5R22/23h – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Engers als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Mag. Vötter und die Richterin des Oberlandesgerichts Mag. Kitzbichler als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geb. am **, M***, **, **straße **, vertreten durch Dr. Marco Rovagnati, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, wider die beklagte Partei B* C* GmbH , **, ** C*, **, vertreten durch Mag. Michael Rettenwander, Rechtsanwalt in 5760 Saalfelden, wegen (eingeschränkt) EUR 12.726,10 und Feststellung (Interesse EUR 5.000,-- Gesamtstreitwert: EUR 17.726,10) über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 16.1.2023, 15 Cg 123/19v-86 (Berufungsinteresse EUR 14.768,50), sowie deren Rechtsmittel gegen die hierin enthaltende Kostenentscheidung (Rechtsmittelinteresse EUR 11.156,26) in nicht-öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
I. Der Berufung wird t e i l w e i s e Folge gegeben und das angefochtene Urteil hinsichtlich des Feststellungsbegehrens sowie im Kostenpunkt dahin abgeändert, dass es unter Einschluss des mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsenen sowie des zu bestätigenden Teils insgesamt lautet:
1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu Handen des Klagsvertreters EUR 9.768,50 samt 4 % Zinsen seit 23.5.2019 zu bezahlen.
2. Das Mehrbegehren in der Höhe von EUR 2.957,60 samt 4 % Zinsen seit 23.5.2019 wird a b g e w i e s e n .
3. Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei der klagenden Partei begrenzt durch die im Unfallzeitpunkt geltenden Haftungshöchstbeträge des § 15 EKHG für sämtliche künftige Folgen, die aus dem Unfall des Klägers im Schigebiet der beklagten Partei ***lift vom 12.3.2019 resultieren, haftet.
4. Das Mehrbegehren auf Feststellung der Haftung der beklagten Partei für sämtliche zukünftigen Folgen auch über die in Pkt 3. festgestellten Höchstbetragsgrenzen hinaus, wird a b g e w i e s e n .
5. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu Handen des Klagsvertreters die mit EUR 8.923,53 bestimmten Prozesskosten zu ersetzen.
IV. Die (ordentliche) Revision ist n i c h t zulässig.
V. Der Revisionsrekurs im Kostenpunkt ist jedenfalls u n z u l ä s s i g .
Entscheidungsgründe:
Text
Der Kläger (Körpergewicht 120 kg ohne Schiausrüstung) fährt schon seit 18 Jahren mit einer größeren Gruppe von Freunden und Kollegen nach C* zum Schiurlaub. Am 12.3.2019 wollte der Kläger, der über ein aufrechtes Schiticket der Beklagten verfügte, in der Mittagszeit mit dem Tellerlift „***lift“ den Hang hochfahren.
Bei der von der Beklagten betriebenen Liftanlage „D*” handelt es sich um einen Schlepplift mit hoher Seilführung mit an einem Schleppbügel befestigten Schleppteller, welches die Beförderungsmöglichkeit für eine Person bietet. Das System ist als Rechtsbahn ausgeführt, das heißt die Antriebs- und Lenkscheiben drehen sich im Regelbetrieb im Uhrzeigersinn. Die mit Schiern oder anderen Sportgeräten auf der Schneedecke gleitenden Fahrgäste werden mittels fix an das Förderseil geklemmter Schleppvorrichtungen bergauf gezogen. Jede Schleppvorrichtung ist mit einer Seilklemme ausgestattet, die sich im Betrieb nicht vom Förderseil lösen lässt. Die Fahrgeschwindigkeit zwischen den beiden Stationen auf der Strecke und in den Stationen selbst ist identisch. Es treten bei konstanter Fahrgeschwindigkeit der Anlage keine Verzögerungs- bzw. Beschleunigungsvorgänge der Schleppvorrichtungen in den beiden Stationen auf. Die Bremseinrichtung im Schleppgerät ist als mechanische Fliehkraftbremse ausgeführt und regelt die Anfahrtbremskraft sowie das Einziehen bzw. Aufwickeln des Schleppseiles auf die Seiltrommel. Das System arbeitet gewichtsunabhängig. Der Schlepplift ist für Selbstbedienung des Fahrgastes konzipiert. Der Betrieb nach dem Umbau 1999 wurde mit Bescheid vom 30.5.2000 von der E* genehmigt.
Der Kläger begab sich noch am 12.3.2019 an die Unfallchirurgie F* zur klinischen und nativradiologischen Abklärung. Die primäre Nativradiologie zeigt keinen überaltersgemäßen Aufbrauch und keine Vorverletzungsfolgen im Ellbogenbereich rechts. Der Kläger wurde am 5.4.2019 im G* H* vorstellig, wo eine subtotale Bizepssehnenruptur rechts diagnostiziert wurde. Er war vom 10. bis 12.4.2019 stationär im I* H* und wurde einer offenen Sehnenrevision mit „Stichelung” unterzogen.
Spätfolgen, auch im Sinne einer Spätruptur, eines lokalen Verschleißes, dies im lokalen Narbenbereich - sind nicht auszuschließen.
Insoweit steht der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt im Berufungsverfahren unbekämpft fest (§ 498 Abs 1 ZPO).
Mit seiner am 13.12.2019 eingebrachten Mahnklage begehrte der Kläger die Zahlung von EUR 18.783,60 s.A. und die Feststellung, dass die Beklagte für sämtliche künftige Folgen, die aus seinem Unfall im Skigebiet der Beklagten, ***lift, vom 12.3.2019 resultieren, zu haften habe.
Das Zahlungsbegehren schlüsselt sich auf wie folgt und wurde nach Vorliegen des medizinischen SV-Gutachtens in der Tagsatzung vom 6.10.2022 eingeschränkt:
Klage Einschränkung TS 6.10.2022
Schmerzengeld 15.000,00 9.500,00
fiktive Haushaltshilfe 1.680,00 1.680,00
Pflegehilfe 630,00 472,50
Hotelkosten 400,00 0,00
Skipass 235,00 235,00
Selbstbehalt KH-Aufenthalt 30,00 30,00
Medikamente, Parkgebühren, Verbände 150,00 150,00
Fahrtkosten 558,60 558,60
unfallkausale Spesen 100,00 100,00
Gesamtbetrag 18.783,60 12.726,10
Der Kläger brachte im Wesentlichen vor, dass sich aufgrund eines technischen Defekts des Tellerlifts „***lift“ im Skigebiet der Beklagten das Seil samt dem dran befindlichen Teller nicht ordnungsgemäß herausziehen habe lassen, sodass er mit voller Wucht nach vorne gezogen bzw. geschleudert worden sei. Durch diesen starken Zug habe er einen Abriss der Bizepssehne am rechten Ellenbogen erlitten. Die Beklagte hafte für diesen Unfall infolge Verletzung ihrer vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten sowie auch aufgrund der Bestimmungen des EKHG infolge des Versagens der Verrichtungen des Lifts.
Er habe Anspruch auf Schmerzengeld und aufgrund seiner Einschränkungen auch auf Kosten fiktiver Haushaltshilfe, Pflegehilfe und Ersatz diverser durch den Unfall entstandener Kosten im Sinn obiger Auflistung.
Spät- oder Dauerfolgen seien nicht auszuschließen.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und wendete im Wesentlichen ein, dass sie keine vertraglichen Schutz und Sorgfaltspflichten verletzt habe und es auch zu keinem Versagen der Verrichtungen des Tellerlifts gekommen sei. Ihr sei am 12.3.2019 ein Vorfall, wie nunmehr vom Kläger behauptet, nicht gemeldet worden. Dies obwohl sich ein Stationswärter vor Ort befunden habe. Während der gesamten Wintersaison 2018/19 und auch der Saison davor habe es keinen einzigen Vorfall bei diesem Tellerlift gegeben, bei dem sich das Seil des Bügels samt Feder nicht ordnungsgemäß herausziehen habe lassen. Beim Wegfahren mit einem Tellerlift könne es zu einem Ruck kommen. Dieser Ruck sei allerdings bei einer ordnungsgemäßen Benutzung des Tellerliftes, bei der sich der Teller zwischen den Beinen befinde, vollkommen ungefährlich. Sollte es tatsächlich bei der Benutzung des Tellerlifts zur gegenständlichen Verletzung gekommen sein, was grundsätzlich bestritten werde, könne dies nur auf eine unsachgemäße Benützung durch den Kläger zurückzuführen sein. Wenn man den Bügel mit dem Teller ergreife und den Bügel nicht zwischen die Beine nehme, könne es nach dem Ausrollen des Seils zu einem Ruck kommen, den man alleine mit der Hand abzufangen habe. Selbst ein derartiger Ruck könne aber nicht zum Reißen einer gesunden distalen Bizepssehne führen. Sollte die Sehne vorgeschädigt gewesen sein und es im Zuge der unsachgemäßen Benutzung des Lifts zu deren Riss gekommen sein, habe sich der Kläger seine Verletzung selbst zuzuschreiben.
Da die Höhe des zugesprochenen Schmerzengeldes sowie die Höhe der weiteren in der Klage begehrten Positionen im Berufungsverfahren keinen Streitpunkt bilden, wird auf die Wiedergabe des wechselseitigen Vorbringens zu diesen Schadenspositionen - wie auch des in diese Richtung gehenden Sachverhalts - verzichtet und insoweit auf die Ausführungen im Ersturteil verwiesen (§ 500a ZPO).
Mit Urteil vom 16.1.2023 (ON 86) verpflichtete das Erstgericht die Beklagte zur Zahlung von EUR 9.768,50 s.A., gab dem Feststellungsbegehren statt und wies das Mehrbegehren von EUR 2.957,60 ab, wobei diese Abweisung mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen ist.
