JudikaturOLG Innsbruck

3R71/23z – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
05. Juli 2023

Kopf

B eschluss

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Kohlegger als Vorsitzenden und die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Pirchmoser sowie den Richter des Oberlandesgerichts MMag. Dr. Dobler als weitere Mitglieder des Senats in der Firmenbuchsache der zu FN A* in das Firmenbuch eingetragenen B* GmbH , (nunmehr) C*, ** D*, über die als Rekurs zu wertende Eingabe des Geschäftsführers E*, geb am **, (nunmehr) ebendort, gegen den Beschluss des Landes- als Handelsgerichts Feldkirch vom 31.5.2023, 15 Fr 217/23s 6, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird k e i n e Folge gegeben.

Der (ordentliche) Revisionsrekurs ist n i c h t zulässig.

Text

Begründung:

Mit der beim Erstgericht eingelangten Verständigung vom 11.1.2023 teilte die F* als Gewerbebehörde dem Erstgericht mit, dass die Gesellschaft mit Rechtswirksamkeit vom 5.1.2023 ihren Betrieb gemäß § 46 Abs 2 Z 2 GewO 1994 von der im Firmenbuch damals eingetragenen Anschrift **, **gasse **, nach C*, ** D*, verlegt hatte.

Mit den Aufforderungen vom 10.2.2023, 15 Fr 217/23s 2 , und 22.3.2023, 15 Fr 217/23s 3 , teilte das Erstgericht dem Geschäftsführer unter seiner (und der Gesellschaft) neuen (ua in der Eingabe beim LG Salzburg 569 051 Fr 1419/23p angegebenen) Anschrift mit, dass die Verlegung des Sitzes und der Geschäftsanschrift eines notariell protokollierten Generalversammlungsbeschlusses bedürfe und zur Eintragung in das Firmenbuch binnen einer Frist von drei Wochen angemeldet oder dargetan werden müsse, dass diese Verpflichtung nicht bestehe. Diese Aufforderungen blieben ohne Reaktion des Geschäftsführers.

Mit Beschluss vom 19.4.2023, 15 Fr 217/23s 4 , forderte das Erstgericht den Geschäftsführer neuerlich auf, die Änderung der Geschäftsanschrift - samt allfälliger Sitzverlegung - in ordnungsgemäßer Form binnen zwei Wochen zum Firmenbuch anzumelden oder darzutun, dass diese Verpflichtung nicht besteht, widrigenfalls gemäß den §§ 283 UGB bzw 24 FBG über den Geschäftsführer eine Zwangsstrafe in Höhe von EUR 700,-- verhängt werden müsste. Dieser Beschluss wurde dem Geschäftsführer unter seiner (und der Gesellschaft) neu bekanntgegebenen Anschrift am 25.4.2023 eigenhändig zugestellt (ON 4).

Mangels weiterer Reaktion des Geschäftsführers verhängte das Erstgericht mit dem nunmehr - als „Zwangsstrafverfügung“ übertitelten - bekämpften Beschluss vom 31.5.2023, 15 Fr 217/23s-6 , die angedrohte Zwangsstrafe von EUR 700,-- „gemäß § 24 Abs 1 FBG“, forderte den Geschäftsführer neuerlich auf, binnen zwei Monaten ab Rechtskraft dieses Beschlusses die Änderung der Geschäftsanschrift - samt allfälliger Sitzverlegung - in ordnungsgemäßer Form zur Eintragung ins Firmenbuch anzumelden oder darzutun, dass diese Verpflichtung nicht bestehe, widrigenfalls eine weitere Geldstrafe in Höhe von EUR 1.000,-- über ihn verhängt werden müsse. Dieser Beschluss wurde dem Geschäftsführer eigenhändig am 6.6.2023 wieder unter seiner (und der Gesellschaft) neuen Anschrift zugestellt (ON 6).

Am 20.6.2023 langte die (fristgerecht in der Rekursfrist am 16.6.2023 zur Post gegebene) als „Einspruch gegen die Zwangsstrafverfügung“ überschriebene Eingabe des Geschäftsführers beim Erstgericht ein, in der dieser zusammengefasst die Aufhebung der Zwangsstrafe begehrt (ON 7).

Rechtliche Beurteilung

1.: Die Eingabe des Geschäftsführers ist als Rekurs zu werten und zu behandeln:

1.1.: Nach der sog „objektiven Theorie“ ist für die Beurteilung, welche Art von Entscheidungen insbesondere Urteil oder Beschluss aber auch Zwangs(Beuge)strafbeschluss oder Zwangs(Beuge)strafverfügung vorliegt, nicht die tatsächlich gewählte, sondern die vom Gesetz vorgesehene Form der Entscheidung maßgebend. Demgemäß bestimmt sich auch die Anfechtung einer Entscheidung nach der gesetzlich vorgesehenen - also objektiv richtigen - Entscheidungsform. Der tatsächliche oder vermeintliche Wille des Gerichts, in einer bestimmten Form seine Entscheidung zu treffen, ist ohne Bedeutung, soweit das Gericht nicht bewusst die Rechtsfrage anders qualifiziert und die seiner Rechtsauffassung entsprechende richtige Entscheidungsform wählt. Welche Entscheidungsform nun die vom Gesetz vorgesehene (objektiv richtige) ist, bestimmt sich nach dem vom Gericht als entscheidend erachteten Umstand . Damit ist stets anhand der Begründung der Entscheidung zu untersuchen, welchen Umstand das Gericht als entscheidend betrachtete (3 Ob 67/23h Rz 7; 6 Ob 111/19w ErwGr 4; RIS Justiz RS0040727 [T1, T2, T3]; RS0041880).

