4R156/23g – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck als Rekursgericht hat durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Prantl als Vorsitzende sowie die Richter des Oberlandesgerichts Mag. Schallhart und Mag. Eppacher als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **straße **, **, vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH in 6800 Feldkirch, wider die beklagte Partei B* AG C* , FN **, **, **, vertreten durch MUSEY rechtsanwalt gmbh in 5020 Salzburg, wegen ausgedehnt EUR 61.235,36 s.A. über den Kostenrekurs der klagenden Partei (Rekursinteresse: EUR 744,84) gegen die im Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 19.7.2023, 43 Cg 65/22a-26, enthaltene Kostenentscheidung in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
1) Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben und die angefochtene Kostenentscheidung dahin abgeändert , dass sie insgesamt zu lauten hat wie folgt:
„3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu Handen der Klagevertreterin die mit EUR 11.003,40 (darin enthalten EUR 1.283,40 an Umsatzsteuer sowie EUR 3.303,00 an umsatzsteuerfreien Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens 1. Instanz zu ersetzen.“
2) Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu Handen der Klagsvertreterin die mit EUR 191,40 (darin EUR 31,90 an USt) bestimmten Kosten des Rekurses zu ersetzen.
3) Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Begründung:
Der Kläger machte gegen die Beklagte Ansprüche aus der privaten Unfallversicherung geltend. Nach Einholung eines Gutachtens verpflichtete das Erstgericht die Beklagte mit Urteil vom 19.7.2023 zur Zahlung eines Hauptsachenbetrags von EUR 61.235,36 s.A. sowie zu einem Kostenersatz von brutto EUR 10.274,76. Dabei billigte es dem Kläger für den im Rekursverfahren einzig strittigen Erörterungsantrag vom 22.2.2023 (ON 18) nicht die verzeichnete Entlohnung nach TP3A, sondern nur eine solche nach TP 2 zu.
Diese Rechtsansicht wird vom Kläger mit seinem rechtzeitigen Kostenrekurs bekämpft. Er strebt eine Abänderung der angefochtenen Kostenentscheidung dahin an, dass ihm weitere Verfahrenskosten von brutto EUR 744,84 zuerkannt werden.
Die Beklagte, die das Urteil vom 19.7.2023 unbekämpft ließ, beantragt, dem Kostenrekurs keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist teilweise berechtigt.
1. Das schriftliche Gutachten wurde den Parteien mit Wirksamkeit vom 3.2.2023 (§ 89d Abs 2 GOG) mit dem Zusatz zugestellt, dass die vom Sachverständigen zu beantwortenden Fragen zur Vorbereitung der Verhandlung binnen einer Frist von 3 Wochen bekannt zu geben sind, sofern eine mündliche Erörterung beantragt werden sollte (ON 15). Am 14.2.2023 langte ein Schriftsatz des Klägers ein, mit welchem er unter Hinweis auf das Sachverständigengutachten eine Klagsausdehnung vornahm (ON 16). Einen - nach TP 3A verzeichneten - Gutachtenserörterungsantrag brachte er am 22.2.2023 ein (ON 18).
In den gemäß § 54 Abs 1a ZPO erhobenen Einwendungen sprach sich die Beklagte gegen die Honorierung der Klagsausdehnung aus. Diese hätte mit dem Erörterungsantrag vom 22.2.2023 verbunden werden müssen. Die Klagsausdehnung wurde vom Erstgericht - unbekämpft - nach TP 2 entlohnt.
1.1 Gemäß § 54 Abs 1a ZPO hat das Gericht die verzeichneten Kosten seiner Entscheidung zugrunde zu legen, soweit ein durch einen Rechtsanwalt vertretener Gegner dagegen keine begründeten Einwendungen erhebt.
1.2 Allfällige - den nunmehr im Rekursverfahren relevanten Erörterungsantrag betreffende - Einwendungen liegen nicht vor. Daran vermögen auch die Ausführungen in der Rekursbeantwortung nichts zu ändern, die nunmehr damit argumentiert, dass der Erörterungsantrag mit der Klagsausdehnung verbunden werden hätte müssen. Vielmehr gestand die Beklagte für den Schriftsatz vom 22.2.2023 in den Einwendungen ausdrücklich eine Honorierung nach TP 3A zu. Die Frage, ob ein - wie noch darzulegen sein wird - aufgetragener Schriftsatz nach TP 2 oder TP 3A zu entlohnen ist, stellt jedenfalls keine von Amts wegen aufzugreifende Unrichtigkeit dar, sodass das in diesem Punkt rügelos gebliebene Kostenverzeichnis des Klägers der Prüfungsbefugnis des Erstgerichts entzogen war.
1.3 Bereits aus diesen Erwägungen erweist sich das Rechtsmittel dem Grunde nach als berechtigt.
2. Selbst wenn man eine Prüfungsbefugnis des Erstgerichts bejahen sollte, wäre die Sachlage im Ergebnis nicht anders zu beurteilen.
