3R65/23t – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Im Namen der Republik
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Kohlegger als Vorsitzenden sowie die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Pirchmoser und den Richter des Oberlandesgerichts MMag. Dr. Dobler als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, Freiberuflerin, **, **, vertreten durch Advokaturbüro Pitschmann Santner, Anwaltspartnerschaft in Feldkirch, gegen die beklagte Partei B* , geboren am **, Angestellter, ** C*, **straße **, vertreten durch Dr. Anton Weber, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen (eingeschränkt) EUR 13.451,89 sA und Feststellung (Streitinteresse EUR 10.000,00) über die Berufung der beklagten Partei (Berufungsinteresse: EUR 1.961,07) gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 26.4.2023, 9 Cg 64/20a-92, und die darin enthaltene Kostenentscheidung in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
I.
Der Berufung wird teilweise F o l g e gegeben und die angefochtene Entscheidung dahin a b g e ä n d e r t , dass sie – einschließlich der in Rechtskraft erwachsenen Teile – lautet:
„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu Handen der Klagsvertreter EUR 6.143,73 samt 4 % Zinsen seit 30.6.2020 zu bezahlen und die mit EUR 2.128,14 bestimmten anteiligen USt-freien Barauslagen zu ersetzen.
2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei weiters schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu Handen der Klagsvertreter EUR 7.308,16 samt 4 % Zinsen seit 30.6.2020 zu bezahlen, und es werde gegenüber der beklagten Partei festgestellt, dass diese der klagenden Partei für alle künftigen Schäden und Folgen resultierend aus dem Unfall vom 7.2.2019 in D* zu haften habe, wird abgewiesen.
3. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen zu Handen des Beklagtenvertreters die mit EUR 6.091,68 (darin enthalten EUR 991,99 an USt und EUR 139,76 an USt-freien Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz zu ersetzen.“
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen zu Handen des Beklagtenvertreters die mit EUR 214,33 (darin enthalten EUR 20,32 an USt und EUR 92,40 an USt-freien Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Die (ordentliche) Revision ist n i c h t zulässig.
II.
Die beklagte Partei wird mit ihrer Berufung im Kostenpunkt auf die abändernde Entscheidung in der Hauptsache samt reformatorischer Kostenentscheidung verwiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Berufung im Kostenpunkt selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 7.2.2019 gegen 11:20 Uhr ereignete sich auf der Ski-Piste Nummer * **-E*-D* zwischen der E* und der ** in D* ein Skiunfall, an dem die Klägerin und der Beklagte beteiligt waren und bei dem die Klägerin verletzt wurde. Sie wurde direkt nach dem Unfall in das Sanatorium Dr. F* gefahren, wo sie stationär aufgenommen und am 8.2.2019 wieder entlassen wurde. Die dortige Behandlung war unfallkausal und erforderlich. Dafür wurden der Klägerin EUR 2.248,50 in Rechnung gestellt.
Die Klägerin erlitt durch den Unfall ein Schädelhirntrauma, eine Gehirnerschütterung, eine Prellung des rechten Arms und eine Zerrung der Halswirbelsäule, verbunden mit Spannungskopfschmerzen, einer somatoformen Schmerzstörung und einem kurzen hirnorganischen Psychosyndrom. Nach dem Unfall litt sie etwa 4 bis 5 Wochen an Gleichgewichtsstörungen. Unfallkausal hatte sie starke Schmerzen im Ausmaß von 1 Tag, mittelstarke Schmerzen im Ausmaß von 3 Tagen und leichte Schmerzen im Ausmaß von 77 Tagen jeweils in komprimierter Form zu erdulden. Die Klägerin und ihr Gatte bewohnten im Unfallzeitpunkt ein Haus mit Garten in Österreich und in Deutschland mit jeweils 140 m² Wohnfläche. Die Klägerin brachte etwa 4 bis 5 Stunden täglich auf die Haushaltsführung auf. Aus unfallchirurgischer Sicht war sie für 10 Tage zu 100 %, für weitere 14 Tage zu 50 % und für weitere 14 Tage zu 25 % in der Haushaltsführung eingeschränkt. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht war sie in der Haushaltsführung für 21 Tage 6 Stunden pro Woche eingeschränkt. Eine Pflegebedürftigkeit bestand nicht.
Vor dem Unfall war die Klägerin eine gute Wanderin. Seither ist ihr das Wandern nur eingeschränkt möglich. Sie fährt nach wie vor Ski, allerdings nicht mehr den ganzen Tag. Außerdem verunsicherte sie unter anderem der Sturz vom 7.2.2019, sie fühlt sich nicht wohl, wenn sie das Gefühl hat, hinter sich auf der Piste ein Kratzen zu hören; dann fährt sie nur weiter, wenn ihr Mann hinter ihr fährt.
Der Klägerin entstanden durch den Unfall Kosten von EUR 100,-- für einen neuen Skihelm, der alte Skihelm hatte noch einen Zeitwert. Für eine Krankengymnastik hatte die Klägerin einen Selbstbehalt von EUR 32,14 zu tragen. Ihr entstanden weiters EUR 82,32 an Fahrtkosten und EUR 50,-- an pauschalen Unkosten. Für die Behandlung im Sanatorium Dr. F* wurden ihr EUR 774,-- von der Krankenversicherung bezahlt. Dieser Betrag ist jener, der gemäß der Krankenversicherung den Behandlungskosten einer vergleichbaren Behandlung in Deutschland entsprechen würde. Die G* Versicherung erbrachte eine Teilzahlung von EUR 1.187,--.
Spät- oder Dauerfolgen können mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.
Insoweit steht der Sachverhalt im Berufungsverfahren bindend fest (§ 498 ZPO).
