JudikaturOLG Innsbruck

23Rs29/23w – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
Zivilprozessrecht
27. Juli 2023

Kopf

Im Namen der Republik

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Kohlegger als Vorsitzenden und die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Pirchmoser sowie den Richter des Oberlandesgerichts MMag. Dr. Dobler und die fachkundigen Laienrichter AD in RR in Irene Rapp (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und AD RR Jürgen Fiedler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Mitglieder des Senats in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* B* , C*, D* E*/F*, vertreten durch Mag. G*, Mitarbeiter der H* I*, J*, **, **-K*, gegen die beklagte Partei L* , M* I*, **, **gasse K*, vertreten durch ihren Mitarbeiter Mag. N* wegen Kinderbetreuungsgeld über die Berufung der beklagten Partei (ON 9) gegen das Urteil Landesgerichts Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 26.6.2023, 60 Cgs 76/23m-7, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird k e i n e Folge gegeben.

Die (ordentliche) Revision ist n i c h t zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin und ihr (zweites) Kind O* B* (geboren am P*) sind österreichische Staatsangehörige. Der Vater von O*, der Lebensgefährte der Klägerin, ist der deutsche Staatsbürger Q*. Die Klägerin, O* und ihr Vater haben ihren Hauptwohnsitz in Österreich in C*, D* E*/F*. Dort ist O* B* seit ihrer Geburt hauptwohnsitzlich gemeldet. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen der vierköpfigen Familie (neben den drei genannten Personen das erste Kind der Klägerin R* B*) liegt in Österreich. Die gemeinsame Obsorge für O* kommt der Klägerin und ihrem Lebensgefährten zu.

Die Klägerin war im Zeitraum 1.1.2021 bis 28.2.2023 in Liechtenstein in Teilzeit erwerbstätig und brachte dabei monatlich CHF 3.200,-- brutto ins Verdienen. Vom 1.10.2022 bis 17.2.2023 bezog sie eine wochengeldähnliche Leistung in Höhe von CHF 113,97/Tag. Vom 18.2.2023 bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses mit Ablauf des 28.2.2023 konsumierte die Klägerin noch Urlaub und Zeitausgleich. Ab der Beendigung des Dienstverhältnisses erlöst die Klägerin kein Einkommen mehr. Im Zeitraum 10/2022 bis 2/2023 bezog die Klägerin die liechtensteinische Kinderzulage von CHF 280,-- pro Monat (Beilage 5).

Der Lebensgefährte der Klägerin ist seit 09/2022 in der Schweiz erwerbstätig. Seit 03/2023 bezieht er die schweizerische Kinderzulage in Höhe von CHF 230,-- pro Monat (Beilage D = 4).

Der Antrag der Klägerin auf Familienbeihilfe in Österreich ab 03/2023 wurde mit Bescheid des S* vom 28.3.2023 abgewiesen (Beilage B). Im Schreiben vom 28.3.2023 (Beilage C) des S* wurde der Klägerin als dortiger Antragstellerin unter anderem mitgeteilt, dass sie für O* von 10/2022 bis 10/2024 Anspruch auf Ausgleichszahlung nach § 4 FamLAG 1967 iVm VO (EG) Nr. 883/2004 und DVO (EG) Nr. 987/2009 habe. Unter anderem lautet dieses Schreiben wörtlich:

"Die Höhe der Ausgleichszahlung ist die Differenz der österreichischen Familienbeihilfe inkl. Kinderabsetzbetrag zur ausländischen Familienleistung.

[...]

Erhalten Sie die ausländische Familienleistung nicht in Euro, kann es bei der Umrechnung aufgrund von monatlichen Kursschwankungen zu geringfügig unterschiedlichen Monatsbeträgen bei der Ausgleichszahlung kommen.

Wir werden Ihre noch nicht ausbezahlten Ansprüche monatlich auf folgendes Konto überweisen:

[...]

Eine eventuell zustehende Nachzahlung erhalten Sie bereits in den nächsten Tagen.

Bitte teilen Sie uns Tatsachen, die bewirken können, dass Ihre Ansprüche erlöschen und Änderungen der in ihrem Antrag angeführten Daten auch im eigenem Interesse umgehend mit.

[...]

Sie können diese [Mitteilung] als Nachweis über den Bezug der Familienbeihilfe bei andern Behörden, Sozialversicherungsträger, ihrem Dienstgeber etc. vorlegen.

(...)"

Liechtenstein und die Schweiz gewähren keine dem österreichischen pauschalen Kinderbetreuungsgeld ähnliche Leistung.

Die Klägerin hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz alle vorgesehenen Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen für O* durchgeführt.

Mit (dem angefochtenen) Bescheid vom 4.5.2023 wies die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 24.1.2023 auf Zuerkennung des pauschalen Kinderbetreuungsgelds (KBG-Konto) für O* für den Zeitraum vom P* bis 18.10.2023 ab.

Von diesem Sachverhalt muss das Berufungsgericht gemäß den §§ 2 Abs 1 ASGG, 498 Abs 1 ZPO ausgehen.

Diesen Bescheid bekämpft die Klägerin mit ihrer (fristgerecht am 22.5.2023 beim Erstgericht eingelangten) vorliegenden Bescheidklage. Darin begehrt sie - unter Berücksichtigung der bis zum 17.2.2023 bezogenen wochengeldähnlichen liechtensteinischen Leistung - die Beklagte dazu zu verpflichten, ihr das pauschale Kinderbetreuungsgeld (KBG-Konto) in der Variante 365 Tage vom 18.2.2023 bis 18.10.2023 im gesetzlichen Ausmaß zu bezahlen. Dazu bringt sie - soweit für den Gegenstand des Berufungsverfahrens wesentlich - vor, für den Zeitraum bis 28.2.2023 ergebe sich die Zuständigkeit Österreichs für die Leistung des pauschalen Kinderbetreuungsgelds jedenfalls aus dem Wohnsitz und dem Lebensmittelpunkt der Familie der Klägerin in Österreich. Für den Zeitraum ab 1.3. bis (18.10.2023) erfülle die Klägerin die Voraussetzung des § 2 Abs 1 Z 1 KBGG, weil nach der Entscheidung 10 ObS 128/21b ihr Lebensgefährte die schweizerische Kinderzulage beziehe und die Klägerin für ihr Kind einen Anspruch auf Ausgleichszahlung nach § 4 Abs 2 FamLAG 1967 habe und nach der Entscheidung 10 ObS 128/21b selbst ein mit EUR 0,00 bemessener Anspruch auf eine solche Ausgleichszahlung als tatsächlicher Bezug von Familienbeihilfe zu qualifizieren sei.

