13Ra14/23s – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Im Namen der Republik
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Kohlegger als Vorsitzenden und die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Pirchmoser sowie den Richter des Oberlandesgerichts MMag. Dr. Dobler sowie die fachkundigen Laienrichter:innen Mag. Stefan Wanner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. a Dr. in Silvia Zangerle-Leberer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Mitglieder des Senats in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* B* , geb am **, Installateur in **, ** C*, C*/**, vertreten durch Forcher-Mayr Kantner, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, gegen die beklagte Partei D* GmbH , FN **, **, **straße **, vertreten durch den Geschäftsführer E* F*, ebendort, dieser vertreten durch Brditschka Anwaltskanzlei GmbH in 4600 Wels, wegen (eingeschränkt) EUR 2.042,84 s.Ng., über die Berufung der beklagten Partei (ON 23) gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 5.1.2023, 44 Cga 1/22s 21, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird k e i n e Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu Handen der Klagsvertreter die mit EUR 609,67 (darin enthalten EUR 101,61 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Die (ordentliche) Revision ist n i c h t zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Aufgrund des Dienstvertrags vom 27.5.2021 war der Kläger beginnend mit 31.5.2021 vollzeitig (38,5 Wochenstunden) bei der Beklagten als Installateur beschäftigt. Auf das Beschäftigungsverhältnis war der Kollektivvertrag für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung (AKÜ) anzuwenden.
Pkt XII.2. des Dienstvertrags lautet:
„Bei einer verschuldeten Entlassung gemäß § 82 GewO oder einem Austritt ohne wichtigen Grund schuldet der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber (= D* GmbH) eine sofort fällige und aufrechenbare Vertragsstrafe von einem Bruttomonatsgehalt.“
Der Kläger und sein Arbeitskollege G* H* wurden der Beklagten über ein ungarisches Personalvermittlungsbüro vermittelt. Das ungarische Personalvermittlungsbüro wurde von I* geleitet. Verkaufsleiter bei der Beklagten und für die Akquisition von Mitarbeitern zuständig war J*.
Sowohl der Kläger als auch G* H* wurden im Beschäftigerbetrieb K* GmbH eingesetzt. Filialleiter in ** war E* L*. Dieser teilte die Arbeit bzw die Baustellen für die einzelnen Arbeitnehmer ein. Bei der Firma K* GmbH sind mehrere Arbeitnehmer von Leasingfirmen beschäftigt. Bei solchen vermittelten Arbeitnehmern ist es üblich, dass diese weit entfernte oder im Ausland gelegene Wohnorte haben, wie das auf den Kläger oder G* H* zutraf. Solche Arbeitnehmer arbeiteten zwei bis drei Wochen an der Baustelle einschließlich samstags „durch“ und konnten dann eine Woche zu Hause (im Fall des Klägers in Ungarn) verbleiben. An der von der Firma K* GmbH im streitigen Zeitraum zugeteilten Baustelle in M* fungierte N* als Vorarbeiter. Dieser war firmenintern an sich nicht dazu befugt, Leasingarbeitnehmer aus welchen Gründen immer während der Arbeitszeit nach Hause zu schicken. Dies musste firmenintern mit dem Filialleiter E* L* abgesprochen werden (ON 21 S 3). Dem Kläger wurde zwar mitgeteilt, dass N* für die Arbeitseinteilung vor Ort zuständig ist. Es wurde ihm aber nie klargelegt, dass Krankenstände oder Dienstfreistellungen zwar dem Bauleiter vor Ort mitgeteilt werden mussten, aber im Betrieb der Beklagten noch letztlich vom Filialleiter E* L* genehmigt werden mussten (ON 21 S 4 dritter Absatz aE).