Mit der am 10.6.2020 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die Klägerin nach Einschränkung (ON 82 S 11 f) die Zahlung von EUR 13.451,89 samt 4 % Zinsen ab Klagszustellung sowie die – mit EUR 10.000,-- bewertete – Feststellung der Haftung des Beklagten für alle künftigen Schäden und Folgen resultierend aus dem Unfall. Den Beklagten treffe das alleinige Verschulden, da er die Klägerin von hinten kommend niedergestoßen habe. Nach dem Unfall habe sie sich in ärztliche Behandlung in das Unfallsanatorium Dr. F* begeben. Die Klägerin sei durch den Unfall schwer verletzt worden und habe eine schwere Gehirnerschütterung, eine Zerrung der Halswirbelsäule und eine Prellung am rechten Arm erlitten. Sie leide unfallkausal an psychischen Problemen, episodischen Spannungskopfschmerzen, Schwindel- und Migräneattacken, Übelkeit sowie anhaltenden neurologischen Ausfällen und Funktionsstörungen. Ihre Leistungsfähigkeit sei nachhaltig beeinträchtigt. Im Haushalt müssten Hausarbeiten teilweise durch den Ehegatten verrichtet werden, da die Klägerin dazu nicht mehr in der Lage sei. Spät- und Dauerfolgen seien gegeben oder höchstwahrscheinlich zu erwarten.
Der Beklagte bestreitet, beantragt kostenpflichtige Klagsabweisung und wendet zusammengefasst ein, die Klägerin habe ihn von oben kommend überholen wollen, wobei sie ihm keinen ausreichenden Bewegungsspielraum gelassen habe. Die Klägerin habe zwar eine leichte Gehirnerschütterung erlitten, die aber ohne weitere Folgen geblieben sei. Die von ihr behaupteten Beeinträchtigungen seien nicht auf den Unfall zurückzuführen, eine Einschränkung in der Haushaltsführung sei nicht verursacht worden. Die Fahrtkosten zu den nicht unfallkausalen medizinischen Behandlungen seien nicht zu ersetzen. Der Unfall ziehe keine Spät- oder Dauerfolgen nach sich.
Das Verfahren befindet sich im zweiten Rechtsgang . Bereits auf Grund des ersten Rechtsgangs waren die Beurteilung der Haftung des Beklagten dem Grunde nach und die Verschuldensteilung im Verhältnis von 1:1 abschließend erledigt.
Mit dem nunmehr bekämpften Urteil verpflichtete das Erstgericht den Beklagten zur Bezahlung von EUR 7.330,48 samt 4 % Zinsen seit 30.6.2020 und wies ein Mehrbegehren von EUR 6.121,41 sA sowie das Feststellungsbegehren ab. Darüber hinaus verfällte es den Beklagten zum Ersatz der mit EUR 14.121,12 bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz der Klägerin. Dieser Entscheidung legte das Erstgericht den eingangs der Berufungsentscheidung auszugsweise wiedergegebenen Sachverhalt zugrunde.
In rechtlicher Beurteilung vertrat es die Auffassung, unter Berücksichtigung einer Verschuldensteilung von 1:1 setze sich der Anspruch der Klägerin wie folgt zusammen:
Schmerzengeld EUR 5.500,00 Haushaltshilfe EUR 574,00 Behandlungskosten Sanatorium Dr. F* EUR 1.124,25 Kilometergeld (Fahrtkosten) EUR 41,16 Selbstbehalt Krankengymnastik EUR 16,07 beschädigter Skihelm Zeitwert EUR 50,00 pauschale Unkosten EUR 25,00 Summe EUR 7.330,48
Die von der Krankenkasse geleisteten EUR 774,07 und die von der G* Versicherung geleisteten EUR 1.187,00 seien von der Klägerin bereits in Abzug gebracht und gegenüber dem Beklagten nicht geltend gemacht worden. Die Leistung der Krankenkasse sei nicht abzuziehen, da diese bereits bei der Rechnung für das Sanatorium Dr. F* berücksichtigt worden sei. Ein Ersatzanspruch werde erst mit der zahlenmäßig bestimmten Geltendmachung durch Mahnung, Klage oder Klagserweiterung fällig, sodass Verzugszinsen erst ab diesem Zeitpunkt mit Erfolg gefordert werden könnten. Die Zinsen seien daher erst ab dem auf die Klagszustellung (30.6.2020) folgenden Tag zuzusprechen. Aufgrund der getroffenen Feststellungen bestehe kein rechtliches Interesse am Feststellungsbegehren. Die Klägerin habe nicht überklagt und Anspruch auf Kostenersatz auf Basis des obsiegten Betrags von EUR 7.330,48 (§ 43 Abs 2 ZPO).
Während der klagsabweisende Teil unbekämpft in Rechtskraft erwachsen ist, wendet sich die rechtzeitige Berufung des Beklagten gegen den klagsstattgebenden Teil dieser Entscheidung im Umfang von EUR 1.961,07. Darin beantragt der Beklagte unter Geltendmachung des Rechtsmittelgrunds der unrichtigen rechtlichen Beurteilung die Abänderung der bekämpften Entscheidung im Sinn eines Klagszuspruchs von nur EUR 5.369,41 samt 4 % Zinsen seit 30.6.2020. Mit seiner Berufung in der Hauptsache verbindet der Beklagte eine Berufung im Kostenpunkt.
Die Klägerin hat keine Berufungsbeantwortung erstattet.
Nach Art und Inhalt der geltend gemachten Anfechtungsgründe war die Anberaumung einer öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung entbehrlich. Über das Rechtsmittel war daher in nichtöffentlicher Sitzung zu befinden (§ 480 Abs 1 ZPO). Dabei erwies es sich aus nachstehenden Erwägungen als teilweise berechtigt:
Rechtliche Beurteilung
1. Die Berufung macht geltend, das Erstgericht habe die an die Klägerin geleisteten Zahlungen von EUR 774,07 und EUR 1.187,-- unrichtig nicht berücksichtigt. Entgegen den erstgerichtlichen Ausführungen sei in der Rechnung für das Sanatorium Dr. F* kein Abzug erfolgt. Zwar seien diese Beträge von der Klägerin bei Berechnung des Klagsanspruchs berücksichtigt worden, das Erstgericht habe diese Abzüge aber außer Acht gelassen. Ausgehend von der Rechtsansicht des Erstgerichts erhielte die Klägerin neben der Hälfte der zu Recht bestehenden Klagsforderung zusätzlich die Leistung der Krankenkasse und die Vorleistung der Beklagten, also um EUR 1.961,07 mehr als ihr zustehe. Das Erstgericht hätte daher vom zu Recht bestehenden Gesamtanspruch von EUR 7.330,48 die Vorleistungen von EUR 774,07 und EUR 1.187,-- abziehen, der Klägerin lediglich EUR 5.369,41 zusprechen und das Mehrbegehren von EUR 8.082,48 abweisen müssen.
