U rteil
Im Namen der Republik
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Kohlegger als Vorsitzenden und die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Pirchmoser sowie den Richter des Oberlandesgerichts MMag. Dr. Dobler und die fachkundigen Laienrichter AD in RR in Irene Rapp (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und AD in RR in Sabine Weber (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Mitglieder des Senats in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* B* , geb am **, Buschauffeur in ** C*, **straße **, vertreten durch Mag. Bernd Widerin, Dr. Martin Sam, Rechtsanwälte in 6700 Bludenz, gegen die beklagte Partei D* GmbH , FN **, E*straße **, F* G*, vertreten durch Welte Rechtsanwalt GmbH in 6830 Rankweil, wegen EUR 3.420,48 s.Ng., über die Berufung der klagenden Partei (ON 39) gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 3.2.2023, 36 Cga 7/21i 37, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird k e i n e Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen zu Handen der Beklagtenvertreterin die mit EUR 731,90 (darin enthalten EUR 121,98 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Die (ordentliche) Revision ist n i c h t zulässig.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist seit 19.10.2009 (unbefristet) bei der Beklagten als Autobuslenker (Arbeiter) beschäftigt. Auf dieses Arbeitsverhältnis ist der Kollektivvertrag für Dienstnehmer in privaten Autobusbetrieben in der jeweils gültigen Fassung anwendbar.
Der Kläger verrichtete am 23.1.2021 seinen Dienst bei der Beklagten. Dabei lenkte er am Morgen des 23.1.2021 den öffentlichen (im ÖPNV eingesetzten: ON 1 iVm ON 11 S 3 sowie ON 6 S 2 Pkt A. 1. iVm ON 7 S 2 Pkt 3.) Bus mit dem amtlichen Kennzeichen ** auf der Linie 1 mit der Strecke Bahnhof G* nach C*/H*. Er absolvierte gerade die zweite Runde von C*/H* kommend in Richtung G* E*. I* J*, ebenfalls Buslenker bei der Beklagten, war auf dem Weg zur Arbeit. Sein Buslenkdienst bei der Beklagten begann um 8:30 Uhr. Er wartete an der K* „L*platz“, um mit der Linie 1 eine Station zur Haltestelle „M*“ zu fahren, welche sich in der Nähe der Firma der Beklagten befindet. Der Kläger hielt den Bus an, öffnete die hintere Türe und I* J* stieg ein. Er setzte sich wortlos auf den ersten Sitz links nach dem hinteren Eingang. Weitere Fahrgäste befanden sich nicht im Bus. Der Kläger fuhr mit dem Bus los und rief zweimal nach hinten in Richtung I* J*: „Normalerweise sagt man guten Morgen oder Grüaß di!“ I* J* antwortete daraufhin etwas, was der Kläger aber akustisch nicht verstehen konnte, weil er zu weit weg und hinter einer Sicherheitsscheibe am Fahrersitz saß. An der Haltestelle „M*“, wo I* J* - wie der Kläger wusste - aussteigen musste, hielt der Kläger den Bus an. I* J* wartete bei der hinteren Türe, um dort auszusteigen. Der Kläger öffnete die hintere Türe aber nicht, weil er von I* J* eine Antwort auf seine Frage wollte, warum dieser ihn beim Einsteigen nicht gegrüßt hatte. Der Kläger rief nach hinten zu I* J*: „Du Trottel musst guten Morgen sagen!“ I* J* antwortete: „Was hast du gesagt?“ Der Kläger wiederholte: „Du Trottel musst guten Morgen sagen!“ Ob der Kläger sich dabei bereits vom Fahrersitz erhoben hatte und bis zur Absperrung (auf Höhe der ersten Sitzreihe) vorgegangen war, ist nicht feststellbar.
Als der Kläger nach hinten zu I* J* zweimal das Schimpfwort „Trottel“ rief, kam es ihm darauf an, den I* J* mit diesen Äußerungen zu beleidigen und persönlich herabzusetzen. Er wollte dem I* J* seine Abneigung und Geringschätzung ausrichten, was dieser auch dergestalt auffasste. Dem Kläger war dabei bewusst, dass er durch diese beiden Äußerungen gegenüber seinem Arbeitskollegen pflichtwidrig handelt und dass er sich von ihm fernhalten soll. Dennoch entschloss er sich, den I* J* zweimalig als „Trottel“ zu bezeichnen und er fand sich mit diesen Äußerungen und den Folgen, die eine solche Äußerung nach sich ziehen kann, ab.
I* J* rannte im Gang des Busses nach vorne bis zur an der Rückenlehne der ersten Fahrgastsitzreihe waagrecht angebrachten, den Gang überspannenden, rot-weiss-roten Nylonbandabsperrung. Die Beiden standen sich Auge in Auge gegenüber, zwischen ihnen das Nylonabsperrband. I* J* sagte zum Kläger: „Kessler machst du Probleme?“
In der Folge kam es zwischen den beiden Männern zu einem gegenseitigen Schlagabtausch. Dabei ist nicht feststellbar, wer zuerst wen und wie angegriffen und/oder geschlagen hat.
I* J* beteiligte sich an diesem gegenseitigen Schlagabtausch, indem er dem Kläger mit der rechten Faust gegen sein linkes Unterkiefer schlug, wodurch dieser in der Folge einen Tinnitus, Kopfschmerzen mit Schwindel und eine HWS Distorsion erlitt.
