JudikaturOLG Innsbruck

3R54/23z – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
31. Juli 2023

Kopf

Beschluss

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Kohlegger als Vorsitzenden sowie die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Pirchmoser und den Richter des Oberlandesgerichts MMag. Dr. Dobler als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geb **, Pensionist, **, **, vertreten durch Dr. Kurt Bayr, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. B* , geb. **, ohne Beschäftigungsbezeichnung, ** Straße **, **, Deutschland, und 2. C* , **platz **, **, beide vertreten durch Mag. Michael Tinzl, Dr. Albert Frank, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen (eingeschränkt) EUR 12.849,33 und Feststellung (Streitinteresse EUR 2.500,--), Gesamtinteresse EUR 14.849,33 je s.A., über den Kostenrekurs der beklagten Parteien gegen die im Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 3.4.2023, 69 Cg 17/22g-41, enthaltene Kostenentscheidung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Kostenrekurs wird teilweise Folge gegeben und die angefochtene Kostenentscheidung dahin abgeändert , dass sie unter Einschluss des mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsenen Teils lautet:

„Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu Handen des Klagsvertreters die mit EUR 9.613,27 (darin EUR 1.010,66 USt und EUR 3.549,32 Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz zu ersetzen.“

Die Kosten des Rekursverfahrens werden gegenseitig aufgehoben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig .

Text

Begründung:

Gegenstand des Verfahrens vor dem Erstgericht waren Ansprüche des Klägers aus einem Verkehrsunfall am 14.8.2021. Die Haftung der Beklagten für die Unfallfolgen des Klägers war von Beginn an unstrittig. Nach Klagseinbringung anerkannten die Beklagten einen Betrag in Höhe von EUR 4.563,30 und bezahlten davon EUR 4.513,30.

Mit Klage vom 16.2.2022 begehrte der Kläger zunächst für mehrere Einzelpositionen wie Schmerzengeld, Haushaltshilfekosten, Sachschaden, etc. die Zahlung von EUR 19.592,63 und die mit EUR 2.500,-- bewertete Feststellung der Haftung der Beklagten für die Unfallfolgen. Nach der Teilzahlung von EUR 4.513,30 schränkte der Kläger in der Tagsatzung vom 5.5.2022 (ON 10) sein Geldleistungsbegehren zunächst auf EUR 15.079,33 sA und mit Schriftsatz vom 24.1.2023 (ON 35) auf EUR 12.349,33 ein.

Die Beklagten bestritten die über ihre Zahlungen hinausgehenden Ansprüche der Höhe nach.

Mit dem in der Hauptsache in Rechtskraft erwachsenen Urteil vom 3.4.2023 verpflichtete das Erstgericht die Beklagten zunächst mittels Teilanerkenntnisurteils zur ungeteilten Hand zur Bezahlung von EUR 50,--. Darüber hinaus erkannte es dem Kläger in der Hauptsache EUR 8.318,90 sA sowie einen Kostenersatz von EUR 10.042,16 (inkl USt und Barauslagen) zu, stellte die Haftung der Beklagten für die Unfallfolgen laut Urteilsantrag fest und wies das Geldleistungsmehrbegehren von EUR 4.030,43 sA ab.

Die Kostenentscheidung gründete das Erstgericht aufgrund der durch Sachverständige auszumessenden Positionen Schmerzengeld und Haushaltshilfe auf § 43 Abs 1 und 2 ZPO. Das Teilanerkenntnis und die Teilzahlungen schränkten zwar den Streitwert für die Kosten ein, hätten aber keinen Einfluss auf den Grund der Ersatzpflicht. Trotz zweimaliger Klagseinschränkung sei dem Kläger in keiner Prozessphase eine Überklagung anzulasten, weshalb die Prozesskosten auf Basis des ersiegten Betrags zuzuerkennen seien. Für die im Rekursverfahren strittigen Schriftsätze/Erörterungsanträge vom 4.11.2022 (ON 27) und 24.1.2023 (ON 35) billigte es dem Kläger – entgegen den von den Beklagten rechtzeitig erhobenen Einwendungen gemäß § 54 Abs 1a ZPO (ON 39), wonach diese Schriftsätze nur nach TP 2 zu entlohnen seien – unter Verweis auf die herrschende Rechtsprechung eine Entlohnung nach TP 3A zu. Unter Berücksichtigung der Nichtentlohnung der Mitteilung vom 30.6.2022 und der Verwerfung weiterer Einwendungen errechnete das Erstgericht Nettovertretungskosten von EUR 5.410,70.