2. Das Erstgericht hat die unterbliebene Berücksichtigung der strittigen Beträge darauf gestützt, diese seien von der Klägerin bereits in Abzug gebracht und gegenüber dem Beklagten nicht geltend gemacht worden. Dem kann insoweit beigepflichtet werden, als in der Klage (ON 1 S 3) von den dort geltend gemachten Ansprüchen mit einer Summe von EUR 20.512,96 die Leistung der Krankenkasse von EUR 774,07 und eine Teilzahlung * von EUR 1.187,-- in Abzug gebracht wurden und sich so das ursprüngliche Zahlungsbegehren von EUR 18.551,89 errechnet hat. Eine direkte Berücksichtigung der Leistungen in der Klagsposition „Rechnung Dr. F* für medizinische Behandlung“ von EUR 2.248,50 erfolgte hingegen nicht. Diese Aufschlüsselung des Klagsanspruchs entspricht auch den getroffenen Feststellungen. Das Sanatorium Dr. F* hat der Klägerin nach dem festgestellten Sachverhalt einen Betrag von EUR 2.248,50 in Rechnung gestellt. Die betreffende Rechnung vom 8.2.2019 (Beilage ./C) enthält jedoch – zwischen den Parteien im Verfahren auch unstrittig – keine Abzüge allfälliger (Versicherungs-)Leistungen.
Das Erstgericht hat im bekämpften Urteil seinen eigenen Berechnungen nunmehr zwar den vollen Rechnungsbetrag von EUR 2.248,50 zugrunde gelegt, nicht jedoch die in der Klage getrennt davon verzeichneten Abzugsposten herangezogen. Diese Abzüge wurden also außer Acht gelassen. Insoweit führt die Berufung richtig aus, dass diese Leistungen bei Berechnung der zu Recht bestehenden Klagsforderung zu berücksichtigen sind und dies in der gerichtlichen Entscheidung unterblieben ist.
3.1. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen wurden der Klägerin für die Behandlung im Sanatorium Dr. F* „EUR 774,00 von der Versicherung“ bezahlt (US 8). Zunächst liegt darin eine offenkundige Unrichtigkeit und Aktenwidrigkeit, als eine Zahlung von nur EUR 774,00 und nicht EUR 774,07 festgestellt wird. Das Erstgericht selbst geht im Weiteren von einer Leistung von EUR 774,07 aus (US 13). Dieser Betrag ergibt sich zudem als im Verfahren zwischen den Parteien unstrittig zugestanden und in der Beilage ./J dargestellt. Der weiteren rechtlichen Beurteilung durch das Berufungsgericht ist daher der richtige Betrag von EUR 774,07 zugrunde zu legen.
Aus dem Schreiben vom 10.7.2019 (Beilage ./J), auf welches das Erstgericht in seinen Feststellungen verweist, ergibt sich darüber hinaus, dass dieser Erstattungsbetrag EUR 774,07 auf Basis der Rechnungssumme von EUR 2.248,50 (vgl Rechnung Sanatorium Dr. F* Beilage ./C) ermittelt und der Klägerin von der gesetzlichen Krankenversicherung H* geleistet wurde. Die genannten Urkunden wurden vom Erstgericht verwertet, jedoch nicht mit ihrem vollen Inhalt wiedergegeben, doch kann das Berufungsgericht den Inhalt dieser – in ihrer Echtheit nicht bestrittenen – Urkunden seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde legen (RIS-Justiz RS0121557).
3.2. Die Berufung begehrt den Abzug des vollen Betrags von EUR 774,07. Wegen der feststehenden Verschuldensteilung von 1:1 steht jedoch eine Anrechnung dieses der Klägerin geleisteten Betrags nur zu 50 % im Raum. Dabei ist auf Grund der Leistung einer (ausländischen) gesetzlichen Krankenversicherung die Frage nach einem allfälligen Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers zu beurteilen.
Zunächst stellt sich die Frage, nach welchem materiellen Recht das Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers zu beurteilen ist. Die Legalzession auf den Sozialversicherungsträger ist – falls dem kein Staatsvertrag entgegensteht – dabei dem Sachrecht jener Rechtsordnung zu unterstellen, die die Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers verfügt und damit den Zessionsgrund geliefert hat („Zessionsgrundstatut“; 2 Ob 9/19s; 2 Ob 16/05z). Bezüglich der Möglichkeit, der Voraussetzungen, des Zeitpunkts, des Inhalts und der Wirkungen der Legalzession ist also jenes Sachrecht anzuwenden, dem das Sozialversicherungsverhältnis unterworfen ist (RIS-Justiz RS0045260; RS0045287; RS0045342); dh österreichisches Recht, falls der Geschädigte – sei er Inländer oder Ausländer, im Inland oder im Ausland wohnhaft – Ansprüche auf Leistungen österreichischer Sozialversicherungsträger hat, bzw – unabhängig vom Unfallort – ausländisches Recht, falls der Geschädigte einer ausländischen Sozialversicherung unterliegt, selbst wenn er Österreicher ist (RIS-Justiz RS0045342; Neumayr/Huber in Schwimann/Kodek , ABGB Praxiskommentar 5 § 332 ASVG Rz 118 mwN).
Gemäß § 332 Abs 1 ASVG geht der Anspruch des Verletzten gegen den Schädiger nach dem Grundsatz der kongruenten Deckung insoweit auf den Sozialversicherungsträger über, als dieser an den Verletzten Leistungen zu erbringen hat (RIS-Justiz RS0030708). Die Legalzession zu Gunsten des Sozialversicherungsträgers verfolgt einerseits den Zweck, eine doppelte Befriedigung des Geschädigten (durch Kumulation der Leistungen), andererseits aber auch eine Entlastung des Schädigers (durch Anrechnung der Versicherungsleistung als Vorteil) zu verhindern (RIS-Justiz RS0085212; RS0122868; RS0085230). Der Umfang des Forderungsübergangs und damit der Regressanspruch des Sozialversicherungsträgers ist in zwei Dimensionen begrenzt, nämlich einerseits mit der Höhe des Schadenersatzanspruchs des Geschädigten und andererseits mit dem Anspruch des Geschädigten auf Leistungen gegenüber dem Sozialversicherungsträger. Der Schadenersatzanspruch des Geschädigten bildet den Deckungsfonds, der selbständig nach den Grundsätzen des Haftpflichtrechts zu berechnen ist (2 Ob 145/22w Rz 18 f; RIS-Justiz RS0030708 [T2]; RS0085365 [T1]).