Sowohl der Kläger als auch G* H* waren mit dem rauen Umgangston von J* nicht einverstanden. Auch die Lohnabrechnung entsprach nicht ihren Vorstellungen. Deshalb schickte G* H* auch im Namen des Klägers eine Whats-App-Nachricht an J* mit folgendem Inhalt: „Meine Grüße (G* H* A*O*B*innen wir unsere Kündigung an unserem letzten Tag 19.8.2021, danke für die bisherige Zusammenarbeit. Mit freundlichen Grüßen G* A*O* B* 9). Von dieser Kündigung verständigten der Kläger und G* H* auch I*, den Leiter des ungarischen Personalvermittlungsbüros.
Im Zeitraum um den 18.8.2021 waren die Arbeitnehmer der Firma K* GmbH an der Baustelle in M* mit Arbeit ausgelastet. Es war aber nicht die Hauptarbeitszeit (Saison). Die Firma wäre auch ohne Inanspruchnahme von Leasingmitarbeitern (konkret G* H* und den Kläger) mit der Arbeit zu Rande gekommen.
Am vorletzten Arbeitstag des dreiwöchigen Turnus, dem 18.8.2021, verletzte sich G* H* auf der Baustelle in M*. Er blieb bei einem Rohr mit einem Fuß hängen und kippte um. Daraufhin begann sein Fuß anzuschwellen. N* empfahl G* H*, einen Arzt aufzusuchen. Daraufhin erkundigte sich G* H* bei N*, ob es möglich wäre, weil er keinen Führerschein besitze, mit dem Kläger bereits am 18.8.2021, somit einen Tag vor dem Kündigungstermin, die Baustelle zu verlassen und sich nach Ungarn zu einem Arzt zu begeben. Dem stimmte N* zu. N* teilte aber weder J* noch E* L* mit, dass sich G* H* verletzt hätte oder dass der Kläger und G* H* bereits am vorletzten Arbeitstag vor Beendigung der Kündigungsfrist mit seiner Zustimmung ihre Arbeitsstelle verlassen hatten. Bevor der Kläger und G* H* M* verließen, übergaben sie ihr Arbeitsmaterial ordnungsgemäß an N*. Der Kläger übergab an N* auch seine korrigierte Stundenabrechnung vom 16. bis 18.8.2021 über 26,5 Stunden. Im August hatte der Kläger 15 Tage für die Firma K* GmbH gearbeitet und für 14 Tage Diäten verrechnet erhalten.
Etwa zwei Wochen nach dem 19.8.2021 nahmen sowohl der Kläger als auch G* H* wieder ihre Beschäftigung bei der Firma K* GmbH auf der Baustelle in M* auf. Sie wurden allerdings über eine andere Arbeitsüberlassungsfirma eingesetzt. N* war auch in dieser Zeit Vorarbeiter und hat dem Kläger nie vorgehalten, dass er und G* H* die Arbeitsstelle am 18.8.2021 unberechtigt verlassen hätten.
Von diesem Sachverhalt muss das Berufungsgericht - als vom Rechtsmittel unberührt - gemäß §§ 2 Abs 1 ASGG, 498 Abs 1 ZPO ausgehen.
Mit der am 3.1.2022 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt der Kläger schließlich einen im Detail aufgeschlüsselten eingeschränkten Nettobetrag von EUR 2.042,84 (ON 10.1 S 2). Die Abrechnung für August 2021 weise zwar einen Bruttobetrag von EUR 2.993,55 aus (in dem eine Tagesdiät von EUR 26,40 für den letzten Arbeitstag fehle) und sei nur mit einem Teilbetrag von EUR 911,11 (Sozialversicherungsbeitrag und Lohnsteuer) berichtigt worden, sodass noch netto EUR 2.042,84 aushafteten (Beilage B).
Die Beklagte bestreitet, beantragt kostenpflichtige Klagsabweisung und wendet ein, der Kläger sei am 18.8.2021 unberechtigt vorzeitig ausgetreten, indem er die Baustelle in M* unbefugt verlassen habe. Wenn überhaupt sei nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge und der Lohnsteuer aus der Lohnabrechnung Beilage B nur ein Nettobetrag von EUR 2.016,44 offen. Gemäß Pkt XII. des Dienstvertrags schulde der Arbeitnehmer bei einem Austritt ohne wichtigen Grund dem Arbeitgeber eine sofort fällige und aufrechenbare Vertragsstrafe von einem Bruttomonatsentgelt, hier in Höhe von EUR 2.293,08. Eine zusätzliche Tagesdiät hafte ebenfalls nicht aus.