1.2.: Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht nun in der angefochtenen Entscheidung ON 6 zunächst zum Ausdruck gebracht, es wolle zweistufig vorgehen, nämlich die mit ON 4 angedrohte Zwangsstrafe nunmehr verhängen. In der Begründung (ON 6 S 2 vierter Absatz) wird weiters ausdrücklich auf § 24 Abs 1 FBG Bezug genommen. In der in den Beschluss eingefügten Rechtsmittelbelehrung findet sich die Bezeichnung der Entscheidung als Beschluss und des Rechtsmittels als Rekurs (ON 6 S 2 sechster Absatz). Zusätzlich ist hier noch zu beachten, dass das Erstgericht ohnehin das zweistufige Verfahren des § 24 Abs 1 FBG anwenden wollte, wie sich seine Aufforderungen ON 2 und ON 3 sowie die Androhung der Verhängung der Zwangsstrafe in ON 4 ergibt. Das Erstgericht hat also eine eindeutige Wahl, nämlich aufforderungs(androhungs)bedürftigen Zwangsstrafbeschluss nach § 24 Abs 1 FBG (sog stufenweises Vorgehen), in seiner Begründung und in seiner verfahrensrechtlichen Vorgangsweise getroffen (vgl 3 Ob 67/23h Rz 6). Selbst wenn sich das Gericht in der Entscheidungsform vergriffen hätte, würde dies nichts an der Zulässigkeit des Rechtsmittels und dessen Behandlung ändern (8 Ob 56/19x ErwGr II.3.).

1.3.: Daraus ergibt sich zusammengefasst, dass die bekämpfte Entscheidung als Zwangs(Beuge)strafbeschluss gemäß § 24 Abs 1 FBG aufzufassen und daher das vorgegebene Rechtsmittel dagegen der Rekurs ist. Die Verwendung des offensichtlich mit dem Beschluss ON 6 versendeten Einspruchsformulars und daraus resultierend die Bezeichnung der Eingabe als „Einspruch“ ändert an dieser Konsequenz nichts.

Daher war die Eingabe als Rekurs zu behandeln und zu erledigen.

2.: Dieser Rekurs erweist sich aber aus nachstehenden Erwägungen als nicht berechtigt:

2.1.: Aus den §§ 3 Z 4 FBG sowie 11 und 26 GmbHG ist abzuleiten, dass eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung über eine zustellfähige Geschäftsadresse verfügen muss. Eine Änderung der für die Zustellungen maßgeblichen Geschäftsanschrift ist durch die Geschäftsführer in der zur Vertretung notwendigen Anzahl zum Firmenbuch anzumelden (§ 26 Abs 1 GmbHG). Dazu genügt die schriftliche, unbeglaubigte Anmeldung durch vertretungsberechtigte Personen in notwendiger Anzahl (§ 11 FBG). Bei der Geschäftsanschrift muss es sich um eine Abgabestelle im Sinn des § 2 Z 4 ZustG handeln. Darüber hinaus ist - gemäß § 3 Abs 1 Z 4 FBG und § 26 Abs 1 GmbHG iVm § 10 Abs 1 FBG - auch der Sitz der Gesellschaft und sein Wechsel beim Firmenbuchgericht anzumelden.

2.2.: Gemäß § 10 Abs 1 FBG sind Änderungen eingetragener Tatsachen beim Gericht unverzüglich anzumelden. Zweck der Bestimmung ist die Wahrung der Aktualität des Firmenbuchs; sie ergänzt alle gesetzlichen Anmeldungspflichten. Jede Änderung einer eingetragenen Tatsache ist - unbeschadet sonstiger gesetzlicher Vorschriften - beim Firmenbuch anzumelden (RIS Justiz RS0124999; OLG Wien zB 21.8.2015, 28 R 213/15x, 214/15v ErwGr 2.2.; Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer FBG [2005] § 10 Rz 2; Pilgerstorfer in Artmann UGB³ Bd 1.1.[2019] § 10 FBG Rz 2).

2.3.: Da der Geschäftsführer bis zum - wie gleich noch darzustellen sein wird - maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz, dem 31.5.2023, die Änderung des Firmensitzes und der Geschäftsanschrift beim Erstgericht trotz insgesamt drei Aufforderungen - zuletzt um eine formgerechte Sanktionsandrohung erweitert - in Monatsabständen beginnend mit Februar 2023 nicht bekannt gegeben hat, erging der - durch die Androhung der Verhängung mit ON 4 gedeckte - Zwangs(Beuge)strafbeschluss zu Recht.