In Österreich kommt dem Sozialversicherungsträger das Quotenvorrecht zu. Der Ersatzanspruch des Verletzten geht stets im Ausmaß der kongruenten Versicherungsleistungsverpflichtung auf den Sozialversicherungsträger über. Dabei kann der Versicherungsträger vom Schädiger vollen Ersatz für seine zu gewährenden Leistungen verlangen, soweit diese in dem durch den Mitverschuldensanteil verkürzten Schadenersatzanspruch des (ursprünglich) Geschädigten Deckung finden. Insoweit fehlt dem Geschädigten die Aktivlegitimation zur Geltendmachung eines Ersatzanspruchs gegenüber dem Schädiger. Ihm verbleibt nur ein allfälliger durch die Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers nicht gedeckter Rest seines (um die Mitverschuldensquote gekürzten) Ersatzanspruchs (5 Ob 202/20x; 10 Ob 34/10p; 2 Ob 190/07s). Bei der Ermittlung dieses Betrags, auf den der Geschädigte dem Schädiger gegenüber Anspruch hat, ist der Schaden zunächst ohne Bedachtnahme auf die Leistungen des Legalzessionars zu ermitteln und um die Mitverschuldensquote zu kürzen. Von dem so errechneten Betrag sind dann die auf den Legalzessionar übergegangen Ansprüche in voller Höhe abzuziehen (Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers) (RIS-Justiz RS0026975; RS0027370).
In Deutschland enthält das zehnte Buch des deutschen Sozialgesetzbuchs zwar auch eine Regelung über die Legalzession (§ 116 Abs 1 SGB X). Diese Bestimmung stellt aber je nach dem Grund der unzureichenden Schadensdeckung einerseits darauf ab, der Legalzessionar solle den Übergang nicht zum Nachteil des Geschädigten geltend machen können, andererseits sieht § 116 Abs 3 SGB X im Fall der Begrenzung des Schadenersatzanspruchs durch Mitverschulden oder Mitverursachung des Geschädigten vor, dass in diesem Fall zivilrechtliche Schadenersatzansprüche im Verhältnis der Leistung des Sozialversicherungsträgers zum nicht durch die Sozialleistung gedeckten Teil des Schadens aufgeteilt werden und der Anteil des Schadenersatzanspruchs, der dem Prozentsatz der Schadensdeckung durch den Sozialleistungsträger entspricht, auf diesen übergeht. Im Ergebnis erhält also der Sozialleistungs- bzw Sozialversicherungsträger in diesem Fall den Teil seiner übergangsfähigen Leistungen erstattet, der der Haftungsquote des Schädigers entspricht (BGH VI ZR 120/99). Ein Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers ist demnach in Fällen des Mitverschuldens ausgeschlossen (2 Ob 201/20b; 2 Ob 230/18i mwN).
3.3. Im vorliegenden Fall ist die Leistung einer deutschen gesetzlichen Krankenversicherung an die (auch) in Deutschland wohnhafte Klägerin mit deutscher Staatsbürgerschaft zu beurteilen. Nach den dargestellten Grundsätzen kommt damit auf die Legalzession auf den Sozialversicherungsträger und das Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers deutsches Recht zur Anwendung. Nach diesem (§ 116 Abs 1 und 3 SGB X) ist ein Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers im Fall des zu berücksichtigenden Mitverschuldens jedoch ausgeschlossen.
Im Ergebnis ist daher die Zahlung an die Klägerin von EUR 774,07 zwar in Abzug zu bringen, jedoch nicht in voller Höhe, sondern nur unter Berücksichtigung des Mitverschuldens von 50 % und damit im Betrag von EUR 387,04. Insoweit kommt es – wie von der Klägerin in der Klage selbst zugestanden – zur allgemeinen Vorteilsanrechnung der (sachlich kongruenten) Leistung des Dritten.
3.4. Ohnehin hat der Beklagte nicht ausreichend konkret das Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers eingewendet. Der Abzug des Betrags von EUR 774,07 erfolgte in der Klage unter Verweis auf die „Leistung der Krankenkasse“. Weder die Klägerin noch der Beklagte haben diese Position und die erfolgte Leistung näher präzisiert oder im weiteren Verfahren darauf Bezug genommen. Der Beklagte hat sich weder in erster Instanz noch im Berufungsverfahren auf das Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers oder eine mangelnde Aktivlegitimation gestützt. In der Berufung wird nur der betragliche Abzug der „Vorleistungen der Krankenkasse“ in voller Höhe vorgenommen. Aus welchem Grund diese Leistung trotz des Mitverschuldens von 50 % in voller Höhe zu berücksichtigen sei, wird nicht ausgeführt.
Die Legalzession zugunsten des Sozialversicherungsträgers und dessen Quotenvorrecht nach dieser Berechnungsmethode sind nach ständiger Rechtsprechung im Direktprozess nur auf Einwendung des Beklagten in erster Instanz zu berücksichtigen. Die fehlende Aktivlegitimation des Geschädigten darf nicht schon aufgrund seiner Angaben über Bezüge aus der Sozialversicherung angenommen werden, außer wenn er – über die allgemeine Vorteilsausgleichung hinaus – in seinem Prozessvorbringen selbst das Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers zugestanden hat (RIS-Justiz RS0084869). Ein diesbezüglich erst im Berufungsverfahren erhobener Einwand wird in der Rechtsprechung zufolge des Neuerungsverbots als unbeachtlich gesehen (RIS-Justiz RS0041990). Es müssen vom Beklagten bereits in erster Instanz (nur) die Tatsachen vorgebracht werden, aus denen sich in rechtlicher Beurteilung der Mangel der Sachlegitimation ergibt (RIS-Justiz RS0084869 [T2, T5]).
