10R46/23z – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck als Rekursgericht hat durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Gosch als Vorsitzenden und die Richter des Oberlandesgerichts Mag. Eppacher und MMag. Dr. Dobler als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, Elektriker, **, **, vertreten durch Mag. Stefan Geisler, Mag. Markus Gredler, Rechtsanwälte in Zell am Ziller, wider die beklagten Parteien 1. B* , geboren am **, Zimmerer, **, **, vertreten durch Dr. Uwe Foidl, Rechtsanwalt in Fügen, 2. C* , geboren am **, Unternehmer, **, **, vertreten durch Mag. Marco Kunczicky, Mag. a Amelie Kunczicky, Rechtsanwälte in 6290 Mayrhofen, 3. D* GmbH , FN E*, **, **, vertreten durch Dr. Uwe Foidl, Rechtsanwalt in Fügen, wegen (restlich) EUR 11.014,85 s.A und Feststellung über die Kostenrekurse der klagenden (Rekursinteresse: EUR 16.557,32) sowie der erst- und drittbeklagten Partei (Rekursinteresse: jeweils EUR 22.053,54) gegen die im Anerkenntnisurteil des Landesgerichts Innsbruck vom [richtig] 15.5.2023, 67 Cg 96/19f-142, enthaltene Kostenentscheidung in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
I. Dem Rekurs der klagenden Partei wird keine , jenem der erst- und drittbeklagten Partei hingegen teilweise Folge gegeben und die angefochtene Kostenentscheidung unter Einschluss des unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Teils wie folgt abgeändert :
„3. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu Handen der Klagsvertreter die mit EUR 31.891,10 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, zu ersetzen.
Die zweitbeklagte Partei ist darüber hinaus schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu Handen der Klagsvertreter weitere EUR 12.455,88 an Kosten des Verfahrens erster Instanz zu ersetzen.“
II. Die klagende Partei ist schuldig, binnen 14 Tagen zu Handen der jeweiligen Vertreter
1) der erst- und der drittbeklagten Partei die mit EUR 1.039,76 bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung (darin EUR 173,29 an USt)
2) der zweitbeklagten Partei die mit EUR 942,90 bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung (darin EUR 157,15 an USt)
Text
Begründung:
Der Kläger, der am 17.2.2016 bei einem Arbeitsunfall schwer verletzt wurde, beantragte im ersten Rechtsgang die Verpflichtung der Beklagten zur ungeteilten Hand zu einer Schadenersatzzahlung von (ausgedehnt) EUR 163.230,42 s.A. (zusammengesetzt aus EUR 150.000,00 an Schmerzengeld; EUR 10.998,75 an Fahrtkosten und EUR 2.231,67 an Behandlungskosten). Darüber hinaus begehrte er die mit EUR 3.000,00 bewertete Feststellung, dass ihm die Beklagten zur ungeteilten Hand für sämtliche zukünftigen Schäden aus dem Unfall vom 17.2.2016 auf dem Betriebsgelände der Drittbeklagten zu haften haben.
Mit Urteil des Erstgerichts vom 15.6.2022, 67 Cg 96/19f-129, wurden die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von EUR 103.230,42 s.A. (EUR 90.000,00 an Schmerzengeld; EUR 10.998,75 an Fahrtkosten; EUR 2.231,67 an Behandlungskosten) verpflichtet; dem Feststellungsbegehren wurde hinsichtlich aller Beklagten stattgegeben. Ein Zahlungsmehrbegehren von EUR 60.000,00 s. A. wurde abgewiesen.
Diese von allen Streitteilen angefochtene Entscheidung wurde mit - rechtskräftiger - Entscheidung des erkennenden Senats vom 1.2.2022, 10 R 77/22g, unter Einschluss der mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsenen Teile des erstinstanzlichen Urteils wie folgt abgeändert und aufgehoben:
1) Der Erst- und der Zweitbeklagte wurden zur ungeteilten Hand schuldig erkannt, dem Kläger zu Handen ihrer Vertreter binnen 14 Tagen EUR 81.487,78 s.A. zu zahlen.
