagter nahmen sich vor der Kollision wechselseitig nicht wahr“ will die Klägerin ergänzt wissen durch die ergänzende Urteilsannahme „obwohl der Beklagte die Klägerin bei umsichtiger Fahrweise wahrnehmen hätte müssen“ (ON 72 S 10 fünfter Absatz Pkt 2.1.).

2.: Diese ergänzende Feststellung ist jedoch bei näherer Betrachtung nicht zu treffen: Das Erstgericht hat nämlich, wie oben zu A. näher dargestellt, ua die Negativfeststellung getroffen (Hervorhebung durch das Berufungsgericht): „Ebenso kann nicht festgestellt werden, wer in der Annäherungsphase 2 3 Sekunden vor dem Zusammenstoß der von oben bzw hinten kommende Schifahrer war oder ob einer der Streitteile den Zusammenstoß hätte verhindern können“ (ON 68 S 5 vorletzter Absatz aE). Aus den beiden in der Rüge wegen sekundärer Feststellungsmängel jedenfalls unberührt bleibenden Feststellungen und der zuletzt unterstrichen dargestellten Feststellung des Erstgerichts ergibt sich bei objektiver Gesamtbetrachtung zwanglos, dass das Erstgericht nicht nur die subjektive Sichtweise (subjektive Sorgfaltsbetrachtung) der beiden Beteiligten (wonach sie sich beide wechselseitig nicht wahrnehmen konnten), sondern auch die objektive Komponente der objektiven Unfallvermeidbarkeit (nach den keiner der Beteiligten den Zusammenstoß verhindern hätte können ) als ungeklärt dahinstehen lassen wollte. Damit würde aber die geänderte Sachverhaltsgrundlage zur (nach den Wünschen der Berufung) veränderten Feststellung zur objektiven Unfallvermeidbarkeit konfligieren.

3.: Ein sog „sekundärer“ oder „rechtlicher“ Feststellungsmangel kann dann nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden, wenn das Erstgericht zu einem Sachverhaltskomplex bereits Feststellungen getroffen hat, mögen diese auch den Vorstellungen des Berufungswerbers zuwiderlaufen (10 ObS 47/23s Rz 13; 10 Ob 12/22w Rz 12; 7 Ob 37/17t ErwGr 2.; 1 Ob 69/16b ErwGr 2.; 9 ObA 41/16w ErwGr 2.; 8 ObA 59/14f ErwGr III. 2.; RIS Justiz RS0043320 [T16, T18]; RS0043480 [T15, T19]; RS0053317 [T1]). In diesem Fall stellt es nämlich einen Akt der freien richterlichen Beweiswürdigung dar, wenn das Erstgericht die vom Rechtsmittelwerber gewünschten (abweichenden) Feststellungen nicht getroffen hat (7 Ob 52/15w ErwGr 2.; RIS Justiz RS0053317 [T3]). Aus diesem Grund kann daher die im Rechtsmittel vorgetragene Rüge wegen sekundärer Feststellungsmängel hier nicht durchschlagen.

4.: Die Berufung beschränkt sich darauf, dass aufgrund dieses sekundären Feststellungsmangels eine unrichtige rechtliche Beurteilung erfolgte und dem Klagebegehren dann stattzugeben gewesen wäre, wenn die begehrte Ersatzfeststellung getroffen worden wäre, weil damit klargestellt wäre, dass der Beklagte die FIS Regeln missachtet hätte (ON 72 S 11 dritter [voller] Absatz). Weitere selbstständige Aspekte, die im erstinstanzlichen Verfahren teilweise noch von Relevanz waren, führt die Berufung nicht - schon gar nicht auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts - aus, sodass das Berufungsgericht darauf nicht weiter eingehen darf (RIS Justiz RS0043338; RS0043352 [T17, T23, T26, T31, T33, T34]; RS0041570 insb [T6, T12]). Tritt der Rechtsmittelwerber der Beurteilung einer selbständigen Rechtsfrage durch das Erstgericht in seiner Berufung nicht entgegen, ist diese Rechtsansicht nicht mehr zu überprüfen (RIS Justiz RS0043338 [T18]).