Vorliegend hat der Beklagte nicht behauptet, dass in Ansehung der „Leistungen der Krankenkasse“ die Voraussetzungen einer Legalzession vorgelegen wären, weshalb es der Klägerin insoweit an der Aktivlegitimation mangeln würde. Die bloße Anrechnung der erhaltenen Leistung in der Klage genügt gerade nicht. Es wäre am Beklagten gelegen, darauf hinzuweisen, dass im Fall eines angenommenen Mitverschuldens der Klägerin oder einer Mithaftung das Quotenvorrecht der Sozialversicherung zu berücksichtigen wäre (2 Ob 61/02p; vgl 9 ObA 49/19z). Auch aus diesem Grund scheidet die Berücksichtigung eines Quotenvorrechts aus.
4.1. Die G* Versicherung hat nach den getroffenen Feststellungen eine Teilzahlung von EUR 1.187,-- geleistet (US 8). Bei der „G* I*“ handelt es sich – wie aus den vorgelegten Urkunden (Beilagen ./I, ./M und ./O) abzuleiten ist – um die G* J* GmbH Co.KG, welche ihre Leistungen unstrittig in Vertretung und zu Gunsten des Beklagten erbracht hat. Diese Zahlung ist daher direkt dem Beklagten anzurechnen. Die genannten Urkunden wurden wie die nachstehend angeführte Beilage ./H vom Erstgericht verwertet, jedoch nicht mit ihrem vollen Inhalt wiedergegeben, doch kann das Berufungsgericht den Inhalt dieser – in ihrer Echtheit nicht bestrittenen – Urkunden seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde legen (RIS-Justiz RS0121557).
4.2. Unter anderem auf Grund des durch das herangezogene Mitverschulden der Klägerin nur teilweisen Klagszuspruchs ist näher zu betrachten, auf welche Positionen und in welcher Höhe die vorprozessual geleistete Zahlung in Anrechnung zu bringen ist.
Sofern Schuldner und Gläubiger keine Vereinbarung getroffen haben, welche von mehreren Schuldposten getilgt werden soll, gilt jene Schuld als abgetragen, die der Schuldner bezeichnet, es sei denn, der Gläubiger würde dagegen Widerspruch erheben; die Erklärung des Schuldners kann ausdrücklich oder auch schlüssig erfolgen (RIS-Justiz RS0034703). Nur bei fehlender oder zweifelhafter Widmungserklärung greift die gesetzliche Tilgungsfolge des § 1416 ABGB ein; die Verrechnung nach der Dispositivbestimmung des § 1416 ABGB setzt voraus, dass mehrere Schuldposten desselben Schuldners an den denselben Gläubiger in Frage stehen (RIS-Justiz RS0034703 [T3, T4]; 2 Ob 48/16x).
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 16.4.2019 (Beilage ./H) den Betrag von EUR 2.373,50 gefordert, welcher sich aus den Positionen Rechnung Sanatorium Dr. F* EUR 2.248,50, Beschädigung Helm EUR 100,-- und pauschale Spesen EUR 25,-- zusammengesetzt hat. Dieser Gesamtbetrag wurde mit der Zahlung von EUR 1.187,-- unter Berücksichtigung des vorprozessual angesprochenen Mitverschuldens von 50 % (vgl Beilage ./M) zur Hälfte beglichen. Laut dem Schreiben der G* J* GmbH Co.KG vom 12.12.2019 (Beilage ./M) sei unpräjudiziell von einer Schadensteilung 50:50 auszugehen und werde die G* daher „die Hälfte der kausalen Ansprüche regulieren“. In einer Gesamtbetrachtung dieses Schreibens mit dem geleisteten Betrag folgt daher die zumindest schlüssige Widmung der Zahlung von EUR 1.187,-- dahin, dass jeweils die Hälfte der zuvor geltend gemachten Teilpositionen beglichen werde. Der Betrag von EUR 1.187,-- folgt offenbar aus einer Aufrundung des vorprozessual geltend gemachten Betrags von EUR 2.373,50 auf EUR 2.374,-- sowie damit des Teilbetrags für die Rechnung Sanatorium Dr. F* von EUR 2.248,50 auf EUR 2.249,--.
Insgesamt setzt sich die Zahlung von EUR 1.187,-- daher gemäß der unwidersprochen gebliebenen Widmung durch die G* aus den Leistungen für die Teilpositionen Rechnung Sanatorium Dr. F* von EUR 1.124,50, Beschädigung Helm von EUR 50,-- und pauschale Spesen von EUR 12,50 zusammen. Nur hinsichtlich dieser Positionen und Beträge ist die vorprozessual geleistete Zahlung daher anspruchsmindernd zu berücksichtigen.
5. Unter Zugrundelegung dieser Ausführungen, der Verschuldensteilung von 1:1 und der im Berufungsverfahren nicht weiter strittigen Höhe der einzelnen Klagspositionen ist daher in der Berechnung des letztlich verbleibenden Klagszuspruchs zunächst die in voller Höhe zu bemessende Summe der zustehenden Klagspositionen zu bilden. Dabei ist die Leistung der Krankenkasse an die Klägerin von EUR 774,07 im Zuge des Vorteilsausgleichs konkret bei der Klagsposition „Rechnung Dr. F*“ in Abzug zu bringen, da diese Leistung speziell zur Abdeckung dieser Kosten diente. Der sich daraus ergebende Gesamtbetrag von EUR 13.886,89 bildet die Grundlage der der Klägerin zustehenden Ansprüche und ist somit im weiteren Schritt – auf Grund des Mitverschuldens von 50 % – zu halbieren. Der daraus folgende Betrag von EUR 6.943,45 bildet daher die Summe der bei der Klägerin eingetretenen, ersatzfähigen Schadenspositionen.
Erst nachfolgend dazu ist die vorprozessuale Zahlung der Beklagtenseite von EUR 1.187,-- in Abzug zu bringen. Dabei ist diese Zahlung aber nicht pauschal vom berechneten Gesamtbetrag zu subtrahieren, sondern ist – entsprechend der dargestellten Widmung – eine Anrechnung auf die Positionen „Rechnung Dr. F*“, „Beschädigung Helm“ und „pauschale Unkosten“ vorzunehmen. Hinsichtlich der Position „Rechnung Dr. F*“ ergibt sich dabei eine den eigentlichen Klagsanspruch übersteigende Zahlung, womit sich diese Klagsposition auf null reduziert. Eine Verrechnung des verbleibenden Differenzbetrags auf andere Einzelpositionen ist hingegen ausgeschlossen (§§ 405 ZPO, 1416 ABGB).