2) Es wurde festgestellt, dass der Erst- und der Zweitbeklagte dem Kläger zu je 2/3 für sämtliche zukünftigen, derzeit nicht bekannten Schäden aus dem Unfall vom 17.2.2016 zur ungeteilten Hand haften.
3) Das Mehrbegehren, der Erst- und der Zweitbeklagte seien zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger weitere EUR 74.410,14 s.A. zu zahlen und es werde festgestellt, dass der Erst- und der Zweitbeklagte dem Kläger zu einem weiteren 1/3 für sämtliche zukünftigen, derzeit nicht bekannten Schäden aus dem Unfall vom 17.2.2016 zur ungeteilten Hand haften, wurde abgewiesen.
4) Im darüber hinausgehenden Umfang, nämlich 1.) hinsichtlich eines den Erst- und den Zweitbeklagten betreffenden Leistungsbegehrens von EUR 7.332,50 , 2.) hinsichtlich des gesamten Leistungs- und Feststellungsbegehrens betreffend die Drittbeklagte und 3.) im Kostenpunkt wurde das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
5) Die Kosten des Berufungsverfahren wurden als weitere Verfahrenskosten bestimmt.
Im Schriftsatz vom 9.5.2023 (ON 141) teilte der Kläger mit, der Erstbeklagte habe mittlerweile einen Betrag von EUR 81.484,78 s.A. geleistet. Aufgrund der solidarischen Haftung der Beklagten sei das nach der Aufhebung durch das Berufungsgericht noch offene Leistungsbegehren entsprechend einzuschränken. In Bezug auf die Drittbeklagte schränke er das Feststellungsbegehren dahin ein, dass diese gemeinsam mit dem Erst- und dem Zweitbeklagten zu 2/3 für künftige ihm entstehenden Schäden zu haften habe. Gleichzeitig dehnte der Kläger das (noch offene) Leistungsbegehren hinsichtlich aller Beklagten um weitere Fahr- und Behandlungskosten auf insgesamt EUR 11.014,85 s.A. aus.
Mit dem in der Tagsatzung vom 15.5.2023 verkündeten Anerkenntnisurteil gemäß § 395 ZPO verpflichtete das Erstgericht die Beklagten zur ungeteilten Hand , dem Kläger EUR 11.014,85 s.A. zu zahlen und stellte fest, dass die Drittbeklagte dem Kläger solidarisch mit dem Erst- und dem Zeitbeklagten zu 2/3 für sämtliche zukünftigen derzeit nicht bekannten Schäden aus dem Unfall vom 17.2.2016 haftet.
Mit der in die schriftliche Urteilsausfertigung aufgenommene Kostenentscheidung wurde den Beklagten schließlich eine solidarische Kostenersatzverpflichtung von EUR 44.336,98 auferlegt. Das Erstgericht bildete insgesamt 4 Phasen. In dem bis zur Klagsausdehnung vom 18.5.2021 (ON 106) andauernden ersten Abschnitt sei der Kläger zur Gänze durchgedrungen. Allerdings seien die Schriftsätze ON 9, 11 und 89 nicht zu honorieren, weil sie nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen seien. Da der Kläger in der zweiten Phase mit rund der Hälfte seines Begehrens durchgedrungen sei, finde nur ein anteiliger wechselseitiger Barauslagenersatz statt. In der dritten Phase (Berufungsverfahren) stütze sich die Kostenentscheidung auf § 43 Abs 2 ZPO, weil der Kläger nur mit einem geringen Teil seines Begehrens unterlegen sei. Ab dem Schriftsatz vom 9.5.2023 (ON 141) sei der Kläger hingegen zur Gänze durchgedrungen.
