3R47/23w – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Beschluss
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Kohlegger als Vorsitzenden sowie die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Pirchmoser und den Richter des Oberlandesgerichts MMag. Dr. Dobler als weitere Mitglieder des Senats in der Firmenbuchsache der zu FN ** in das Firmenbuch eingetragenen „A* B*“ C* GmbH mit der Geschäftsanschrift D*, E* **-B*, über I. die Rekurse der Gesellschaft (ON 10) und des Geschäftsführers Dr. F* G*, D*, E* B* (ON 11) gegen den Beschluss des Landes- als Handelsgericht Feldkirch vom 4.4.2023, 15 Fr 139/23a-7, und II. der Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien (ON 17), gegen den Beschluss des Landes- als Handelsgericht Feldkirch vom 24.8.2023, 15 Fr 139/23a-16, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Den Rekursen der Gesellschaft (ON 10) und des Geschäftsführers (ON 11) wird keine Folge gegeben.
Der (ordentliche) Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Dem Rekurs der Republik Österreich (ON 17), dessen Kosten sie selbst zu tragen hat, wird keine Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss vom 24.8.2023, 15 Fr 139/23a-16, wird mit der Maßgabe bestätigt , dass dieser lautet:
„Die Anträge der Republik Österreich vom 28.6.2023 auf Ergänzung der Kostenentscheidung in eventu Kostenbestimmung (ON 15a) werden als verspätet zurückgewiesen .“
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig .
Text
Begründung:
Im Firmenbuch des Erstgerichts ist zu FN ** die „A* B*“ C* GmbH mit dem Stichtag für den Jahresabschluss zum 31.12. eines jeden Jahres und Dr. H* G* als deren alleinvertretungsbefugten Geschäftsführer eingetragen.
Mit Zwangsstrafverfügungen vom 8.6.2022 verhängte das Erstgericht zu 15 Fr 1421/22b-1 und 2 sowohl über die Gesellschaft als auch den Geschäftsführer wegen eines Verstoßes gegen die Verpflichtung gemäß § 277ff UGB, die Unterlagen für die Rechnungslegung der Gesellschaft zum 31.12.2020 bis zum 28.2.2022 vollständig beim Firmenbuchgericht einzureichen, eine Zwangsstrafe von jeweils EUR 700,-- für den Zeitraum 1.1.2022 bis 28.2.2022.
Laut den im Akt erliegenden Zustellnachweisen wurden diese Zwangsstrafverfügungen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer jeweils durch Hinterlegung zugestellt, wobei der Beginn der Abholfrist auf den Zustellscheinen jeweils mit 14.6.2022 vermerkt wurde. Mangels fristgerechten Einspruchs wurden beide Zwangsstrafverfügungen vom Erstgericht am 12.8.2022 für rechtskräftig und am 16.8.2022 für vollstreckbar erklärt und jeweils die Vollstreckung durch die Einbringungsstelle angeordnet.
Am 19.10.2022 langte ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beim Erstgericht ein, den dieses sowohl als Antrag der Gesellschaft als auch als solchen des Geschäftsführers wertete. Mit Beschluss vom 8.11.2022, 15 Fr 1421/22b-8 und 9 wies das Erstgericht beide Anträge als verspätet zurück. Diese Beschlüsse, die der Gesellschaft und dem Geschäftsführer am 14.11.2022 durch Übergabe zugestellt wurden, erwuchsen unbekämpft in Rechtskraft.
Mit den jeweils am 16.11.2022 beim Bezirksgericht Feldkirch eingelangten, inhaltlich identen Schriftsätzen erhoben sowohl die Gesellschaft als auch der Geschäftsführer im eigenen Namen jeweils eine gegen die Republik Österreich als Beklagte gerichtete „ Klage nach § 35 EO“ und einen Antrag auf Aufschiebung der Exekution. Die Klage der Gesellschaft bezieht sich auf das von der Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, zu 44 E 1336/22t beim Bezirksgericht Feldkirch eingeleitete Exekutionsverfahren, dem als Exekutionstitel die vom Firmenbuchgericht zu 15 Fr 1421/22b erlassene Zwangsstrafverfügung vom 8.6.2022 zugrunde liegt. Die (Oppositions)klage der Gesellschaft wurde beim Bezirksgericht Feldkirch zu 11 C 1/22v erfasst. Die Klage des Geschäftsführers bezieht sich auf das ebenfalls von der Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, zu 5 E 1960/22w beim Bezirksgericht Feldkirch eingeleitete Exekutionsverfahren, dem als Exekutionstitel ebenfalls die vom Firmenbuchgericht zu 15 Fr 1421/22b erlassene Zwangsstrafverfügung vom 8.6.2022 zugrunde liegt. Die (Oppositions)klage des Geschäftsführers wurde beim Bezirksgericht Feldkirch zu 11 C 11/22s erfasst.
In den inhaltlich identen Klagen nach § 35 EO brachten die Gesellschaft und die Geschäftsführerin zusammengefasst vor, die Straferkenntnisse (gemeint wohl die Zwangsstrafverfügungen des Firmenbuchgerichts) seien ihnen nie zugestellt worden. Sie hätten keine Kenntnis von deren Hinterlegung erlangt. Wären sie über die Hinterlegung der Zwangsstrafverfügungen informiert gewesen, hätten sie die Schriftstücke abgeholt und Einspruch erhoben. Bei der Zustelladresse D*, ** B*, handle es sich um eine Büroadresse für zwei Firmen und eine Privatadresse für vier Einzelpersonen. Darüber hinaus befänden sich noch drei weitere Wohnungen in diesem Haus. Ein Briefkasten sei nicht vorhanden, da die Büros in der Regel ständig besetzt seien und die Zusteller grundsätzlich klingeln würden. In Ausnahmefällen würden Hinterlegungsanzeigen und Pakete am Boden vor der Eingangstür deponiert. Die Hinterlegungsanzeige werde in diesem Fall mit der restlichen Post oder Pakten beschwert, sodass diese nicht vom Wind verfrachtet werden könne. Eine urlaubsbedingte Abwesenheit habe es im Juni 2022 nicht gegeben. Damit müsse es sich um einen Ausnahmefall handeln, dass trotz Anwesenheit eine Hinterlegungsanzeige deponiert worden sei. Über den tatsächlichen Verbleib der Hinterlegungsanzeigen könne im vorliegenden Fall nur spekuliert werden. Ursprünglich seien sie davon ausgegangen, dass es sich bei den angeführten Exekutionen um die Einbringung der ersten Strafe wegen Nichtvorlage der Bilanz 2020 gehandelt habe. Diese Strafen seien jedoch per 30.6.2022 bezahlt worden. Erst später habe sich über Nachfrage beim Bezirksgericht Feldkirch herausgestellt, dass es sich um eine gesonderte Strafe gehandelt habe. Schließlich seien die Bilanzzahlen für das Jahr 2020 gemeinsam mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand am 12.9.2022 beim Firmenbuchgericht eingebracht worden. Aus diesen Gründen werde gemäß § 35 Abs 1 EO beantragt, die Exekution einzustellen, den bestehenden Exekutionstitel außer Kraft zu setzen und die Exekution bis zum Abschluss der gerichtlichen Verfahren auszusetzen.