Der Zuspruch schlüsselt sich auf wie folgt:
Schmerzengeld 7.000,00
fiktive Haushaltshilfe 1.482,00
Pflegekosten 472,50
Skipass 235,00
Selbstbehalt KH-Aufenthalt 30,00
Medikamente, Parkgebühren, Verbände 50,00
Fahrtkosten 339,00
unfallkausale Spesen 100,00
Gesamtbetrag 9.768,50
Zudem verpflichtete es die Beklagte zum Kostenersatz von EUR 19.734,95.
Dabei ging das Erstgericht vom eingangs referierten Sachverhalt aus und traf folgende weitere, soweit im Berufungsverfahren bekämpft, kursiv hervorgehobene Feststellungen :
Der Kläger stellte sich in den Einstiegsbereich des Lifts und griff nach dem seitlich an ihm vorbei fahrenden Bügel.
Nach Ergreifen des Schleppbügels verspürte der Kläger plötzlich einen starken Ruck und wurde nach oben gerissen. Durch diesen Ruck hoben sich die Schi im hinteren Bereich um ein paar Zentimeter vom Boden ab, die Schispitzen hingegen verblieben am Schnee. Der Kläger ließ während des Rucks die Stange nicht los, sondern hielt sie weiter fest. Nachdem er wieder zu Boden gekommen war, gelang es ihm, den Teller zwischen die Beine zu klemmen und mit dem Lift den Hang hinaufzufahren. Der Vorfall dauerte ca. 2 Sekunden lang (BR 1) .
Während der Liftfahrt bemerkte der Kläger, dass er sich bei dem Vorfall verletzt hatte (BR 2) .
Er erlitt im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Vorfall eine Teilruptur der körperfernen (distalen) Bizepssehne (BR 3) .
Nicht festgestellt werden kann, ob die Verletzung auf ein Versagen einer Verrichtung des Tellerlifts oder auf ein Fehlverhalten des Klägers zurückzuführen ist (BR 4) .
Ein verklemmendes Schleppseil zwischen Seiltrommel und Gehäuse ist aus technischer Sicht mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen, ebenso wie eine Falschmontage der Fangvorrichtung oder eine Verkeilung zwischen Bremse und Gehäuse durch falsche Montage oder eine Vereisung des Schleppgeräts.
Der Kläger zeigte den Vorfall gegenüber der Beklagten am Unfallstag nicht an (BR 5) .
Solche Verletzungen entstehen typischerweise bei Männern durch aktives Anspannen des Bizepsmuskels im Sinne eines Gegenhaltens gegen einen ruckartigen Widerstand. Bei distalen Bizepssehnenverletzungen müssen Schmerzen anfänglich nicht massiv ausgeprägt sein.
Auch Bewegungen mit gestrecktem Arm sind möglich, sodass die weitere Benützung des Schlepplifts mit der Fahrt zur Bergstation möglich war (BR 6) .
Unmittelbar nach dem Vorfall entwickelte sich ein massiver Bluterguss im Bereich des distalen Oberarms und der Ellenbeuge (BR 7) .
Nach dem Unfall konnte er seinen Schipass im Wert von EUR 235,-- nicht mehr verwenden (BR 8) .
Vor dem Unfall spielte er Tischtennis im Verein und nahm im Amateurbereich auch an Meisterschaften teil (BR 9) .
Dem Kläger entstanden unfallkausale Auslagen in Höhe von EUR 100,-- (BR 10) .
Im Zusammenhang mit unfallskausalen Behandlungen musste der Kläger insgesamt 1110 km zurücklegen (BR 11) .
Der Mitverschuldenseinwand erfolgte nicht zu Recht, da es dem Kläger nicht vorgeworfen werden kann, dass er den Bügel offenbar aus einem Reflex heraus nicht sofort losgelassen hat (BR 12 – hinsichtlich des Reflexes dislozierte Feststellung in der rechtlichen Beurteilung ON 86 S 11).
In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht erkennbar die Anwendbarkeit österreichischen Sachrechts in der Frage der Haftung und führte aus, dass gemäß § 9 EKHG eine Haftung der Beklagten zu bejahen sei, da dem Geschädigten durch eine Verletzung bei Herabziehen des Bügels der Nachweis des tatsächlichen Ursachenzusammenhangs zwischen dem Betrieb des Lifts und dem eingetretenen Schaden gelungen sei, während die Ursache für den Unfall nicht abschließend geklärt werden habe können.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die rechtzeitige Berufung der Beklagten aus dem Rechtsmittelgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das bekämpfte Urteil im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung bzw. einer Beschränkung der Haftung nach § 15 EKHG beim Feststellungsbegehren abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die Beklagte führte auch eine Berufung im Kostenpunkt aus und beantragt, dem Kläger EUR 11.156,26 weniger, somit insgesamt nur EUR 8.578,69 an Kosten zuzusprechen.
Der Kläger beantragt in seiner fristgerechten Berufungsbeantwortung, der Berufung keine Folge zu geben.
Nach Art und Inhalt des geltend gemachten Anfechtungsgrunds war über die Berufung in nichtöffentlicher Sitzung zu befinden (§ 480 ZPO).
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung der Beklagten erweist sich als teilweise berechtigt .
1. Zur Mängelrüge:
1.1. Die Beklagte macht einen Begründungsmangel geltend, da das Erstgericht die zu BR 1 getroffenen Feststellungen nur auf die Aussage des Klägers und seiner beiden Begleiter gestützt habe, ohne sich mit den mündlichen Ausführungen des seilbahntechnischen Sachverständigen zu dessen Selbstversuchen auseinander zu setzen. Hätte es dies getan, wäre es zur Überzeugung gelangt, dass ein zu den Verletzungen des Klägers führender Vorfall während der ersten 2 Sekunden nach Ergreifen des Schleppbügels nicht stattgefunden habe bzw. nicht feststellbar sei.
1.2. Ein Begründungsmangel wird in der Rechtsprechung beispielsweise dann angenommen, wenn für eine entscheidungswesentliche Feststellung jegliche Beweiswürdigung fehlt, bei bloß formelhafter Beweiswürdigung oder, wenn zwar bei den einzelnen Feststellungen in Klammerzitaten dargelegt ist, auf welche Beweisergebnisse sich die getroffene Feststellung stützt, aber in der Beweiswürdigung nicht auf gegenteilige Beweisergebnisse eingegangen wird, sowie schließlich bei Außerachtlassung wesentlicher Teile des Prozessstoffs im Rahmen der Beweiswürdigung ( Pochmarski/Tanczos/Kober , Berufung in der ZPO 4 , S 119 mwN aus der Rsp). Kein solcher Formalfehler des Urteils liegt hingegen vor, wenn das Erstgericht nicht sämtliche für nicht glaubwürdig erachtete Beweisergebnisse im Einzelnen nennt oder einen Umstand nicht erwähnt, der erwähnt werden hätte können oder eine Erwägung nicht angestellt hat, die noch angestellt hätte werden können. Das erkennende Gericht ist nicht verpflichtet, sich mit allen Einzelheiten des Verfahrens und allen nur denkbaren Erwägungen auseinanderzusetzen (RIS-Justiz RS0040180; Pochmarski/Tanczos/Kober , aaO 120). Wesentlich ist, dass aus seinen Ausführungen erkennbar wird, aus welchen Erwägungen es zum Ergebnis kam, die vorgenommenen Feststellungen treffen zu können oder solche Feststellungen nicht treffen zu können (RIS-Justiz RS0040180).
1.3. Das Erstgericht stützte die Feststellungen zu einem „Ruck“ auf die Angaben des Klägers und eines seiner Kollegen, der sein Einsteigen beobachtete. Das Erstgericht hatte keine Zweifel an den geschilderten Problemen beim Herunterziehen des Bügels. Davon abgesehen, dass „dieser Ruck“ noch keine Tatsachenfeststellung darüber enthält, wodurch er entstanden ist, also durch fehlerhafte Bedienung oder durch eine technische Ursache, liegt keine mangelhafte Begründung, sondern eine Wertung der Beweisergebnisse durch das Erstgericht vor. Der technische Sachverständige war kein unmittelbarer Zeuge des Vorfalls und hat einen „Ruck“ jedenfalls nicht ausgeschlossen. Außerdem hat sich das Erstgericht ausführlich (US 8) mit den Angaben des angesprochenen Sachverständigen befasst.
Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt daher nicht vor.
2. Zur Beweisrüge:
2.1. Die Geltendmachung des Berufungsgrunds der unrichtigen Beweiswürdigung erfordert die bestimmte Angabe 1) welche konkrete Feststellung bekämpft wird, 2) infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen wurde, 3) welche Feststellung stattdessen begehrt wird und 4) aufgrund welcher Beweisergebnisse die begehrte Feststellung zu treffen gewesen wäre. Dies bedingt, dass bekämpfte und gewünschte Feststellungen in einem Austauschverhältnis zueinander stehen, also denkunmöglich nebeneinander existieren können; ein solches Alternativverhältnis ist erforderlich (RIS-Justiz RS0041835). Dabei genügt es nicht, wenn der Berufungswerber lediglich begehrt, einzelne Feststellungen ersatzlos entfallen zu lassen (6 Ob 119/15s; 9 ObA 73/14x Pkt 1.; 6 Ob 221/13p Pkt. 5.; RIS-Justiz RS0041835 [T3]). Werden diese Grundsätze nicht beachtet, ist eine Beweisrüge nicht judikaturgemäß ausgeführt.