Insgesamt stellt sich der Klagsanspruch wie folgt dar:
Der Klägerin steht daher ein Betrag von EUR 6.143,73 zu. Das Zinsenbegehren lautet auf 4 % Zinsen „ab Zustellung der Klage“. Diese Zustellung an den Beklagten erfolgte am 30.6.2020 (ON 3), sodass der Zinsenlauf dem Begehren der Klägerin entsprechend mit diesem Tag anzusetzen ist (vgl RIS-Justiz RS0023392 [T6]; 10 Ob 2/23a Rz 44). Das Mehrbegehren von EUR 7.308,16 sA ist hingegen nicht berechtigt.
6. Insgesamt kommt der Berufung daher teilweise Berechtigung zu. Die bekämpfte Entscheidung ist im dargestellten Sinn abzuändern, sodass der Klägerin lediglich eine Zahlung von EUR 6.143,73 samt 4 % Zinsen seit 30.6.2020 gebührt. Das Mehrbegehren ist abzuweisen. Die Abweisung des Feststellungsbegehrens ist unbekämpft in Rechtskraft erwachsen und daher zu wiederholen.
Das Erstgericht hat im klagsabweisenden Teil ein Zinsenbegehren von „4 % Zinsen für den 29.6.2020“ abgewiesen. Wie dargestellt begehrt die Klägerin jedoch nur Zinsen ab Klagszustellung, also seit 30.6.2020. In diesem Zinsenpunkt hat das Erstgericht in seinem abweisenden Spruch daher das Klagebegehren überschritten, das heißt mehr abgewiesen als begehrt wurde. Dies stellt keinen – ohnehin als Verfahrensmangel nach § 496 Abs 1 Z 2 ZPO in der Berufung geltend zu machenden – Verstoß gegen § 405 ZPO dar. Vielmehr geht der diesbezügliche Teil des Spruchs ins Leere, ist also wirkungslos (RIS-Justiz RS0041130). Aus diesem Grund ist das Berufungsgericht an diesen unbekämpft gebliebenen Ausspruch auch nicht gebunden und kann dieser gestrichen werden.
7.1. Die abändernde Entscheidung in der Hauptsache zieht eine reformatorische Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz nach sich. Auf diese ist der Beklagte mit seiner Berufung im Kostenpunkt zu verweisen.
Da die Verweisung eines Kostenrekurses sowie der Berufung im Kostenpunkt auf die Berufungsentscheidung keinen Anwendungsfall des § 50 Abs 2 ZPO darstellt ( Fucik in Rechberger/Klicka , ZPO 5 § 50 Rz 2 mwN), war in diesem Zusammenhang auszusprechen, dass der Beklagte die gesondert verzeichneten Kosten seiner Berufung im Kostenpunkt selbst zu tragen hat. Darüber hinaus würden sogar für eine erfolgreiche Berufung im Kostenpunkt keine Kosten gebühren. Sobald ein Rechtsmittelwerber auch die Entscheidung des Erstgerichts in der Hauptsache bekämpft, bleibt bei der Kostenentscheidung des Rechtsmittelverfahrens ein allfälliger Erfolg im Kostenpunkt nach der Wertung des § 54 Abs 2 JN unberücksichtigt; es kommt nur auf den Erfolg in der Hauptsache an (RIS-Justiz RS0119892; RS0087844).
7.2. Die Kostenentscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz beruht auf §§ 40, 43 ZPO. Auf Grund der Klagsmodifikation in der Tagsatzung vom 10.11.2022 (ON 82 S 11-12) sind dabei zwei Prozessphasen zu bilden. Diese abschließende Tagsatzung dauerte von 12:27 bis 13:56 Uhr, somit rund 1,5 Stunden. Zwar enthält das gerichtliche Protokoll keine Informationen darüber, wann die Klagsmodifikation erfolgte. Aus der Modifikation unmittelbar vor dem verkündeten Schluss der Verhandlung ist jedoch abzuleiten, dass die Klagseinschränkung erst nach Beginn der zweiten Verhandlungsstunde erfolgte. Deshalb wirkt sie nicht auf den Beginn der gesamten Tagsatzung zurück, sondern nur auf die zweite Stunde der Tagsatzung.
7.3. In der ersten Prozessphase ist die Klägerin bei einer Bemessungsgrundlage von EUR 28.551,89 letztlich nur mit EUR 6.143,73 und damit rund 22 % durchgedrungen. Sie hat daher nur Anspruch auf Ersatz von 22 % der ihr angefallenen Barauslagen, während der Beklagte Anspruch auf 56 % seiner Verfahrenskosten und 78 % seiner Barauslagen hat. Das Kostenprivileg nach § 43 Abs 2 ZPO kommt der Klägerin – auch hinsichtlich des Schmerzengeldbegehrens – nicht zu Gute, da eine Überklagung um mehr als die Hälfte vorliegt. Darüber hinaus führt eine Abweisung auf Grund eines Mitverschuldens nicht zum Privileg nach § 43 Abs 2 ZPO. Zwar handelt es sich beim Schmerzengeld und den Kosten für Haushaltshilfe klassischerweise um eine privilegierte Forderung im Sinn des § 43 Abs 2 ZPO. Die Anwendung des Kostenprivilegs setzt aber voraus, dass nur die Höhe, aber nicht der Grund des Anspruchs strittig ist (1 Ob 86/17d; M. Bydlinski , Kostenersatz 245; Fucik in Rechberger/Klicka , ZPO 5 § 43 ZPO Rz 11). Die diese Positionen betreffende Abweisung betraf auch den Grund des Anspruchs, weil die Klägerin für ein Mitverschulden im Ausmaß von 50 % einzustehen hatte. Die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 43 Abs 2 ZPO lagen damit nicht vor.
Der Beklagte hat seine Kosten rechtzeitig verzeichnet. Einwendungen gemäß § 54 Abs 1a ZPO gegen das Kostenverzeichnis des Beklagten wurden nicht erhoben. Offenkundige Unrichtigkeiten liegen nicht vor. Die Tagsatzung vom 10.11.2022 fällt wie angeführt lediglich mit der ersten Verhandlungsstunde in die erste Prozessphase. Die verzeichneten USt-freien Barauslagen (Fahrtkosten des Beklagten, Liftkarte) sind dieser ersten Prozessphase zuzuordnen.