Mit E-Mail vom 27.12.2022 wandte sich der Geschäftsführer an die für die Führung der Verfahren 11 C 10/22v und 11 C 11/22s zuständige Vorsteherin des Bezirksgerichts Feldkirch und verwies auf einen „neuen Entscheid“ des Obersten Gerichtshofs, wonach „ gegen Zwangsstrafen und Exekutionen in Firmenbuchsachen“ der Rechtsweg nicht zulässig sei. Seiner Ansicht nach hätten die Klagen daher zurückgewiesen werden müssen. Sofern sie keinen anderen Vorschlag habe, werde er demnächst die nunmehr erforderlichen Sachanträge im Außerstreitverfahren einbringen. Diese würden mit der Begründung einer ungerechtfertigten Doppelbestrafung auf Einstellung der gegenständlichen Exekutionen gerichtet sein.
Mit zwei inhaltlich identen Beschlüssen vom 2.1.2023 beraumte das Bezirksgericht Feldkirch jeweils die in beiden Verfahren (11 C 10/22v und 11 C 11/22s) für den 16.1.2022 anberaumten Tagsatzungen ab, sprach aus, dass das Bezirksgericht Feldkirch für den gegenständlichen Rechtsstreit sachlich unzuständig sei und überwies beide Rechtssachen gemäß § 44 Abs 1 JN an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht Feldkirch als Firmenbuchgericht. Begründend nahm es in diesen Beschlüssen Bezug auf die zu 3 Ob 82/20k ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, wonach anspruchsvernichtende Einwendungen iSd § 35 EO gegen Zwangsstrafbeschlüsse mit Sachantrag im Außerstreitverfahren beim Firmenbuch geltend zu machen seien. Für den Fall des Erfolgs dieser Einwendungen wäre das Exekutionsverfahren einzustellen. Die Notwendigkeit dieser Vorgehensweise resultiere aus dem Umstand, dass Exekutionstitel nicht der Zwangsstrafbeschluss des Firmenbuchgerichts, sondern der im Verwaltungsverfahren ergangene Zahlungsauftrag (Bescheid) sei. Mangels Qualifikation des Zwangsstrafbeschlusses als Exekutionstitel stehe dem Verpflichteten für dessen Beseitigung die Oppositionsklage nicht offen. Aus diesem Grund sei die Rechtssache gemäß § 44 JN an das nicht offenbar unzuständige Landes- als Firmenbuchgericht Feldkirch zu überweisen.
Das Bezirksgericht Feldkirch verfügte jeweils am Tag der Beschlussfassung, dem 2.1.2023, die Zustellung dieser Beschlüsse an die Verfahrensparteien, denen diese jeweils am 9.1.2023 bzw 11.1.2023 zugestellt wurden. Da keine Verfahrenspartei dagegen ein Rechtsmittel erhob, erwuchsen diese Beschlüsse, mit denen sich das Bezirksgericht Feldkirch jeweils für sachlich unzuständig erachtete und die Rechtssache an das Landesgericht Feldkirch als Firmenbuchgericht überwies, in Rechtskraft.
Mit den in beiden Verfahren (11 C 10/22v und 11 C 11/22s) jeweils am 3.1.2023 beim Bezirksgericht Feldkirch (noch vor Übermittlung der Akten an das Firmenbuchgericht) eingelangten Schriftsätzen erstattete die Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, als dortige Beklagte – ebenfalls inhaltlich identes – Vorbringen zu beiden Oppositionsklagen und beantragte mangels eines von den Klägern behaupteten tauglichen Oppositionsgrunds Klagsabweisung. In diesen Schriftsätzen verzeichnete sie jeweils EUR 141,46 an Kosten.
Nachdem die beiden Akten des Bezirksgerichts Feldkirch mit den dortigen Aktenzeichen 11 C 10/22v und 11 C 11/22s beim Firmenbuchgericht eingelangt waren, wurden sie dort unter der Geschäftszahl 15 Fr 139/23a in ein gemeinsames Verfahren zusammengeführt und im Weiteren unter dieser Geschäftszahl gemeinsam behandelt.
Mit Beschluss vom 23.2.2023 beraumte das Firmenbuchgericht für den 24.3.2023 einen Tagsatzungstermin zur Einvernahme des Postzustellers an, der die seinerzeitige Zustellung der Zwangsstrafverfügungen am 14.6.2022 durchgeführt hatte. Zu diesem Termin wurde auch die Gesellschaft geladen. Am 24.3.2023 wurde der Postzusteller vom Erstgericht einvernommen, wobei für die Gesellschaft und den Geschäftsführer zu diesem Termin niemand erschien.
Dieser Verfahrenslauf ergibt sich aus den jeweiligen Akten.