Gegen diese Kostenentscheidung richten sich die jeweils rechtzeitigen Kostenrekurse des Klägers sowie des Erst- und der Drittbeklagten . Während der Kläger eine Erhöhung des ihm zuerkannten Betrags um EUR 16.557,32 beantragt, streben der Erst- und die Drittbeklagte eine Reduzierung der vom Erstgericht bestimmten Kosten um EUR 22.053,54 an.
Der Kläger einerseits und alle drei Beklagten andererseits beantragten in ihren fristgerechten Rechtsmittelgegenbeantwortungen , dem gegnerischen Kostenrekurs keine Folge zu geben.
Der Rekurs des Klägers ist nicht, jener des Erst- und der Drittbeklagten hingegen teilweise berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
I. Zum Kostenrekurs des Klägers
1. Zur „ersten Phase“
Der Kläger argumentiert zusammengefasst, dass die vom Erstgericht nicht honorierten Schriftsätze zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen seien.
1.1 Urkundenvorlage vom 30.11.2017 (ON 9)
Nach der Ansicht des Rekurswerbers sei die Urkundenvorlage zu honorieren, weil das Erstgericht in der Ladung vom 28.8.2017 aufgetragen habe, dass Urkunden bis 14 Tage vor der Verhandlung vorzulegen seien.
Diese Ausführungen sind nicht stichhältig. Das Rechtsmittel übersieht, dass der Kläger bereits mit Schriftsatz vom 28.9.2017 (ON 6) Urkunden vorlegte. Aus welchem Grund es nicht möglich gewesen sein soll, die mit Schriftsatz ON 9 eingebrachten Urkunden bereits mit dem Schriftsatz ON 6 vorzulegen, zeigt (auch) der Rekurs nicht auf, sodass der Schriftsatz ON 9 nicht als notwendig angesehen werden kann. Grundgedanke des § 41 Abs 1 ZPO ist nämlich, dass ein Ersatzanspruch nur für die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten besteht. Daher kann eine Partei, wenn es möglich ist, mit kostensparenderen Handlungen das gleiche Ergebnis zu erzielen, nur jene Kosten beanspruchen, die den gleichen Zweck mit geringerem Aufwand erreicht hätten (RS0035774). Die Frage der Zweckmäßigkeit und der Erfolgsaussichten einer Verfahrenshandlung ist in dem Zusammenhang ex ante zu betrachten. Es sind all jene Kosten als notwendig anzusehen, deren Aufwendung gemessen am Verfahrensziel, also dem vollständigen Prozesserfolg, zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zweckmäßig erscheinen mussten ( M. Bydlinski in Fasching/Konecny ³ § 41 ZPO Rz 20). Das prozessuale Recht, einen Schriftsatz zulässig einbringen zu dürfen, begründet keinen Honoraranspruch, und zwar auch nicht im Fall, dass dessen Zurückweisung unterbleibt ( Obermaier , Kostenhandbuch³, Rz 3.56 mwN). Primäre Voraussetzung für den Kostenersatzanspruch ist somit, dass die an sich ersatzfähigen Kosten auch zur Rechtsverfolgung - kumulativ - notwendig und zweckmäßig aufgewendet wurden. Der Grundsatz der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit besagt, dass Kosten überhaupt nur unter diesen Voraussetzungen ersatzfähig sind. Mehrkosten, die aus der Verletzung einer Verbindungspflicht von Prozesshandlungen entstehen, sind objektiv zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung niemals notwendig. Für alle Arten von Schriftsätzen ist das zudem in § 22 RATG ausdrücklich angeordnet ( Obermaier , aaO, Rz 1.245 und 1.249).
1.2 Schriftsatz vom 8.1.2018 (ON 11)
Der Schriftsatz sei zu honorieren, weil er einerseits unter § 257 Abs 3 ZPO gefallen und andererseits zweckentsprechend gewesen sei, zumal darin auf die weiteren, neuen Einwendungen der Beklagten repliziert worden sei.