Der Kläger beteiligte sich an diesem gegenseitigen Schlagabtausch, indem er I* J* am Hals würgte, ihm mit der Faust ins Gesicht schlug. Dabei traf der Schlag des Klägers die Lippe des I* J*, welche dadurch aufplatzte und blutete. Weiters drückte der Kläger den I* J* in den Sitz, wo dieser in Kauerstellung ging. Dabei versuchte der Kläger I* J*, der seine Hände schützend vor sein Gesicht hielt, zu schlagen. Er traf dabei die Hände von I* J*, wodurch dieser am rechten Daumen und am Handrücken verletzt wurde. Der Kläger drückte ihn in den Sitz und drückte ihm seinen Ellenbogen ins Genick, sodass sich I* J* nicht mehr bewegen konnte. Dergestalt fixierte der Kläger I* J* ca 20 Sekunden lang. Dann ließ der Kläger wieder von I* J* ab, nahm dessen Tasche, warf sie zur geöffneten vorderen Tür hinaus auf die Straße und sagte zu I* J*: „Schau dass du hinauskommst!“ I* J* stieg aus und der Kläger fuhr mit dem Bus weiter. Der Kläger beteiligte sich am gegenseitigen Schlagabtausch mit I* J* bewusst und führte die Tätlichkeiten gegenüber I* J* bewusst und gewollt aus. Er hielt es dabei auch für möglich und fand sich damit ab, dass durch diese Tätlichkeiten (Würgen am Hals, Faustschlag ins Gesicht/auf die Lippe I* N*, Schlagen auf die Hände I* N*, Hineindrücken in den Sitz und Drücken mit dem Ellbogen auf das Genick von I* J*) I* J* O*, Beleidigungen und Herabwürdigungen erleiden konnte. Ihm war bewusst, dass solche Tätlichkeiten gegenüber einem Arbeitskollegen pflichtwidrig sind und er nahm dies hin.
I* J* rief seinen Vorgesetzten A* P* an und sagte ihm er solle schnell in die Garage kommen, weil der Kläger ihn geschlagen habe. Wer zuerst geschlagen hatte sagte J* nicht.
Kurze Zeit später rief auch der Kläger A* P* an und sagte ihm, dass I* J* auf ihn losgegangen sei und es nicht sein könne, dass I* J* von hinten nach vorne komme und ihm eine auflege. Der Kläger sagte zu P*, dass er sich gewehrt habe und er I* J* auch geschlagen habe.
A* P* hielt mit dem Geschäftsführer der Beklagten, Mag. Q*, Rücksprache und berichtete ihm, dass beide Mitarbeiter behaupteten sich gegenseitig geschlagen zu haben und dass I* J*´s Lippe blutete.
Daraufhin beschloss die Beklagte die Dienstverhältnisse mit dem Kläger und I* J* sofort zu beenden. Dies teilte A* P* unmittelbar nach dem Vorfall dem Kläger und I* J* mit. Zeitgleich übergab er dem Kläger ein Schreiben mit folgendem Inhalt: (Beilage ./C)
„(…) Fristlose Entlassung
Der Arbeitnehmer B* A* wird hiermit, wie bereits persönlich mündlich am 23.01.2021 mitgeteilt, per sofort fristlos entlassen.
Entlassungsgrund: Schlagabtausch mit Arbeitskollegen
G*, am 23.01.2021 (…)“
Das gegen die Beschuldigten I* J* und den Kläger wegen § 83 StGB eingeleitete Strafverfahren wurde gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt.
Der Kläger und I* J* haben nicht wiederholt gegen die von der Beklagten angeordneten Corona-Schutzmaßnahmen verstoßen und sie wurden deshalb von der Beklagten auch nicht wiederholt abgemahnt.
Zwischen dem Kläger und I* J* gab es bereits vor dem Vorfall vom 23.1.2021 Meinungsverschiedenheiten und verbale Auseinandersetzungen, wie oft und von wem ausgehend ist nicht feststellbar. Die Beklagte trug den beiden Mitarbeitern daher auf, sich gegenseitig aus dem Weg zu gehen und sich in Ruhe zu lassen.
I* J* hat seine Entlassung ebenfalls beim Landesgericht Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht angefochten. Dort schlossen die Parteien einen Vergleich wonach das Arbeitsverhältnis zum 23.1.2021 einvernehmlich beendet wurde.
Der Betrieb der Beklagten ist betriebsratspflichtig. Der Betriebsrat wurde rechtzeitig über die Entlassung des Klägers in Kenntnis gesetzt. Er hat keine Stellungnahme dazu abgegeben.
Die (letztgültige) Klagsforderung ist der Höhe nach mit folgenden Beträgen unstrittig:
Kündigungsentschädigung brutto EUR 2.964,42
Urlaubszuschuss brutto EUR 228,03
Weihnachtsgeld brutto EUR 288,03
insgesamt EUR 3.420,48
Von diesem Sachverhalt muss das Berufungsgericht – als vom Rechtsmittel nicht tangiert – ausgehen (§§ 2 Abs 1 ASGG, 498 ZPO).
Mit der am 29.1.2021 beim Erstgericht eingelangten und im Schriftsatz ON 12 - von der ursprünglich erhobenen Entlassungsanfechtung (die in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 10.8.2021 bereits um ein Eventualbegehren auf Leistung erweitert worden war [ON 11 S 6]) - auf ein Leistungsbegehren geänderten Klage begehrt der Kläger brutto EUR 3.420,48 s.Ng. mit der Behauptung (zum Leistungsbegehren), er sei am 23.1.2021 unberechtigt entlassen worden, weil er tatsächlich keinen Entlassungsgrund gesetzt habe. Er habe während der 11 jährigen Dienstzeit weder eine schriftliche noch eine mündliche Abmahnung erhalten, sei nie zu spät zur Arbeit erschienen und habe seinen Dienst immer zur vollen Zufriedenheit der Beklagten verrichtet. Er habe nie Schäden an Bussen oder Arbeitsmaterialien verursacht und sei immer bereit gewesen, Einspringdienste zu verrichten, wenn dies erforderlich gewesen wäre.
Am 23.1.2021 sei der Kläger von I* J*, einem anderen bei der Beklagten beschäftigten Autobuslenker, tätlich attackiert worden.