Die Beklagte bestreitet, beantragt Klagsabweisung und wendet ein, Österreich sei für den Zeitraum P* bis 28.2.2023 weder vorrangig noch nachrangig zuständig, weil die Klägerin aufgrund ihres liechtensteinischen Beschäftigungsverhältnisses nach Art 11 Abs 3 lit a VO (EG) Nr. 883/2004 liechtensteinischen Rechtsvorschriften unterliege. Für den Zeitraum 1.3. bis 18.10.2023 erfülle die Klägerin nicht die Anspruchsvoraussetzungen für das pauschale Kinderbetreuungsgeld, insbesondere nicht jene des tatsächlichen Bezugs von Familienbeihilfe nach § 2 Abs 1 Z 1 KBGG, auch wenn die Klägerin in dieser Zeit mangels Beschäftigungsverhältnis nach Art 11 Abs 3 lit e VO (EG) Nr. 883/2004 österreichischen Rechtsvorschriften unterliege.

Mit dem bekämpften Urteil gab das Erstgericht dem (gegenüber dem Bescheid) eingeschränkten Klagebegehren vollinhaltlich statt. Diesem Erkenntnis legte das Erstgericht den eingangs der Berufungsentscheidung wiedergegebenen, im Rechtsmittelverfahren unstrittigen Sachverhalt zugrunde.

In seiner ausführlichen, hier nur gekürzt wiedergegebenen rechtlichen Beurteilung teilte das Erstgericht - unter Hinweis auf Sonntag/Schober/Konecny KBB 4 [2023] S 10 Rz 18a - die Auffassung der Klägerin, wonach die Anspruchsvoraussetzung des § 2 Abs 1 Z 1 KBGG auch dann erfüllt sei, wenn sich aufgrund einer höheren ausländischen Familienbeihilfe die Ausgleichszahlung auf die österreichische Familienbeihilfe mit Null bemesse und der Kinderabsetzbetrag deshalb tatsächlich nicht ausbezahlt werde.

Dem Einwand der Beklagten, wonach Österreich für die Familienleistungen bis 28.2.2023 nicht zuständig sei, begegnete das Erstgericht mit dem Verweis auf Sonntag/Schober/Konecny KBB 4 (2023) S 24 Rz 65: Aus der Entscheidung 10 ObS 120/19y ergebe sich, dass Österreich zwar kein einkommensabhängiges, aber pauschales Kinderbetreuungsgeld leisten müsse, das keine Erwerbstätigkeit im Inland (oder vergleichbar im Ausland) voraussetze. Auch in der Entscheidung 10 ObS 133/22i sei der Anspruch auf - dort einkommensabhängiges - Kinderbetreuungsgeld nur deshalb verneint worden, weil die dortige Klägerin in den letzten 182 Tagen unmittelbar vor der Geburt des Kindes keine in Österreich sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit ausgeübt habe, was beim hier begehrten pauschalen Kinderbetreuungsgesetz nicht vorausgesetzt sei.

Gegen diese Entscheidung wendet sich nunmehr die (fristgerechte) Berufung der Beklagten aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinn einer vollständigen Klagsabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt (ON 9 S 6).

In ihrer (fristgerechten) Berufungsbeantwortung beantragt die Klägerin , dem gegnerischen Rechtsmittel den Erfolg zu versagen (ON 11 S 6 f).

Nach Art und Inhalt des geltend gemachten Berufungsgrundes war die Anberaumung einer öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung entbehrlich. Über das Rechtsmittel war daher in nichtöffentlicher Sitzung zu befinden (§§ 2 Abs 1 ASGG, 480 Abs 1 ZPO). Dabei erweist sich die Berufung aus nachstehenden Überlegungen als unberechtigt:

Rechtliche Beurteilung

1.: Aufgrund der unterschiedlichen Sachverhaltsgestaltung ist bei der Prüfung der Ansprüche der Klägerin - wie das auch die Berufung systematisch zutreffend tut (ON 9 S 3) - zwischen den beiden Zeiträumen 18. bis 28.2.2023 (dem Ende der Berufstätigkeit bzw der Berufstätigkeit vergleichbaren Zeiträume der Klägerin in Liechtenstein) und dem Zeitraum vom 1.3. bis zum 18.10.2023 (dem Zeitraum, in dem die Klägerin weiterhin in Österreich wohnhaft war, aber keiner Beschäftigung in irgendeinem Anwendungsstaat der VO [EG] Nr. 883/2004 nachging) zu unterscheiden.

2.: Beide Parteien und das Erstgericht gehen für den hier maßgeblichen Bereich der Koordinierung nach Unionsrecht davon aus, dass das Kinderbetreuungsgeld - egal ob, wie hier, pauschal oder einkommensabhängig - eine Familienleistung im Sinn des Art 1 lit z VO (EG) Nr. 883/2004 darstellt (RIS-Justiz RS0122905; für das pauschale Kinderbetreuungsgeld auch EuGH 7.6.2005, C-543/03, Christine Dodl und Petra Oberhollenzer/Tiroler Gebietskrankenkasse , ECLI:EU:C:2005:364 Rn 17 iVm 27 ff ). Damit ist der sachliche Anwendungsbereich der VO (EG) Nr. 883/2004 gegeben.