Mit Beschluss vom 4.4.2023 wies das Erstgericht den „als Oppositionsklage bezeichnete [n] , inhaltlich einen Antrag auf Aufhebung der Zwangsstrafverfügung darstellende [n] Antrag“ beider Antragsteller ab. Dieser Entscheidung legte es nachstehenden Sachverhalt zu Grunde, wobei es sich hiefür auf die Angaben des Postzustellers im Zuge dessen Einvernahme stützte:
„Der zuständige Briefzusteller, Herr I*, hat die Rsb-Schreiben ordnungsgemäß versucht zuzustellen. Da kein Adressat anwesend war, hat er die Schreiben hinterlegt und Verständigungen über die Hinterlegung an der Abgabestelle hinterlassen, und zwar diese vor der Haustüre auf den Boden gelegt, da kein Briefkasten vorhanden ist.“
Rechtlich führt es aus, die Antragsteller würden nur behaupten, die Zwangsstrafverfügungen seien nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Sonstige Gründe würden nicht angeführt. Der Einspruch stelle das einzig mögliche Rechtsmittel gegen eine Zwangsstrafverfügung dar. Ein solcher sei hier jedoch nicht (fristgerecht) erhoben worden. Auch der Antrag auf Wiedereinsetzung sei als verspätet zurückgewiesen worden.
Wenn Oppositionsgründe vorlägen, könne eine Zwangsstrafverfügung auch vom Firmenbuchgericht aufgehoben werden. Oppositionsgründe nach § 35 EO könnten allerdings nur den Anspruch aufhebende oder hemmende Tatsachen sein, die erst nach Entstehung des Exekutionstitel eingetreten seien. Die mangelhafte Zustellung sei aber eine bereits vor Entstehung des Exekutionstitels eingetretene Tatsache, weshalb hier kein Oppositionsgrund nach § 35 EO vorliege, was zur Abweisung der Anträge führe.
Die Zustellung der Zwangsstrafverfügungen habe dem Gesetz entsprochen, weil die Überprüfung ergeben habe, dass der Zusteller die Hinterlegungsverständigungen an der Abgabestelle durch Ablegen vor der Haustür zurückgelassen habe. Da kein Briefkasten vorhanden gewesen sei, stelle diese Vorgehensweise eine zulässige Form der Verständigung im Sinn von § 17 Abs 2 Zustellgesetz dar. Die Vollstreckbarkeitsbestätigungen seien daher zu Recht erteilt worden. Selbst wenn die Hinterlegungsverständigungen verloren gegangen seien, ändere dies nichts an der Gültigkeit der Zustellungen. Die durch einen Verlust der Verständigungen verursachte Unkenntnis über die Zustellung könne nur mittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geltend gemacht werden; die diesbezüglichen Anträge seien aber verspätet erhoben worden. Insgesamt komme daher eine Aufhebung der Zwangsstrafverfügungen nicht in Betracht, weshalb die Anträge beider Antragsteller abzuweisen seien.
Gleichzeitig mit der Zustellung dieses Beschlusses übermittelte das Erstgericht sowohl der Gesellschaft als auch dem Geschäftsführer das Protokoll über die Einvernahme des Postzustellers.
Das Firmenbuchgericht zog die Republik Österreich als Antragsgegnerin bzw vormalige Beklagte in den beim Bezirksgericht Feldkirch geführten Zivilverfahren dem Verfahren nicht bei. Sie wurde weder vom Tagsatzungstermin am 24.3.2023 verständigt, noch wurden ihr der Beschluss vom 4.4.2023 oder die dagegen von der Geschäftsführerin und der Gesellschaft erhobenen Rechtsmittel zugestellt.
Gegen den Beschluss vom 4.4.2023 richten sich die jeweils rechtzeitigen Rekurse der Gesellschaft (ON 10) und des Geschäftsführers (ON 11).
Über Auftrag des Rekursgerichts vom 24.5.2023 (ON 13) holte das Erstgericht die Zustellung des Beschlusses vom 4.4.2023 und der Rekurse der Gesellschaft und des Geschäftsführers an die Republik Österreich nach. Deren Zustellung erfolgte laut im Akt erliegendem Zustellnachweis am 14.6.2023 (Zustellungszeitpunkt gemäß § 89d Abs 2 GOG, ON 14).
Mit dem laut Postaufgabestempel am 29.6.2023 zur Post gegebenen und am 30.6.2023 beim Erstgericht eingelangten Antrag auf Ergänzung der Kostenentscheidung, in eventu Kostenbestimmungsantrag beantragte die Republik Österreich, den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 4.4.2023 durch Bestimmung ihrer Kosten in der Gesamthöhe von EUR 300,24 zu ergänzen und die Antragsteller (entweder solidarisch oder anteilig) zum Ersatz dieser Kosten zu verpflichten. Eventualiter werde beantragt, die Kosten im begehrten Ausmaß zu bestimmen und die Antragsteller (wiederum entweder solidarisch oder anteilig) zum Kostenersatz zu verpflichten.
Eine Rekursbeantwortung zum Rekurs der Gesellschaft (ON 10) und des Geschäftsführers (ON 11) brachte die Republik Österreich nicht ein.
Mit Beschluss vom 24.8.2023 wies das Erstgericht den Kostenbestimmungsantrag der Republik Österreich ab (ON 16). Begründend führte es aus, diese sei dem Verfahren zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Zustellung nicht zugezogen worden, weshalb der Kostenersatzantrag abzuweisen sei. Der vorbereitende Schriftsatz sei auch nicht zweckmäßig gewesen, weil dieser nicht auf die wesentliche Frage der ordnungsgemäßen Zustellung eingegangen sei.
Gegen diesen Beschluss vom 24.8.2023 richtet sich der rechtzeitige Kostenrekurs der Republik Österreich (ON 18).