I* J* sei grußlos durch den hinteren Eingang in den Bus eingestiegen und habe auch auf die zweimaligen Aufforderungen des Klägers, dass man normalerweise einen Morgengruß entbiete, nicht reagiert. Die Antwort des I* J* habe der Kläger aufgrund der pandemiebedingt angebrachten Sicherheitsscheiben nicht verstanden. Bei der K* G* M* habe er den Bus angehalten und nur die vordere Türe geöffnet, weil er I* J* fragen habe wollen, warum er ihn nicht gegrüßt habe. Dazu sei er vom Fahrersitz aufgestanden, habe die Sicherheitsglastüre geöffnet und sei bis zur Absperrung bei der ersten Fahrgastsitzreihe nach hinten gegangen. Von dort aus habe er I* J* erneut gefragt, warum er nicht grüßen könne. Daraufhin sei dieser wie ein „Kugelblitz“ nach vorne gestürmt, habe seine Arbeitstasche auf die zweite Sitzreihe geworfen und sei ganz knapp an den Kläger herangetreten. Deshalb habe er J* mit beiden Händen zurückgeschoben, um Abstand zu gewinnen. I* J* sei daraufhin nach hinten ausgewichen und habe gleichzeitig mit seiner rechten Faust ausgeholt und diese dem Kläger mit voller Wucht gegen den linken Unterkiefer geschlagen. Der Kläger habe sich nur verteidigt. Er habe keinen Anlass für die Angriffe gegeben. Der Kläger habe sich im Bereich des Unterkiefers verletzt und einen Tinnitus sowie Kopfschmerzen mit Schwindel erlitten.
Das gegen den Kläger geführte Strafverfahren sei gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt worden. Eine solche Einstellung komme nur in Betracht, wenn nach Ausschöpfung sämtlicher erfolgversprechender Beweisquellen ein Schuldspruch weniger wahrscheinlich erscheine als ein Freispruch. Im Zweifel sei beim Kläger weder ein zumindest bedingter Beleidigungs- noch ein Tätlichkeitsvorsatz gegeben gewesen. Der Kläger habe sich lediglich gegen die Angriffe des Fahrgasts I* J* gewehrt. Die Äußerung „du Trottel musst guten Morgen sagen!“ dürfe keinesfalls isoliert gesehen bzw aus dem Zusammenhang gerissen werden. Diese sei im Zweifel als bloße Unmutsäußerung des Klägers zu werten, die keinerlei Auswirkungen auf die betriebliche Zusammenarbeit des Klägers mit I* J* gehabt habe, zumal sie sich schon seit längerer Zeit aus dem Weg gegangen und eine weitere Verschlechterung des ohnehin schon schlechten Verhältnisses der beiden durch diese Äußerung gar nicht mehr möglich gewesen sei. Jedenfalls sei durch den Vorfall weder die Vertrauenswürdigkeit des Klägers geschmälert noch seine Weiterbeschäftigung unzumutbar geworden.
Die Beklagte bestreitet, beantragt kostenpflichtige Klagsabweisung und wendet - soweit für das Verständnis der Entscheidung über das Leistungsbegehren noch relevant - ein: Der Kläger und I* J* seien von der Geschäftsleitung wiederholt aufgefordert worden, interne Streitigkeiten und verbale Auseinandersetzungen, zu denen es bereits wiederholt gekommen sei, zu unterlassen. Die Verkehrsleitung der Beklagten habe darauf geachtet, dass sich die beiden aufgrund unterschiedlicher Dienstzeiten nicht persönlich antreffen. Dennoch sei es zwischen den beiden ständig zu verbalen Auseinandersetzungen gekommen. Am 17.12.2019 habe I* J* aufgrund eines solchen Vorfalls dienstfrei gestellt werden müssen, am 23.1.2021 sei der ständige Streit eskaliert. I* J* sei auf dem Weg zum Dienstantritt bei der K* L*platz beim hinteren Eingang in den Bus eingestiegen. Gegenseitig seien keine Grußworte erfolgt. Bei der K* G* M* habe der Kläger den Bus angehalten, aber die Hintertüre nicht geöffnet, sodass es beim Aussteigen des I* J* durch die Vordertür zunächst zu einer verbalen und letztlich zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung gekommen sei. Beide hätten sich gegenseitig beschimpft und mit Fäusten aufeinander eingeschlagen. Beide hätten den Vorfall bei einem Mitarbeiter der Beklagten gemeldet. Aufgrund dieses untragbaren Verhaltens und der tätlichen Auseinandersetzung sowie des Umstands, dass beide Mitarbeiter den Vorfall jeweils bei der R* G* wegen vorsätzlicher Körperverletzung angezeigt hätten, habe die Beklagte gegenüber beiden Mitarbeitern die fristlose Entlassung ausgesprochen. Diese Entlassung sei auch von I* J* mit Klage bekämpft worden. In diesem Verfahren habe I* J* den Behauptungen des Klägers, dieser habe sich nur aus Notwehr verteidigt, widersprochen und den hier von der Beklagten vertretenen Ablauf vorgetragen. In diesem Verfahren sei es zu einem Vergleich gekommen. Das strafbare Verhalten des Klägers während der Dienstzeit in einem öffentlichen Bus der Beklagten sei unverantwortlich, untragbar und rechtfertige die Entlassung. Der Beleidigungsvorsatz des Klägers ergebe sich schon aus der Wortwahl „Trottel“ , die keine andere Auslegung als jene einer Beleidigung zulasse. Der Kläger habe es auf eine Konfrontation angelegt, weil er die hintere Tür nicht geöffnet habe und I* J* zu einer Annäherung auf geringste Distanz gezwungen habe. Dies habe den Auflagen der Beklagten an beide Beteiligten widersprochen, sich aus dem Wege zu gehen und sich in Ruhe zu lassen. Auch die Schläge in das Gesicht, das Würgen am Hals und das Drücken mit dem Ellbogen in das Genick des I* J* habe der Kläger zumindest mit bedingtem Verletzungsvorsatz ausgeführt. Die Weiterbeschäftigung des äußerst aggressiven Klägers sei jedenfalls unzumutbar gewesen. Überdies habe sich der Kläger bewusst einer dienstlichen Anweisung der Beklagten widersetzt, indem er I* J* bewusst zu einer verbalen und tätlichen Auseinandersetzung während der Dienstverrichtung provoziert habe.
Mit dem bekämpften Urteil wies das Erstgericht das (auf Leistung eingeschränkte) Klagebegehren für den Kläger kostenpflichtig ab. Diesem Erkenntnis legte das Erstgericht den eingangs der Berufungsentscheidung wiedergegebenen, im Berufungsverfahren unstrittigen Sachverhalt zugrunde.