Der rechtzeitige Kostenrekurs der Beklagten wendet sich (ausschließlich) gegen die Entlohnung der Gutachtenserörterungsanträge vom 4.11.2022 (ON 27) und 24.1.2023 (ON 35) nach TP 3A. Diese seien nach ständiger Rechtsprechung nur nach TP 2 zu entlohnen. Im Übrigen sei dem Erstgericht bei der Ermittlung der Nettovertretungskosten ein Rechenfehler unterlaufen. Diese beliefen sich unter Berücksichtigung des nicht zugestandenen Schriftsatzes vom 30.6.2022 auf lediglich EUR 5.379,77. Dem Kläger seien daher fälschlich netto EUR 30,93 zu viel zuerkannt worden.

Die Beklagten gestehen in ihrer fristgerecht erstatteten Rekursbeantwortung zu, dass dem Erstgericht bei Ermittlung der Nettovertretungskosten ein Rechenfehler im Betrag von EUR 30,93 unterlaufen ist. Dieser rechtfertige jedoch nicht die Erhebung eines Kostenrekurses, sondern hätte auch mittels Berichtigungsantrags geltend gemacht werden können. Im Übrigen seien die Einwände gegen die erstgerichtliche Kostenentscheidung nicht berechtigt. Dem gegnerischen Kostenrekurs sei daher ein Erfolg zu versagen, allerdings sei der Kostenzuspruch um den irrtümlich zuerkannten Betrag auf EUR 10.011,23 zu reduzieren.

Der Kostenrekurs ist teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Wie selbst der Kläger zugesteht, ist dem Erstgericht bei der Ermittlung der Nettovertretungskosten ein Kalkulationsfehler unterlaufen. Unter Berücksichtigung des nicht als ersatzfähig angesehenen Schriftsatzes vom 30.6.2022 beliefen sich die Nettovertretungskosten wie vom Kostenrekurs bemängelt richtig auf nur EUR 5.379,77 statt wie vom Erstgericht errechnet auf EUR 5.410,70. In diesem Punkt ist der Kostenrekurs daher berechtigt.

Auch wenn nach § 517 Abs 3 ZPO die Einbringung eines sich allein auf diesen Punkt beschränkenden Kostenrekurses unzulässig gewesen wäre, war die Beklagte entgegen der Ansicht des Rekursgegners berechtigt, auch diesen Mangel im vorliegenden – auch andere Teile der erstgerichtlichen Kostenentscheidung bemängelnden – Kostenrekurs geltend zu machen; sie mussten sich nicht auf die Einbringung eines Berichtigungsantrags beschränken.

2. Betreffend die Entlohnung der beiden Erörterungsanträge vom 4.11.2022 (ON 27) und 24.1.2023 (ON 35) gelten folgende Grundsätze:

2.1. Der begründungslose Antrag einer Partei, einen Sachverständigen zur Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung zwecks Erörterung seines Gutachtens zu laden, stellt ein bloßes Ansuchen dar, das eine Tagsatzung betrifft, und ist daher unter TP 1 I lit c RATG zu subsumieren. Wird der Erörterungsantrag inhaltlich begründet, also konkret ausgeführt, welche Aufklärungen bzw Erläuterungen gewünscht werden, sodass dem Sachverständigen eine entsprechende Vorbereitung ermöglicht wird, sind derartige Schriftsätze nach überwiegender Rechtsprechung nach TP 2 RATG zu entlohnen (für viele: OLG Innsbruck 10 R 4/23x; 4 R 17/17g; 3 R 100/14a; OLG Graz 2 R 184/09k; RIS-Justiz RI0100043; RW0000420).