2.2. Anlässlich der Behandlung einer Beweisrüge ist nur zu überprüfen, ob das Erstgericht die ihm vorliegenden Beweisergebnisse nach der Aktenlage schlüssig gewürdigt hat (RI0100099). Der bloße Umstand, dass nach den Beweisergebnissen allenfalls auch andere Feststellungen möglich gewesen wären, rechtfertigt die Annahme der Bedenklichkeit der Beweiswürdigung der Tatsacheninstanz in aller Regel nicht. Vielmehr kann einer Beweisrüge erst dann Erfolg beschieden sein, wenn stichhaltige Bedenken gegen die Richtigkeit der vom Erstgericht angestellten Erwägungen ins Treffen geführt werden, zumal es ja gerade im Wesen der freien Beweiswürdigung liegt, einander widersprechende Beweisergebnisse gegeneinander abzuwägen und wertend zu gewichten (RIS-Justiz RS0043175). Zum Wesen der freien richterlichen Beweiswürdigung gehört es, dass die Tatsacheninstanz den persönlichen Eindruck, den sie von den vernommenen Zeugen und Parteien gewinnt, aufgrund ihrer persönlichen Überzeugung verwertet und sich für jene Darstellung entscheidet, die nach ihrer Gesamteinschätzung eine höhere Glaubwürdigkeit beanspruchen kann (RIS-Justiz RS0043175 [T1]).
Eine Beweisrüge kann deshalb nur dann erfolgreich sein, wenn stichhaltige Gründe ins Treffen geführt werden, die erhebliche Zweifel an der Beweiswürdigung rechtfertigen. Dazu ist darzulegen, dass wenigstens bedeutend überzeugendere Beweisergebnisse für andere Feststellungen vorliegen ( Klauser/Kodek JN-ZPO 18 § 467 E 39 ff).
2.3. Die Rechtsmittelwerberin bekämpft die oben gesondert wiedergegebenen und kursiv hervorgehobenen Feststellungen, an deren Stelle sie folgende Feststellungen begehrt:
(BR 1) „Nach Ergreifen des Schleppbügels verspürte der Kläger keinen starken Ruck und wurde nicht nach oben gerissen. Seine Schi blieben insgesamt auf dem Boden. Es dauerte ca. 2 sec., bis es ihm gelang, den Teller zwischen die Beine zu klemmen. Der Kläger ließ während dieser Zeit die Stange nicht los, sondern hielt sie weiter fest“.
In eventu:
„Nach Ergreifen des Schleppbügels ließ der Kläger die Stange nicht los, sondern hielt sie weiter fest. Es dauerte ca. 2 sec., bis es ihm gelang, den Teller zwischen die Beine zu klemmen. Was in dieser Zeit sonst geschah, insbesondere ob der Kläger plötzlich einen starken Ruck verspürte und nach oben gerissen wurde und ob sich durch diesen Ruck die Schi im hinteren Bereich um ein paar cm vom Boden abhoben, während die Schispitzen am Schnee verblieben, kann nicht festgestellt werden.“
Das Erstgericht hätte aufgrund der Selbstversuche des seilbahntechnischen Sachverständigen die Angaben des Klägers und seines Begleiters als empirisch nicht nachvollziehbar und mangels Meldung bei der Beklagten diesen Vorfall als nicht stattgefunden erachten müssen.
Diese „Selbstversuche“ des Sachverständigen erweisen sich jedoch aufgrund der vielen unbekannten Variablen (Geschwindigkeit der Anlage, Position der Schleppvorrichtung/des Klägers, Reibungswinkel zwischen Schi und Schnee, Gewicht des Fahrgastes und Zugwinkel, Zugkräfte), die vom Sachverständigen auch angeführt wurden (ON 76 S 2 - 5), als nicht dahingehend stichhaltig, erhebliche Zweifel an der Beweiswürdigung des Erstgerichts zu rechtfertigen.
Soweit die Beklagte Diskrepanzen in den Aussagen des Klägers und seiner damaligen Begleiter zur Frage des Verlusts des Bodenkontakts reklamiert und darauf hinweist, ein Zeuge habe keine genaue Erinnerung zum weiteren Tagesverlauf des Klägers gehabt, ist dem Folgendes entgegen zu halten: Hinsichtlich der Angaben des Zeugen, wonach der Kläger „insgesamt“ hochgehoben wurde, was mit den Angaben des Klägers nicht in einem Widerspruch steht, ist es lebensnah, zwar ein solches Hochheben im Sinne eines Streckvorgangs des Körpers eines Menschen zu bemerken, aber nicht genau darauf zu achten, ob sich beide Schi tatsächlich in der Luft befanden. Besonders die Schilderung, dass der Kläger beim Losfahren „eine komische Figur abgegeben habe“, spricht für eine tatsächliche Erinnerung an den Vorfall. Die fehlende Erinnerung eines der beiden Zeugen, ob der Kläger nach dem 12.3.2019 Schi gefahren sei, wirft keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen zur Vorfallsschilderung auf. Die Schilderungen der beiden Zeugen wurden vom Erstgericht ebenso ausreichend gewürdigt wie die vom Kläger angeführten Gründe für die unterbliebene Meldung des Vorfalls bei der Beklagten.
(BR 2) „Während der Liftfahrt verspürte der Kläger gesundheitliche Beschwerden, die er mit der Liftfahrt in Zusammenhang brachte.“
(BR 3) „Ob sich der Kläger die bei ihm diagnostizierte Teilruptur der körperfernen (distalen) Bizepssehne im Zuge der Liftfahrt, insbesondere bei oder nach Ergreifen des Schleppbügels oder aber bei anderer Gelegenheit zugezogen hat, kann nicht festgestellt werden.“
Die bekämpften Feststellungen seien nicht haltbar, da der Kläger als medizinischer Laie die Kausalität einer Verletzungsentstehung nicht beurteilen könne.
Da die Rechtsmittelwerberin die vom Erstgericht verwendete Diktion „Vorfall“ kritisiert, wird klargestellt, dass damit eindeutig der festgestellte starke „Ruck“ gemeint ist und mit dieser passenden Beschreibung noch keine Feststellung einhergeht, wodurch dieser Ruck ausgelöst wurde. Das Erstgericht stützte seine Feststellungen nicht nur auf die Aussagen der Klägers und des Zeugen, der kurz danach am Arm des Klägers ein Hämatom sah, sondern auch auf die Ausführungen der gerichtsmedizinischen Sachverständigen. Die Beklagte legte keine anderen Beweisergebnisse dar, aufgrund derer das Erstgericht die begehrten Ersatzfeststellungen treffen hätte müssen, sondern verweist lediglich auf die Argumentation, warum dieser Vorfall ihrer Meinung nach überhaupt nicht stattgefunden haben könne.
(BR 4) „Sollte sich der Kläger tatsächlich im Zuge der Liftfahrt verletzt haben, ist dies nicht auf ein – nicht vorhandenes – technisches Gebrechen des Tellerlifts zurückzuführen, sondern darauf, dass der Kläger den Bügel des ordnungsgemäß funktionierenden Lifts unsachgemäß ergriff und gegen den dadurch von ihm selbst herbeigeführten Widerstand aktiv dagegenhielt.“
In eventu:
„Die Verletzung des Klägers ist nicht auf ein – nicht vorhandenes – technisches Gebrechen des Tellerlifts zurückzuführen, sondern darauf, dass der Kläger den Bügel des ordnungsgemäß funktionierenden Lifts unsachgemäß ergriff und gegen den dadurch von ihm selbst herbeigeführten Widerstand aktiv dagegenhielt.“
Die begehrte Ersatzfeststellung sei relevant, weil ihr zufolge weder ein Fehler in der Beschaffenheit noch ein Versagen der Verrichtungen des Schlepplifts vorgelegen habe und sohin die Haftungsbefreiungsbestimmung des § 9 EKHG schlagend werde. Die Beurteilung der Ursache falle in das Fachgebiet des seilbahntechnischen Sachverständigen und nicht in jenes der medizinischen Sachverständigen. Der technische Sachverständige sei zum Schluss gekommen, dass eine Fehlfunktion der Liftanlage als Auslöser des Vorfalls sehr unwahrscheinlich sei. Somit könne die Verletzung nur durch eine Fehlbedienung des Klägers entstanden sein.
Das Erstgericht führte in seiner Beweiswürdigung aus, dass die Ursache für die Probleme beim Herunterziehen des Bügels trotz der vorliegenden Gutachten nicht geklärt werden habe können. Die Ausführungen der medizinischen Sachverständigen würden einen technischen Defekt vermuten lassen, während der technische Sachverständige einen solchen - nach Ausschluss bestimmter Varianten - nicht nachweisen habe können.
Der Rechtsmittelwerberin ist beizupflichten, dass der technische Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten eine Fehlfunktion der Liftanlage als Auslöser des Unfalls als sehr unwahrscheinlich bezeichnete. Er hat eine solche aber nicht ausgeschlossen. Die Aussagen des Klägers und seines Begleiters zum Ruck erachtete es als glaubwürdig, insbesonders auch, da der radiologische Sachverständige eine frische Verletzung und die rechtsmedizinische Sachverständige eine unerwartete abrupte Krafteinwirkung bestätigte. Das Erstgericht berücksichtigte zu Recht nicht nur die Angaben des technischen Sachverständigen, sondern die gesamten Beweisergebnisse, wobei für das Erstgericht für den festgestellten starken „Ruck“ offensichtlich eine Fehlbedienung, für die es überhaupt keinerlei Anhaltspunkte oder Beweisergebnisse gibt, ebenso (wenig) wahrscheinlich erschien wie eine technische Ursache, weshalb es schließlich eine Negativfeststellung getroffen hat, die nicht zu beanstanden ist.