In rechtlicher Beurteilung vertrat das Erstgericht die Auffassung, dass die Beschimpfung mit der Bezeichnung „Trottel“ und die während des Dienstes geführte tätliche Auseinandersetzung inklusive eines Schlags mit Verletzungsfolgen gegen einen mitbeschäftigten Arbeiter zur Entlassung nach § 82 lit g GewO 1859 berechtigte, weil für die Beklagte unter den konkreten Umständen die Weiterbeschäftigung unzumutbar gewesen sei.
Im Rahmen der Kostenentscheidung führte das Erstgericht (zutreffend) aus, dass im ersten Verfahrensabschnitt bis zur Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 10.8.2021 nur eine Entlassungsanfechtung streitgegenständlich gewesen sei und daher gemäß § 58 Abs 1 ASGG ein wechselseitiger Kostenersatzanspruch nicht in Betracht komme. Mit dem danach in das Verfahren eingebrachten Leistungsbegehren sei die Beklagte obsiegt und habe - in teilweiser Berücksichtigung der Einwendungen des Klägers - einen Kostenersatzanspruch in Höhe von EUR 2.228,16.
Gegen diese Entscheidung wendet sich nunmehr die (rechtzeitige) Berufung des Klägers aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinn einer vollständigen und kostenpflichtigen Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt (ON 39 S 4).
In ihrer (fristgerechten) Berufungsbeantwortung beantragt die Beklagte , dem gegnerischen Rechtsmittel kostenpflichtig den Erfolg zu versagen (ON 41 S 3).
Nach Art und Inhalt der geltend gemachten Anfechtungsgründe war die Anberaumung einer öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung entbehrlich. Über das Rechtsmittel war daher in nichtöffentlicher Sitzung zu befinden (§§ 2 Abs 1 ASGG, 480 Abs 1 ZPO). Dabei erwies es sich aus nachstehenden Erwägungen als unberechtigt:
1.: Vorauszuschicken ist, dass sich die Berufung nicht mehr gegen den zutreffenden Standpunkt des Erstgerichts wendet, der Kläger sei vom Schutzbereich des § 82 lit g GewO 1859 umfasst: Dieser ist noch der Vollständigkeit halber wie folgt zu ergänzen:
1.1.: Richtig ist, dass der vom § 82 lit g GewO 1859 geschützte Personenkreis auf die dort Genannten beschränkt ist: Dies bedeutet, dass nicht beim selben Arbeitgeber beschäftigte Personen , etwa Lieferanten oder Geschäftspartner, nicht den „übrigen Hilfsarbeitern“ im Sinn des § 82 lit g GewO 1859 gleichgehalten werden können, weil den Arbeitgeber diesen Personen gegenüber nicht dieselben Fürsorge- und Schutzpflichten treffen, sondern nur die aus den sonstigen, nicht durch einen Arbeitsvertrag begründeten Vertragsbeziehungen entstehenden Sorgfaltspflichten wie etwa im Rahmen von Werk-, Kauf- oder Bestandverträgen (8 ObA 22/19x ErwGr 2.; 9 ObA 207/90). Damit harmoniert auch der Entlassungstatbestand des § 27 Z 6 AngG, in dem der geschützte Personenkreis ebenfalls auf den Dienstgeber, dessen Stellvertreter, deren Angehörige und Mitbedienstete beschränkt ist, sodass Kunden nicht darunter fallen (8 ObA 67/18p). Der Umstand, dass I* J* zum Vorfallzeitpunkt am 23.1.2021 ebenfalls im Betrieb der Beklagten als Autobusfahrer beschäftigt war, ergibt sich aber eindeutig aus den Urteilsfeststellungen (ON 37 S 2 f). Die Tatsache, dass I* J* den vom Kläger gelenkten Autobus der Beklagten „nur“ zur Fahrt an die eigene Arbeitsstelle bei der Beklagten benutzte (ON 37 S 2), ändert daher nichts daran, dass es sich bei ihm aus der Sicht des Klägers um einen von § 82 lit g GewO 1859 erfassten „übrigen Hilfsarbeiter“ handelte, auf den sich übrigens die festgestellte, dem Kläger bekannte Weisung der Beklagten bezog. Dass eine unmittelbare Zusammenarbeit gefordert wäre, ergibt sich aus dem Gesetz nicht. Der Kläger zielte möglicherweise auf den Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis ab. Auch dieser liegt aber vor:
1.2.: Da § 82 lit g GewO 1859 unter anderem dazu dient, die Ruhe und Ordnung im Betrieb aufrecht zu erhalten (8 ObA 22/19x ErwGr 1 und 3.1.; RIS Justiz RS0060920), wird bei allen Begehungsarten (Tatbeständen) des § 82 lit g GewO 1859 immerhin ein Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis des Entlassenen verlangt (8 ObA 13/13z; RIS Justiz RS0060920). Die Tatsache, dass es zwischen dem Kläger und I* J* bereits vor dem 23.1.2021 Meinungsverschiedenheiten und verbale Auseinandersetzungen gab, wobei nicht feststellbar ist, wie oft und von wem diese ausgingen, und die Beklagte beiden Mitarbeitern daher auftrug, sich gegenseitig aus dem Weg zu gehen und sich in Ruhe zu lassen (ON 37 S 4 viertletzter Absatz), ändert an der Mitarbeitereigenschaft des I* J* und - wie noch gleich darzustellen sein wird - auch am Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis nichts, weil es trotz dieser Vorfälle und trotz dieser Anordnungen der Beklagten neuerlich zu dem Vorfall vom 23.1.2021 an der Arbeitsstelle des Klägers kam. Aus der Sicht des Klägers stellte sich die Auseinandersetzung mit I* J* jedenfalls als Teil der von ihm geschuldeten Arbeitsleistung gegenüber der Beklagten dar, sodass der Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis unmittelbar gegeben ist. Selbst ein außerdienstliches im Sinn des § 82 lit g GewO 1859 tatbeständliches Verhalten des Dienstnehmers kann eine mittelbare oder unmittelbare Auswirkung auf das Dienstverhältnis haben (RIS