2.4.: Die Ausführungen im Rechtsmittel, wonach wegen schwieriger Terminlage (es wird nicht ganz klar, ob damit beim den Geschäftsführer vertretenden Notar oder beim Geschäftsführer selbst gemeint ist, was aber unerheblich bleibt) eine frühere Anmeldung nicht möglich gewesen wären, verstößt gegen das Neuerungsverbot des § 49 AußStrG iVm § 15 FBG: Danach sind im Rekursverfahren neu vorgebrachte Tatsachen und angebotene Beweismittel zwar grundsätzlich zulässig (Abs 1 leg cit), jedoch enthält Abs 2 leg cit eine maßgebliche Einschränkung und zwar hinsichtlich jener Tatsachen und Beweismittel, die zur Zeit der Beschlussfassung erster Instanz bereits vorhanden waren: Diese sind nicht zu berücksichtigen, wenn sie von der betroffenen Partei schon vor der Erlassung des Beschlusses vorgebracht werden hätte können, es sei denn, die Partei kann dartun, dass es sich bei der Verspätung (Unterlassung) des Vorbringens um eine entschuldbare Fehlleistung gehandelt hat. Diesen Umstand hat die Partei zu behaupten und zu bescheinigen (zB OLG Wien 6 R 147/22i ErwGr 6.1.). Der Rekurs enthält aber keinen einzigen Hinweis, aus welchen Gründen der Geschäftsführer das nunmehr im Rekurs erstmalig erstattete Vorbringen wegen Terminschwierigkeiten nicht schon aufgrund der drei Aufforderungen insbesondere des Androhungsbeschlusses vom April 2023 beim Erstgericht vorbringen hätte können und dass dieses Vorbringen aus einer entschuldbaren Fehlleistung unterblieben wäre. Diese im Rekurs vorgebrachten Neuerungen können daher gemäß den §§ 15 FBG, 49 Abs 2 AußStrG im Rekursverfahren nicht mehr berücksichtigt werden.

2.5.: Auch die im Rekurs erwähnte mittlerweile nach den Beilagen zum Rekurs mit Beschluss des Landes- als Handelsgerichts Salzburg vom 5.6.2023 in das Firmenbuch eingetragene Änderung des Sitzes und der Geschäftsanschrift können im Rechtsmittelverfahren zu keiner anderen Beurteilung führen: Eine nachträgliche Erfüllung der Anmeldungspflicht kann gemäß § 24 Abs 5 letzter Satz FBG idF BudgetbegleitG 2011 BGBl I 111/2010 (die sachlich § 24 Abs 3 FBG idF PuG BGBl I 103/2006 entspricht) die Verhängung der Zwangsstrafe im ordentlichen Verfahren gemäß § 24 Abs 3 FBG nicht mehr verhindern. Die Strafverhängung ist schon deshalb erforderlich, um – rückschauend betrachtet – der Androhung der Strafverhängung entsprechendes Gewicht zu verleihen. Diese Überlegung zum teilweise repressiven Charakter der Zwangsstrafe auch nach § 24 Abs 3 FBG schließt es aus, die nachträgliche Erfüllung des aufgetragenen Verhaltens nach dem Zwangs(Beuge)strafbeschluss noch als zulässige Neuerung zu beachten (§§ 15 FBG, 49 Abs 2 und 3 AußStrG; RIS-Justiz RS0123335; OLG Wien 28 R 473/13d ErwGr 3; Pilgerstorfer zB § 24 FBG Rz 58a, Rz 68). Daran ändert auch die neue Rechtslage nichts, wonach Geldstrafen, die nach dem 30.4.2022 verhängt werden, selbst einen gerichtlichen Exekutionstitel bilden, sodass keine Notwendigkeit mehr besteht, für deren Zwangsvollstreckung erst einen verwaltungsbehördlichen Exekutionstitel zu erwirken (§ 19a Abs 20 GEG idF VII Z 30 ZVN 2022 BGBl I 61/2022).

3.: Eine Kostenentscheidung konnte entfallen, weil solcher Aufwand im Rekurs - zutreffend, weil gemäß §§ 15 FBG, 78 Abs 2 AußStrG ein Kostenersatz nur in zweiseitigen Rechtsmittelverfahren in Betracht käme - nicht verzeichnet wird.

4.: Das Rekursgericht konnte sich - wie durch mehrere Zitate belegt - auf eine einheitliche Rechtslage und Rechtsprechung berufen, von der es nicht abgewichen ist. Eine erhebliche Rechtsfrage in der von § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität war daher in diesem Rekursverfahren nicht zu entscheiden. Der weitere Rechtszug nach dieser Gesetzesstelle erweist sich daher als nicht zulässig, worüber gemäß den §§ 15 Abs 1 FBG, 59 Abs 1 Z 2 AußStrG ein eigener Ausspruch in den Tenor der Rekursentscheidung aufzunehmen war.

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