Eine ursprünglich im Umfang von EUR 160,-- erhobene Gegenforderung aus dem Titel Quartierkosten des Klägers wurde in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 25.8.2022 fallengelassen (ON 15.1 S 5). Da der Kläger am 18.8.2021 unberechtigt ausgetreten sei, könne die gemäß Pkt XII.2. des Dienstvertrags vom 27.5.2021 Beilage 2 vereinbarte Vertragsstrafe im Ausmaß von EUR 2.293,08 dem Klagebegehren aufrechnungsweise entgegengehalten werden (ON 3 S 3).
Mit dem bekämpften Urteil stellte das Erstgericht die Klagsforderung mit netto EUR 2.042,84 (Spruchpunkt 1.), die eingewendete Gegenforderung hingegen nicht als zu Recht bestehend fest (Spruchpunkt 2.) und verpflichtete die Beklagte dazu, dem Kläger zu Handen der Klagsvertreter binnen 14 Tagen netto EUR 2.042,84 s.Ng. und die mit EUR 2.901,63 bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz zu ersetzen.
Diesem Erkenntnis legte das Erstgericht den eingangs der Berufungsentscheidung wiedergegebenen Sachverhalt zugrunde. Darüber hinaus stellte das Erstgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung disloziert fest, dass der einzige Ansprechpartner des Klägers vor Ort der Vorarbeiter N* war und der Kläger „jedenfalls davon ausgehen konnte, dass N* als Vorarbeiter für seine Arbeitseinteilungen und Arbeitszeiteinteilungen exklusiv zuständig ist“ . Abweichendes sei dem Kläger nicht mitgeteilt worden (ON 21 S 5 erster Absatz untere Hälfte).
In rechtlicher Beurteilung vertrat das Erstgericht die Auffassung, der Kläger habe keine qualifizierten Tätigkeiten im Sinn der §§ 1 und 2 AngG verrichtet. Er unterliege den Bestimmungen der GewO 1859 und dem ABGB. Ein vorzeitiger Austritt im Sinn des § 82a GewO 1859 (§ 86 Abs 1 GewO 1859) fehle: Es liege überhaupt keine als vorzeitiger Austritt - egal ob berechtigt oder unberechtigt - aufzufassende Willenserklärung des Klägers vor. Die Meldung des Klägers, er beende seinen Dienst wegen des Arbeitsunfalls des G* H* einen Tag früher, nicht direkt an die Beklagte, sondern den vor Ort anwesenden Vorarbeiter der Beschäftigerfirma K* GmbH, N*, müsse sich die Beklagte nach den an der Baustelle für den Kläger gegebenen Verhältnissen, insbesondere dem als offenkundig einziger Ansprechpartner unter anderem für den Kläger fungierenden Vorarbeiter N* zurechnen lassen. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass der Vorarbeiter N* dem Kläger einen vorzeitigen Austritt auch im nächsten Arbeitsturnus, den er allerdings im Auftrag einer anderen Personalvermittlungsfirma zwei Wochen nach dem 19.8.2021 absolvierte, niemals vorgeworfen habe.
Damit stünden dem Kläger die abgerechneten Nettobeträge von EUR 2.042,84 einschließlich der vorenthaltenen Tagesdiät für August 2021 von EUR 26,40 zu. Die Gegenforderung erweise sich mangels Erfüllung der Voraussetzungen für die Konventionalstrafe gemäß Pkt XII.2. des Dienstvertrags als nicht zugkräftig.
Die Kostenentscheidung stützte das Erstgericht auf die §§ 2 Abs 1 ASGG, 41 Abs 1 ZPO.