Gemäß § 257 Abs 3 ZPO können die Parteien einander in der Klage oder Klagebeantwortung noch nicht enthaltene Anträge, Angriffs- und Verteidigungsmittel, Behauptungen und Beweise, durch besonderen, spätestens eine Woche vor der vorbereitenden Tagsatzung bei Gericht und beim Gegner einlangenden, vorbereitenden Schriftsatz mitteilen. Wie erwähnt besagt die prozessuale Zulässigkeit des vorbereitenden Schriftsatzes aber noch nicht, dass der Schriftsatz auch zweckmäßig und notwendig ist ( Obermaier , aaO, Rz 3.59). Diese Voraussetzungen sind insbesondere für einen zweiten vorbereitenden Schriftsatz ein- und derselben Partei vor der ersten Verhandlung streng zu prüfen. Warum das in einem zweiten Schriftsatz enthaltene Vorbringen nicht bereits früher erstattet werden konnte, muss von der jeweiligen Partei dargelegt werden ( Obermaier , aaO, Rz 3.64). Weshalb der Kläger das im Schriftsatz vom 8.1.2018 enthaltene Vorbringen nicht bereits früher erstatten konnte, wurde von ihm nicht vorgebracht. Derartige Gründe sind auch nicht erkennbar. Neues von Beklagtenseite erstattete Vorbringen lag nicht vor. Dass der Zweitbeklagte kein Dienstnehmer der Drittbeklagten sei, wurde vom Erst- und der Drittbeklagten bereits in der Klagebeantwortung behauptet. Eine Haftung nach dem EKHG hätte der Kläger bereits früher in das Verfahren einfließen lassen können und aus kostenrechtlichen Sicht auch müssen. Schon daraus ergibt sich, dass zu Gunsten des Klägers keine Notwendigkeit unterstellt werden kann, auf allfällige neue Behauptungen der Gegenseite zu reagieren. Der hier in Rede stehende Schriftsatz ist damit nicht zu honorieren.
1.3 Schriftsatz vom 16.3.2020 (ON 89)
Der Schriftsatz habe der Stellungnahme zum Antrag des Erst- und der Drittbeklagten (ON 88) sowie zur Aufrechterhaltung des vom Kläger gestellten Antrags auf mündliche Gutachtenserörterung und der Hintanhaltung weiterer Verfahrensverzögerungen gedient.
Weswegen die Wiederholung des bereits gestellten Antrags auf mündliche Erörterung des psychiatrischen Gutachtens notwendig gewesen sein soll, ist nicht erkennbar. Die Äußerung zum Antrag des Erst- und der Drittbeklagten langte ein, ohne dass dem Kläger eine solche freigestellt wurde. Vielmehr nahm das Erstgericht den Antrag des Erst- und der Drittbeklagten zum Anlass, ein weiteres psychiatrisches Gutachten einzuholen. Mangels entsprechender Einräumung einer Äußerungsmöglichkeit war der Schriftsatz ON 89 auch bei einer ex ante Betrachtung nicht notwendig.
2. Zum „zweiten Prozessabschnitt“
Der Kläger wendet sich gegen die Rechtsmeinung des Erstgerichts, dass im „zweiten Abschnitt“ eine Kostenaufhebung stattzufinden hätte. Richtigerweise wäre auf die Position Schmerzengeld das Kostenprivileg anzuwenden gewesen.
Auch dieser Standpunkt überzeugt nicht. Zwar handelt es sich beim Schmerzengeld klassischerweise um eine privilegierte Forderung im Sinn des § 43 Abs 2 ZPO. Die Anwendung des den Kläger entlastenden Kostenprivilegs setzt aber voraus, dass nur die Höhe, aber nicht der Grund des Anspruchs strittig ist (1 Ob 86/17d; M. Bydlinski , Kostenersatz 245; Fucik in Rechberger/Klicka 5 § 43 ZPO Rz 11; Obermaier , aaO, Rz 1.168).
