3R147/22z – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Beschluss
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Kohlegger als Vorsitzenden und die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Pirchmoser sowie den Richter des Oberlandesgerichts MMag. Dr. Dobler als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei ***** , vertreten durch *****, gegen die beklagte Partei *****, vertreten durch *****, wegen Räumung (Interesse EUR 30.300,-- s.Ng.), Unterlassung (Interesse EUR 5.200,-- s.Ng.) sowie EUR 15.000,-- s.Ng., Gesamtinteresse EUR 50.500,-- s.Ng., aus Anlass der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 20.9.2022, 9 Cg 96/21h 24, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Das als Verlegungsantrag zu wertende „Vertagungsgesuch“ der Klägerin vom 6.9.2023 wird v e r w o r f e n .
Text
Begründung:
Mit prozessleitender Verfügung vom 30.8.2023 beraumte das Oberlandesgericht Innsbruck die Tagsatzung zur mündlichen Berufungsverhandlung in dieser Rechtssache auf den 4.10.2023 von 13:00 Uhr bis 14:00 Uhr an. Dieser Beschluss wurde dem Klagsvertreter am 31.8.2023 und der Klägerin unter der Anschrift des Klagsvertreters am selben Tag zugestellt.
Am 6.9.2023 langte beim Berufungsgericht ein als Verlegungsantrag zu wertendes „Vertagungsgesuch“ der Klägerin ein, mit dem diese „höflich ersucht und beantragt, die Verhandlung […] auf einen anderen Termin zu verlegen“. Zur Begründung führte die Klägerin aus, sie befinde sich in der Woche vom 2. bis 6.10. in Urlaub und der Klagsvertreter müsse am selben Tag von 8:30 Uhr bis voraussichtlich 18:00 Uhr eine Verhandlung vor dem Landesgericht Feldkirch zu „43 Cg 162/2i“ verrichten, die bereits im Mai 2023 ausgeschrieben worden wäre.
Dieser Antrag war aus nachstehenden Gründen zu verwerfen:
Rechtliche Beurteilung
1.: Verlegungsanträge (8 ObA 46/14v), die vor Beginn der Tagsatzung einlangen (§ 136 Abs 3 ZPO), können zwar im Senatsprozess vom Vorsitzenden entschieden werden (§ 140 Abs 1 ZPO). Die teilweise in § 37 GOG, teils in der ZPO (vgl zB Ballon in Fasching / Konecny ZPO 3 I [2000] § 7 JN Rz 2 ff) und teilweise in den §§ 34 f JN enthaltenen Regeln über die Zuständigkeiten ua des Vorsitzenden im Senatsprozess stellen nur im Sinn der Prozessökonomie geschaffene und einschränkend auszulegende Ausnahmeregeln dar (5 Ob 543/88, RZ 1989/104, 279; OLG Wien 11.2.1999, 7 Ra 13/99d, RIS Justiz RW0000294). Aus der mit der ZVN 1983, BGBl 1983/135, geschaffenen Neuregelung des § 477 Abs 3 ZPO, die gemäß § 11a Abs 4 ASGG idF ASGG-Nov 1994, BGBl 1994/624 mit Modifikationen auch im arbeits- und sozialgerichtlichen Verfahren gilt, lässt sich jedoch ganz allgemein die Bevorzugung der Senatsentscheidung gegenüber einer solchen des Einzelrichters - oder des Vorsitzenden anstelle des Senats - ableiten (5 Ob 543/88, RZ 1989/104, 279). Da selbst die Wahrnehmungen der Zuständigkeiten des beauftragten Richters nach § 35 Abs 1 JN durch den Senat ( Garber in Fasching / Konecny ZPO 3 I [2000] § 35 Rz 1) keinen Nichtigkeitsgrund oder Verfahrensmangel darstellt, kann auch die Beschlussfassung durch den Senat in Fällen, in denen - beinahe immer nur fakultativ - Zuständigkeiten des Vorsitzenden vorgesehen sind, keine vorschriftswidrige Gerichtsbesetzung bewirkt werden, zumal dies der Grundregel des § 8 Abs 1 JN entspricht.
2.: Der vorliegende Antrag betrifft das ältere (am 22.6.2021 eingeleitete) Verfahren (gegenüber dem im Antrag verstümmelt genannten Verfahren 43 Cg 162/21i LG Feldkirch: Klagseinbringung 20.10.2021). Voranzustellen ist jener Grundsatz, der für alle Widerrufs-, Verlegungs- und Erstreckungsanträge gilt: Sie entfalten keine aufschiebende Wirkung. Dies bedeutet, bis zu ihrer antragsgemäßen Erledigung müssen die antragstellende Partei und ihr Vertreter vom aufrechten Termin ausgehen (8 ObA 46/14v, SVSlg 64.797; 6 Ob 264/04y; RIS Justiz RS0114577; LGZ Wien 19.10.2010, 44 R 520/10m, EFSlg 128.499; 14.5.2008, 42 R 87/08t, EFSlg 121.065; Buchegger in Fasching/Konecny ZPO³ II/3 [2015] § 136 Rz 2).