(BR 5) „Der Kläger zeigte am 12.03.2019 gegenüber der beklagten Partei keinen Vorfall an.“
(BR 6) „Auch Bewegungen mit gestrecktem Arm sind möglich, sodass dem Kläger die weitere Benutzung des Schlepplifts mit der Fahrt zur Bergstation auch dann möglich gewesen wäre, wenn er sich im Zuge der Liftbenützung verletzt hätte.“
(BR 7) „Später in einer Berghütte war am Oberarm des Klägers ein Bluterguss zu sehen. Wann sich dieser entwickelte, kann nicht festgestellt werden.“
(BR 8) „Nach dem 12.03.2019 verwendete der Kläger seinen Schipass im Wert von EUR 235,00 nicht mehr.“
(BR 9) „Vor dem 12.03.2019 spielte er Tischtennis im Verein und nahm im Amateurbereich auch an Meisterschaften teil.“
(BR 10) „Dem Kläger entstanden im Zusammenhang mit der Verletzung der Bizepssehne Auslagen in Höhe von € 100,00.“
(BR 11) „Im Zusammenhang mit den Behandlungen der Verletzung der Bizepssehne musste der Kläger insgesamt 1.110 km zurücklegen.“
Die Beweisrüge zu BR 5 – BR 11 richtet sich gegen die in den angefochtenen Sachverhaltsannahmen enthaltene Feststellung des Erstgerichts, wonach es einen „Vorfall“ bzw. „Unfall“ bei der Benutzung des Tellerlifts gegeben habe und verweist auf die Begründung zu BR 1. Dazu wird wiederholt, dass die Beschreibung eines „Rucks“, aus dem sich eine Verletzung ergibt mit dem Wort „Vorfall“ bzw. „Unfall“ sprachlich richtig ist und noch keine Feststellung der Ursache enthält, welche für die rechtliche Beurteilung relevant ist. Zudem hätten die begehrten Ersatzfeststellungen keine andere rechtliche Beurteilung zur Folge, da deren Inhalt mit den getroffenen ident ist.
(BR 12) „Der Kläger hielt den Liftbügel willentlich fest, obwohl er ihn loslassen hätte können.“
Die dislozierte Feststellung des Erstgerichts zum Reflex ist als Tatsachenfeststellung zu behandeln, da die Zuordnung einzelner Teile eines Urteils zu den Feststellungen nicht vom Aufbau des Urteils abhängt (RIS-Justiz RS0043110).
Der Rechtsmittelwerber argumentiert, das Erstgericht habe nicht begründet, warum es von einem Reflex des Klägers ausgegangen sei. Es sei anzunehmen, dass es den Angaben des Klägers und eines Zeugen gefolgt sei. Jedoch entspreche es humanbiologischem Trivialwissen, dass das Festhalten oder Loslassen eines Liftbügels keinen Reflex im biologischen Sinn darstelle.
Dem ist zu entgegen, dass im Sprachgebrauch bei der Verwendung dieses Wortes in einem solchen Kontext nicht frühkindliche oder sonstige biologische oder antrainierte Reflexe gemeint sind, sondern ein instinktives schnelles Verhalten als Reaktion aufgrund einer bestimmten überraschenden Situation. Das Festhalten des Bügels wurde vom Erstgericht ohnehin festgestellt, während vom Kläger nie behauptet wurde, er hätte nicht loslassen können. Schließlich ist die dazu begehrte Ersatzfeststellung rechtlich nicht von Relevanz, da dem Kläger das Festhalten im Moment des Rucks nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, wobei zur Vermeidung von Wiederholungen dazu auf Punkt 3. verwiesen wird.
3. Zur Rechtsrüge:
3.1. Nach ständiger Rechtsprechung hat das Berufungsgericht die Entscheidung der ersten Instanz nur innerhalb der Grenzen der Berufungsanträge und unter Bindung an die geltend gemachten Berufungsgründe zu überprüfen ( Kodek in Rechberger/Klicka ZPO 5 § 462 Rz 2 mwN). Nur Nichtigkeitsgründe sind von Amts wegen wahrzunehmen ( Fasching in Fasching/Konecny 3 § 477 ZPO Rz 1). Ansonsten ist das Gericht im Rahmen seiner im Rechtsmittelverfahren beschränkten Dispositionsbefugnisse an die Rechtsmittelanträge, Rechtsmittelerklärungen und Rechtsmittelgründe gebunden ( Fasching in Fasching/Konecny 3 IV/1, Einleitung Rz 26).
Aufgrund der gesetzmäßig ausgeführten Rechtsrüge ist im Hinblick auf den Auslandsbezug (der Kläger hat seinen Wohnsitz in ***) die Frage des anzuwendenden materiellen Rechts von Amts wegen zu erörtern (1 Ob 163/05k, 8 Ob 62/09i).
Zwischen den Streitteilen wurde ein Beförderungsvertrag abgeschlossen, weshalb sich gemäß Art 5 Abs 2 Rom I-VO das anzuwendende Recht nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der zu befördernden Person bestimmt, sofern sich in diesem Staat auch der Abgangsort oder der Bestimmungsort befindet. Dies ist hier nicht der Fall, sodass gemäß Art 5 Abs 2 letzter Satz Rom I-VO das Recht jenes Staats anzuwenden ist, in dem der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Da der Sitz der Beklagten in Österreich ist, kommt auf die Beurteilung der aus dem Beförderungsvertrag geltend gemachten Ansprüche österreichisches materielles Recht zur Anwendung.
Eine Rechtswahl wurde nicht behauptet.
3.2. Die Rechtsmittelwerberin argumentiert, dass die Negativfeststellung zur Ursache der Verletzung verba legalia und nicht konkrete technische Sachverhaltsfeststellungen enthalte, weshalb eine abschließende Beurteilung der Frage, ob ein Versagen der technischen Verrichtung vorgelegen habe, nicht möglich sei. Dazu sei aufgrund des seilbahntechnischen Sachverständigengutachtens noch folgende Feststellung zu treffen: „Ein technischer Defekt als Auslöser des Unfalls ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen.“
Dem ist zu entgegnen, dass die Feststellungsgrundlage nur dann mangelhaft ist, wenn Tatsachen fehlen, die für die rechtliche Beurteilung wesentlich sind und dies Umstände betrifft, die nach dem Vorbringen der Parteien und den Ergebnissen des Verfahrens zu prüfen waren (RIS-Justiz RS0053317). Wenn hingegen zu einem bestimmten Thema Tatsachenfeststellungen getroffen wurden, mögen sie auch den Vorstellungen des Rechtsmittelwerbers zuwiderlaufen, liegt kein Feststellungsmangel vor (RIS-Justiz RS0043480 [T15]). Vom Erstgericht wurde zu dieser Frage auf S 4 eine korrespondierende Negativfeststellung getroffen und auch, wenn der Rechtsmittelwerberin beizupflichten ist, dass verba legalia verwendet wurden, ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Urteil eindeutig, dass damit eine Negativfeststellung zur Frage einer technischen Ursache für den starken „Ruck“ nach Ergreifen des Liftbügels getroffen wurde. Da die Beklagte diese Feststellung bereits mit der Beweisrüge erfolglos bekämpfte, wird auf die dortigen Ausführungen verwiesen.
3.3. Die Beklagte argumentiert weiters, eine Vertragshaftung sei zu verneinen, da ungeklärt gebliebene Einzelheiten zur Ursache der Verletzung nicht Grundlage einer Verschuldenshaftung bilden könnten. Die Unklarheit, ob die Verletzung des Klägers auf ein Fehlverhalten seinerseits oder auf ein Versagen einer Verrichtung des Tellerlifts zurückzuführen sei, gehe zu Lasten des Klägers.
Bei vertragswidriger Vorgangsweise hat der Schädiger den kausal und adäquat verursachten Schaden zu ersetzen. Die Kausalität ist dabei nach der Äquivalenztheorie festzustellen, das heißt kausal ist jeder Umstand, ohne den der schädliche Erfolg nicht eingetreten wäre (RIS-Justiz RS0109228). Der Geschädigte ist dafür beweispflichtig, dass überwiegende Gründe dafür vorliegen, der Schaden sei durch das Verhalten der Beklagten herbeigeführt worden. Ihm obliegt daher der Beweis des Kausalzusammenhangs zwischen dem Verhalten des Schädigers und dem Eintritt des Schadens (RIS-Justiz RS0022900 [T6]). Die Beweislastumkehr des § 1298 ABGB greift nur Platz, wenn der Geschädigte zunächst beweist, dass der Schädiger objektiv seine Pflicht nicht erfüllt hat. Wenn jedoch ein auch nur objektiv vertragswidriges Verhalten des Schädigers nicht feststellbar ist, kann die Beweislastumkehr nach § 1298 ABGB nur dann angewendet werden, wenn der Geschädigte beweist, dass nach aller Erfahrung die Schadensentstehung auf ein wenigstens objektiv fehlerhaftes (vertragswidriges) Verhalten des Schädigers zurückzuführen ist (RIS-Justiz RS0026290).
Da zur Ursache des starken „Rucks“ eine Negativfeststellung getroffen wurde, gelang dem Kläger der Beweis des Kausalzusammenhangs insoweit nicht, weshalb eine Haftung aus dem Vertrag ausscheidet.
3.4. Nach Ansicht der Rechtsmittelwerberin sei auch eine Haftung nach dem EKHG zu verneinen. Nach den allgemeinen Beweisregeln sei für das Vorliegen der Gegenausnahme des § 9 Abs 1 EKHG (Fehler in der Beschaffenheit oder Versagen der Verrichtung der Seilbahn) bei Vorliegen eines unabwendbaren Ereignisses der Geschädigte beweisbelastet. Da der Kläger ein solchen Versagen der Verrichtungen des ***lifts nicht beweisen haben können, wäre die Klage abzuweisen gewesen. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Beweislast für diese Tatsache bei der Beklagten gelegen wäre, sei die Rechtsprechung zu RIS-Justiz RS0058992 zu beachten, wonach ein bloß denkunmöglich und demzufolge „ungeklärtes“ Ereignis nicht zu Lasten des Halters bzw. Betriebsunternehmers gehen könne.