Gegen diese Entscheidung wendet sich nunmehr die (fristgerechte) Berufung der Beklagten aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinn einer kostenpflichtigen Klagsabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt (ON 23 S 5 f).
In seiner (fristgerechten) Berufungsbeantwortung beantragt der Kläger , dem gegnerischen Rechtsmittel den Erfolg zu versagen (ON 25 S 3 f).
Nach Art und Inhalt des geltend gemachten Rechtsmittelgrunds war die Anberaumung einer öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung entbehrlich. Über das Rechtsmittel war daher in nichtöffentlicher Sitzung zu befinden (§§ 2 Abs 1, 480 Abs 1 ZPO). Dabei erwies es sich aus nachstehenden Erwägungen als unbegründet:
Rechtliche Beurteilung
1.: Vorauszuschicken ist, dass sich die Berufung ausschließlich mit der Frage auseinandersetzt, dass das Erstgericht zu Unrecht keinen schlüssig erklärten unberechtigten vorzeitigen Austritt angenommen habe (ON 23 S 3 f). Zur Dienstgeberfunktion des Vorarbeiters N* (außer einem diesbezüglichen Zugeständnis in anderem Zusammenhang), zur Höhe der Klagsforderung und zu Bestand und Höhe der Gegenforderung enthält die Berufung keine weiteren Ausführungen. Auf diese selbstständigen Aspekte darf das Berufungsgericht daher nicht weiter eingehen (RIS Justiz RS0043338; RS0043352 [T17, T23, T26, T31, T33, T34]; RS0041570 [insb T6, T12]).
2.: Zunächst ist dem - in der Berufung allein inhaltlich ausgeführten - Gedanken zu widersprechen, es liege ein schlüssiger (unberechtigter) Austritt des Klägers vor. Schon das Erstgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass überhaupt keine auf - berechtigten oder unberechtigten - vorzeitigen Austritt des Klägers deutende (ausdrückliche oder konkludente) Willenserklärung erwiesen ist:
2.1.: Die Austrittserklärung ist an keine bestimmte Form gebunden. Sie kann daher schriftlich, mündlich oder im Sinn des § 863 ABGB auch konkludent erfolgen (8 ObA 99/21y Rn 15; 8 ObA 15/05x). Die Erklärung muss für den Arbeitgeber als Erklärungsempfänger zweifelsfrei erkennen lassen, dass der erklärende Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist aus wichtigem Grund vorzeitig auflöst (8 ObA 99/21y Rn 15; 8 ObA 15/05x; 8 ObA 9/04p; RIS Justiz RS0014496). Wie auch sonst ist dabei der objektive Erklärungswert maßgeblich (8 ObA 99/21y Rn 15; 8 ObA 15/05x; RIS Justiz RS0014160). Wegen der besonderen Rechtsfolgen, die damit verbunden sind, ist an das konkludente Verhalten der Vertragsparteien in Auflösungsfällen ein strenger Maßstab anzulegen, weil die Gefahr besteht, dass dem Handelnden Äußerungen unterstellt werden, die nicht in seinem Sinn sind (9 ObA 144/19w für vorzeitige Austrittserklärungen; RIS Justiz RS0014490 [T2, T8]). Es entspricht daher ständiger Rechtsprechung, wonach das bloße Nichterscheinen am Arbeitsplatz im Allgemeinen für sich allein noch nicht den Schluss rechtfertigt, dass der Arbeitnehmer vorzeitig ausgetreten ist. Vielmehr müssen noch weitere Umstände hinzutreten oder besondere Verhältnisse vorliegen , die dieses Ergebnis rechtfertigen (8 ObA 99/21y Rn 15; 9 ObA 144/19w; 8 ObA 15/05x; 8 ObA 9/04p; RIS Justiz RS0028657 [T3]). Die Beurteilung einer konkludenten Willenserklärung kann nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls erfolgen und stellt regelmäßig keine zur Rechtsfortentwicklung und Rechtsvereinheitlichung wesentliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (hier iVm § 2 Abs 1 ASGG) dar (9 ObA 144/19w; 9 ObA 75/06d).