2.2. Trägt aber das Gericht den Parteien bei Übermittlung eines Sachverständigengutachtens auf, für den Fall der Beantragung einer mündlichen Gutachtenserörterung gleichzeitig mit dem Antrag die vom Sachverständigen zu beantwortenden Fragen zur Vorbereitung der Verhandlung bekannt zu geben, handelt es sich bei einem Schriftsatz, mit dem die Gutachtenserörterung beantragt wird und Fragen formuliert werden, grundsätzlich um einen aufgetragenen Schriftsatz gemäß TP 3A I.1. lit d RATG. Ein solcher Schriftsatz ist nach der überwiegenden jüngeren Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Innsbruck, die auf jener des Obersten Gerichtshofs basiert (2 Ob 162/10b = RIS-Justiz RS0126467), daher im Regelfall nach TP 3A RATG zu entlohnen (für viele: OLG Innsbruck 4 R 91/23y; 10 R 4/23y = RIS-Justiz RI0100090; 4 R 27/18d = RIS-Justiz RI0100056; 1 R 4/18z; 2 R 50/18x).

3. Im vorliegenden Fall lag beiden hier zu beurteilenden Gutachtenserörterungsanträgen jeweils folgender - sich von einer bloßen Freistellung (vgl. RIS-Justiz RI0100095) unterscheidenden - gerichtlicher Auftrag zu Grunde: „Sollte eine mündliche Erörterung beantragt werden, sind gleichzeitig die von der/vom Sachverständigen zu beantwortenden Fragen zur Vorbereitung der Verhandlung bekannt zugeben.“

Diesem Auftrag folgend formulierte der Kläger im Gutachtenserörterungsantrag vom 4.11.2022 (ON 27) sechs konkrete Fragen. Damit sind in Bezug auf diesen Schriftsatz sämtliche von der Rechtsprechung geforderten Voraussetzungen für eine Entlohnung nach TP 3A RATG erfüllt: Einerseits beinhaltet die vom Gericht gewählte Formulierung den konkreten Auftrag (§ 180 Abs 2 ZPO) der Vorlage einer Fragenliste für den Fall der Beantragung einer mündlichen Gutachtenserörterung (so auch jüngst: OLG Innsbruck 4 R 91/23y). Andererseits kam der Kläger diesem Auftrag auch mit einem ausreichend fundierten Erörterungsantrag nach, in welchem er in einem rund 1 ½ Seiten umfassenden Schriftsatz immerhin sechs konkrete Fragen formulierte (zu 2 Ob 162/10b erachtete der Oberste Gerichtshof die Formulierung von vier Fragen für die Entlohnung nach TP 3A RATG für ausreichend).

Die vom Erstgericht zuerkannte Abgeltung des Schriftsatzes nach TP 3A RATG entspricht damit der herrschenden Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Innsbruck, weshalb die Kostenrüge in diesem Punkt erfolglos bleiben muss.

4. Anders stellt sich die Situation in Bezug auf den Schriftsatz vom 24.1.2023 (ON 35) dar: Diesem lag zwar der selbe gerichtliche Auftrag zu Grunde. Die dort gestellten zwei einfach gehaltenen Fragen, die sich ausschließlich auf eine (vom Kläger behauptete) Unfallfolge (mentale Belastung mit Schnellatmung und Hecheln bis zum Atemstillstand) beschränken, rechtfertigen hier jedoch nicht die Entlohnung des Schriftsatzes nach TP 3A. Dass die Komplexität der Fragestellung äußerst eingeschränkt war, zeigt sich vor allem auch im Ausmaß der daraufhin durchgeführten Gutachtenserörterung. Der Sachverständige beantwortete die Fragen mit insgesamt nur zwei – ebenfalls kurz gehaltenen – Sätzen dahin, dass die behaupteten Atemstillstände, so sie denn stattgefunden hätten, in keinem Zusammenhang mit den Unfallverletzungen stünden und sich die gutachterliche Einschätzung in Bezug auf Spätfolgen ausschließlich auf die knöchernen Verletzungen beziehe. Auch im Hinblick auf diese äußerst kurz gehaltene Fragebeantwortung durch den Sachverständigen erscheint im hier zu beurteilenden Einzelfall eine Entlohnung des Schriftsatzes (nur) nach TP 2 angemessen (vgl auch 3 R 92/22m; 3 R 44/20z; 3 R 100/14a). Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch die weiteren Ausführungen im Schriftsatz vom 24.1.2023 (ON 35) keine höhere Entlohnung rechtfertigen, weil dieser Abschnitt – worauf der Schriftsatz sogar hinweist – nur die in der nächsten Tagsatzung vorzunehmende Klagseinschränkung antizipiert. Dieser Teil des Schriftsatzes war damit nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, weil die Klagseinschränkung ohne Einbuße an Rechtsschutz auch in der abschließenden Tagsatzung vorgenommen werden konnte (9 ObA 46/14a; 9 Ob 50/08f; 7 Ob 106/07z; 2 Ob 155/05s; OLG Graz 6 Rs 62/19p; OLG Wien 1 R 62/17w; M. Bydlinski in Fasching/Konecny ZPO³ § 41 Rz 20 insb FN 20 und Rz 21 insb FN 81).