2.: Im ersten Schwerpunkt seiner Rechtsausführungen wendet sich der Berufungswerber dagegen, dass ihm kein schuldhaftes Verhalten nachgewiesen worden sei (ON 39 S 2 f). Dieser Standpunkt erweist sich mit nachstehender Argumentation als unberechtigt:
2.1.: Die in § 82 lit g erster Tatbestand GewO 1859 genannte „grobe Ehrenbeleidigung“ entspricht der erheblichen Ehrverletzung im Sinn des § 27 Z 6 dritter Tatbestand AngG ( Burger-Ehrnhofer/Drs Beendigung von Arbeitsverhältnissen [2014] 109). Daher sind erhebliche Beschimpfungen, die bei einem durchschnittlich empfindsamen Menschen mit dem sofortigen Abbruch einer privaten Bekanntschaft/Beziehung quittiert werden würden, jedenfalls als solche „grobe Ehrenbeleidigungen“ zu verstehen. Demgemäß hat der Oberste Gerichtshof zB im Verfahren 8 ObA 64/19y ErwGr 2. die Bezeichnung „Arschloch“ , „schwul“ und „kleiner Mann“ jedenfalls als solche grobe Ehrenbeleidigungen aufgefasst. Die - vom Kläger hier sogar zweimal - geäußerte Bezeichnung „Trottel“ rechtfertigt nach der Entscheidung des OLG Wien vom 25.7.2006, 7 Ra 74/06p, jedenfalls auch eine Entlassung nach § 82 lit g erster Tatbestand GewO 1859 (zustimmend kommentiert zB in Burger-Ehrnhofer/Drs 110). Dazu kommt noch, dass tätliche Ehrenbeleidigungen durch Arbeiter zwar nicht unter den zweiten Tatbestand des § 82 lit g GewO 1859 (Körperverletzung), wohl aber unter jenen der groben Ehrenbeleidigung im Sinn des ersten Tatbestands dieser Bestimmung fallen und daher ebenfalls eine Entlassung rechtfertigen können ( Burger-Ehrnhofer/Drs 110). Demgemäß werden Tätlichkeiten wie unter anderem Ohrfeigen oder Fußtritte in der Regel als grobe Ehrenbeleidigungen qualifiziert (8 ObA 21/06f; 8 ObA 221/02m; RIS Justiz RS0060957; RS0029821). Die Schläge in das Gesicht (soweit sie nicht auch eine Verletzung, nämlich eine aufgeplatzte Lippe zur Folge hatten), das Würgen am Hals und das Drücken des Ellbogens in das Genick des I* J*, die das Erstgericht als erwiesen angenommen hat (ON 37 S 3 ab dritter Absatz und S 5 letzter Absatz; S 6 erster und zweiter Absatz), stellen daher jedenfalls zumindest auch „grobe Ehrenbeleidigungen“ im Sinn des ersten Tatbestands des § 82 lit g GewO 1859 dar.
2.2.: Entgegen dem Standpunkt der Berufung ist nun das für § 82 lit g GewO 1859 in allen seinen drei Erscheinungsformen - ebenso wie beim Entlassungstatbestand des § 27 Z 6 AngG - verlangte vorsätzliche Handeln des Klägers ( Burger-Ehrnhofer/Drs 109, 111; Kuderna 140; OLG Innsbruck 13 Ra 24/22h ErwGr B) 2.2.) erfüllt: Das Erstgericht hat wie eingangs wiedergegeben unter anderem - entsprechend dem ergänzenden Vorbringen der Beklagten im zweiten Rechtsgang - festgestellt, dass es (zusammengefasst) bereits vor dem 23.1.2021 zu Meinungsverschiedenheiten und verbalen Auseinandersetzungen zwischen dem Kläger und I* J* kam, wobei es allerdings dahingestellt sein ließ, wie oft und von wem ausgehend (ON 37 S 4 sechster Absatz). Die Beklagte trug beiden Mitarbeitern daher auf, sich gegenseitig aus dem Weg zu gehen und sich in Ruhe zu lassen (aaO). Trotzdem forderte der Kläger den hinten zugestiegenen I* J* mit den Worten „Normalerweise sagt man guten Morgen oder Grüaß di!“ heraus (ON 37 S 2 vorletzter Absatz). Sodann beschwor er ein nahes Zusammentreffen mit I* J* herauf: Er hat I* J* durch die Verweigerung der Türöffnung zu einer Annäherung an ihn und damit einen besonders nahen Kontakt mit ihm - den dieser wie dessen vorangegangenes Verhalten zeigt an sich vermeiden wollte - gezwungen (ON 37 S 2 vorletzter Absatz). Dazu provozierte er den Kläger weiter mit den beleidigenden Worten „Du Trottel musst guten Morgen sagen“ , die er auf Frage des I* J* nochmals wiederholte. Darüber hinaus hat das Erstgericht festgestellt, dass der Kläger mit der zweimaligen Verwendung des Schimpfworts eine Beleidigungsabsicht und eine persönliche Herabsetzung des I* J* direkt anstrebte. Er wollte I* J* seine Abneigung und Geringschätzung ausdrücken, was dieser auch in diese Richtung auffasste. Dem Kläger war dabei bewusst, dass er (letztlich doppelt: § 82 lit f zweiter Tatbestand GewO 1859) pflichtwidrig handelte, weil er einerseits die Weisung des Dienstgebers, sich von I* J* fernzuhalten (durch die herausfordernde Aufforderung zum Gruß, das provozierende Geschlossenlassen der hinteren Ausstiegstür, die erzwungende Annäherung und den Ausspruch der zweimaligen Beleidigung) missachtete und außerdem eine Beleidigung/Verletzung des I* J* und die daraus abzuleitenden nachteiligen Folgen in Kauf nahm (ON 37 S 5 letzter Absatz, S 6 erster Absatz). Entschließt sich der Arbeiter („Täter“) zur Tat, weil er einen den Entlassungstatbestand (das „Tatbild“) verwirklichenden Ereignisablauf hinzunehmen gewillt ist, weil er sich mit diesem abfindet, dann handelt er bedingt vorsätzlich (vgl 9 ObA 23/06g ErwGr 5.; OLG Innsbruck 13 Ra 24/22h ErwGr 3.). Das Sich-Abfinden mit der Verwirklichung des Entlassungstatbestands kennzeichnet für den voluntativen Bereich die Mindestanforderungen für das Vorliegen des (bedingten) Vorsatzes ( Stricker in Leukauf/Steininger StGB 4 § 5 Rz 16a).