Die Gesellschaft und der Geschäftsführer erstatteten keine Rekursbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Allen drei Rekursen kommt aus nachstehenden Gründen keine Berechtigung zu:
I. Zu den Rekursen der Gesellschaft und des Geschäftsführers gegen den Beschluss vom 4.4.2023, 15 Fr 139/23a 7:
1. Der inhaltlichen Behandlung dieser identen Rekurse sind folgende prozessuale Erwägungen voranzustellen:
1.2. Mit der Zivilverfahrens-Novelle 2022 (ZVN 2022, BGBl I Nr 61/2022) wurden mit Wirksamkeit ab 1.5.2022 die bis dahin bestanden habenden Doppelgleisigkeiten bei der Einbringung von Geldstrafen, Gebühren und Kosten abgeschafft. Nach der bis zum Inkrafttreten der ZVN 2022, also bis 30.4.2022, geltenden Rechtslage (Rechtslage alt) mussten die einzubringenden Beträge iSd § 1 Abs 1 GEG von der Vorschreibungsbehörde im Justizverwaltungsweg durch Bescheid bestimmt bzw vorgeschrieben werden, selbst wenn dafür bereits ein gerichtlicher Exekutionstitel, wie etwa ein rechtskräftiger und vollstreckbarer Zwangsstrafbeschluss/eine Zwangsstrafverfügung vorlag. Im Fall der Einbringung einer vom Firmenbuchgericht verhängten Zwangsstrafe war gemäß §§ 1 Z 2, 6, 6a GEG alt (idF vor der ZVN 2022) – im Justizverwaltungsweg – ein Zahlungsauftrag (Bescheid) zu erlassen. Ausschließlich bei diesem handelte es sich um einen (verwaltungsbehördlichen) Exekutionstitel. Der vom Firmenbuchgericht erlassene Strafbeschluss hingegen war kein Exekutionstitel (§ 6a Abs 1 letzter Satz GEG alt; zur Rechtslage alt 3 Ob 82/20k; RIS-Justiz RS0119232; RS0123129; RS0053656).
1.3. Nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs war daher nach der Rechtslage vor der ZVN 2022 der Rechtsweg für Einwendungen gegen diese Exekutionstitel (also die im Justizverwaltungsweg erlassenen Zahlungsaufträge) unzulässig, obwohl der Zahlungsauftrag letztlich auf einer gerichtlichen Entscheidung beruhte, mit der die einzubringenden Zwangsstrafen verhängt wurden. Einwendungen gegen solche Exekutionstitel waren grundsätzlich im Verwaltungsverfahren geltend zu machen. In diesem konnten jedoch – abgesehen von zB Zahlung nach Erlassung des im Verwaltungsrechtsweg ergangenen Titels – keine Einwendungen iSd § 35 EO gegen den zugrundeliegenden (gerichtlichen) Zwangsstrafbeschluss erhoben werden, weil Exekutionstitel nicht dieser, sondern der Zahlungsauftrag (Bescheid) war (3 Ob 82/20k Rz 10ff; RIS-Justiz RS0123129). Zur Vermeidung einer unerträglichen Rechtsschutzlücke nahm das Höchstgericht daher – zur Rechtslage vor der ZVN 2022 – eine Befugnis des Firmenbuchgerichts an, von der Einbringung der verhängten Zwangsstrafe abzusehen (3 Ob 82/20k; 6 Ob 78/09b; RIS-Justiz RS0125148). Damit bestand nach der Rechtslage alt die Möglichkeit, anspruchsvernichtende Einwendungen gegen Zwangsstrafbeschlüsse, die bei Vorliegen eines gerichtlichen Exekutionstitels einen Oppositionsgrund iSd § 35 EO gebildet hätten, beim Firmenbuchgericht mit Sachantrag im Außerstreitverfahren geltend zu machen (3 Ob 82/20k Rz 19 = RIS Justiz RS0123129 [T4]; vgl auch zu gleichartigen Oppositionsgesuchen 6 Ob 136/21z).
1.4. Seit dem Inkrafttreten der ZVN 2022 mit 1.5.2022 hat sich die Rechtslage in dieser Hinsicht jedoch grundlegend geändert (Rechtslage neu). Nunmehr handelt es sich bei den in § 1 Abs 1 GEG genannten rechtskräftigen und vollstreckbaren Entscheidungen von Gerichten und Verwaltungsbehörden – zu denen auch Zwangsstrafverfügungen und -beschlüsse des Firmenbuchgerichts zählen (§ 1 Abs 1 Z 2 GEG) –, mit denen die Höhe des zu zahlenden Betrags und die Zahlungspflicht für diese bestimmt werden, um Exekutionstitel iSd Exekutionsordnung (§ 1 Abs 2 GEG). Mit dieser Gesetzesänderung entfällt daher für Beträge iSd § 1 Abs 1 GEG das nach der Rechtslage alt erforderliche verwaltungsbehördliche Vorschreibungsverfahren samt Erlassung eines Zahlungsauftrags, wenn bereits ein exekutionsfähiger Titel vorliegt. Exekutionstitel für die Einbringung der – hier – Zwangsstrafe ist ausschließlich der gerichtliche Beschluss (ausführlich zu dieser Systemänderung Lutschounig , Einbringung, Rückersatz und Stundung von Geldstrafen zur Erwirkung einer Unterlassung [§ 355 Abs 1 EO] nach der ZVN 2022 [Teil 1], RZ 2023, 68; Erlass des Bundesministerium für Justiz 2022-0.260.825, GEG-Richtlinie III: Vorschreibung und Einbringung nach der ZVN 2022).
1.5. Die dem gegenständlichen Verfahren zugrundeliegenden vom Firmenbuchgericht zu 15 Fr 1421/22b-1 und 15 Fr 1421/22b-2 erlassenen Zwangsstrafverfügungen datieren vom 8.6.2022. Auf diese gelangt daher die gerade dargestellte Rechtslage neu idF der ZVN 2022 zur Anwendung. Da in diesen Zwangsstrafverfügungen sowohl die Höhe der zu zahlenden Zwangsstrafe (jeweils EUR 700,--) als auch die Zahlungspflicht der Gesellschaft und des Geschäftsführers bestimmt wurden, handelt es sich dabei um Exekutionstitel iSd § 1 Abs 1 und 2 GEG neu. Von der Erlassung – verwaltungsbehördlicher – Zahlungsaufträge wurde hier daher zu Recht abgesehen. Vielmehr wurden nach Erteilung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung richtig die Zwangsstrafverfügungen den beiden Exekutionsverfahren als Exekutionstitel zu Grunde gelegt.