3.: Unstrittig ist für die Klägerin und ihren Lebensgefährten auch der persönliche Anwendungsbereich der VO (EG) Nr. 883/2004 eröffnet (für den Lebensgefährten der Klägerin auch nach Anh II des Freizügigkeitsabkommens [FZA] - jetzt EU- Schweiz - vom 21.6.1999, in Kraft seit 1.6.2002, ABlEU 2002, L 114 S 6-72, CELEX-Dok-Nr 22002A0430[1] und den Beschluss des gemischten Ausschlusses iS Art 8 FZA vom 31.3.2012, ABlEU 2012, L 105 S 51-59, CELEX-Dok-Nr 22012D0195; vgl 10 ObS 120/19g ErwGr 1.1.): Dieser besteht gemäß ihrem Art 2 Abs 1 für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen. Im Gegensatz zur Vorgängerbestimmung (VO [EG] Nr. 1408/71) ist nicht mehr entscheidend, dass die betreffende Person eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt oder Studierender oder Pensionist ist. Auch wirtschaftlich inaktive Personen, die über die Unionsbürgerschaft verfügen und ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben, sind erfasst (für viele: Sonntag/Schober/Konezny KBGG 4 [2023] § 2 Rz 46 f).

4.: Es fehlt auch nicht an einem - für die Anwendung der zitierten Verordnung (und ihrer Durchführungsverordnung DVO [EG] Nr. 987/2009) geforderten - grenzüberschreitenden Sachverhalt : Dieser besteht abstrakt betrachtet darin, dass Personen, Sachverhalte oder Begehren eine rechtliche Beziehung zu einem anderen Mitgliedstaat aufweisen. Diese Umstände können in der Staatsangehörigkeit, dem Wohn- oder Beschäftigungsort, dem Ort eines die Leistungspflicht auslösenden Ereignisses, einer vormaligen Arbeitstätigkeit unter dem Recht eines anderen Mitgliedstaats oder ähnlichen Merkmalen gesehen werden (RIS Justiz RS0117828; Spiegel in Fuchs/Janda Europäisches Sozialrecht 8 [2022] Art 2 VO [EG] Nr. 883/2004 Rz 8, 17 mwH). Der notwendige grenzüberschreitende Gesichtspunkt kann auch darin bestehen, dass der Vater eines Kindes, das mit der Mutter in Österreich lebt, ständig oder als Grenzgänger (lit 1 lit f VO [EG] Nr. 883/2004) in einem anderen Anwendungsstaat der zitierten VO einer Beschäftigung nachgeht (siehe 10 ObS 27/08f ErwGr 2.4. aE für den Fall eines in Deutschland beschäftigten Vaters, ferner 10 ObS 69/16v ErwGr 5.1. oder 10 ObS 41/09s ErwGr 2.2.).

5.: Da somit sämtliche Anwendungsvoraussetzungen der zitierten VO vorliegen, ist - um prüfen zu können, ob unter anderem die Regeln über die Exportverpflichtung (Art 67 VO) und/oder die Prioritäts- und Antikumulierungsregeln (Art 68 VO) anwendbar sind - das anwendbare Recht zu bestimmen. Dies geschieht nach Art 11 Abs 3 der genannten Verordnung (EuGH 22.10.2015, C-378/14, Sparkasse Sachsen/Tomislaw Trapkowski , ECLI:EU:C:2015:720 Rn 25). Im hier noch relevanten Zeitraum unterfällt der Lebensgefährte der Klägerin aufgrund seiner unselbständigen Tätigkeit in der Schweiz durchgehend dem Anwendungsbereich des schweizerischen Rechts (Art 11 Abs 3 lit a VO [EG] Nr. 883/2004; 10 ObS 27/08f ErwGr 3.3.; Steinmeyer in Fuchs/Janda Europäisches Sozialrecht 8 [2022] Art 11 VO [EG] Nr. 883/2004 Rz 10; Sonntag § 2 Rz 49). Die Klägerin untersteht im ersten Zeitraum aufgrund ihrer liechtensteinischen Beschäftigung bis 28.2.2023 liechtensteinischem Recht (OGH wie vor sowie Steinmeyer aaO und Sonntag aaO). Ab dem 1.3.2023 gilt für die Klägerin aufgrund ihrer wirtschaftlichen Inaktivität iS der zitierten VO und ihres österreichischen Wohnsitzes die Zuständigkeit Österreichs als Wohnsitzstaat (Art 11 Abs 3 lit e VO [EG] Nr. 883/2004; 10 ObS 146/16t ErwGr 1.3.; 10 ObS 27/08f ErwGr 3.3.; EuGH 11.9.2014, C 394/13, Ministerstwo práce a sociálních věci/B. , ECLI:EU:C:2014:2199 Rn 24 für die Vorgängerbestimmung des Art 13 Abs 2 lit f VO [EG] Nr. 1408/71; Steinmeyer Rz 33ff insb Rz 36).