Wird durch einen Unfall beim Betrieb einer Eisenbahn oder beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch an seinem Körper oder an seiner Gesundheit verletzt, so ist der hieraus entstehende Schaden gemäß den Bestimmungen des EKHG zu ersetzen. Gemäß § 5 EKHG haftet für den Ersatz der in § 1 EKHG bezeichneten Schäden der Halter. Nach den Feststellungen handelt es sich bei diesem Tellerlift unstrittig um einen Schlepplift im Sinne des § 2 Abs 1 EKHG iVm § 2 Abs 2 SeilbG. Das Einsteigen und Ergreifen des Liftbügels durch den Schigast zur Beförderung ist ein Vorgang während des Betriebs, womit eine gewisse Gefährlichkeit eines Schadeneintritts einhergeht. Die Verletzung des Klägers wurde somit beim Einsteigen durch den von der Beklagten gehaltenen im Betrieb befindlichen ***lift verursacht.
Die Voraussetzungen für eine Haftungsbefreiung sind in § 9 EKHG normiert und die Beweislast liegt beim Halter (RIS-Justiz RS0058926 [T1, T3]; RS0058979). Der Ersatz ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wurde, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit noch auf einem Versagen der Verrichtungen der Eisenbahn beruhte. Nicht aufgeklärte Umstände, Unklarheiten über Ursachen und Umstände hinsichtlich der Einzelheiten des Unfallgeschehens gehen zu Lasten des Halters (RIS-Justiz RS0109832; RS0058992; OGH 6.10.1977 ZVR 1978/120).
Aufgrund der Negativfeststellung zur Ursache des Vorfalls ist der Beklagten der Entlastungsbeweis nicht gelungen.
Im Übrigen brachte die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren zur Haftungsbefreiung ausschließlich zu einem allfälligen (Mit)Verschulden des Klägers vor, wonach eine allfällige Verletzung bei der Benutzung des Tellerlifts nur auf eine unsachgemäße Handhabung durch den Kläger zurückzuführen sei. Er habe den Unfall selbst verschuldet oder zumindest überwiegend mitverschuldet, da er den Bügel nicht losgelassen habe.
3.5. Zum vom Erstgericht verneinten Mitverschulden macht die Beklagte das Vorliegen eines sekundären Feststellungsmangels geltend, da zur Beurteilung dieser Frage folgende Feststellung getroffen werden hätte müssen: „Hätte der Kläger den Liftbügel bei Verspüren des Rucks losgelassen, was ihm möglich war, hätte er sich nicht verletzt.“
Wird ein Verkehrsteilnehmer bei einer plötzlich auftretenden Gefahr zu schnellem Handeln gezwungen und trifft er unter dem Eindruck dieser Gefahr eine - rückschauend betrachtet - unrichtige Maßnahme, dann kann ihm dies nicht als Mitverschulden angerechnet werden (RIS-Justiz RS0023292).
Dem Kläger kann das Festhalten des Bügels trotz des „Rucks“ in diesen zwei Sekunden in diesem Sinn nicht als Verschulden oder Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten vorgeworfen werden, weshalb dieser begehrten Feststellung keine rechtliche Relevanz zukommt.
3.6. Auf die vom Kläger in der Berufungsbeantwortung monierten sekundären Feststellungsmängel, wonach Feststellungen zu technischen Möglichkeiten fehlen würden, ist nicht näher einzugehen, da die gewünschten Feststellungen des Klägers genereller Natur sind und nicht den Vorfall selbst betreffen, weshalb sie rechtlich nicht entscheidend sind.
3.7 Zuletzt begehrt die Beklagte – für den Fall, dass das Klagebegehren nach dem EKHG berechtigt wäre – die Ergänzung des Spruchpunkts 2. des Ersturteils um die Wortfolge: „dies beschränkt mit den auf die im Unfallszeitpunkt 12.3.2019 geltenden Haftungshöchstbeträge gemäß §§ 15 und 16 EKHG“.
Die Begrenzung der Haftung nach dem EKHG ist im Spruch des Feststellungsbegehrens auszudrücken. Im Falle einer Haftung nach dem EKHG ist die Beschränkung dieser Haftung auf die Höchstbeträge nach diesem Gesetz bei einem Feststellungsbegehren von Amts wegen zu beachten. Im Antrag des Halters und des Haftpflichtversicherers auf Abweisung des Klagebegehrens ist jedenfalls ein Antrag auf Einschränkung ihrer Haftung auf die Höchstbeträge gemäß § 15 EKHG zu sehen. (RIS-Justiz RS0058378, RS0039011 [T5, T6])
Der Berufung war daher in der Hauptsache teilweise Folge zu geben und das angefochtene Urteil um die Aufnahme der Haftungsbeschränkung abzuändern.
4. Die teilweise Abänderung des Ersturteils in der Hauptsache erfordert hier keine neue Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens. Dieser Fall eines Teilunterliegens durch urteilsmäßige Begrenzung eines auf unbeschränkte Haftung lautenden Feststellungsbegehrens mit den Haftungshöchstbeträgen des EKHG wird in der Rechtsprechung kostenrechtlich unterschiedlich behandelt. So wird damit argumentiert, dass davon auszugehen sei, dass der Kläger bloß mit der Hälfte des Feststellungsbegehrens durchdringt (2 Ob 70/01k und weitere Beispiele aus der Judikatur in Obermaier , Kostenhandbuch 3 , Rz 1.143). Fallweise wird auch mit einer einzelfallbezogenen freien Schätzung der Misserfolgsquote vorgegangen (2 Ob 99/06g: ein Achtel) und teilweise das Unterliegen als geringfügig vernachlässigt (2 Ob 75/02x), wenn wie bei der hier vorliegenden Sachlage die Schäden die Haftungshöchstbeträge des EKHG wahrscheinlich nie erreichen werden. Zudem war die Abweisung des Mehrbegehrens auch mit keinem kostenmäßigen Mehraufwand verbunden.
Damit ist aus dem Blickwinkel des Erfolgs in der Hauptsache von einer Abänderung der Kostenentscheidung des Erstgerichts abzusehen ( Obermaier Rz 1.456).
5. Die Kostenentscheidung im Berufungsverfahren stützt sich auf §§ 43 Abs 2, 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte ist mit ihrer Berufung nur geringfügig durchgedrungen (Pkt 4). Daher stehen dem Kläger die Kosten seiner rechtzeitig und tarifmäßig verzeichneten Kosten der Berufungsbeantwortung zu.
6. Bei der Bewertung des Feststellungsbegehrens bestand keine Veranlassung, von der vom Kläger gewählten und von der Beklagten nicht beanstandeten Bewertung abzugehen. Die Streitwerte des Leistungs- und des Feststellungsbegehren sind vorliegend gemäß § 55 Abs 1 Z 1 JN zusammenzurechnen (RIS-Justiz RS0042923). Der Entscheidungsgegenstand des Berufungsverfahrens übersteigt damit EUR 30.000,-- nicht.
7. Der vorliegenden Entscheidung kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, da die wesentlichen Fragen auf Tatsachenebene zu klären waren, sich das Berufungsgericht auf eine klare Rechtslage stützen konnte und keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zu lösen war. Die ordentliche Revision war daher mangels Vorliegen der Voraussetzungen nach § 502 Abs 1 ZPO für nicht zulässig zu erklären (§ 500 Abs 2 Z 3 ZPO).
8. Zur Kostenrüge der Beklagten:
8.1. Das Erstgericht stützte seine Kostenentscheidung auf § 43 Abs 2 ZPO und ging von einer Bemessungsgrundlage von EUR 14.768,50 aus. Die Beklagte hat gegen die vom Kläger verzeichneten Kosten keine Einwendungen erhoben
8.2. In ihrer Kostenrüge begehrt die Beklagte zutreffend die Anwendung von § 43 Abs 1 und Abs 2 ZPO. Es sind wie von der Beklagen dargestellt, zwei Phasen zu bilden, da in der ersten Phase bis zur Tagsatzung vom 6.10.2022 in den Punkten Schmerzengeld und sonstige Kosten (Medikamente, Parkgebühren, Verbände) eine Überklagung vorlag und die Position der Hotelkosten überhaupt fallen gelassen wurde, was ein Unterliegen dem Grunde nach darstellt. Die Bemessungsgrundlage beträgt in der ersten Phase daher teils streitwertbereinigt und wie richtig dargestellt (RMS 31):
Schmerzengeld 15.000,00
fiktive Haushaltshilfe 1.482,00
Pflegehilfe 472,50
Hotelkosten 400,00
Skipass 235,00
Selbstbehalt KH-Aufenthalt 30,00
Medikamente, Parkgebühren, Verbände 150,00
Fahrtkosten 399,00
unfallkausale Spesen 100,00
Gesamtbetrag 18.268,50
+ Feststellungsbegehren 5.000,00
Bemessungsgrundlage 23.268,50
Entgegen der Auffassung des Klägers in seiner Rechtsmittelgegenschrift im Kostenpunkt ist eine kostenschädliche Überklagung der Position Schmerzengeld zu bejahen: Ratio des § 43 Abs 2 ZPO ist es, dem Kläger die mit der Bezifferung des Klagebegehrens verbundenen Schwierigkeiten abzunehmen (RIS-Justiz RS0122016). Die Rechtsprechung zieht als Richtschnur für eine Überklagung ein Begehren bis zum Doppelten des insgesamt ersiegten Betrags heran; anders angedrückt, der insgesamt erreichte Betrag muss um oder über 50 % der Klagsforderung liegen. Dabei sind immer auch die besonderen Umstände des Einzelfalls bedeutsam. Generell tendiert die Judikatur der letzten Jahre immer mehr dazu, diese 50 % Grenze nicht als starr anzusehen. Eine sonst die Kostenfolgen des § 43 Abs 1 ZPO auslösende Überklagung des Schmerzengeldbetrags liegt etwa nicht vor, wenn die Einschätzung des Klägers aus in der Art seiner Verletzungen liegenden Gründen besonders schwierig ist. Diese 50 %-Grenze stellt eine typisierende Betrachtung dar, die sich im Hinblick auf die damit verbundene Rechtssicherheit in der Praxis bewährt hat; sie ist im Allgemeinen ohnehin großzügig bemessen ( Obermaier Kostenhandbuch³ Rz 1.171). Hier erlitt der Kläger nach den Feststellungen eine Teilruptur der körperfernen Bizepssehne, die noch Bewegungen mit dem gestreckten Arm ermöglichte und zur Entwicklung eines massiven Blutergusses im Bereich des distalen Oberarms und der Ellenbeuge führte; Schmerzengeldbeträge in einer Höhe von einer halben oder einer viertel Million Euro standen nie zur Diskussion. Ein Rückgriff auf die in der Rechtsmittelgegenschrift genannten Entscheidungen verbietet sich daher. Auch wenn – wie bereits ausgeführt – in diesem Zusammenhang immer die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind, besteht hier doch kein Anlass von der bereits genannten „50 %-Grenze“ abzugehen, zumal die Verletzung des Klägers nicht als besonders schwer angesehen werden kann und seine Lebensführung – nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen – zumindest die ersten drei Monate, dann abnehmend bis zu einem halben Jahr nach einer operativen Versorgung eingeschränkt war. Damit aber war auch die Höhe des Schmerzengeldanspruchs überschaubar.