2.1 Der begründungslose Antrag einer Partei, einen Sachverständigen zur Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung zwecks Erörterung seines Gutachtens zu laden, stellt ein bloßes Ansuchen dar, das eine Tagsatzung betrifft und daher unter TP 1 I.lit c RATG zu subsumieren ist. Wird der Erörterungsantrag inhaltlich begründet, also konkret ausgeführt, welche Aufklärungen bzw Erläuterungen gewünscht werden, sodass dem Sachverständigen eine entsprechende Vorbereitung ermöglicht wird, sind derartige Schriftsätze nach überwiegender Rechtsprechung nach TP 2 RATG zu entlohnen (RI0100043; RW0000420; siehe auch Obermaier , Kostenhandbuch³ Rz 3.70).
2.2 Trägt aber das Gericht den Parteien bei Übermittlung eines Sachverständigengutachtens - wie im konkreten Fall - auf, für den Fall der Beantragung einer mündlichen Gutachtenserörterung gleichzeitig mit dem Antrag die vom Sachverständigen zu beantwortenden Fragen zur Vorbereitung der Verhandlung bekannt zu geben, handelt es sich bei einem Schriftsatz, mit dem die Gutachtenserörterung beantragt wird und Fragen formuliert werden, grundsätzlich um einen aufgetragenen Schriftsatz gemäß TP 3A I.1.lit d RATG. Ein solcher Schriftsatz ist nach der überwiegenden jüngeren Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Innsbruck daher im Regelfall nach TP 3A RATG zu entlohnen (für viele: OLG Innsbruck 10 R 4/23y = RI0100090; 4 R 27/18d = RI0100056; 4 R 106/22b = RI0100089; 3 R 54/23z mwN = RI0100089; 1 R 14/23b). Diese Rechtsansicht kann sich auch an mehreren Entscheidungen des Höchstgerichts (7 Ob 212/22k; 7 Ob 184/22t; 2 Ob 186/21y; 2 Ob 162/10b = RS0126467) oder anderer Rechtsmittelgerichte orientieren (für viele: OLG Wien 14 R 81/23v).
2.3 Nach der Ansicht von Obermaier (aaO, Rz 3.57ff) sind Anträge auf Gutachtenserörterung samt Fragenkatalog auch dann nicht als aufgetragener Schriftsatz zu werten und damit nach TP 3A I.1.lit d RATG zu entlohnen, wenn der Partei die Erstellung eines Fragenkatalogs aufgetragen wurde. Die unter 2.2 dargestellte Judikatur nehme nicht darauf Bedacht, dass es sich nach TP 3A I.1.lit d RAT um vorbereitende Schriftsätze handeln müsse, die nach § 257 Abs 3 ZPO zulässig sind oder vom Gericht aufgetragen werden. Für nach der vorbereitenden Tagsatzung eingebrachte Schriftsätze, was auf Gutachtenserörterungsanträge in aller Regel zutreffen wird, käme eine Entlohnung nach TP 3A hingegen nicht in Betracht.
2.3.1 Im Ergebnis ist dieser Auffassung nicht beizupflichten. Selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass die in § 257 Abs 2 ZPO vorgesehene Möglichkeit, dass das Gericht den Parteien Schriftsätze auftragen kann, zeitlich mit der in § 257 Abs 3 ZPO normierten Frist begrenzt ist, bleibt doch auch ein gegen diese zeitliche Schranke erteilter Auftrag gültig (vgl Kodek in Fasching/Konecny³ , § 257 ZPO Rz 39 und 40). Ein besonderer gerichtlicher Auftrag, die konkreten von einem Sachverständigen zu behandelnden Fragen anzuführen, macht einen Schriftsatz, der ihm entspricht, somit zu einem vom Gericht aufgetragenen Schriftsatz im Sinn des TP 3A I.1. lit d.
3. Dem Kläger steht für den Schriftsatz vom 22.2.2023 deshalb eine Entlohnung nach TP 3A zu. Entgegen den Rekursausführungen beträgt der im Zeitpunkt der Erbringung der anwaltlichen Leistung relevante Tarifansatz ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von EUR 61.235,36 (richtigerweise nur) netto EUR 839,30 + 50 % ES + EUR 2,10 ERV Zuschlag = netto EUR 1.247,55. Der erstgerichtlichen Kostenentscheidung lag für den hier in Rede stehenden Schriftsatz ein Nettobetrag von EUR 640,35 zugrunde, sodass dem Kläger ein Mehrbetrag von brutto EUR 728,64 (darin EUR 121,44 an USt) und damit ein gesamter Kostenersatzanspruch von EUR 11.003,40 (darin enthalten EUR 1.283,40 an USt und EUR 3.303,00 an umsatzsteuerfreien Barauslagen) gebührt.
4. Der Kläger ist im Rekursverfahren mit weniger als 10 % unterlegen (Rekursinteresse: EUR 744,84; Rekurserfolg: EUR 728,64). Ihm stehen daher auf Basis des obsiegten Betrags 100 % der vom Kläger verzeichneten Kosten der Rechtsmittelschrift zu (RS0116722). Unter Berücksichtigung des vom Kläger angesetzten Einheitssatzes von (lediglich) 50 % ergibt dies eine Kostenersatzverpflichtung der Beklagten von brutto EUR 191,40 (darin EUR 31,90 an USt).
5. Der absolute Ausschluss des weiteren Rechtszugs an das Höchstgericht ergibt sich aus § 528 Abs 2 Z 3 ZPO.
Oberlandesgericht Innsbruck
Abteilung 4, am 21.9.2023
Dr. Barbara Prantl, Senatspräsidentin
Elektronische Ausfertigung gemäß § 79 GOG