6.: Was nun den hier relevanten Zeitraum anlangt, ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung des OGH, dass für die Anwendung der Prioritäts- und Antikumulierungsregeln des Art 68 Abs 1 VO (EG) Nr. 883/2004 vergleichbare Familienleistungen im Sinn der Rechtsprechung des EuGH aus zwei/mehreren Mitglied/Anwendungsstaaten vorliegen müssen: Die Prioritäts- und Antikumulierungsvorschriften finden nur dann Anwendung, wenn - etwa aus dem Wohnsitz- und dem Beschäftigungsmitgliedstaat - gleichartige Leistungen zusammentreffen (10 ObS 110/19b ErwGr 1.1.). Gleichartigkeit wurde angenommen, wenn die Leistungen einander nach Funktion und Struktur im Wesentlichen entsprechen (10 ObS 146/16t ErwGr 2.1.2.; 10 ObS 6/10w ErwGr 1.3.; 10 ObS 109/07p ErwGr II.3.; RIS-Justiz RS0122907). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, zuletzt in der Rs Ulrike Wiering und Markus Wiering (EuGH 8.5.2014, C-347/12, Ulrike Wiering und Markus Wiering , ECLI:EU:C:2014:300 Rn 54 ff, 61) verlangt die Gleichartigkeit insbesondere Übereinstimmung bei Sinn und Zweck , Berechnungsgrundlage, Gewährungsvoraussetzungen sowie Leistungsempfänger der Leistungen (EuGH 7.6.2005, C-543/03, Christine Dodl und Petra Oberhollenzer , ECLI:EU:C:2005:364 Rn 58 ff, 64; vgl auch 8.7.1992, C-102/91, Doris Knock , ECLI:EU:C:1992:303 Rn 40, 42; 5.7.1983, 171/82, Biagio Valentini , ECLI:EU:C:1983:189 Rn 13; 19.2.1981, 104/80, Kurt Beeck , ECLI:EU:C:1981:48 Rn 12; siehe zuletzt auch SA GA Henrik Saugmannsgaard Øe vom 5.10.2016 in C-430/15, Trolley , ECLI:EU:C:2016:743 Rn 68 mwH in FN 43). Zusätzlich ist darauf abzustellen, wer der eigentliche Leistungsadressat ist (EuGH Rs Ulrike Wiering und Markus Wiering Rn 56). Dass das vom Gerichtshof der Europäischen Union noch im Anwendungsbereich der VO (EWG) Nr. 1408/71 für die Anwendung der Antikumulierungsregeln bei Familienleistungen postulierte Erfordernis der Gleichartigkeit (Vergleichbarkeit) der Leistungen (aus dem Beschäftigungsmitgliedstaat und dem Wohnsitzmitgliedstaat) auch im Anwendungsbereich der VO (EG) Nr. 883/2004 und der VO (EG) Nr. 987/2009 weiterhin Gültigkeit hat, ergibt sich insbesondere aus den Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zu 10 ObS 110/19b ErwGr 2.1. iVm 1.1. sowie 10 ObS 146/16t ErwGr 2.3., dem Erkenntnis des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8.5.2014, C-347/12, Ulrike Wiering und Markus Wiering , ECLI:EU:C:2014:300 Rn 61 und der im Verfahren C-4/13, Susanne Fassbänder-Firman ergangenen Schlussanträge des Generalanwalts Melchior Wathelet vom 10.4.2014, ECLI:EU:C:2014:263 Rn 33 f. Angesichts der zahlreichen Unterschiede zwischen den nationalen Systemen der Sozialen Sicherheit lässt der Gerichtshof im Wesen gleiche Berechnungsgrundlagen und gleiche Voraussetzungen für die Leistungsgewährung genügen (EuGH Rs Ulrike Wiering und Markus Wiering Rn 55; 8.7.1992, C-102/91, Doris Knoch , ECLI:EU:C:1992:303 Rn 42). Vergleichbarkeit ist also kurzgefasst anzunehmen, wenn die Leistungen einander nach Funktion und Struktur im Wesentlichen entsprechen (RIS-Justiz RS0122907). In diesem Sinn vergleichbar mit dem österreichischen Kinderbetreuungsgeld ist jedoch weder die hier (von der Klägerin bis Ende 02/2023) bezogene liechtensteinische Kinderzulage (10 ObS 110/19b ErwGr 4.1. und 10 ObS 146/16t ErwGr 3.) noch die (vom Lebensgefährten der Klägerin ab 03/2023) bezogene schweizerische Kinderzulage (10 ObS 35/11m ErwGr 3.4. noch zur Vorgängerbestimmung der VO [EG] Nr. 1408/71; vgl Sonntag § 2 Rz 55). Daraus ergibt sich, dass für den gesamten hier relevanten Zeitraum (ab 02/2023) nur die Regeln nach der Exportpflicht des Art 67 VO (EG) Nr. 883/2004 zur Anwendung gelangen können (10 ObS 12/23x Rz 16). Dies bedeutet also, dass die Prioritäts- und Antikumulierungsregeln der Verordnung insbesondere im zweiten Zeitraum nicht anwendbar sind, sondern nur deren Exportvorschriften . Diese beziehen sich im zweiten Zeitraum aber nur auf den Lebensgefährten der Klägerin aufgrund seiner Erwerbstätigkeit in der Schweiz und sind daher nur für die in der Schweiz zur Gewährung der Familienleistungen zuständigen Behörden maßgeblich. Diese haben ausgehend von der Exportpflicht des Art 67 der zitierten Verordnung die schweizerische Kinderzulage an den Lebensgefährten der Klägerin an dessen Wohnort in Österreich exportiert. Die Klägerin beruft sich für den zweiten Zeitraum auch nicht auf einen von ihrem Lebensgefährten abgeleiteten (siehe gleich unten ErwGr 7.) Anspruch, sondern darauf, dass ihr selbst aufgrund § 2 Abs 1 Z 1 KBGG pauschales Kinderbetreuungsgeld zukommt.