Die das Schmerzengeld sowie das Feststellungsbegehren betreffende Abweisung betraf aber auch den Grund des Anspruchs, weil der Kläger für ein Mitverschulden im Ausmaß von 1/3 einzustehen hatte. Die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 43 Abs 2 ZPO lagen damit nicht vor.
3. Zwischenergebnis
Dem Kostenrekurs des Klägers konnte aus den dargelegten Gründen kein Erfolg zukommen.
II. Zum Rekurs des Erst- und der Drittbeklagten
Einleitend ist auf folgende Grundsätze hinzuweisen: § 46 ZPO regelt die Kostenersatzpflicht mehrerer Beklagter. Maßgeblich ist zunächst, ob die Beklagten in der Hauptsache solidarisch haften. Ist dies der Fall, dann haften sie - ausgenommen die Kosten von Prozesshandlungen, die nur von einem Beklagten veranlasst wurden - auch für die Kosten solidarisch. Die Solidarhaftung in der Hauptsache ist jedoch nur eine Vorfrage der Kostenentscheidung, für sie ist allein der Urteilsspruch maßgeblich: Ist darin eine Solidarhaftung (Verpflichtung zur ungeteilten Hand) angeordnet, so gilt das auch für die Kosten ( Obermaier in Höllwerth/Ziehensack, Praxiskommentar, § 46 ZPO Rz 1).
Werden mehrere Beklagte mit der Behauptung ihrer Solidarhaftung in Anspruch genommen, dringt jedoch der Kläger nicht gegen alle durch (zB nur gegen einen von zwei, während er gegen den anderen unterliegt), so erhält er nach der mittlerweile herrschenden Rechtsprechung vom unterlegenen Beklagten die vollen Kosten ohne Streitgenossenzuschlag. Sind die mehreren Beklagten durch einen gemeinsamen Anwalt vertreten, so wird angenommen, dass sie dessen Kosten nach Kopfteilen tragen; daher sind dem obsiegenden Beklagten die Kosten gemäß seiner Kopfquote einschließlich Streitgenossenzuschlag zuzusprechen. Sind sie gesondert vertreten, so erhält der eine obsiegende Beklagte volle Kosten ( Obermaier in Höllwerth/Ziehensack , § 46 ZPO Rz 3).
In Bezug auf die Drittbeklagte ließ der Kläger das im Teilurteil vom 1.2.2022 aufgehobene Klagebegehren fallen, ohne eine Einschränkung auf Kosten vorzunehmen. Auf diesen Umstand kommt es aber letztlich nicht an, weil die Drittbeklagte im Kostenrekurs ausdrücklich eine solidarische Kostenhaftung zugesteht, die auch den bis zum Teilurteil angefallenen Prozessaufwand umfasst.
Der Kostenrekurs richtet sich gegen die die erste und dritte Phase betreffende erstgerichtliche Kostenentscheidung.
1. Zur „ersten Phase“
Entgegen der vom Erstgericht vertretenen Auffassung führte nicht erst der Schriftsatz vom 18.5.2021 (ON 61) zu einer Änderung des Streitwerts. Vielmehr wurde bereits durch die Schriftsätze vom 27.9.2017 (ON 6), 16.1.2018 (ON 14), 27.11.2018 (ON 50) und 3.1.2019 (ON 58) ein eigener kostenrechtlich relevanter Abschnitt ausgelöst. Die Frage, ob sich diese Änderungen auf die Vertretungskosten auswirkten, braucht nicht näher untersucht zu werden, weil der Erst- und die Drittbeklagte für die erste Phase, die nach ihrem Standpunkt bis zum Schriftsatz ON 106 dauerte, ausdrücklich zugestand, dass dem Kläger Vertretungskosten von netto EUR 18.230,14 gebühren. Allerdings ergibt eine Addition der vom Kläger verzeichneten Positionen unter Berücksichtigung der vom Erstgericht vorgenommenen Korrekturen eine Nettosumme von EUR 18.231,90.