Der Kostenersatzanspruch des Beklagten für diese Phase des Verfahrens erster Instanz bemisst sich daher wie folgt:
Verfahrenskosten: 14.07.2020 Klagebeantwortung, TP 3A EUR 668,40 Einheitssatz 100 % EUR 668,40 ERV-Kosten EUR 2,10 07.08.2020 Tagsatzung, 1 Stunde, TP 3A EUR 668,40 Einheitssatz 100 % EUR 668,40 12.11.2020 Schriftsatz, TP 3A EUR 668,40 Einheitssatz 100 % EUR 334,20 ERV-Kosten EUR 2,10 15.07.2021 Tagsatzung, 1 Stunde, TP 3A EUR 668,40 Einheitssatz 100 % EUR 668,40 19.01.2022 Befundaufnahme, 2 Stunden, TP 3A EUR 1.002,60 Einheitssatz 100 % EUR 1.002,60 10.11.2022 Tagsatzung, 1. Stunde, TP 3A EUR 668,40 Einheitssatz 100 % EUR 668,40 Zwischensumme Verfahrenskosten (netto) EUR 8.359,20 davon 56 % ( Kostenersatz netto ) EUR 4.681,15 USt-freie Barauslagen: Fahrtkosten Beklagter C* – K* (15.7.2021) EUR 50,40 Fahrtkosten Beklagter C* – D* (L*) EUR 98,28 Liftkosten anteilig (L*) EUR 30,50 Zwischensumme Barauslagen EUR 179,18 davon 78 % ( Barauslagenersatz ) EUR 139,76
Die Klägerin verzeichnete an USt-freien Barauslagen die gerichtliche Pauschalgebühr von EUR 743,-- und insgesamt EUR 7.700,-- an geleisteten Kostenvorschüssen sowie weitere EUR 2.350,-- für Sachverständigengebühren in der Tagsatzung vom 10.11.2022. Wie vom Beklagten richtig gemäß § 54 Abs 1a ZPO eingewendet steht ein Ersatz an Barauslagen nur in Höhe der jeweiligen Bestimmung der Sachverständigengebühren zu, nicht hingegen der geleisteten Kostenvorschüsse.
Die Gebühren der Sachverständigen Mag. M* und Dr. N* für deren mündliche Erörterungen in der Tagsatzung vom 10.11.2022 (ON 82) wurden gerichtlich bestimmt und die Klagsvertreter ersucht, die jeweiligen Beträge direkt an die Sachverständigen zur Anweisung zu bringen. Mangels weiterer Einwendungen ist daher davon auszugehen, dass diese Gebühren von der Klägerin getragen wurden (vgl Überweisungsbestätigungen ON 100). Die Gebühren des Sachverständigen Mag. M* für sein schriftliches Gutachten in Höhe von EUR 2.240,-- (Gebührennote vom 4.5.2022, ON 75) wurden zwischenzeitlich mit rechtskräftigem Beschluss vom 27.4.2023 (ON 94) bestimmt. Dabei wurde zwar ausgesprochen, dass die Klägerin gemäß § 2 Abs 2 GEG unbeschadet des Prozessausgangs für diese Gebühren ersatzpflichtig sei und eine Auszahlung aus Amtsgeldern erfolge. Im Weiteren teilte die Klägerin (ON 96) jedoch die direkte Zahlung dieses Gebührenbetrags an den Sachverständigen – entsprechend dem gerichtlichen Auftrag vom 24.3.2023 (ON 89) – mit. Dieses Vorbringen wurde nicht weiter bestritten. Daher ist auch insoweit von einer betreffenden Gebührenbelastung der Klägerin auszugehen, womit ihr auch ein Ersatz dafür zusteht.
Die mit dem Schriftsatz vom 23.7.2021 verzeichneten sonstigen Barauslagen von EUR 334,75 beziehen sich auf die vorprozessualen Kosten für die rechtsanwaltliche Vertretung (vgl Schriftsatz ON 53 S 2, Vorbringen Punkt G.). Der Ersatz dieser Auslagen richtet sich nach dem Verfahrenskostenersatz, sodass diese nicht unter die hier behandelten Barauslagen fallen.
Bei mehreren Verfahrensabschnitten werden alle Barauslagen – gleich ob allein oder gemeinsam getragen – dem Verfahrensabschnitt ihres Anfalls zugeordnet. Das gilt auch für Sachverständigengebühren (OLG Innsbruck RIS-Justiz RI0100074). Wann Sachverständigengebühren als „angefallen“ anzusehen sind, wurde in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. In der Entscheidung 6 Ob 2072/96s wurde dieser Zeitpunkt mit der Beendigung der Sachverständigentätigkeit angenommen. Demgegenüber sprach der Oberste Gerichtshof beispielsweise in seinen Entscheidungen 2 Ob 31/07h und 2 Ob 99/14v aus, dass die nach den Obsiegensanteilen der dortigen Parteien zuzusprechenden Barauslagen in jenen Verfahrensabschnitten zu berücksichtigen sind, in denen der Sachverständige tätig wurde. Damit ist nicht die abschließende Kostenbestimmung, sondern die dem Gebührenanspruch entsprechende Leistung des Sachverständigen maßgeblich. Das Berufungsgericht schließt sich der zuletzt zitierten Rechtsauffassung an. Der Umfang der Ersatzpflicht von Sachverständigengebühren kann nicht davon abhängig gemacht werden, wann diese vom Erstgericht bestimmt werden, weil dies zu willkürlichen Ergebnissen führen könnte. Sachgerechter erscheint vielmehr die Lösung dahin, Sachverständigenkosten dem jeweiligen Verfahrensabschnitt zuzuordnen, in dem der Sachverständige tätig geworden ist. Allgemein wird dabei auf den Zeitpunkt der Legung der Gebührennote abzustellen sein (OLG Innsbruck RIS-Justiz RI0100074 [T1]).