2.3.: Der Berufungssenat teilt außerdem nicht die Auffassung des Rechtsmittels, wonach es sich im konkreten Fall um eine nicht tatbeständliche bloße Unmutsäußerung gehandelt habe, weil der Kläger nur auf ein Verhalten des I* J* reagiert habe: Einer groben Ehrenbeleidigung im Sinn des § 82 lit g erster Tatbestand GewO 1859 fehlt nur dann das jedem Entlassungstatbestand immanente Element der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung, wenn die Äußerung infolge einer gerechtfertigten Entrüstung des entlassenen Arbeitnehmers über ein unmittelbar vorangegangenes Verhalten des Beleidigten in einer den Umständen nach entschuldbaren oder wenigstens verständlichen Weise erfolgt. Nur in diesem Fall einer verständlichen Erregung oder Entrüstung ist die Schuldintensität derart gering, dass dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des betreffenden Arbeitnehmers zumutbar wäre (RIS Justiz RS0060929). Dies gilt sinngemäß auch für die hier erwiesenen Beleidigungen durch Tätlichkeiten. Selbst wenn man berücksichtigt, dass sich I* J* nach Betreten des Busses durch die hintere Tür wortlos auf den ersten Sitz links nach dem hinteren Eingang setzte und den Kläger nicht - wie dieser offenbar voraussetzte - grüßte, kann dieses Verhalten keineswegs als Rechtfertigung für die nachfolgenden Beleidigungen des Klägers angesehen werden: In diesem Zusammenhang ist vor allem zu berücksichtigen, dass sowohl der Kläger als auch I* J* der Weisung des Dienstgebers unterlagen, sich gegenseitig aus dem Weg zu gehen und sich in Ruhe zu lassen (ON 37 S 4 sechster Absatz). Diese war für beide auch verbindlich; ihre schwerwiegende Verletzung (durch den Kläger) begründet den Entlassungstatbestand des § 82 lit f zweiter Tatbestand GewO 1859 ( Kuderna 138). Die Art und Weise des Einstiegs I* N* durch die hintere Zutrittstür, das Einnehmen eines hinteren möglichst weit vom Fahrersitz entfernen Passagiersitzes und das schweigsame Verhalten lassen sich zwanglos mit dieser Weisung des Dienstgebers in Einklang bringen. Es war entgegen dem Standpunkt der Berufung gerade der Kläger, der in der Folge ein Zusammentreffen mit I* J* und die sich daraus entwickelnde Tätlichkeit heraufbeschwor: Er ließ an der Haltestelle die hintere Tür geschlossen, weil er eine Reaktion auf seinen herausfordernden Vorhalt „Normalerweise sagt man guten Morgen oder Grüaß di!“ erwartete (ON 37 S 2 vorletzter Absatz). Anschließend provozierte er I* J* nochmals mit der zweifachen Verwendung des zitierten Schimpfworts „Trottel“ . Gerade wenn man - wie die Berufung in anderem Zusammenhang - diesen Gesamtablauf der Ereignisse in Betracht zieht, dann war es der Kläger, der die Auseinandersetzung erst in der sich tatsächlich entwickelnden Art geradezu herbeigeführt hatte. Überdies beleidigte er I* J* zweimal hintereinander mit einer den Umständen nach nicht milieubedingten Unmutsäußerung, sondern erheblichen Schimpfworten. Schließlich versetzte er dem I* J* mehrfach Schläge und drückte ihn in den Sitz, alles wiederum in der Absicht, ihn bewusst zu verletzen, zu beleidigen und herabzuwürdigen. Dass er allfälligen Angriffen I* N* nicht ausweichen hätte können, hat der Kläger nicht behauptet. Überdies war ihm bewusst, dass solche Tätlichkeiten gegenüber einem Arbeitskollegen - insbesondere im Sinn der festgestellten Anordnung des Dienstgebers - pflichtwidrig sind. Trotzdem nahm er all diese ihm bekannten Folgen in Kauf (ON 37 S 6 zweiter Absatz). Wenn das Erstgericht daher ausgehend von diesem Gesamtverhalten zu Recht von einer „groben Ehrenbeleidigung“ und „Körperverletzung“ im Sinn des § 82 lit g erster und zweiter Tatbestand GewO 1859 ausging, liegt darin keine rechtliche Fehlbeurteilung des festgestellten Sachverhalts. Hinzuzufügen bleibt, dass Körperverletzungen (§ 82 lit g zweiter Tatbestand GewO 1859) auch ohne dadurch bewirkte Vertrauensunwürdigkeit (§ 82 lit d erster Tatbestand GewO 1859) bereits zur Entlassung berechtigen ( Burger-Ehrnhofer/Drs 110; Kuderna 139; OLG Innsbruck 13 Ra 24/22h ErwGr B) 4.1.). Eine allfällige Provokation durch die infolge der insoweit getroffenen Negativfeststellung mögliche erste Tätlichkeit des I* J* beseitigt nicht die Qualifikation als Entlassungsgrund. Sie wäre dem Dienstgeber auch nur dann zurechenbar, wenn einer seiner Vertreter die Provokation verantwortete. Als solcher Vertreter der Beklagten war I* J* aber nicht anzusehen. Außerdem fehlte es für ein Mitverschulden der Beklagten an einem vom Entlastungsgrund unabhängigen Umstand, der weder die Ehrenbeleidigung noch die Pflichtwidrigkeit betraf. Schließlich wurde ein solches Mitverschulden der Beklagten auch nicht tatsachensubstratsmäßig eingewendet.