7.: Dies bedeutet, dass sich die Klägerin auch nicht auf einen (abgeleiteten) Anspruch ihres Lebensgefährten im Sinn des Art 60 Abs 1 Satz 2 DVO (EG) Nr. 987/2009 stützt (und auch gar nicht stützen kann): Die dort vorgesehene Fiktion führt bloß dazu, dass der Anspruch auf Familienleistungen - bei Vorliegen der nationalen Anspruchsvoraussetzungen - auch einer Person zusteht, die nicht in dem Mitgliedstaat wohnt, der für die Gewährung dieser Leistungen zuständig ist (EuGH 18.9.2019, C 32/18, Tiroler Gebietskrankenkasse/Michael Moser, ECLI:EU:C:2019:752 Rn 44; EuGH 22.10.2015, C 378/14, Sparkasse Sachsen/Tomislaw Trapkowski , ECLI:EU:C:2015:720 Rn 41; dem folgend 10 ObS 12/23x Rz 25). Genau dies ist hier bei Österreich nicht der Fall: Die Familienbetrachtungsweise hat nämlich unter dem hier festgestellten Sachverhalt nur dann Bedeutung, wenn der Lebensgefährte der Klägerin - als Familienangehöriger bzw auch ohne ein bei ihm infolge seiner Schweizer Beschäftigung vorliegendes grenzüberschreitendes Element (vgl EuGH Rs Moser Rn 47; 10 ObS 12/23x Rz 25) - im ersten Zeitraum einen aus ihrer Beschäftigung in Liechtenstein abgeleiteten Anspruch auf Familienleistung nach liechtensteinischem Recht geltend machen würde (10 ObS 12/23x Rz 25; 10 ObS 173/19t ErwGr 2.4.) oder im zweiten Zeitraum aus ihrem Wohnort in Österreich abgeleiteten Anspruch auf Familienleistung nach österreichischem Recht geltend machen würde. Dies hat der Lebensgefährte der Klägerin jedoch nach dem Aktenstand - für den zweiten Zeitraum - nicht getan, weil er sich gegenüber der CF* auf einen eigenen Exportanspruch auf schweizerische Familienzulage an seinen Wohnort in Österreich berufen hatte und diesem mit CHF 230,-- monatlich entsprochen wurde (vgl Beilage D = 4). Für den ersten Zeitraum hat dies die Klägerin analog dazu gegenüber der liechtensteinischen Familienausgleichskasse getan und monatlich CHF 280,-- überwiesen erhalten (siehe Beilage 5). Abgesehen davon, dass sich die qualifiziert vertretene Klägerin darauf nicht berufen hat, ergibt sich für die Klägerin aus der Fiktion der Familienbetrachtungsweise, also aus dem hier festgestellten Sachverhalt, keine günstigere Beurteilung.

8.: Die Familienbetrachtungsweise spielt überdies bereits nach dem Wortlaut des Art 60 Abs 1 Satz 2 DVO (EG) Nr. 987/2009 nur bei der Anwendung der Art 67 und 68 VO (EG) Nr. 883/2004 eine Rolle (EuGH Rs Moser Rn 33 und 34; 10 ObS 12/23x Rz 16; 10 ObS 173/19t). Zur Anwendung der Prioritätsregeln des Art 68 VO (EG) Nr. 883/2004 kommt es jedoch nur dann, wenn für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften zweier/mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren sind (EuGH 7.2.2019 C 322/17, Eugen Bogatu/Minister for Social Protection, ECLI:EU:C:2019:102 Rn 24; vgl zur Vorgängerbestimmung VO [EG] Nr. 1408/71: 14.10.2010, C 16/09, Gudrun Schwemmer/Agentur für Arbeit Villingen-Schwenningen-Familienkasse , ECLI:EU:C:2010:605 Rn 43; 7.6.2005, C 543/03, Christine Dodl und Petra Oberhollenzer/Tiroler Gebietskrankenkasse, ECLI:EU:C:2005:364 Rn 49; 10 ObS 12/23x Rn 16; 10 ObS 103/18x). Besteht hingegen in einem der beiden Staaten, hier also (bei der Klägerin) Liechtenstein und Österreich, kein Anspruch auf eine mit dem österreichischen Kinderbetreuungsgeld vergleichbare Leistung, erfolgt die Anknüpfung nach der allgemeinen Regel zur Ermittlung des anzuwendenden Rechts nach Art 11 VO (EG) Nr. 883/2004 (EuGH 20.5.2008, C 352/06, Brigitte Bosmann/Bundesagentur für Arbeit-Familienkasse Aachen , ECLI:EU:C:2008:290 Rn 26 zur Vorgängerbestimmung der VO [EG] Nr. 1408/71; 10 ObS 12/23x Rn 16). Der Anspruch ist dann ausschließlich aufgrund der Regelung über die Exportpflicht des Art 67 VO (EG) Nr. 883/2004 zu prüfen (10 ObS 12/23x Rn 16). Nach den Feststellungen des Erstgerichts gewähren nun weder Liechtenstein noch die Schweiz eine dem österreichischen pauschalen Kinderbetreuungsgeld ähnliche Leistung (ON 7 S 7 zweiter Absatz). Auch in 10 ObS 12/23x (Rn 17) ging der Oberste Gerichtshof davon aus, dass in Liechtenstein kein Anspruch auf eine Leistung gleicher Art im Sinn des Art 10 VO (EG) Nr. 883/2004 bzw § 6 Abs 3 KBGG besteht (10 ObS 12/23x Rn 22 und 23). Daher ist für die Erbringung und damit auch für einen allfälligen Export von Familienleistungen jener Mitglieds- bzw Anwendungsstaat (Liechtenstein als EWR-Vertragsstaat) zuständig, dessen Rechtsvorschriften gemäß Art 11 ff VO (EG) Nr. 883/2004 anwendbar sind. Nach Art 11 Abs 1 VO (EG) Nr. 883/2004 unterliegen Personen, für die die Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eine Mitgliedstaats. Für Personen, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausüben, sind dies die Rechtsvorschriften dieses Staats (Art 11 Abs 3 lit a VO [EG] Nr. 883/2004) und zwar unabhängig davon, wo die Person ihren Wohnsitz hat. Im Fall der Klägerin ist daher Liechtenstein für die Erbringung und damit auch für einen etwaigen Export nach Art 67 VO (EG) Nr. 883/2004 zuständig, weil die Klägerin bis 28.2.2023 in Liechtenstein berufstätig war und bis dahin Leistungen - während des konsumierten Urlaubs bzw Zeitausgleichs - bezogen hat (ON 7 S 5 vorletzter Absatz). Für diesen Zeitraum vor 1.3.2023 hat die Klägerin daher Anspruch auf österreichisches Kinderbetreuungsgeld nur nach österreichischen Rechtsgrundlagen:

9.: Wie das Berufungsgericht in der Entscheidung 28.9.2022, 23 Rs 19/22y ErwGr III. 5.5. und III. 6. aE - im Ergebnis bestätigt durch 10 ObS 133/22i , ausgesprochen hat, beschäftigen sich die beiden Entscheidungen des EuGH in der Rs Hudzinski und Wawrzyniak (EuGH 12.6.2012, verb Rs C 611/10 und C 612/10, Waldemar Hudzinski/Agentur für Arbeit Wesel und Jaroslaw Wawrzyniak/Agentur für Arbeit München-Gladbach, ECLI:EU:C:2012:339 Rn 66, 76 ff) und die zweite Entscheidung in der Rs van den Berg , Giesen und Franzen (EuGH 19.9.2019, verb Rs C 95/18 und C 96/18, Sociale Venzekeringsbank/F. van den Berg ua, ECLI:EU:C:2019:767 Rn 56, 60 ff) jeweils mit Ausschlussklauseln , also Vorschriften im nationalen Recht, die für den Fall des Bezugs einer vergleichbaren Familienleistung im Ausland eine Bezugsbeschränkung für Familienleistungen vorsehen (in der Rs Hudzinski und Wawrzyniak im deutschen Recht für deutsches Kindergeld und in der Rs van den Berg , Giesen und Franzen im niederländischen Recht für niederländisches Kindergeld). Wohl fiel im erstgenannten Fall die Beurteilung des EuGH - wohl noch iS der Petroni -Formel (wonach Personen, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen, nicht aufgrund der Anwendung der Verordnung durch Wegfall oder Kürzung von Sozialleistungen Vergünstigungen der sozialen Sicherheit verlieren dürfen, die ihnen bereits durch die Rechtsvorschriften eines [meist ihres Wohnsitz-]Mitgliedsstaats gewährleistet werden: 10 ObS 6/10w Pkt 3.3.3.: EuGH 18.4.2013, C-548/11, Edgard Mulders, ECLI:EU:C:2013:249 Rn 46; 21.10.1975, 24/75 , Teresa und Silvana Petroni, ECLI:EU:C:1975:129 Rn 14/17 und 22; SA GA Verica Trstenjak vom 28.6.2007 in C-396, 419, 450/05, Doris Habelt, Martha Möser und Peter Wachter , ECLI:EU:C:2007:392 Rn 56 FN 17) - dahin aus, dass der Wohnsitzstaat zur Vermeidung einer Diskriminierung von Wanderarbeitnehmern (Art 45 ff AEUV) auch entgegen einer solchen Ausschlussklausel primärrechtlich dazu verpflichtet sei, eine Familienleistung (dort deutsches Kindergeld) zu gewähren, während er in der zweitgenannten Entscheidung die niederländische Ausschlussklausel für das niederländische Kindergeld in einem solchen Fall als unions-, insb primärrechtskonform beurteilte (dort Spruchpunkt 1). Mangels einer solchen Ausschlussklausel , die das österreichische KBGG - anders als etwa § 3a BPGG - nicht vorsieht ( Sonntag in Sonntag/Schober/Konezny KBGG 4 [2023] § 2 Rz 65 S 25), sind in jenen Fällen, in denen eine solche Ausschlussklausel nicht existiert, die nationalen Mitgliedstaaten und/oder die nationalen Gerichte jedoch nicht daran gehindert, in Fällen, wo - wie im ersten hier zu beurteilenden Zeitraum bis Ende Februar 2023 - der Mitgliedstaat Österreich nachrangig zuständig ist oder - wie im Zeitraum ab März 2023 - vorrangig zuständiger Mitgliedsstaat ist, je auf nationaler Rechtsgrundlage - hier - pauschales Kinderbetreuungsgeld (das schon definitionsgemäß keine vorangehende unselbstständige oder selbstständige Beschäftigung voraussetzt, sondern nur vom Wohnsitz des Anspruchswerbers ausgeht) zu gewähren.

10.: Im ersten Zeitraum hat Österreich eben aufgrund der Beschäftigung beider Eltern in Anwendungsstaaten der VO (EG) Nr. 883/2004, wodurch Liechtenstein (Klägerin) bzw die Schweiz (Lebensgefährte der Klägerin) primär für die Gewährung von Familienleistungen zuständig sind, mangels Bestehens von dem pauschalen Kinderbetreuungsgeld gleichwertigen Familienleistungen in Liechtenstein und der Schweiz nicht nach den Prioritäts- und Antikumulierungsregeln des Art 68 dieser VO, sondern nur nach der Exportverpflichtung des Art 67 dieser VO vorzugehen. Deshalb ist zwar aus den VO (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 kein Anspruch auf pauschales Kinderbetreuungsgeld für die Klägerin (oder abgeleitet für die Klägerin aufgrund der Beschäftigung ihres Lebensgefährten in der Schweiz) begründbar. Der Anspruch der Klägerin ergibt sich hier wie das Erstgericht bereits zutreffend erkannte aus dem in der Berufung einzig in Zweifel gezogenen § 2 Abs 1 Z 1 KBGG in Verbindung mit der oben zu 9. näher dargelegten Tatsache, dass das KBGG keine Ausschlussklausel im Sinn der dort zitierten EuGH-Judikatur enthält, also das KBGG für die Klägerin mit österreichischer Staatsbürgerschaft und mit österreichischem Wohnsitz anwendbar ist (siehe oben ErwGr 9.).