Hinsichtlich des Schriftsatzes vom 24.1.2023 (ON 35) ist der Kostenrekurs daher berechtigt; dem Kläger gebührt nur eine Abgeltung nach TP 2, sohin brutto EUR 407,24. Die Beklagten haben die Differenz zwischen den verzeichneten und den gebührenden Kosten in ihrem Kostenrekurs richtig mit EUR 397,96 errechnet. Auch um diesen Betrag ist der Kostenzuspruch zu reduzieren.

6. Dem Kostenrekurs kommt daher im Umfang eines Gesamtbetrags von EUR 428,89 (EUR 30,93 aufgrund des dem Erstgericht unterlaufenen Rechenfehlers bei der Ermittlung der Nettovertretungskosten und EUR 397,96 Kostendifferenz hinsichtlich des Schriftsatzes vom 24.1.2023) Berechtigung zu, nicht jedoch im darüberhinausgehende Umfang von EUR 454,58 für den Schriftsatz vom 4.11.2022.

Hinsichtlich des auf den Rechenfehler entfallenden Teils hat der Rekurs sein Interesse ausschließlich mit dem Nettobetrag von EUR 30,93 beziffert. Die darauf entfallende USt wurde weder im ausgewiesenen Rekursinteresse noch in dem davon abgeleiteten Rekursantrag berücksichtigt, weshalb dieses auch in der vorliegenden Rekursentscheidung nicht berücksichtigt werden kann (§ 405 ZPO). Der vom Erstgericht zuerkannte Barauslagenersatz ist vom vorliegenden Rechtsmittel nicht tangiert, sohin unverändert mit EUR 3.549,32 zu übernehmen.

In diesem Sinn war dem Kostenrekurs teilweise Folge zu geben und die angefochtene Kostenentscheidung dahin abzuändern, dass die Beklagten dem Kläger für das Verfahren erster Instanz EUR 9.613,27 (darin EUR 3.549,32 Barauslagen und EUR 1.010,65 USt) an Prozesskosten zu ersetzen haben.

7. Im zweiseitigen Kostenrekursverfahren richtet sich die Kostenersatzpflicht nach den §§ 40, 41 Abs 1, 43 ZPO: Es ist die bei zweiseitigen Rechtsmitteln gebotene Quotenkompensation vorzunehmen ( Obermaier Kostenhandbuch 3 Rz 1.100 mzwH in FN 361 und 364). Die Beklagten drangen mit rund der Hälfte ihres Rekursinteresses (knapp 49 %) durch, sodass hinsichtlich der Kosten des Rekursverfahrens Kostenaufhebung eintritt. Für die Einbringung des Kostenrekurses fiel keine Pauschalgebühr an (vgl Anmerkung 1 zu TP 2 GGG, wo Kostenrekurse nicht genannt sind, Obermaier aaO Rz 1.101).

8. Die absolute Unzulässigkeit eines weiteren Rechtszugs im Kostenpunkt ergibt sich aus § 528 Abs 2 Z 3 ZPO, worüber gesondert abzusprechen war (§§ 526 Abs 3, 500 Abs 2 Z 2 ZPO).

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