Daraus ergibt sich aber auch, dass die unter ErwGr 1.3. dargestellten Grundsätze zur Möglichkeit der Einbringung eines Sachantrags im Außerstreitverfahren beim Firmenbuchgericht zum Zweck der Erhebung von anspruchsvernichtenden Einwendungen iSd § 35 EO gegen einen gerichtlichen Zwangsstrafbeschluss/eine Zwangsstrafverfügung nach der Rechtslage neu keine Gültigkeit mehr haben. Diese Möglichkeit wurde von der Rsp nur zur Vermeidung einer „unerträglichen Rechtsschutzlücke“ anerkannt, weil nach der Rechtslage alt für die Einbringung einer Oppositionsklage der streitige Rechtsweg unzulässig war und im Verwaltungsweg keine Einwendungen iSd § 35 EO vorgebracht werden konnten (3 Ob 82/20k).
Da nunmehr aber der Zwangsstrafbeschluss/die Zwangsstrafverfügung direkt als Exekutionstitel dient und ein Zahlungsauftrag nicht mehr zu erlassen ist, besteht diese Rechtsschutzlücke nicht mehr, handelt es sich dabei doch nicht um verwaltungsbehördliche, sondern um gerichtliche Exekutionstitel. Damit ist aber zur Erhebung von Einwendungen iSd § 35 EO gegen diese (gerichtlichen) Exekutionstitel nunmehr der (streitige) Rechtsweg eröffnet. Derartige Einwendungen sind daher nach der seit der ZVN 2022 geltenden Rechtslage im Wege der (Oppositions)Klage bei dem Gericht geltend zu machen, das die Exekution in erster Instanz bewilligt hat (§ 35 Abs 2 erster Satz EO). Das war hier das Bezirksgericht Feldkirch.
1.6. Ausgehend von dieser Rechtslage haben daher die Gesellschaft und der Geschäftsführer ihre ausdrücklich als solche bezeichneten „Klage [n] nach § 35 EO“ richtig (im streitigen Rechtsweg) beim Bezirksgericht Feldkirch eingebracht. Die Überweisung an das Landesgericht Feldkirch als Firmenbuchgericht – und damit in den außerstreitigen Rechtsweg – war daher verfehlt. Dieser Umstand kann vom Rekursgericht aus nachstehenden Gründen allerdings nicht mehr aufgegriffen werden:
1.7. Gemäß § 40a JN hat das Gericht mit selbständig anfechtbarem Beschluss zu entscheiden, in welcher Verfahrensart eine Rechtssache zu behandeln ist, wenn das anzuwendende Verfahren zweifelhaft ist. Grundsätzlich ist die (Un)Zulässigkeit des streitigen oder außerstreitigen Rechtswegs in jeder Lage des Verfahrens bis zur Rechtskraft – und damit auch im Rechtsmittelverfahren – von Amts wegen wahrzunehmen (RIS-Justiz RS0046861). Anderes gilt nur, wenn gemäß §§ 40a, 42 Abs 3 und 4 JN schon bindend über die Zulässigkeit des streitigen oder außerstreitigen Rechtswegs abgesprochen wurde (RIS-Justiz RS0046861 [T3, T4]; RS0046249). Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung ist für eine bindende Entscheidung iSd § 42 Abs 3 JN keine ausdrückliche und spruchgemäß Entscheidung des Gerichts erforderlich. Zwar wird eine bloß implizite Bejahung der Prozessvoraussetzung durch meritorische Behandlung als nicht ausreichend erachtet (RIS-Justiz RS0114196 [T4, T8]; RS0039857 [T1]), sehr wohl aber eine bindende Entscheidung dann angenommen, wenn sich das Gericht mit dem Vorliegen der Prozessvoraussetzung in den Entscheidungsgründen auseinandergesetzt hat. Die Verneinung einer Prozessvoraussetzung in den Gründen allein ist daher der Rechtskraft fähig und entfaltet Bindungswirkung iSd § 42 Abs 3 JN. Der Entscheidungswille des Gerichts, über die Prozessvoraussetzung zu entscheiden, muss aber deutlich erkennbar sein (9 Ob 19/18m; RIS-Justiz RS0114196 [insb T6, T7, T9a]; RS0039774).
1.8. Hier hat das Bezirksgericht Feldkirch im Spruch der Beschlüsse vom 2.1.2023 zwar nicht ausdrücklich über die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs abgesprochen, sondern sich für sachlich unzuständig erklärt. Aus den Entscheidungsgründen ergibt sich in Zusammenschau mit der im Spruch ausgesprochenen Überweisung gemäß § 44 Abs 1 JN jedoch hinreichend deutlich, dass das Bezirksgericht Feldkirch in diesem Beschluss inhaltlich die Frage der Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs behandelte, begründet es seine Entscheidung doch vor allem mit dem oben eingehend behandelten Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs zur Möglichkeit der Einbringung eines Sachantrags im (außerstreitigen) Firmenbuchverfahren in Anwendung der Rechtslage alt. Da der Beschluss des Bezirksgerichts Feldkirch von den Parteien nicht angefochten wurde, sondern in Rechtskraft erwachsen ist, liegt eine bindende Entscheidung gemäß §§ 40a, 42 Abs 3 und 4 JN vor. Die Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs kann vom Rekursgericht daher nicht mehr aufgegriffen werden.
2. Zur inhaltlichen Behandlung der Rechtsmittel der Gesellschaft und der Geschäftsführerin:
2.1. Die Rekurswerber machen in ihren Rechtsmitteln geltend, die Verhängung der verfahrensgegenständlichen Zwangsstrafen stelle eine Doppelbestrafung dar, weil sie für die Nichtbeibringung der Bilanzen bereits im März 2022 bestraft und die Bilanzen dann im April 2022 eingereicht worden seien. Das Firmenbuchgericht sei daher bei Erlassung der Zwangsstrafverfügungen irrtümlich davon ausgegangen, dass die Bilanzen noch nicht eingereicht worden seien. Wenn die eingereichten Unterlagen nicht der gesetzlich vorgesehenen Form entsprochen hätten, wäre das Erstgericht zur Manuduktion verpflichtet gewesen. Im Übrigen halten die Rekurswerber daran fest, dass die Zustellung der Zwangsstrafverfügungen nicht rechtswirksam erfolgt sei. Das Ablegen der Hinterlegungsanzeige vor der Haustür entspreche nicht § 17 Abs 2 Zustellgesetz.