11.: Nach den - mangels Anfechtung in der Berufung - vom Rechtsmittelgericht zu übernehmenden (§§ 2 Abs 1 ASGG; 498 Abs 1 ZPO) Urteilsfeststellungen wurde der Antrag der Klägerin auf Familienbeihilfe in Österreich ab März 2023 abgewiesen (ON 7 S 6 zweiter Absatz). In dem Bescheid vom 28.3.2023 Beilage B, dessen Echtheit die Beklagte ausdrücklich zugestanden hat (ON 5 S 2), erfolgte die Abweisung wegen der Erwerbstätigkeit des Lebensgefährten der Klägerin in der Schweiz und enthielt die Belehrung, dass sie laufend die Ausgleichszahlung erhält (Beilage B S 1 letzte Zeile). Mit Schreiben vom selben Datum teilte das S* der Klägerin mit, dass ihr für das hier in Rede stehende Kind O* B* im Zeitraum Oktober 2022 bis Oktober 2024 eine Ausgleichszahlung gemäß § 4 FamLAG 1967 iVm VO (EG) Nr. 883/2004 und DVO (EG) Nr. 987/2009 gewährt wird . Die Höhe der Ausgleichszahlung bemisst sich nach der Differenz der österreichischen Familienbeihilfe inklusive Kinderabsetzbetrag zur ausländischen Familienleistung (ON 7 S 6 ab zweiter Absatz und Beilage C). In der von der Klägerin zitierten Entscheidung 10 ObS 115/20i hat der Oberste Gerichtshof im Ergebnis ausgesprochen, dass die Anspruchsvoraussetzungen des tatsächlichen Bezugs von Familienbeihilfe in § 2 Abs 1 Z 1 KBGG auch dann erfüllt sind, wenn sich aufgrund einer höheren ausländischen Familienbeihilfeleistung die Ausgleichszahlung auf die österreichische Familienbeihilfe nach der Differenzrechnung des § 4 Abs 2 und 3 FLAG 1967 mit Null bemisst und tatsächlich nur der österreichische Kinderabsetzbetrag (§ 33 Abs 3 EStG) als mit der Familienbeihilfe funktionsgleich erteilter Ausgleichszahlung ausgezahlt wird (10 ObS 115/20i Rz 26 übrigens ebenso für einen Fall von pauschalem Kinderbetreuungsgeld [KBG-Konto in der Variante 851 Tage]). Diesen Rechtssatz hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 10 ObS 128/21b Rz 21 wiederholt. In dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof zusätzlich ausgesprochen, dass in jenen Fällen, in denen die ausländische Beihilfeleistung die österreichische Familienbeihilfe zuzüglich des Kinderabsetzbetrags übersteigt, sodass im Ergebnis weder ein Differenzbetrag auf die Familienbeihilfe gemäß § 4 Abs 2 und Abs 3 FLAG 1967 noch der Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs 3 EStG tatsächlich ausbezahlt werden, die Anspruchsvoraussetzung des tatsächlichen Bezugs von Familienbeihilfe nach § 2 Abs 1 Z 1 KBGG erfüllt ist: Es wäre nämlich unionsrechtswidrig, wenn der Anspruch auf österreichisches Kinderbetreuungsgeld (als Ausgleichszahlung) an der Voraussetzung der tatsächlichen Auszahlung der Familienbeihilfe scheitern würde, obwohl die Summe der nach der VO (EG) Nr. 883/2004 zu koordinierenden ausländischen Familienleistungen (dort: Schweizer Kinderzulage; hier im ersten Zeitraum liechtensteinische Kinderzulage und im zweiten Zeitraum vom in der Schweiz arbeitenden Vater und Lebensgefährten der Klägerin bezogene schweizerische Kinderzulage) jene der österreichischen Leistungen (dort und hier in beiden Zeiträumen: Familienbeihilfe, Kinderabsetzbetrag und Kinderbetreuungsgeld) nicht erreicht (10 ObS 128/21b Rz 30, 31).

12.: Diesen Überlegungen setzt die Berufung nur den Standpunkt entgegen, dass diese Rechtsprechung im Hinblick auf die Entscheidungen 10 ObS 133/22i und 10 ObS 12/23x „nicht mehr gültig“ sei, weil die Summe der zu koordinierenden ausländischen Familienleistungen jene der österreichischen übersteigt (ON 9 S 5 f).