Das Rechtsmittel kritisiert vielmehr, dass das Erstgericht die im Kostenrekurs näher bezeichneten Sachverständigengebühren ausschließlich dem ersten Prozessabschnitt zugeordnet habe. Da auch der Erst- und die Drittbeklagte Gebühren getragen hätten, habe eine Saldierung der Sachverständigengebühren stattzufinden. Allerdings sei die Verfahrenssituation aufgrund der zahlreichen Ausdehnungen und Einschränkungen bzw der Teilerledigung durch Teilurteil unübersichtlich, weshalb von einer konkreten rechnerischen Ermittlung abzusehen, sondern vielmehr eine Schätzung im Sinne des § 273 ZPO vorzunehmen sei. Bei Berücksichtigung eines - nach § 273 ZPO geschätzten - Obsiegens des Klägers von ca. 60 % errechne sich ein saldierter Barauslagenersatzanspruch des Klägers von EUR 407,28 (EUR 3.882,80, zugunsten des Klägers, und EUR 3.475,52, zugunsten des Erst- und der Drittbeklagten).
Bei mehreren Verfahrensabschnitten werden alle Barauslagen - gleich ob allein oder gemeinsam getragen - dem Verfahrensabschnitt ihres Anfalls zugeordnet. Das gilt auch für Sachverständigengebühren (RI0100074; Obermaier , aaO, Rz 1.189 mwN). Wann Sachverständigengebühren als „angefallen“ anzusehen sind, wurde in der Rechtsprechung kontrovers beantwortet. In der Entscheidung 6 Ob 2072/96s wurde dieser Zeitpunkt mit der Beendigung der Sachverständigentätigkeit angenommen. Demgegenüber sprach der OGH beispielsweise in seinen Entscheidungen 2 Ob 31/07h und 2 Ob 99/14v aus, dass die nach den Obsiegensanteilen der dortigen Parteien zuzusprechenden Barauslagen in jenen Verfahrensabschnitten zu berücksichtigen sind, in denen der Sachverständige tätig wurde. Damit ist nicht die abschließende Kostenbestimmung, sondern die dem Gebührenanspruch entsprechende Leistung des Sachverständigen maßgeblich. Das Rekursgericht schließt sich der zuletzt zitierten Rechtsauffassung an. Der Umfang der Ersatzpflicht von Sachverständigengebühren kann nicht davon abhängig gemacht werden, wann diese vom Erstgericht bestimmt werden, weil dies zu willkürlichen Ergebnissen führen könnte. Sachgerechter erscheint vielmehr die Lösung dahingehend, Sachverständigenkosten dem jeweiligen Verfahrensabschnitt zuzuordnen, in dem der Sachverständige tätig geworden ist. Im Allgemeinen ist dabei auf den Zeitpunkt der Legung der Gebührennote abzustellen.
Bis zum Schriftsatz ON 106 fielen im soeben dargelegten Sinn nachstehende, von dem Erst- und der Drittbeklagten getragene Gebühren an:
ON 48 EUR 891,00
ON 60 EUR 125,00
ON 94 EUR 3.008,00
ON 104 EUR 2.258,00
All diese Barauslagen betreffen Phasen, in denen der Kläger mit weniger als 10 % und damit geringfügig im Sinn des § 43 Abs 2 1. Fall ZPO unterlag. Dabei ist für die mit ON 48 verzeichneten Gebühren der Schriftsatz vom 16.1.2018 (ON 14) maßgeblich, mit welchem das Klagebegehren auf EUR 20.447,46 ausgedehnt wurde (Streitwert zusammengesetzt aus Schmerzengeld EUR 15.000,00, Fahrtkosten EUR 2.447,76, Feststellungsbegehren EUR 3.000,00). Davon drang der Kläger mit insgesamt EUR 18.631,84 durch (Schmerzengeld EUR 15.000,00, Fahrtkosten EUR 1.631,84, Feststellungsbegehren EUR 2.000,00), sodass sich die Obsiegensquote auf 91,12 % belief. Die zu ON 60, 94 und 104 verzeichneten Gebühren sind der Phase ab dem Schriftsatz vom 3.1.2019 (ON 58) zu Grunde zu legen, in der der Kläger mit 96,69 % durchdrang (Streitwert zusammengesetzt aus Schmerzengeld EUR 72.000,00, Fahrtkosten EUR 4.940,92, Feststellungsbegehren EUR 3.000,00; Zuspruch: Schmerzengeld EUR 72.000,00, Fahrtkosten EUR 3.293,95, Feststellungsbegehren EUR 2.000,00).