5.: Auch die Rechtsrüge der Berufung muss daher versagen.

C. Zur Berufung im Kostenpunkt:

1.: Im Recht ist allerdings die von der Klägerin ausgeführte Berufung im Kostenpunkt:

2.: Diese macht - zu Recht - geltend, dass der Beklagte für die bescheinigte (AS 205) (nach Verfahrenseröffnung am 9.8.2019) am 12.8.2019 durchgeführte Vollmachtsbekanntgabe und Antrag auf Übermittlung einer Aktenabschrift des Strafakts (gegen Gebührenersatz) im Strafverfahren 85 BAZ 35/18k StA Feldkirch auf der Basis TP 2 netto EUR 413,30 zuzüglich 50 % Einheitssatz EUR 206,65 und ERV Erhöhungsbetrag EUR 2,10 verzeichnet (AS 203). Das Erstgericht hat diese - von der Klägerin mit dem substanziierten Argument TP 1 beeinwendeten (ON 67 S 2) - verzeichneten Kosten von insgesamt EUR 746,46 inklusive Umsatzsteuer in der ungekürzten Höhe von TP 2 zuerkannt (ON 68 S 9).

3.: Es handelt sich also weder um einen vom Einheitssatz erfassten vorprozessualen Antrag (§ 23 Abs 4 RATG; OLG Wien zB 28.11.2016, 15 R 177/16h) noch um einen Privatbeteiligtenanschluss, der nach TP 4 II lit b [I Z 3] RATG zu entgelten wäre (OLG Wien 7.9.2015, 13 R 28/15f, 29/15b ErwGr II.5.; vgl auch OLG Wien 19.5.2022, 11 R 73/22v), weil das Strafverfahren gegen den Beklagten geführt wurde und er diesem Verfahren daher nicht als Privatbeteiligter beigetreten war. Daher handelt es sich um einen Antrag nach TP 1 I lit a (Vollmachtsanzeige) und lit b (Ansuchen bei Gericht und anderen Behörden um Erteilung von […] Abschriften) RATG (siehe zB LGZ Wien 29.12.2010, 42 R 518/10b, 519/10z; 25.3.2008, 37 R 17/08m). Daher sind die Kosten für diesen Antrag um den Differenzbetrag zwischen TP 1 und TP 2, nämlich EUR 577,80 (statt wie begehrt EUR 577,98) und der Kostenzuspruch an den Beklagten insgesamt auf EUR 20.891,80 (einschließlich EUR 3.052,35 Umsatzsteuer und EUR 2.577,70 Barauslagen) zu reduzieren. Der Kostenerfolg der Berufung im Kostenpunkt beträgt daher netto EUR 577,80 (statt EUR 577,98).

D. Verfahrensrechtliches:

1.: Die im Berufungsverfahren unterlegene Klägerin muss die Kosten ihres Rechtsmittels in der Hauptsache gemäß den §§ 40, 50 ZPO selbst bestreiten. Der Beklagte hat Anspruch auf Ersatz der mit insgesamt EUR 3.665,22 tarifgemäß verzeichneten Kosten seiner erfolgreichen Berufungsbeantwortung (§§ 41, 50 ZPO).

2.: Der 5. Senat des Oberlandesgerichts Innsbruck hat sich mit seiner Entscheidung vom 22.9.2023, 5 R 22/23h, der Ansicht der Entscheidungen 1 Ob 9/05p, 8 Ob 45/09i sowie 7 Ob 112/09k (RIS Justiz RS0087844 [ua T8]; RS0119892 [T1]) und von M. Bydlinski (in Fasching/Konecny ZPO³ II/1 [2015] § 50 ZPO Rz 6) angeschlossen und vertritt nun in Abkehr von seiner früheren Judikatur die Ansicht, dass Berufungen im Kostenpunkt (wenn - wie hier [AS 260b] - entsprechende Kosten verzeichnet wurden) gesondert zu behandeln und nach dem Erfolg im Kostenpunkt honoriert werden können. Dieser Auffassung tritt auch der 3. Senat vollinhaltlich (und nicht bloß im Sinn seiner vermittelnden Lösung bei erheblichem Überwiegen des Kosteninteresses [3 R 100/22p, ErwGr II.7. oder 3 R 2/14i]) bei (vgl bereits 28.11.2023, 13 Ra 30/23v).