Vor diesem Hintergrund sind sämtliche Sachverständigengebühren mit Ausnahme der Gebühren für die mündliche Erörterung mit dem Sachverständigen Dr. N* in der Tagsatzung vom 10.11.2022 (ON 82) der ersten Prozessphase zuzuordnen. Wann die Verzeichnung der Gebühren bzw Legung der Gebührennote oder die gerichtliche Gebührenbestimmung erfolgte, kann außer Betracht bleiben. Hinsichtlich der mündlichen Erörterung mit dem Sachverständigen Dr. N* ist dem gerichtlichen Protokoll zwar nicht zu entnehmen, wann diese genau erfolgt ist und ob diese erst nach Beginn der zweiten Verhandlungsstunde begonnen bzw geendet hat. Ausgehend vom Inhalt der mündlichen Erörterung (ON 82 S 10-11) und dem weiteren Geschehen in der Tagsatzung bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz ist jedoch davon auszugehen, dass dieser letzte Verfahrensabschnitt insgesamt nicht länger als etwa 30 Minuten gedauert hat, womit diese Erörterung mit dem Sachverständigen bereits der zweiten Prozessphase zuzuordnen ist. Demgegenüber gilt dies gerade nicht für die vorangehende mündliche Erörterung mit dem Sachverständigen Mag. M*, welche somit noch zur Gänze der ersten Prozessphase zugerechnet werden kann.
Der Anspruch der Klägerin auf Barauslagenersatz bemisst sich in der ersten Prozessphase daher wie folgt:
Gerichtliche Pauschalgebühr EUR 743,00 SV Dr. O*, GebN 6.11.2020 (ON 16 iVm ON 36) EUR 600,00 SV Dr. P*, GebN 20.2.2021 (ON 32 iVm ON 36) EUR 1.016,00 SV Dr. P*, GebN 15.7.2021 (ON 51 iVm ON 56) EUR 389,00 SV Dr. N*, GebN 28.3.2022 (ON 66 iVm ON 72) EUR 1.999,00 SV Mag. M*, GebN 4.5.2022 (ON 75 iVm ON 94) EUR 2.240,00 SV Mag. M*, GebN 10.11.2022 (ON 82 S 10) EUR 500,00 Zwischensumme EUR 7.487,00 davon 22 % ( Barauslagenersatz ) EUR 1.647,14
7.4. Die zweite Prozessphase des erstinstanzlichen Verfahrens erstreckt sich ab Beginn der zweiten Stunde der Tagsatzung vom 10.11.2022. Dieser ist eine Bemessungsgrundlage von gesamt EUR 23.451,89 zugrundeliegend. Die Klägerin hat in dieser Phase mit EUR 6.143,73 bzw rund 26 % obsiegt. Sie hat daher lediglich Anspruch auf Ersatz von 26 % ihrer Barauslagen, während der Beklagte Anspruch auf Ersatz von 48 % seiner Verfahrenskosten und 74 % seiner Barauslagen hat. Das Kostenprivileg nach § 43 Abs 2 ZPO kommt aus den schon angeführten Gründen nicht zur Anwendung.
In dieser Prozessphase sind auf Beklagtenseite lediglich die Kosten für die zweite angefangene Stunde der Tagsatzung vom 10.11.2022 angefallen. Für die Einwendungen nach § 54 Abs 1a ZPO steht kein Anspruch auf Kostenersatz zu. Zur Berufung der Klägerin vom 5.1.2023 erstattete der Beklagte keine Berufungsbeantwortung. Barauslagen sind auf Beklagtenseite nicht angefallen. Der Kostenersatzanspruch des Beklagten für diese Phase des Verfahrens erster Instanz bemisst sich daher wie folgt:
10.11.2022 Tagsatzung, 2. angef. Stunde, TP 3A EUR 290,40 Einheitssatz 100 % EUR 290,40 Zwischensumme Verfahrenskosten (netto) EUR 580,80 davon 48 % ( Kostenersatz netto ) EUR 278,78
Der Klägerin sind in dieser Phase an Barauslagen – wie dargestellt – die Gebühren betreffend die Erörterung mit dem Sachverständigen Dr. N* in der Tagsatzung vom 10.11.2022 (ON 82 S 11) von EUR 1.850,-- angefallen. In der Berufung der Klägerin vom 5.1.2023 (ON 86) wurde zwar der Antrag gestellt, ihr den Ersatz der Kosten des Berufungsverfahrens zuzusprechen, Verfahrenskosten oder Barauslagen wurden in diesem Schriftsatz jedoch nicht verzeichnet. Ein Ersatz einer allfälligen gerichtlichen Pauschalgebühr für die Berufung kann daher nicht erfolgen. Ausgehend von einer Ersatzquote von 26 % gebührt der Klägerin daher in der zweiten Prozessphase ein Barauslagenersatz von EUR 481,--.
7.5. Insgesamt folgt daher für das erstinstanzliche Verfahren ein gegenseitiger Verfahrenskosten- und Barauslagenersatz wie folgt:
Kostenersatzanspruch des Beklagten: Kostenersatzanspruch erste Prozessphase (netto) EUR 4.681,15 Kostenersatzanspruch zweite Prozessphase (netto) EUR 278,78 Zwischensumme (netto) EUR 4.959,93 Umsatzsteuer (20 %) EUR 991,99 Anspruch Barauslagenersatz (USt-frei) EUR 139,76 Gesamtsumme EUR 6.091,68 Barauslagenersatzanspruch der Klägerin: Barauslagenersatzanspruch erste Prozessphase EUR 1.647,14 Barauslagenersatzanspruch zweite Prozessphase EUR 481,00 Gesamtsumme EUR 2.128,14
8. Die Kostenentscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf §§ 40, 43, 50 ZPO. Der Beklagte ist mit seiner Berufung in der Hauptsache (Berufungsinteresse: EUR 1.961,07) mit EUR 1.186,75 bzw rund 60 % durchgedrungen. Er hat daher Anspruch auf Ersatz seiner Verfahrenskosten im Umfang von 20 % und seiner USt-freien Barauslagen von 60 %. Die für die Berufung in der Hauptsache verzeichneten Kosten finden Deckung im gesetzlichen Tarif. Der Beklagte hat daher Anspruch auf einen Verfahrenskostenersatz im Berufungsverfahren von EUR 214,33 (darin enthalten EUR 20,32 an USt und EUR 92,40 an USt-freien Barauslagen).
9. Das Berufungsgericht konnte sich zu allen maßgeblichen Rechtsfragen an einer gefestigten Judikatur des Höchstgerichts orientieren. Damit war eine Rechtsfrage mit der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität nicht zu lösen, sodass auszusprechen war, dass die ordentliche Revision nicht zulässig ist (§ 500 Abs 2 Z 3 ZPO).