Geringfügiges Unterliegen im Sinn des § 43 Abs 2 1. Fall ZPO hat aber zur Folge, dass der Kläger - wenngleich grundsätzlich auf Basis des obsiegten Betrags - Anspruch auf 100 % seiner Kosten hat, sodass das Erstgericht die vom Erst- und der Drittbeklagten getragenen Barauslagen im Ergebnis zu Recht nicht berücksichtigte.
Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass den Rekursausführungen auch rechnerisch nicht beigetreten werden könnte. Während die im Rekurs enthaltene Aufstellung der vom Kläger getragenen Sachverständigengebühren ein Betrag von EUR 84,00 fehlt (bestimmt in ON 66), wurden die für den arbeitstechnischen Sachverständigen getragenen Gebühren von EUR 843,00 offenkundig versehentlich doppelt verzeichnet. Die Gebühren wurden in ON 116 bestimmt und in ON 19 ausbezahlt. Schließlich berücksichtigt der Rekursantrag des Erst- und der Drittbeklagten die im Rekurs zugestandenen Pauschalgebühren von EUR 2.356,90 (richtig aber ohnedies: EUR 2.593,25) nicht.
2. „Zur dritten Phase“
Diesbezüglich macht das Rechtsmittel geltend, dass entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts auch für den dritten Prozessabschnitt (Berufungsverfahren) eine Kostenaufhebung sachgerecht sei.
Mit dem Schriftsatz vom 18.5.2021 (ON 106) dehnte der Kläger sein Begehren auf insgesamt EUR 164.674,16 aus (Schmerzengeld EUR 150.000,00; Behandlungskosten EUR 1.717,43; Fahrtkosten EUR 9.956,73; Feststellungsbegehren EUR 3.000,00). Letztendlich drang der Kläger mit EUR 89.782,77 und somit ca. 55 % durch (Schmerzengeld EUR 80.000,00; Behandlungskosten EUR 1.144,95; Fahrtkosten EUR 6.637,82; Feststellungsbegehren EUR 2.000,00). Die weitere Ausdehnung im Schriftsatz vom 1.12.2021 (ON 117) hatte kostenrechtlich keine Auswirkungen; die Obsiegensquote blieb unverändert bei ca. 55 %. Wie bereits dargelegt, lagen die Voraussetzungen nach § 43 Abs 2 ZPO nicht vor, sodass eine Kostenaufhebung nach § 43 Abs 1 ZPO vorzunehmen war.
Wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung an das Erstgericht zurückverwiesen, bilden die Kosten des Rechtsmittelverfahrens weitere Verfahrenskosten ( Fucik, aaO, § 52 ZPO Rz 6). Dies bedeutet, dass die Kostenersatzpflicht vom (endgültigen) Ausgang der Hauptsache abhängt (§ 52 Abs 1 letzter Satz ZPO). Der in der Aufhebung und Zurückverweisung liegende Berufungserfolg ist also noch kein kostenrelevanter Erfolg. Vielmehr ist sowohl über die Kosten des ersten Rechtsgangs als auch über die Kosten des Berufungsverfahrens im zweiten Rechtsgang nur nach Maßgabe des Endergebnisses zu entscheiden.