Die Berufung - gegen die Hauptsachenentscheidung - und der Kostenrekurs (auch: die Berufung im Kostenpunkt/Kostenrüge in der Berufung) - gegen die Kostenentscheidung in der Hauptsachenentscheidung - stellen zwei unterschiedliche Rechtsmittel gegen in gemeinsamer Ausfertigung verbundene verschiedene Entscheidungen dar, die in unterschiedlichen Rechtsmittelverfahren zu erledigen sind. Nur die Anfechtungswirkung der Berufung - bei ihrem (wirtschaftlich ins Gewicht fallenden) Erfolg ist infolge der abändernden Hauptsachenentscheidung auch über die Verfahrenskosten erster Instanz ohne Bindung an die beseitigte Kostenentscheidung erster Instanz neu zu befinden (§ 50 ZPO) - löst keine gesonderte Kostenersatzpflicht des Berufungsgegners aus und führt dazu, dass die Kosten als Nebengebühren weder auf die Ermittlung der Erfolgsquote noch auf die Bemessung der Anwaltskosten Einfluss nehmen. Die Anfechtungswirkung des Kostenrekurses äußert sich erst beim Misserfolg der Berufung (aller Parteien) in der Hauptsache, und nur im Umfang der Anfechtungserklärung (§ 11 Abs 1 Satz 2 RATG), sodass hier kostenrechtlich Teilrechtskraft zu beachten sein kann. Der Mehraufwand, der mit der judikaturkonformen ziffernmäßig bestimmten Ausführung eines (ua) Kostenrekurses (dazu zB OLG Innsbruck RIS Justiz RI01000126 mzwH auf die Rsp anderer OLGs) verbunden ist, kann ausgehend vom allgemeinen Erfolgsprinzip nicht unbeachtet bleiben. Das Kostenersatzsystem bei einem mit der Berufung verbundenen (ua) Kostenrekurs wäre sonst von der Zufälligkeit der - zB bei bescheinigten Kommunikationsproblemen mit der Partei zulässigerweise vorab - gesonderten Erhebung des Rechtsmittels gegen die Kostenentscheidung abhängig.

3.: Im vorliegenden zweiseitigen Verfahren über die Berufung im Kostenpunkt (im Kern einem Kostenrekurs) richtet sich die Kostenersatzpflicht nach den §§ 40, 43 Abs 2, 50 ZPO: Die Klägerin hat daher Anspruch auf die tarifkonform verzeichneten Kosten ihrer Berufung im Kostenpunkt von EUR 278,86 einschließlich EUR 75,-- umsatzsteuerfreier Barauslagen und EUR 33,99 Umsatzsteuer.

4.: Saldiert ergibt sich daher der Kostenzuspruch an den Beklagten im Rechtsmittelverfahren (EUR 3.386,36 inklusive EUR 564,39 Umsatzsteuer).

5.: Das Berufungsgericht konnte sich - wie durch mehrere Zitate belegt - auf eine einheitliche Rechtsprechung des Höchstgerichts stützen, von der es nicht abgewichen ist. Eine erhebliche Rechtsfrage in der vom § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität war daher in diesem Berufungsverfahren nicht zu klären. Der weitere Rechtszug nach dieser Gesetzesstelle erweist sich daher als nicht zulässig, worüber gemäß § 500 Abs 2 Z 3 ZPO ein eigener Ausspruch in den Tenor der Berufungsentscheidung aufzunehmen war.

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