2.2. Wie das Erstgericht richtig erkannt hat, handelt es sich bei den von der Gesellschaft und dem Geschäftsführer in ihren Klagen gleichlautend vorgetragenen Argumenten nicht um Oppositionsgründe im Sinn von § 35 Abs 1 EO. Nach dieser Bestimmung können im Zuge des Exekutionsverfahrens nur solche Einwendungen erhoben werden, die auf den Anspruch aufhebenden oder hemmenden Tatsachen beruhen, die erst nach Entstehung des diesem Verfahren zugrunde liegenden Exekutionstitels eingetreten sind. Die Oppositionsklage setzt also den gänzlichen oder teilweisen Wegfall des Anspruchs wegen nach seiner Entstehung eingetretener Tatsachen voraus. Die Klage nach § 35 EO ist kein Rechtsbehelf für die Korrektur allenfalls fehlerhafter Entscheidungen im Exekutionsverfahren ( Angst/Jakusch/Mohr EO 15 § 35 E1f). Die Oppositionsklage dient ausschließlich der Geltendmachung von Änderungen nach Abschluss des Titelverfahrens, etwa der (nachträglichen) Anspruchserfüllung oder der Unmöglichkeit der Leistung. Das Argument, der Exekutionstitel sei zu Unrecht ergangen, bildet keinen zulässigen Oppositionsgrund. Behauptungs- und beweispflichtig für das Vorliegen eines Oppositionsgrunds ist der Oppositionskläger ( Deixler-Hübner/Schauer in Deixler-Hübner (Hrsg), Exekutionsordnung [34. Lfg 2022], § 35 EO Rz 71ff mzwN).
Mängel des Titelverfahrens oder des Exekutionsverfahrens bilden keine Oppositionsgründe . Weder die ursprüngliche Ungültigkeit des Exekutionstitels, noch dass dieser zu Unrecht ergangen sei, können mit Oppositionsklage geltend gemacht werden ( Jakusch in Angst/Oberhammer , EO³ § 35 EO Rz 51/1 [Stand 1.7.2015, rdb.at]).
Maßgebend ist stets die objektive Entstehung der Tatsache und nicht die subjektive Kenntnisnahme durch den Verpflichteten. Daher spielen subjektive Hinderungsgründe des Verpflichteten – wie Unkenntnis der Tatsachen und Beweisschwierigkeiten – idZ keine Rolle. Ziel der Oppositionsklage ist es nämlich nicht, die Rechtskraft des Exekutionstitels zu durchbrechen, sondern erst nach Abschluss des Titelverfahrens eingetretene Umstandsänderungen geltend machen zu können. Die Behauptung der Ungültigkeit des Exekutionstitels oder dessen ursprüngliche Unrichtigkeit stellen hingegen keine geeigneten Klagegründe dar ( Deixler-Hübner/Schauer aaO Rz 114, 116) .
2.3. Hier stützen sich die Gesellschaft und der Geschäftsführer zur Begründung ihrer Oppositionsklagen primär auf die Ungültigkeit der Zustellung der den Exekutionsverfahren zugrunde liegenden Zwangsstrafverfügungen. Nach den dargestellten Grundsätzen handelt es sich dabei aber nicht um Oppositionsgründe iSd § 35 Abs 1 EO, betreffen diese Einwände doch das Titelverfahren und die dort – vom Titelgericht – erteilte Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung.
2.4. Der hier inhaltlich erhobene Einwand, die Zustellungen der Zwangsstrafverfügungen seien wegen Verletzung der im ZustG normierten Formvorschriften unwirksam, ist ausschließlich im Weg einer Antragstellung nach § 7 Abs 3 EO, jedenfalls aber nicht mit einer Oppositionsklage gemäß § 35 EO geltend zu machen. Die Beseitigung einer unrichtig erteilten Vollstreckbarkeitsbestätigung – worauf die Einwände der Gesellschaft und der Geschäftsführerin hier inhaltlich abzielen – kann ausschließlich in einem Verfahren nach § 7 Abs 3 EO erfolgen. Diese Antragstellung bildet für den Verpflichteten die einzige Möglichkeit, eine unrichtig erteilte Vollstreckbarkeitsbestätigung zu bekämpfen und damit eine darauf aufbauende Exekutionsbewilligung zu verhindern oder zu beseitigen. Das Exekutionsgericht ist so lange an die vom Titelgericht erteilte Bestätigung der Vollstreckbarkeit gebunden, als diese nicht im Weg des § 7 Abs 3 EO vom Titelgericht aufgehoben wurde (RIS-Justiz RS0001582; RS0110275; RS0001544; Höllwerth in Deixler-Hübner aaO § 7 EO Rz 160, 164, 165, 169).
2.5. Das Erstgericht hat die Frage der Rechtswirksamkeit der Zustellung im angefochtenen Beschluss vom 4.4.2023 inhaltlich zwar mitbehandelt und die Zustellung auf Basis des von ihm festgestellten Sachverhalts im Ergebnis als rechtswirksam qualifiziert. Nach den dargelegten Grundsätzen handelt es sich bei der Frage der Rechtswirksamkeit der Zustellung aber nicht um eine im vorliegenden Oppositionsverfahren nach § 35 EO zu klärende Frage, sondern ist dieser Aspekt ausschließlich in einem Verfahren nach § 7 Abs 3 EO von jenem Gericht, das sie erteilt hat, zu klären. Nun ist im vorliegenden Fall aufgrund der unrichtigen, aber letztlich bindenden Überweisungen der Oppositionsklagen vom Bezirksgericht Feldkirch an das Firmenbuchgericht letzteres zwar sowohl Titelgericht in Bezug auf die zugrundeliegenden Zwangsstrafverfügungen vom 8.6.2022, als auch für die Behandlung der Oppositionsklagen zuständig. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die behaupteten Zustellmängel nicht im vorliegenden Oppositionsverfahren, sondern im Titelverfahren zu klären sind. Dabei handelt es sich um zwei unterschiedliche Verfahren. Die unrichtige Überweisung der Rechtssachen vom Bezirksgericht Feldkirch an das Firmenbuchgericht bewirkt keine Änderung des durch den Inhalt der verfahrenseinleitenden „ Klage [n] nach § 35 EO“ bestimmten Verfahrensgegenstands. Die Zwangsstrafverfügungen wurden jeweils zu 15 Fr 1421/22b erlassen; dabei handelt es sich um das Titelverfahren. Die Oppositionsverfahren sind ungeachtet des Umstands, dass auch diese aufgrund der dargestellten besonderen Konstellation vom Firmenbuchgericht geführt werden, davon unabhängige Verfahren und wurden daher vom Firmenbuchgericht zu Recht unter der Geschäftszahl 15 Fr 139/23a gesondert geführt. Das Erstgericht ist im angefochtenen Beschluss vom 4.4.2023 – richtigerweise – auch nicht nur auf die Zustellfrage eingegangen, sondern hat zunächst das Vorliegen von Oppositionsgründen verneint, sohin inhaltlich über die Berechtigung der Oppositionsklagen abgesprochen.