Im konkreten Fall teilen die Kosten des Berufungsverfahrens, die weitere Verfahrenskosten bildeten, das kostenrechtliche Schicksal der „zweiten Phase“, sodass dem Kostenrekurs beizupflichten ist, dass auch für das Berufungsverfahren Kostenaufhebung eintritt. Die Klagseinschränkung vom 9.5.2023 ändert daran nichts, weil diese auf eine vom Erstbeklagten bewirkte Zahlung zurückzuführen war und - wie bereits dargelegt - die grundsätzliche Kostenersatzverpflichtung der Drittbeklagten auch im Rekurs nicht in Zweifel gezogen wurde, sodass die Einschränkung nicht als Unterliegen des Klägers qualifiziert werden kann.
3. Zwischenergebnis
Damit erweist sich der Kostenrekurs des Erst- und der Drittbeklagten in Bezug auf die „dritte Phase“ (Berufungsverfahren) als berechtigt. Die Vertretungskosten des Berufungsverfahrens sind wechselseitig aufzuheben. Dem Kläger einerseits und dem Erst- und der Drittbeklagten andererseits stehen jeweils 50 % der im Berufungsverfahren getragenen Pauschalgebühren zu. Dies ergibt einen saldierten Anspruch des Erst- und der Drittbeklagten von EUR 1.817,50. Zudem führt der Rechtsmittelerfolg dazu, dass der dem Kläger gegenüber dem Erst- und der Drittbeklagten zustehende Kostenersatzanspruch um die im Berufungsverfahren insgesamt angefallenen Vertretungskosten von brutto EUR 10.628,38 (darin EUR 1.771,40 an USt) zu reduzieren ist. Insgesamt liegt damit ein Rekurserfolg des Erst- und der Drittbeklagten von EUR 12.445,88 vor.
III. Gesamtergebnis
Während dem Kostenrekurs des Klägers keine Berechtigung zukam, erwies sich das Rechtsmittel des Erst- und der Drittbeklagten als teilweise berechtigt.
Das Erstgericht verpflichtete die Beklagten zur ungeteilten Hand zum Prozesskostenersatz von brutto EUR 44.336,98. In Bezug auf den Erst- und die Drittbeklagte war diese Kostensatzverpflichtung um den Rekurserfolg auf brutto EUR 31.891,10 zu reduzieren.
Dieser Rechtsmittelerfolg hat aber keine Auswirkungen auf den Zweitbeklagten, der die Kostenentscheidung unbekämpft ließ (RS0017421). Dies wäre nur dann gegeben, wenn die Beklagten eine notwendige Streitgenossenschaft bilden würden, was aber nicht der Fall ist.
IV. Verfahrensrechtliches
Die Kostenentscheidung im Rekursverfahren stützt sich auf §§ 50, 41 und 43 Abs 1 ZPO.
Der vollständig unterlegene Kläger ist verpflichtet, den Beklagten die Kosten der tarifmäßig verzeichneten Kostenrekursbeantwortungen zu ersetzen. Dies ergibt gegenüber dem Erst- und der Drittbeklagten einen Bruttobetrag von EUR 1.039,76 (darin EUR 173,29 an USt) und gegenüber dem Zweitbeklagten einen Bruttobetrag von EUR 942,90 (darin EUR 157,15 an USt).
Der Erst- und die Drittbeklagte drangen mit ca. 56 % durch (Rekursinteresse EUR 22.053,54; Rekurserfolg EUR 12.445,88), sodass die Kosten des diesbezüglichen Rekursverfahrens wechselseitig aufzuheben waren ( Fucik , aaO, § 43 ZPO Rz 4).
Die absolute Unzulässigkeit des weiteren Rechtszugs ergibt sich aus § 528 Abs 2 Z 3 ZPO.
Oberlandesgericht Innsbruck
Abteilung 10, am 26.7.2023
Dr. Klaus-Dieter Gosch, Vizepräsident
Elektronische Ausfertigung gemäß § 79 GOG