Der Kläger obsiegte in dieser Phase mit 63 % (das geringfügige Unterliegen im Feststellungspunkt fallt nicht ins Gewicht), weshalb ihm 26 % seiner Vertretungskosten zuzusprechen sind.
Die Vertretungskosten des Klägers betrugen in der ersten Phase wie von der Beklagten in der Kostenrüge richtig berechnet (RMS 32 Mitte) inklusive ERV-Zuschlägen netto EUR 9.605,60 zuzüglich – wie von der Beklagten ausdrücklich zugestanden! – 50 % Zuschlag nach § 21 RATG von EUR 4.802,80, somit gesamt netto EUR 14.408,40. Die Reisekosten (Fahrt-, Park- und Übernachtungskosten) des Klägers betrugen EUR 850,15.
Der Kläger hat daher Anspruch auf netto EUR 3.746,18 an Vertretungskosten und EUR 221,04 an Reisekosten.
Der von der Beklagten mitberücksichtigte (RM S 32) Kostenvorschuss des Klägers von EUR 2.500,00 (ON 37) erliegt noch vollständig bei Gericht, da der Kläger die SV-Gebühren für die Sachverständigen Dr. J* und Dr. K* direkt überwies. Dieser Betrag ist vom Kläger somit nicht für SV-Gebühren ausgegeben worden. Mangels Anfechtung, vielmehr ausdrücklichem Zugeständnis im Rechtsmittel kann diese Unrichtigkeit im Rechtsmittelverfahren nicht aufgegriffen werden (§ 405 ZPO).
In der Kostenrüge von der Beklagten ebenso nicht richtig wiedergegeben wurden deren bezahlte SV-Gebühren, da nicht EUR 4.500,00, sondern nur ein geringerer Betrag in die erste Phase fällt.
Zu den Barauslagen der ersten Phase:
KLÄGER BEKLAGTE
Pauschalgebühr EUR 743,00 SV-Gebühr Ing. L* EUR 2.868,00
SV-Gebühr Dr. J* EUR 1.201,00 SV-Gebühr Dr. M* EUR 700,00
SV-Gebühr Dr. K* EUR 541,00 EUR 3.568,00
N* EUR 2.500,00
EUR 4.985,00
Der Kläger erhält an Barauslagenersatz 63 %, das sind EUR 3.140,55 und die Beklagte 37 %, also EUR 1.320,16.
Erst in der zweiten Phase ist ausschließlich § 43 Abs 2 ZPO anwendbar, da die Überklagung bei der Position „Medikamente, Parkgebühren und Verbände“ sowie die Beschränkung der Haftung beim Feststellungsbegehren nur ein geringfügiges Unterliegen zur Folge hatte. Die Beklagte hat daher auf Basis des ersiegten Werts von insgesamt EUR 14.768,50 vollen Kostenersatz zu leisten. Der Tarifansatz für die Verhandlung nach TP 3A RATG beträgt EUR 405,60 und wurden die Vertretungskosten dieser Phase von der Beklagten im Rechtsmittel mit netto EUR 1.368,90 richtig berechnet.
Zu den Barauslagen der zweiten Phase:
KLÄGER BEKLAGTE
SV-Gebühr Dr. J* EUR 360,00 SV-Gebühr Ing. L* EUR 880,00
SV-Gebühr Dr. K* EUR 384,00 SV-Gebühr Dr. M* EUR 384,00
EUR 744,00 EUR 1.264,00
Nach Saldierung ergibt sich folgender Kostenersatzanspruch des Klägers:
Vertretungskosten 1. Phase 3.746,18
Vertretungskosten 2. Phase 1.368,90
Zwischensumme 5.115,08
zuzüglich 20 % USt 1.023,02
Zwischensumme 6.138,10
Barauslagen 1. Phase 2.041,43
Barauslagen 2. Phase 744,00
Gesamtanspruch Kläger 8.923,53
9. Gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.
10. Während die Beklagte mit ihrer Berufung keinen kostenrelevanten Erfolg erzielt hat, ist sie im Rechtsmittelverfahren über den Kostenpunkt mit 97 % durchgedrungen (Begehren: - EUR 11.156,26; Erfolg: -EUR 10.811,42). Dies wirft die Frage der Ersatzfähigkeit der im Kostenpunkt gesondert verzeichneten Kosten für das Rechtsmittel auf:
10.1. Die Beklagte hat ihren im Rechtsmittelverfahren eingebrachten Schriftsatz als I. Berufung (in der Hauptsache) und II. Berufung im Kostenpunkt (Kostenrekurs) bezeichnet und getrennt hiezu argumentiert.
Grundsätzlich ist das Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung der Rekurs; der Terminus Kostenrekurs entstammt nicht dem Verfahrens-, sondern dem anwaltlichen Tarifrecht – TP 3 A I 5 lit b RATG -. Der Ausdruck „Berufung im Kostenpunkt“ ist nur ein gebräuchlicher, der sich seit Inkrafttreten der ZPO aus keinem einzigen Verfahrensgesetz ableiten lässt. In letzter Zeit zunehmend gebräuchlich wurde der neutrale Ausdruck „Kostenrüge“ ( Obermaier Kostenhandbuch³ Rz 1.88). Dass die Entscheidung im Kostenpunkt immer inhaltlich einen Beschluss darstellt, schlägt sich auch in der Judikatur des Höchstgerichts nieder, wonach die Entscheidung über das Kostenersatzbegehren nur mit Rekurs anfechtbar ist und die zweite Instanz bei Einschränkung des Klagebegehrens auf Kosten auch im Kostenpunkt als Rekursgericht tätig wird (RIS-Justiz RS0036080 [T1], RS0036079). Der Rekurs ist aber das Rechtsmittel gegen einen Beschluss (§ 514 ZPO). Indes kommt es auf diese unterschiedlichen Bezeichnungen nicht an, weil zufolge § 84 Abs 2 Satz 1 ZPO die unrichtige Benennung eines Rechtsmittels unerheblich ist, wenn das Begehren deutlich erkennbar ist. Die Frage der Kostenersatzpflicht ist daher auch hier losgelöst von der Bezeichnung des Rechtsmittels im Kostenpunkt zu beantworten.