3.: Ebenso wie bei Fristverlängerungsanträgen nach § 128 ZPO sind bei solchen ua Verlegungsanträgen das unübersteigbare oder doch erhebliche Hindernis im Antrag anzuführen (LGZ Wien EFSlg 121.065) und die dafür erforderlichen Bescheinigungsmittel sofort im Antrag anzubieten ( Buchegger § 135 Rz 1). Wohl kann an sich auch ein erhebliches Hindernis in der Person des Bevollmächtigten unter § 134 Z 1 ZPO subsumiert werden. Dies jedoch nur mit der Einschränkung, dass ein Rechtsanwalt gemäß § 31 Abs 3 ZPO und § 14 RAO jederzeit die Möglichkeit zur Weitergabe einer Prozessvollmacht bzw zur Betrauung eines Substituten hat. Deshalb wird im Regelfall der Umstand, dass der bevollmächtigte Rechtsanwalt zur gleichen Zeit andere Verhandlungen hat, eine ua Verlegung nicht rechtfertigen können (2 Ob 646/57, JBl 1958, 238). Eine andere Betrachtung wäre nur dort angezeigt, wo behauptet und glaubhaft gemacht ist, dass die Rechtssache objektiv so kompliziert und umfänglich ist, dass eine durch die Umstände bedingte kurzfristige Substitution schon nach allgemeiner Erfahrung ausgeschlossen ist (OLG Wien EvBl 1950/62), sodass der Rechtsanwalt dann, wenn die Verhinderung wie hier durch eine anderweitige Verhandlung verursacht ist, immer auch noch ausdrücklich vorbringen und gegebenenfalls bescheinigen muss, dass er in der anderen Rechtssache keine Substitution vornehmen kann (LGZ Wien 31.1.1996, 45 R 55/96p, EFSlg 82.203; 21.11.1995, 37 R 696/95, EFSlg 79.183; OLG Wien 11.10.1993, 16 R 189/93, EFSlg 72.936; 72.935; Buchegger § 134 Rz 11 f). Im vorliegenden Fall hat der Klagsvertreter weder die Unmöglichkeit der Substitution noch eine besondere Komplexität des Parallelverfahrens 43 Cg 162/21i, das einer Substitution entgegenstünde, behauptet. Da ihm die Terminkollision nach eigenem Vorbringen zumindest seit 31.8.2023, somit mehr als vier Wochen vor den Terminen bekannt war, wäre - je nach seiner eigenen Einschätzung - eine Substitution mit vorheriger Instruktion des Substituten sowohl im Verfahren 43 Cg 162/21i als auch im vorliegenden Verfahren durchaus möglich gewesen und in Betracht gekommen (vgl Gitschthaler in Rechberger/Klicka ZPO 5 [2019] §§ 134 139 Rz 5 aE). Schon mangels konkreter Behauptung der Voraussetzung für ein Substitutionshindernis war daher sein Antrag abzuweisen.
4.: Bezüglich der Klägerin wird lediglich vorgebracht, dass sie sich in der Woche vom 2. bis 6.10.2023 im Urlaub befindet. Die Tatsache eines Urlaubs schließt aber das Erscheinen vor dem Berufungsgericht nicht per se aus. Dazu hätte im Antrag etwa konkret behauptet und im Hinblick auf die Dringlichkeit der Erledigung auch bescheinigt werden müssen, dass die Klägerin während dieser Zeit infolge einer längeren Ortsabwesenheit in weiterer Entfernung als es der Strecke zwischen ihrem Wohnort in Liechtenstein und dem Berufungsgericht nicht in der Lage wäre, der Ladung Folge zu leisten. Auch diesbezüglich findet sich kein konkretes Antragsvorbringen. Auch der Hinweis auf die Urlaubswoche der Klägerin stellt daher keinen gesetzlichen Verlegungsgrund dar. Im Übrigen sind in der Berufungsverhandlung weitere Beweisaufnahmen angesetzt.
5.: Zusammengefasst war daher der Verlegungsantrag des Klagsvertreters mangels hinreichender Begründung zu verwerfen (§ 135 Abs 2 ZPO).
6.: Beschlüsse des Berufungsgerichts, die über Anträge ua auf Verlegung von Tagsatzungen oder Fristverlängerungen entscheiden, sind zufolge der taxativen Aufzählung im § 519 ZPO unanfechtbar (7 Ob 16, 17/78, SZ 51/52; RIS Justiz RS0036523 [T1]; Buchegger § 141 ZPO Rz 10; Gitschthaler in Rechberger/Klicka ZPO 5 [2019] § 141 Rz 4 Pkt e).