2.6. Die von der Gesellschaft und dem Geschäftsführer vorgetragenen Einwände gegen den Zustellvorgang können daher im vorliegenden Oppositionsverfahren nicht zum Erfolg führen.
2.7. Auch die im Rekurs vorgebrachten Argumente einer unzulässigen Doppelbestrafung, der unrichtigen Außerachtlassung der von den Rekurswerbern bereits im April 2022 vorgelegten Bilanzen sowie einer Verletzung der dem Erstgericht obliegenden Manuduktionspflicht stellen keine tauglichen Einwendungen im Sinn von § 35 Abs 1 EO dar. Selbst wenn diese Argumente zuträfen, würde es sich auch dabei nicht um Tatsachen handeln, die erst nach Entstehung der Exekutionstitel – hier der Zwangsstrafverfügungen vom 8.6.2022 – eingetreten sind.
2.8. Den aufgrund der bindenden Zuständigkeitsentscheidung hier (ausnahmsweise) im außerstreitigen Rechtsweg zu behandelnden Oppositionsklagen kommt damit mangels Vorliegens tauglicher Oppositionsgründe im Sinn von § 35 Abs 1 EO keine Berechtigung zu. Das Erstgericht hat die Klagen damit im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Den dagegen von der Gesellschaft und dem Geschäftsführer erhobenen Rekursen war daher keine Folge zu geben.
3. Die Gesellschaft und der Geschäftsführer haben in ihren Rekursen keine Kosten verzeichnet. Aufgrund der Erfolglosigkeit ihrer Rechtsmittel hätten sie diese ohnehin selbst zu tragen. Die Finanzprokuratur hat auf die Einbringung einer Rekursbeantwortung verzichtet. Eine Kostenentscheidung konnte daher entfallen.
4. Wie die Zitate belegen konnte sich das Rekursgericht in allen erheblichen Rechtsfragen an einer gesicherten Judikatur des Obersten Gerichtshofs orientieren. Somit war eine Rechtsfrage mit der von § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität nicht zu lösen, weshalb auszusprechen war, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist (§§ 15 FBG, 59 Abs 1 Z 2 AußStrG).
II. Zum Kostenrekurs der Finanzprokuratur:
1. Gemäß §§ 15 FBG iVm 41 AußStrG sind die Bestimmungen über die Ergänzung und Berichtigung von Entscheidungen im außerstreitigen Firmenbuchverfahren sinngemäß anzuwenden. Nach §§ 430, 423 Abs 1 und 2 ZPO ist ein Ergänzungsantrag wegen eines in einem Beschluss fehlenden oder unvollständigen Ausspruchs über die Erstattung der Prozesskosten binnen 14 Tagen nach Beschlusszustellung beim – hier – Erstgericht einzubringen. Auch eine Anfechtung mit Rekurs ist möglich (RIS-Justiz RS0041466). Der Ergänzungsbeschluss ist selbständig mit Rekurs anfechtbar, wenn die in ihm enthaltene Entscheidung – wäre sie als selbständiger Beschluss und nicht als Ergänzungsbeschluss ergangen – selbständig anfechtbar wäre (RIS-Justiz RS0041425). Der (rechtzeitige) Rekurs der Finanzprokuratur gegen den Beschluss vom 24.8.2023 (ON 16), mit welchem ihr Ergänzungs-/Kostenbestimmungsantrag abgewiesen wurde, ist daher zulässig, aber aus nachstehendem Grund nicht berechtigt:
2. Der Beschluss vom 4.4.2023 wurde der Finanzprokuratur laut dem im Akt erliegendem Zustellnachweis am 14.6.2023 (Zustellungszeitpunkt gemäß § 89d Abs 2 GOG, ON 14) zugestellt. Ausgehend von diesem Tag endete sowohl die für die Einbringung eines Ergänzungsantrags als auch eines – hier ohnehin nicht erhobenen – Rekurses geltende 14-tägige Frist am 28.6.2023, 24:00 Uhr. Zur Wahrung dieser Frist hätte der Ergänzungsantrag daher spätestens bis zu diesem Zeitpunkt (28.6.2023, 24:00 Uhr) zur Post gegeben werden müssen (§ 89 Abs 1 GOG; RIS-Justiz RS0059660). Der mit 28.6.2023 datierte Antrag auf Ergänzung der Kostenentscheidung wurde laut Postaufgabestempel jedoch erst am 29.6.2023 – und damit um einen Tag verspätet – zur Post gegebenen.
Der Ergänzungs-/Kostenbestimmungsantrag der Finanzprokuratur vom 28.6.2023 wäre daher vom Erstgericht richtigerweise nicht inhaltlich zu behandeln, sondern als verspätet zurückzuweisen gewesen. Damit war dem Kostenrekurs der Finanzprokuratur aufgrund der verspäteten Antragstellung gemäß §§ 15 FBG, 41 AußStrG, 430, 432 ZPO keine Folge zu geben und die angefochtene Entscheidung mit der Maßgabe zu bestätigen, dass die Anträge der Finanzprokuratur als verspätet zurückgewiesen werden.
3. Die Finanzprokuratur hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen. Da die Gesellschaft und der Geschäftsführer keine Rekursbeantwortung eingebracht haben, kommt ein Kostenzuspruch an diese nicht in Betracht.