10.2. In der Judikatur des Obersten Gerichtshofs haben sich dazu zwei Linien gebildet:
10.2.1. Nach der mit der Entscheidung 8 ObA 117/04w eingeleiteten Auffassung gebühren für eine erfolgreiche Berufung im Kostenpunkt infolge der Zweiseitigkeit des Kostenrekursverfahrens keine Kosten: „Die Kostenfrage hat im Sinn des § 54 Abs 1 JN iVm § 4 RATG auf die Bemessungsgrundlage für die Berufung und die Berufungsbeantwortung keinen Einfluss. Anders als früher können die Kosten eines „hypothetischen“ Kostenrekurses deshalb nicht zuerkannt werden, weil auf der Gegenseite auch eine „angenommene“ Rekursbeantwortung berücksichtigt werden müsste.“ Dieser Ansicht folgten der zweite, dritte und neunte (RIS-Justiz RS0119892 [T3, T5]; 3 Ob 38/09y) und auch vierte Senat (4 Ob 62/22d). Der zweite Senat ergänzte hiezu, die Wertung des § 54 Abs 2 JN (wonach bei der Berechnung des für die Zuständigkeit maßgebenden Streitgegenstands als Nebenforderungen geltend gemachte Kosten bei der Wertberechnung unberücksichtigt bleiben) sei nicht auf das Recht der sachlichen Zuständigkeit beschränkt (RS wie vor [T4]). Der achte, diese Rechtssatzkette einleitende Senat ging mit der Entscheidung 8 Ob 45/09i (= RS wie vor [T6]) von dieser Auffassung wieder ab und folgte dem siebten Senat, der im Erkenntnis 7 Ob 112/09k argumentiert hatte:
„Die in der Entscheidung 2 Ob 135/07b und von Bydlinski in Fasching/Konecny² § 50 ZPO Rz 6 vertretene Ansicht, in einem Fall wie dem Vorliegenden (wenn die betreffende Partei mit der Berufung letztlich unterliegt und nur im Kostenpunkt obsiegt) liege (unabhängig davon, ob die Kostenrüge mit der Berufung verbunden oder in einer gesonderten Rechtsmittelschrift ausgeführt wurde) nur ein kostenrechtlich nicht relevanter Erfolg mit Nebengebühren vor, sodass ein Kostenrekurs dann, wenn auch die Entscheidung in der Hauptsache von einer Partei bekämpft worden sei, nicht zu honorieren sei, kann nicht geteilt werden. Bydlinski leitet aus der mit BGBl I 2001/98 eingeführten Zweiseitigkeit des Kostenrekursverfahrens ab, dass ein Erfolg im Kostenpunkt keine Auswirkungen auf die Kostenentscheidung im Berufungsverfahren haben könne, weil er nach § 4 RATG iVm § 54 JN, § 43 Abs 2 ZPO die Erfolgsquote im Berufungsverfahren nicht berühre. Dem wird von Obermaier (Kostenhandbuch Rz 278) zutreffend entgegen gehalten, dass die beiden Rechtsmittel – Berufung und Kostenrekurs – verfahrensrechtlich unterschiedlicher Natur sind und prozessual verschiedene Entscheidungen des Gerichts erster Instanz betreffen. Auch wenn die Kostenentscheidung im Zivilprozess zusammen mit der Hauptsachenentscheidung zu ergehen hat, ändert das nichts daran, dass zwei verschiedene Entscheidungen in einer gemeinsamen Ausfertigung ergehen. Die Verschiedenartigkeit der beiden Entscheidungen bewirkt auch eine Unterschiedlichkeit der Rechtsmittelverfahren. Die Entscheidung betreffend die Hauptsache wird mit Berufung bekämpft, sie enthält immer auch eine mittelbare Anfechtung der damit ausgefertigten Kostenentscheidung. Hat die Berufung nämlich Erfolg, so hebt dieser Erfolg zwingend schon die erstgerichtliche Kostenentscheidung auf, die dann vom Berufungsgericht völlig neu und ohne Bindung an die Kostenentscheidung erster Instanz zu treffen ist. Diese die Kostenentscheidung betreffende unmittelbare Anfechtungswirkung einer Berufung löst tatsächlich keine gesonderte Kostenersatzpflicht des Berufungsgegners aus, der damit für die Nebengebühren (Kosten) erzielte Erfolg hat für die Ermittlung der Erfolgsquote wie auch für die Bemessungsgrundlage der Anwaltskosten keinen Einfluss. Die Berufung im Kostenpunkte bzw der Kostenrekurs betrifft nur den Fall, dass die Berufungen aller Parteien erfolglos bleiben. Nur dann ist die Kostenentscheidung erster Instanz nach Maßgabe ihrer Anfechtung durch Kostenrekurs zu prüfen, nur in diesem Fall gibt es eine Teilrechtskraft der Kostenentscheidung. Die Kostenentscheidung wird hier zweifach angefochten, zunächst mit Berufung in der Hauptsache, deren Erfolg ohnehin zu einer neuen Kostenentscheidung führt, und dann nochmals mit Kostenrekurs, der seinerseits erst bei Erfolglosigkeit aller Berufungen greift. Wie Obermaier aaO weiter ausführt, wird diese Systematik des Rechtsmittelverfahrens vor der Novelle BGBl I 2001/98 auch von Bydlinski selbst nicht bezweifelt und sie wurde durch die Einführung der Zweiseitigkeit des Kostenrekursverfahrens nicht verändert. Die nunmehrige Ansicht Bydlinskis hat insbesondere in der für sie als Stütze herangezogenen Novelle keine Grundlage.“
Dem der Vorentscheidung des achten Senats (8 ObA 117/04w) zugrundeliegenden Argument, dass diese Kosten bereits mit den Kosten für den Berufungsschriftsatz abgegolten wären, hielt der achte Senat in der Entscheidung 8 Ob 45/09i entgegen, dass der wesentliche (und daher abzugeltende) Aufwand wohl nicht in der (bloßen) Verfassung dieses Schriftsatzes als solchem, sondern in der inhaltlichen Bekämpfung der Kostenentscheidung gelegen ist. Diese sei aber im Rahmen der Berufung überhaupt nicht erforderlich, weil im Fall der Stattgebung das Berufungsgericht ohnehin die Kosten selbständig neu zu berechnen habe. Daher erlangten die Ausführungen im Kostenpunkt (Kostenrekurs oder Berufung im Kostenpunkt) nur dort Bedeutung, wo es in der Folge abgesondert und tatsächlich ausschließlich nur (mehr) um die Frage der Kosten gehe. Es könne daher insoweit nur von einem mit der Berufung verbundenen Kostenrekurs ausgegangen werden. Es könne somit die Partei nicht schlechter gestellt sein als hätte sie von der ihr zulässigerweise offenstehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht und einen gesonderten Kostenrekurs vor der Berufung eingebracht.
10.2.2. Die eine Kostenersatzpflicht in solchen Fällen bejahende Judikatur (RIS-Justiz RS0087844) war mit der Entscheidung 1 Ob 8/06t eingeleitet und vom ersten Senat bereits zuvor (1 Ob 9/05p) verfochten worden. Diesem Standpunkt schlossen sich – wie bereits erwähnt – der siebte und achte Senat des Obersten Gerichtshofs an (RS wie vor [T8] und 7 Ob 112/09k).
10.3. Der (weit) überwiegende Teil der zivilrechtlichen Senate am Oberlandesgericht Innsbruck folgt der erstbehandelten Linie des Obersten Gerichtshofs (Punkt 10.2.1. oben); der dritte Senat (3 R 100/22p Pkt II 7, vgl auch 3 R 2/14i) hat auch schon eine vermittelnde Stellung eingenommen, wonach in Anlehnung an die Wertung in § 54 Abs 2 letzter Fall JN darauf abzustellen sei, in welchem Verhältnis das Punktum in der Hauptsache zu jenem im Kostenpunkt stünde; übersteige etwa das Kosteninteresse das Berufungsinteresse bei weitem (Extrembeispiel: Hauptsache EUR 1.000,--, Kosten EUR 10.000,--) könne der Erfolg im Kostenpunkt bei einem Misserfolg in der Hauptsache nicht vernachlässigt werden, sodass Kostenersatz gebühre.
10.4. Wie bereits angerissen verficht das Schrifttum teilweise in dieser Frage gleichfalls gegenläufige Ansichten:
10.4.1. Fucik (in Rechberger/Klicka ZPO 5 Rz 6) referiert die zwei Rechtsprechungslinien des Obersten Gerichtshofs ohne eigenen Standpunkt.
10.4.2. Gleichfalls im Wesentlichen Ziehensack (in Praxiskommentar Kostenrecht Rz 1.009 bis 1.020), der einräumt, beide Ansätze (des Obersten Gerichtshofs) könnten gute Gründe für ihr Zutreffen ins Treffen führen, überwiegend werde im Sinn des fehlenden Kostenersatzes erkannt (Rz 1.012); und darauf verweist, dass die Rechtsprechung in bestimmten Konstellationen, wie etwa im Provisorialverfahren schon Kostenersatz zuerkenne (Rz 1.015; siehe auch RIS-Justiz RS0119892 [T1] = 4 Ob 171/06k).
10.4.3. Obermaier bejaht auch in der zweiten Auflage des Kostenhandbuchs eine Kostenersatzpflicht bei Vorliegen einer Fallkonstellation wie hier, hebt hervor, dass die Entscheidung 8 Ob 45/09i völlig zu Recht betone, dass die Ausarbeitung einer „Kostenrüge“ einen Mehraufwand an Arbeit darstelle, verweist auf § 54 Abs 1a ZPO, welche Regelung zeige, das die selbständige Anfechtung des Kostenpunkts mit der Entscheidung in der Hauptsache nichts zu tun habe und formuliert pointiert, die zu RIS-Justiz RS0119892 vertretene Judikaturlinie liefe dann überhaupt auf ein „Prinzip der Gratisabwehr des Kostenbegehrens“ hinaus. In der dritten Auflage des Kostenhandbuchs (Rz 1.102) begnügt sich dieser Autor mit einem Referat der beiden unterschiedlichen Rechtsprechungslinien des Höchstgerichts.
10.4.4. Wie bereits angerissen hat Bydlinski (in Fasching/Konecny ² § 50 ZPO Rz 6) den Standpunkt verfochten, im Fall des Unterliegens in der Hauptsache, jedoch Obsiegens im Kostenpunkt stünde kein Kostenersatz zu. Hierauf hat sich auch die Rechtsprechungslinie Punkt 10.2.1. oben gestützt (zB 8 ObA 117/04w, 2 Ob 135/07b). In der dritten Auflage desselben Kommentars (wiederum § 50 ZPO Rz 6) verficht dieser Autor die Auffassung, beide Argumentationslinien (des Obersten Gerichtshofs) erschienen gut vertretbar und formuliert:
„Eine sinnvolle Lösung könnte meines Erachtens darin liegen, ohne Überstrapazierung der kostenrechtlichen „Verbindungspflicht“ anzuerkennen, dass es sich in der Sache um zwei ganz eigenständige Rechtsmittel (Berufung gegen die urteilsmäßige Entscheidung in der Hauptsache, Rekurs gegen den ins Urteil aufgenommenen Kostenbeschluss) handelt, deren zulässige – aber prozessual nicht gebotene (§ 55 ZPO Rz 1) – Zusammenfassung in einem Schriftsatz keine ins Gewicht fallende Arbeitsersparnis mit sich bringt und daher auch eine gesonderte Honorierung nicht hindern sollte; gleiches gilt natürlich für die (gleichzeitige) Berufungs- und Rekursbeantwortung. Fallen für die Kostenfrage eigene, ohne Weiteres abgrenzbare Kosten an, ist darüber nicht anders zu entscheiden als bei einem bloßen Kostenrekurs“.