2.4.: Schließlich wurde bereits im Aufhebungsbeschluss ausgeführt, dass das nunmehr noch präziser festgestellte vorsätzliche Verhalten des Klägers den Entlassungstatbestand des § 82 lit d dritter Tatbestand GewO 1859 „ sonstige strafbare Handlung “ verwirklicht: Dieser verlangt zu seiner Verwirklichung die Begehung einer nach den Normen des Strafrechts (9 ObA 14/98v) strafbaren Handlung: Dabei ist es egal, ob es sich um ein Privatanklagedelikt (9 ObA 58/10k ErwGr 2.; RIS Justiz RS0060357), um eine verwaltungsbehördlich strafbare Handlung (9 ObA 58/10k ErwGr 1. und 2.; RIS Justiz RS0060397) oder um eine gerichtlich strafbare Handlung handelt (RIS Justiz RS0060357). Daher kommen zur Verwirklichung dieses Tatbestands (lit d dritter Tatbestand GewO 1859) sowohl die zweifache grobe Ehrenbeleidigung „Trottel“ (als Privatanklagedelikt) als auch - insbesondere - die Verletzungshandlungen des Klägers (als Offizialdelikt) zu Lasten des I* J* in Betracht. Nicht erforderlich ist, dass der Arbeiter wegen der strafbaren Handlung auch tatsächlich verurteilt wird (8 ObA 218/99p; 9 ObA 14/98v; RIS Justiz RS0060397 [T1]; Kuderna 134 f). Es genügt, wenn der Straftatbestand im Zeitpunkt des Ausspruchs der Entlassung verwirklicht wurde (8 ObA 124/02x). Eine Einstellung des Strafverfahrens - oder hier ein Freispruch - hebt daher die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung genau so wenig zwingend auf (8 ObA 33/97d; RIS Justiz RS0060373) wie die zum Zeitpunkt der Entlassungserklärung noch nicht erfolgte Verurteilung wegen dieses zB gerichtlichen Straftatbestands (8 ObA 32/03v; 8 ObA 124/02x; 9 ObA 14/98v; RIS Justiz RS0116692). Beim Entlassungstatbestand des § 82 lit d dritter Tatbestand GewO 1859 in der Ausgestaltung „sonstige strafbare Handlungen“ reicht ebenfalls ein strafbares Verhalten gegen Arbeitskollegen (8 ObA 13/03z), aber auch gegenüber Kunden ( Burger-Ehrnhofer/Drs 95; Kuderna 133) oder sonstige Personen (9 ObA 355/93: Ladendiebstähle gegenüber Dritten), sofern sich die Tat zumindest mittelbar auf das Arbeitsverhältnis auswirkt (9 ObA 58/10k ErwGr 3.2.). Zur zumindest mittelbaren Auswirkung auf das Arbeitsverhältnis kann auf die obigen Ausführungen zu 1.2. verwiesen werden. Dieser Entlassungstatbestand (§ 82 lit d dritter Tatbestand GewO 1859) ist daher jedenfalls auch dann verwirklicht, wenn man I* J* - so wie die Berufung allerdings vergeblich - lediglich als Kunden der Beklagten einstufen würde.
2.5.: Für die - gegenüber § 82 lit g erster und zweiter Tatbestand GewO 1859 zusätzlich vorzunehmende - Beurteilung, ob durch eine „sonstige strafbare Handlung“ Vertrauensunwürdigkeit des Arbeitnehmers (§ 82 lit d erster Tatbestand GewO 1859) bewirkt wurde, ist auf die konkreten objektiven Auswirkungen , welche die Tat auf das Arbeitsverhältnis hatte, abzustellen (9 ObA 58/10k ErwGr 3.1.; RIS Justiz RS0114536). Dabei haben sowohl die Tatumstände, die vom Arbeitnehmer verrichtete Arbeit (8 ObA 124/02x; RIS Justiz RS0114536 [T1]), das bisherige Verhalten des Arbeitnehmers (9 ObA 58/10k ErwGr 3.1.; 8 ObA 124/02x; RIS Justiz RS0060363) sowie das Betriebsklima, der Ruf des Arbeitgebers/seines Unternehmens und sonstige Interessen und Belange des Arbeitgebers Berücksichtigung zu finden (9 ObA 58/10x ErwGr 3.1.). Nach den bisher getroffenen Feststellungen hatte der Kläger bereits in der Vergangenheit (vor dem 23.1.2021) Meinungsverschiedenheiten und verbale Auseinandersetzungen mit I* J*, auch wenn nicht festgestellt werden kann, wie oft und von wem diese ausgingen. Jedenfalls trug die Beklagte beiden Mitarbeitern auf, sich gegenseitig aus dem Weg zu gehen und sich in Ruhe zu lassen (ON 22 S 7 drittletzter Absatz). Trotz dieser unmissverständlichen Anweisung ließ sich der Kläger am 23.1.2021 mit dem im hintersten Teil des Autobusses zugestiegenen I* J* neuerlich in eine verbale und tätliche Auseinandersetzung in einem Autobus der Beklagten während der Dienstverrichtung ein: Nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen hat er diese unmittelbar erzwungen (siehe dazu oben ErwGr 2.3. auf den hier zur Vermeidung von weitwendigen Wiederholungen verwiesen werden kann). Ausgehend von diesen Feststellungen stellt das Verhalten des Klägers daher jedenfalls ein solches dar, das objektiv nach den gewöhnlichen Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise Vertrauensunwürdigkeit in dem Sinn bewirkt, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung eines derart aggressiven Mitarbeiters inklusive dem Führen von Autobussen, den Kontakt mit anderen Mitarbeitern und mit (anderen) Fahrgästen auch lediglich für die Kündigungsfrist nicht zugemutet werden konnte.