4. Der Ausspruch über die Unzulässigkeit eines weiteren Rechtszugs gründet auf § 62 Abs 2 Z 1 AußStrG. Nach der Rsp ist eine Entscheidung über den Kostenpunkt jede Entscheidung, die in irgendeiner Form über Kosten abspricht, nämlich deren Bemessung sowie ob, von wem, an wen, in welcher Höhe, allenfalls aus welchen Mitteln Kosten zu ersetzen sind (RIS-Justiz RS0007696, RS0044110, RS011498, RS0044233). Der Umstand, dass der Antrag als verspätet zurückzuweisen und daher keine meritorische Entscheidung zu fällen war, ändert daran nichts. Der Ausschluss des Revisionsrekurses in § 62 Abs 2 Z 1 AußStrG betrifft nämlich nicht nur meritorische Entscheidungen, sondern erstreckt sich auf alle Entscheidungen, mit denen in irgendeiner Form – materiell oder formell – über Kosten abgesprochen wird (RIS-Justiz RS0007695; 6 Ob 149/12y; 6 Ob 179/11h).
III. Zu einem Vorgehen nach § 7 Abs 3 EO:
1. Im Hinblick auf die Feststellungen und die rechtlichen Ausführungen des Erstgerichts zum Zustellvorgang im Beschluss vom 4.4.2023 sowie dem von der Gesellschaft und der Geschäftsführerin in ihren Rekursen dazu vertretenen Standpunkt ist – ungeachtet des Umstands, dass die Einhaltung der Zustellvorschriften wie oben ausgeführt im gegenständlichen Verfahren nicht überprüft werden kann – auf Folgendes zu verweisen:
2. Nach § 7 Abs 3 EO ist die gesetzwidrig oder irrtümlich erteilte Bestätigung der Vollstreckbarkeit von dem Gericht, das sie erteilt hat, von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten durch Beschluss aufzuheben. Eine Bestätigung der Vollstreckbarkeit wird irrtümlich erteilt, wenn ihr ein der Wirklichkeit nicht entsprechender Sachverhalt zugrunde gelegt ist; deshalb liegt eine irrtümliche Vollstreckbarkeitsbestätigung insbesondere dann vor, wenn der Exekutionstitel dem Titelschuldner nicht rechtswirksam zugestellt wurde und daher die Vollstreckbarkeit des Titels tatsächlich nicht eingetreten ist (RIS-Justiz RS0001544). Wie das Erstgericht richtig erkannt hat, hat ein nicht den gesetzlichen Zustellvorschriften entsprechender Zustellvorgang – nach Durchführung eines Verfahrens nach § 7 Abs 3 EO – zu einer Aufhebung der (Rechtskraft-) und Vollstreckbarkeitsbestätigung zu führen (vgl die Ausführungen unter ErwGr I.2.4.f; RIS-Justiz RS0110275 [T6]).
3. Nach den vom Erstgericht durchgeführten Erhebungen zum Zustellvorgang und den entsprechenden Feststellungen im Beschluss vom 4.4.2023 hinterließ der Zusteller im Zuge des erfolglosen Zustellversuchs die Verständigung über die Hinterlegung derart an der Abgabestelle, als er sie mangels vorhandenen Briefkastens vor der Haustüre auf den Boden legte.
4. Gemäß § 17 Abs 2 ZustG ist die Hinterlegungsverständigung in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Der Zusteller hat die Wahl, auf welche Weise er die Hinterlegungsanzeige an der Abgabestelle zurücklässt. Es muss in jedem Fall die objektive Gewähr gegeben sein, dass die Verständigung den Empfänger erreichen kann (1 Ob 247/99a; 9 ObA 64/93; RIS-Justiz RS0083954). Die Hinterlegung bewirkt nur dann die Zustellfiktion, wenn sämtliche gesetzlichen Voraussetzungen verwirklicht sind. Es muss daher auch die Zurücklassung der Hinterlegungsanzeige gesetzmäßig erfolgen. Zu 1 Ob 247/99a erachtete der Oberste Gerichtshof das Zurücklassen der Hinterlegungsanzeige in einem für zwei Abgabestellen bestimmten Hausbrieffach, zu dem die Parteien nicht einmal einen eigenen Schlüssel hatten, als nicht dem Zustellvorschriften entsprechend. Er begründete diese Ansicht damit, dass durch diese Art des Zurücklassens der Hinterlegungsanzeige nicht sichergestellt war, dass diese den Parteien auch zukomme, hing es doch von Zufälligkeiten ab, die sie nicht beeinflussen hätten können. Das Landesgericht Steyr beurteilte in der Entscheidung 1 R 62/07x das Einlegen der Hinterlegungsanzeige in ein auch unbefugten Dritten zugängliches Zeitungsrollenfach als unzulässig ( Angst/Jakusch/Mohr aaO § 7 E 255). Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs entspricht das Ablegen der Verständigung vor der Wohnungs-/Eingangstür nicht § 17 Abs 2 ZustellG (VwGH 30.6.2005, 2004/18/0289; 29.1.2003, 2002/03/0239).
Im Hinblick auf die auch vom Obersten Gerichtshof vertretene Auffassung, dass im Falle der Hinterlegung gemäß § 17 Abs 2 AußStrG in jedem Fall die objektive Gewähr gegeben sein muss, dass die Verständigung den Empfänger erreichen kann, teilt das Rekursgericht die Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs, dass ein bloßes Ablegen der Hinterlegungsverständigung vor der Wohnungstür – ohne diese dort zu Befestigen – nicht § 17 Abs 2 AußStrG entspricht, ist dadurch doch keinesfalls ausreichend sichergestellt, dass die Verständigung den Empfänger auch erreichen kann.
5. Da im Titelverfahren 15 Fr 1421/22b des Landesgerichts- als Handelsgericht Feldkirch, in welchem die bezughabenden Zwangsstrafverfügungen ergingen, bis dato nur die von der Gesellschaft und dem Geschäftsführer eingebrachten Wiedereinsetzungsanträge (rechtskräftig) abgewiesen, eine Entscheidung im Sinn von § 7 Abs 3 EO jedoch noch nicht gefällt wurde, steht einem Vorgehen nach dieser Bestimmung – ausgehend von einem amtswegigen Tätigwerden des Erstgerichts oder einer entsprechenden Antragstellung der Beteiligten – nach dem Aktenstand derzeit nichts entgegen.