10.5. Davon abgesehen, dass infolge dieses „Schwenks“ im Schrifttum nunmehr einhellig in der Lehre ( Obermaier hat seinen Standpunkt jedenfalls nicht aufgegeben) eine Kostenersatzpflicht in einer Konstellation wie der vorliegenden bejaht wird, überzeugt die Begründung der oberstgerichtlichen Judikaturlinie Punkt 10.2.2. oben:
10.5.1. Unabhängig davon, ob nun Kostenrekurs erhoben wird oder Berufung im Kostenpunkt (welcher Begriff aus § 55 erster Fall ZPO hergeleitet werden könnte) muss das Rechtsmittel in der Kostenfrage ziffernmäßig bestimmt erhoben werden, das heißt es muss erkennen lassen, was angefochten und welche Abänderung beantragt wird, ferner, in welchem Umfang Teilrechtskraft der erstgerichtlichen Kostenentscheidung eingetreten ist. Die begehrten oder bekämpften Kosten sind im Rechtsmittel rechnerisch darzulegen; das Fehlen dieser Darlegung stellt einen nicht verbesserungsfähigen Inhaltsmangel dar ( Obermaier Kostenhandbuch 3 Rz 1.94; M. Bydlinski in Fasching/Konecny ³ § 55 ZPO Rz 3; OLG Innsbruck zB 5 R 5/17k, 3 R 58/16b, 3 R 59/16z). Schon diese Erfordernisse unterlegen, dass die Ausführung eines Rechtsmittels im Kostenpunkt (je nach Ausmaß der Anfechtung) beträchtlichen Aufwand nach sich zieht, der völlig losgelöst von der Bekämpfung in der Hauptsache erforderlich ist. Aufgrund des das Kostenersatzrecht beherrschenden Erfolgsprinzips ( Obermaier Rz 1.125), das in der Hauptsache anders als im Kostenpunkt durchschlagen kann, ist nicht erkennbar, warum diesfalls ein Kostenersatz im Rechtsmittelverfahren nicht gebühren sollte, wenn der Rechtsmittelwerber in der Hauptsache zur Gänze (oder wie hier in aller weitesten Zügen) unterliegt, jedoch im Kostenpunkt obsiegt.
10.5.2. Unstrittig gebührt bei Obsiegen mit einem gesondert binnen 14 Tagen eingebrachten Rekurs Kostenersatz. Nach der Judikatur können sämtliche in einem einheitlichen Erkenntnis zusammengefassten Entscheidungen innerhalb der jeweils zur Verfügung stehenden längeren Rechtsmittelfrist angefochten werden (RIS-Justiz RS0041670, RS0041696). Damit aber könnte ein selbständiger Rekurs auch binnen drei Wochen (unter der Voraussetzung, dass im Weiteren rechtzeitig und zulässig Berufung eingebracht wird) erhoben werden oder neben der Berufungsschrift. Dem stünde zwar § 22 RATG entgegen; aber nur mit kostenrechtlichen Folgen und nicht hinsichtlich der Zulässigkeit. Da das Rechtsmittel im Kostenpunkt (wie auch hier) ein völlig anderes Schicksal erleiden kann wie die Berufung in der Hauptsache, kann diese Verbindungspflicht aber nicht durchschlagen, weil bei einem Misserfolg in der Hauptsache für den Schriftsatz ohnehin kein Kostenersatz gebührt, vielmehr dem Gegner die Kosten dessen Berufungsbeantwortung zu ersetzen sind. Diesfalls könnte streng genommen auch die Ansicht vertreten werden, dass die Berufung mit dem Kostenrekurs zu verbinden gewesen wäre, sodass der Berufungsschriftsatz bereits aus dem Blickwinkel des § 22 RATG nicht zu entlohnen wäre. Die Kostenersatzpflicht kann aber nicht von der (willkürlichen) Auffassung abhängig sein, welcher Schriftsatz mit welchem anderen Schriftsatz zu verbinden gewesen wäre. Dem steht auch im Ergebnis § 55 ZPO nicht entgegen, weil diese Regelung den gesonderten Rekursschriftsatz gerade ermöglicht. Damit ist im Sinn der Judikaturlinie Punkt 10.2.2. oben nicht erkennbar, warum ein verbundener Kostenrekurs (eine Berufung im Kostenpunkt, eine Kostenrüge) nicht gleich behandelt werden sollte wie der einzeln eingebrachte Kostenrekurs. Im Übrigen könnte ja auch einem gesondert, nach 14 Tagen eingebrachten Kostenrekurs im Fall dessen Erfolgs der Kostenersatz nicht mit der Begründung abgesprochen werden, er hätte mit der Berufung in der Hauptsache verbunden werden können, weil der Partei für die Einbringung des Rechtsmittels in der Hauptsache vier Wochen zur Verfügung stehen und sie daher nicht gehalten ist, bereits nach zwei Wochen die Entscheidung zu treffen, ob ein Urteil auch in der Hauptsache bekämpft wird; vielmehr würde diese Auffassung im Ergebnis auf eine Verkürzung der Berufungsfrist hinauslaufen.
10.5.3. § 4 RATG bestimmt, dass sich – soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt wird – die Bemessungsgrundlage nach den Vorschriften der §§ 54 bis 59 JN richtet. Auf Kostenebene existiert aber eine solche andere Bestimmung mit § 11 Abs 1 Satz 2 RATG. Hienach ist Bemessungsgrundlage im Kostenrekursverfahren der Betrag, dessen Zuspruch oder Aberkennung im Kostenrekurs beantragt wird. Da es auf die Bezeichnung des Rechtsmittels im Kostenpunkt nicht ankommt (einleitend Punkt 10.1. oben), muss dies auch für eine Kostenrüge oder eine Berufung im Kostenpunkt gelten. Damit aber ist dem Hinweis in der Judikaturlinie Punkt 10.2.1. oben wohl der Boden entzogen.
§ 54 Abs 2 JN ist im ersten Abschnitt des zweiten Teils dieses Gesetzes angesiedelt, der die sachliche Zuständigkeit der Gerichte regelt. Davon abgesehen, dass nicht erkennbar ist, warum sich die in § 54 Abs 2 JN ersichtliche Wertung über den Bereich der sachlichen Zuständigkeit hinaus erstrecken sollte, enthält § 11 Abs 1 Satz 2 RATG eine gesonderte Regelung für die Bemessungsgrundlage im Kostenrecht und bestimmt darüber hinaus § 12 Abs 4 RATG für den Fall der Einschränkung des Begehrens auf Kosten einen gesonderten Streitwert.
10.5.4. Aus der Einfügung des § 54 Abs 1a ZPO in das Gesetz kann das Ziel des Normgebers abgeleitet werden, die Gerichte kostenrechtlich (etwas) zu entlasten (siehe die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, RV 113 BlgNR 24. GP, 31 f; wiedergegeben in der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs G 280/09-7). Davon abgesehen, dass diese Intention im Hinblick auf die sonstigen Regelungen zum Kostenersatzrecht nicht dazu führen kann, einem im Kostenpunkt erfolgreichen Rechtsmittel den Kostenersatzanspruch abzusprechen, ist mit der Berechnung der Kosten für ein (großteils) überwiegendes Rechtsmittel nur ein überschaubarer Aufwand verbunden, muss mangels Pauschalgebührenpflicht doch nicht einmal auf § 43 Abs 1 letzter Satz ZPO Bedacht genommen werden.
10.5.5. Die vermittelnde Auffassung des dritten Senats birgt Unschärfen in sich, sodass sie zur Rechtssicherheit nicht beiträgt.
10.6. Zusammengefasst vertritt der fünfte Senat des Berufungsgerichts somit im Hinblick auf die einhellige Ansicht in der Lehre und die der Rechtsprechungslinie Punkt 10.2.2. oben zugrundeliegende überzeugende Argumentation des Obersten Gerichtshofs die Auffassung, dass auch bei Erfolglosigkeit eines Rechtsmittels in der Hauptsache, jedoch Erfolg desselben Rechtsmittels im Kostenpunkt insoweit ein gesonderter Kostenersatzanspruch der rechtsmittelwerbenden Partei im Kostenpunkt besteht. Ist die Berufung in der Hauptsache erfolgreich, stellt sich diese Frage ohnehin nicht, weil in einem solchen Fall nach einhelliger Auffassung die erstinstanzliche Kostenentscheidung gegenstandslos wird, somit gar nicht mehr existiert. Damit aber liegt auch nicht etwa ein Fall des § 50 Abs 2 ZPO vor, weil nicht etwa das Rechtsschutzinteresse nachträglich wegfällt, sondern gar keine bekämpfbare Kostenentscheidung mehr vorliegt. Diesfalls mangelt es jedoch schon an sich an einer anfechtbaren Entscheidung und ist ein Rechtsmittel insoweit unzulässig (RIS-Justiz RS0106917). Nicht übersehen wird, dass dieser Standpunkt in Extremfällen dazu führen kann, dass auf der Gegenseite die Beantwortung des Rechtsmittels in der Hauptsache und im Kostenpunkt gesondert zu entlohnen ist. Dabei handelt es sich aber bloß um einen Ausfluss des Erfolgsprinzips.
10.7. Voraussetzung für einen Kostenzuspruch ist aber jedenfalls, dass bei Verbindung mit einem in der Hauptsache erhobenen Rechtsmittel zweimal Kosten verzeichnet werden, einmal für das Rechtsmittelverfahren in der Hauptsache und einmal eventualiter für den „Kostenrekurs“ ( Obermaier Rz 1.99; siehe auch 3 Ob 43/11m).
10.8. Damit sind der Beklagten die rechtzeitig, tarifkonform und gesondert verzeichneten Kosten für ihr Rechtsmittel im Kostenpunkt zur Gänze zu ersetzen (§§ 50 Abs 1, 43 Abs 2 erster Fall ZPO), zumal überdies ein Tarifsprung nicht vorliegt.
11. Nach Saldierung dieser der Beklagten zustehenden Kosten in der Kostenfrage mit den im Berufungsverfahren (Punkt 5. oben) dem Kläger zustehenden Kosten ergibt sich für diesen insgesamt ein Kostenersatzanspruch von EUR 947,40.
Oberlandesgericht Innsbruck, Abteilung 5
Innsbruck, am 22.9.2023
Dr. Werner Engers, Senatspräsident
Elektronische Ausfertigung gemäß § 79 GOG