2.6.: Wie schon mehrfach angedeutet, ergibt sich nach den vom Erstgericht im zweiten Rechtsgang getroffenen ergänzenden Tatsachenfeststellungen überdies noch die Verwirklichung des - vom Tatsachenvorbringen der Beklagten in erster Instanz umfassten - Entlassungsgrunds der beharrlichen Pflichtenvernachlässigung (§ 82 lit f zweiter Tatbestand GewO 1859) durch den Kläger: Dieser Entlassungstatbestand umfasst wie § 27 Z 4 zweiter Tatbestand AngG jedenfalls auch die Weigerung des Arbeitnehmers, sich den gerechtfertigten Anordnungen des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der Erbringung der Dienstleistung zu fügen ( Kuderna 183 mwH). Aufgrund vorangegangener Konfrontationen hatte die Beklagte aber unter diesen Umständen gerechtfertigt angeordnet, dass der Kläger und I* J* sich „gegenseitig aus dem Weg zu gehen und sich in Ruhe zu lassen“ haben (ON 37 S 4 sechster Absatz). Gegen diese Anordnung hat der Kläger jedenfalls durch die oben ua zu ErwGr 2.3. wiedergegebenen Tathandlungen beginnend mit der herausfordernden Aufforderung zum Gruß bis zu den Tätlichkeiten in einer derart schwerwiegenden Weise verstoßen, dass eine zusätzliche weitere Ermahnung des Klägers nicht mehr erforderlich war: Nach den Feststellungen des Erstgerichts war dem Kläger sein pflichtwidriges Verhalten und damit auch der Verstoß gegen die Weisung der Beklagten klar und bekannt und er nahm die nachteiligen Folgen dieses pflichtwidrigen Verhaltens in Kauf (ON 37 S 6 insb zweiter Absatz).
2.7.: Insgesamt ist die Klagsabweisung deshalb berechtigt, weil der Kläger durch sein Verhalten jedenfalls die Entlassungstatbestände des § 82 lit f zweiter Tatbestand und lit g erster und zweiter Tatbestand GewO 1859 verwirklichte.
3.: Tatsächlich liegt auch der in der Berufung gerügte sekundäre Feststellungsmangel (ON 39 S 3) nicht vor :
3.1.: Zunächst ist die unter diesem Rechtsmittelgrund begehrte Feststellung „Eine Weiterbeschäftigung des Klägers ist für die Beklagte zumutbar“ eine (vorweggenommene) rechtliche Beurteilung und enthält kein Tatsachensubstrat, das einer rechtlichen Beurteilung unterzogen werden kann. Daher liegt eine unvollständige, die abschließende rechtliche Beurteilung ausschließende unzureichende Feststellungsgrundlage schon unter diesem Gesichtspunkt nicht vor.
3.2.: Darüber hinaus ist festzuhalten, dass nach dem festgestellten Tathergang, nämlich der mehrfachen Provokation des Klägers und damit immanenten besonders intensiven, mehraktigen Verletzung der Anordnung der Beklagten unter anderem an den Kläger, sich von I* J* fernzuhalten und diesen in Ruhe zu lassen, erkennbar um einen Mitarbeiter mit einem deutlich erkennbaren nicht milieubedingten Aggressions- und Gewaltpotential handelt. Die Beklagte musste konstatieren, dass die bloße Anweisung an den Kläger, sich von I* J* fernzuhalten und diesen in Ruhe zu lassen (ON 37 S 4 sechster Absatz) allein nicht ausreichte, um dieses Aggressions- und Gewaltpotential des Klägers zu beherrschen. Für die Beklagte bestand daher aufgrund dieses Vorfalls Anlass zu sofortigem Handeln. Dies umso mehr, als die Eingliederung eines Mitarbeiters mit einem erkennbaren derartigen Aggressions- und Gewaltpotential dem Ruf eines jeden Unternehmens, insbesondere eines kundenkontaktintensiven wie einem auch privaten Busunternehmen völlig unzumutbar ist, weil durch ein solches Verhalten andere Fahrgäste von der Benutzung der Verkehrsmittel der Beklagten abgeschreckt werden könnten. Auch unter diesem Gesichtspunkt bestand daher sofortiger Handlungsbedarf für die Beklagte. Schließlich ist die Schutz- und Fürsorgepflicht des Dienstgebers gegenüber anderen Mitarbeitern wie insbesondere I* J* mitzuberücksichtigen. Auch unter dem Aspekt dieser Schutz- und Fürsorgepflichten, die unmittelbar aus dem aufrechten Arbeitsvertrag der Beklagten mit I* J* resultierten, hatte diese keine andere Möglichkeit als das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger sofort zu beenden, zumal andere Maßnahmen offensichtlich wirkungslos waren. Alle drei aus den Feststellungen des Erstgerichts deutlich hervorkommenden Umstände (durch Weisungen nicht beherrschbares Aggressions- und Gewaltpotential des Klägers; erhebliche potenzielle schädliche Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Ruf des Unternehmens der Beklagten; unmittelbare Pflicht zur Wahrnehmung der gegenüber I* J* bestehenden Schutz- und Sorgfaltspflichten aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten) standen daher der Zumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung im konkreten Fall entgegen. Auch dieser Angriffspunkt der Berufung erweist sich daher als unberechtigt.
4.: Der Berufung war daher der Erfolg zu versagen.
5.: Der im Berufungsverfahren unterlegene Kläger muss der Beklagten gemäß den §§ 2 Abs 1 ASGG, 40, 41, 50 ZPO die Kosten ihrer erfolgreichen Berufungsbeantwortung ersetzen.
6.: Das Berufungsgericht konnte sich - wie durch mehrere Zitate belegt - auf eine einheitliche Rechtsprechung des Höchstgerichts stützen, von der es nicht abgewichen ist. Darüber hinaus sind die Fragen, ob ein Entlassungsgrund verwirklicht und die Weiterbeschäftigung (un)zumutbar ist, durch den konkreten Einzelfall charakterisierte Entscheidungen, die eine erhebliche Rechtsfrage in der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität nicht darstellen. Der weitere Rechtszug nach dieser Gesetzesstelle erweist sich daher als nicht zulässig, worüber gemäß den §§ 2 Abs 1 ASGG, 500 Abs 2 Z 3 ZPO ein eigener Ausspruch in den Tenor der Berufungsentscheidung aufzunehmen war.
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