13.: Wenn die Berufung nun in ON 9 S 5 dritter Absatz ua unterstellt, die unionsrechtlichen Koordinierungsvorschriften der VO (EG) Nr. 883/2004 seien nicht anwendbar, kann ihr nicht beigepflichtet werden: Auch das pauschale Kinderbetreuungsgeld ist eine zu koordinierende Familienleistung im Sinn des Art 1 lit z und Art 3 Abs 1 lit j VO (EG) Nr. 883/2004 und ihrer Durchführungsverordnung (DVO) 987/2009 (oben 2. und 10 ObS 133/22i Rz 9; RIS Justiz RS0122905). Zuständig für die Erbringung und einen allfälligen Export von Familienleistungen ist daher jener Mitgliedstaat, dessen Rechtsvorschriften gemäß Art 11 ff VO (EG) Nr. 883/2004 anwendbar sind (oben 5. und 10 ObS 133/22i Rz 9; 10 ObS 36/21y ErwGr 1.2.; 10 ObS 148/14h ErwGr 3.1.). Dass die Klägerin jedoch wegen des Mangels eines Beschäftigungsverhältnisses sowie wegen ihres in Österreich gelegenen Wohnsitzes ab 1.3.2023 nach Art 11 Abs 3 lit e VO (EG) Nr. 883/2004 den Rechtsvorschriften des Wohnsitzmitgliedstaats Österreich unterliegt, räumt auch die Berufung ausdrücklich ein (ON 9 S 4 erster Absatz). In den von der Berufung zitierten beiden Entscheidungen 10 ObS 12/23x (siehe dort Rn 24) und 10 ObS 133/22i (siehe dort Rz 6 und 9) war Österreich gerade nicht vorrangig für die Erbringung von Familienleistungen zuständig, sondern nur nachrangig. Diese Entscheidungen sind daher, weil ihnen jeweils eine ausländische Beschäftigung der dortigen Klägerinnen zugrunde lag (10 ObS 12/23x Rn 2 und 10 ObS 133/22i Rz 3), gerade im Zeitraum ab 1.3.2023, ab dem die Klägerin nicht im Ausland (auch nicht als Grenzgängerin) beschäftigt war, nicht anwendbar. In den beantragten (und abgewiesenen) Bezugszeiträumen für das in diesen beiden Vorentscheidungen jeweils begehrte einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld fallen keine nachgewiesenen österreichischen Kinderbeihilfeleistungen und werden solche auch in den Entscheidungsbegründungen nicht thematisiert. Insoweit vermag sich daher das Berufungsgericht der Auffassung des Rechtsmittels nicht anzuschließen, der Oberste Gerichtshof sei mit den beiden zuletzt zitierten Entscheidungen (10 ObS 12/23x und 10 ObS 133/22i) von der Rechtsprechungslinie der Rechtssatzkette RIS Justiz RS0133357 (10 ObS 128/21b und 10 ObS 43/21b sowie 10 ObS 115/20i) abgegangen. Wie das Erstgericht schon darlegte und sich aus der oben zu ErwGr 11. näher dargestellten Judikatur ergibt, hat nach § 2 Abs 1 Z 1 KBGG ein Elternteil Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld, sofern für dieses Kind Anspruch auf Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 besteht und Familienbeihilfe für dieses Kind tatsächlich bezogen wird (10 ObS 43/21b Rz 11). Zwar sind nach § 4 FLAG 1967 Personen, die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe haben, vom Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 4 Abs 1 FLAG 1967 ausgeschlossen. Diese Personen erhalten jedoch - sofern sie, wie die Klägerin, österreichische Staatsbürger sind - eine Ausgleichszahlung zur Familienbeihilfe, wenn die Höhe der gleichartigen ausländischen Beihilfe, auf die sie oder eine andere Person (§ 5 Abs 5 FLAG 1967) Anspruch haben, geringer ist als die Familienbeihilfe, die ihnen nach dem FLAG 1967 ansonsten zu gewähren wäre (§ 4 Abs 2 FLAT 1967). Die Ausgleichszahlung wird in Höhe des Unterschiedsbetrags bei gleichartigen ausländischen Beihilfen und der Familienbeihilfe geleistet und gilt als Familienbeihilfe im Sinn des FLAG (§ 4 Abs 3 und 6 FLAG 1967). Nach § 33 Abs 3 Satz 1 EStG steht Steuerpflichtigen, denen aufgrund des FLAG 1967 Familienbehilfe gewährt wird, im Weg der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich EUR 58,40 für jedes Kind zu (10 ObS 43/21b Rz 13, 14). Sind die ausländischen Familienleistungen höher, wird die Anspruchsvoraussetzung des § 2 Abs 1 Z 1 KBGG dennoch erfüllt (oben ErwGr 11.).

14.: Seit Beendigung des Dienstverhältnisses mit Ablauf des 28.2.2023, also ab 1.3.2023, bezog die Klägerin nicht mehr die vorher ins Verdienen gebrachten CHF 3.200,-- brutto monatlich und hat kein eigenes Einkommen mehr, wohnt aber gemeinsam mit dem Kind O* und ihrem deutschen Lebensgefährten in Österreich, wo sich auch der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Familie befindet (ON 7 S 5 ab Mitte). Ab 1.3.2023 unterliegt die Klägerin nach Art 11 Abs 3 lit e VO (EG) Nr. 883/2004 also den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats Österreich (wohingegen ihr Lebensgefährte aufgrund des auch in diesem Zeitraum aufrechten Beschäftigungsverhältnisses in der Schweiz nach Art 11 Abs 3 lit a VO [EG] Nr. 883/2004 weiterhin den Rechtsvorschriften der Schweiz unterliegt).

15.: Dies gesteht die Berufung auch ausdrücklich zu (ON 9 S 4 erster Absatz).

16.: Die Klägerin kann ihre möglichen Ansprüche auf österreichisches pauschales Kinderbetreuungsgeld also ab März 2023 ebenfalls nur auf die österreichischen Rechtsvorschriften, die für sie - wie dargelegt - auch nach der VO (EG) Nr. 883/2004 anwendbar sind (Art 11 Abs 3 lit e der zitierten VO) stützen. Dabei ist wieder zu prüfen, ob sie die in der Berufung ausschließlich in Abrede gestellte Voraussetzung des § 2 Abs 1 Z 1 KBGG (der gemäß § 24 Abs 1 Z 1 KBGG auch für das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld Gewährungsvoraussetzung wäre) erfüllt oder nicht. Dass dies auch für den Zeitraum ab 1.3.2023 zutrifft, wurde oben zu ErwGr 11. bis 13. bereits dargelegt. Zusammengefasst ist Österreich im zweiten Zeitraum gemäß Art 11 Abs 3 lit e VO (EG) Nr. 883/2004 vorrangig zuständig, sodass ohnehin § 2 Abs 1 Z 1 KBGG gilt und daher auch die oben zu ErwGr 11. näher erörterten Entscheidungen 10 ObS 115/20i Rz 26 und 10 ObS 128/21b Rz 21.

17.: Die Argumente der Berufung können daher nicht erfolgtreich sein.

18. Eine Kostenentscheidung konnte entfallen, weil Kosten im Rechtsmittelverfahren beiderseits nicht verzeichnet wurden.

19.: Das Berufungsgericht konnte sich in allen erheblichen Rechtsfragen auf eine einheitliche Rechtsprechung des Höchstgerichts stützen, von der es nicht abgewichen ist. Eine erhebliche Rechtsfrage in der von den §§ 2 Abs 1 ASGG, 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität war daher in diesem Berufungsverfahren nicht zu klären. Der weitere Rechtszug nach diesen Gesetzesstellen erweist sich daher als nicht zulässig, worüber gemäß den §§ 2 Abs 1 ASGG, 500 Abs 2 Z 3 ZPO ein eigener Ausspruch in den Tenor der Berufungsentscheidung aufzunehmen war.

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