2.2.: Im vorliegenden Fall ist die in der Berufung besonders betonte Unzufriedenheit unter anderem des Klägers mit dem Umgangston von J* (ON 21 S 4 erster Absatz) entgegen der Meinung der Berufung (ON 23 S 3 Pkt 1.4.3.1.) nicht im Zusammenhang mit einem vorzeitigen Austritt zu sehen, weil diese Unzufriedenheit in die Kündigung serklärung zum 19.8.2021 mündete. Nach der vom Erstgericht verwiesenen WhatsApp-Nachricht Beilage 9 datierte diese Kündigung vom 30.7.2021. Da die Parteien diese Urkunde als echt zugestanden bzw ihre Echtheit nicht bestritten haben (ON 10.1, S 3), kann sie das Berufungsgericht darauf ohne Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz gemäß § 473a ZPO verwerten und daraus Feststellungen treffen (7 Ob 48/19p ErwGr 1.; RIS Justiz RS0121557 [T3]; RS0040083 [T1]). WhatsApp-Nachrichten sind - mangels Schriftformvorbehalt, der hier allseits nicht behauptet wurde - auch für Auflösungserklärungen ein taugliches Medium (8 ObA 92/03t; vgl RIS Justiz RS0122204; RS0123058). Nach dieser Kündigungserklärung und damit der in der Berufung besonders betonten Unzufriedenheit mit dem betrieblichen Umgangston ist der Kläger laufend weiter an der Baustelle in M* zur Arbeit erschienen, was die Annahme eines vorzeitigen Austritts aus diesem Motiv ausschließt (siehe 9 ObA 144/19w).
2.3.: Die in der Berufung weiter betonten (ON 23 S 3 Pkt 1.4.3.2. und Pkt 1.4.3.3.), vom Erstgericht auch festgestellten Aspekte der Rückgabe des Arbeitsmaterials an N* (ON 21 S 4 dritter Absatz) und die korrigierte Stundenabrechnung (vom 19. auf 18.8.2021) kann entgegen dem Standpunkt der Berufung nicht isoliert betrachtet werden: Nach den Feststellungen des Erstgerichts war diese Vorgangsweise durch die Verletzung des G* H* motiviert, der sich am 18.8.2021 verletzte und (in Ungarn) einen Arzt aufsuchen wollte; deshalb ersuchte dieser Mitarbeiter den Vorarbeiter des Beschäftigerbetriebs K* GmbH, dem - wie die Berufung selbst ausführt (ON 23 S 4 Pkt 1.4.5.) - eine ähnliche Rechtsstellung wie ein betrieblicher Vorgesetzter zukommt (näher unten ErwGr 3.), um die vorzeitige Freistellung des Klägers, um ihn (G* H*), der über keinen Führerschein verfügte, mit dem Fahrzeug zurück nach Ungarn (zu einem dort ansässigen Arzt) zu fahren. Diesem Ansinnen hat der Vorarbeiter des Beschäftigungsbetriebs N* ausdrücklich zugestimmt (ON 21 S 4 dritter Absatz). Die Abwesenheit des Klägers von der Baustelle am 19.8.2021 hat vor dem Hintergrund der festgestellten Ereignisse am 18.8.2021 eine jedenfalls gegen einen objektiv erkennbaren vorzeitigen Austrittswillen des Klägers sprechende Ursache. Darauf, wie N*, auf den die Berufung in ON 23 S 3 Pkt 1.4.3.4. anspielt, das Verlassen der Baustelle durch den Kläger subjektiv interpretiert hat, kommt es nach dem Maßstab des § 863 ABGB im Sinn der Rechtsprechung, die an das konkludente Verhalten der Vertragsparteien bei vorzeitigen Auflösungserklärungen, insbesondere auch vorzeitigen Austrittserklärungen, einen strengen Maßstab anlegt, unter den vorliegenden nach außen dokumentierten Gründen für das Fernbleiben nicht an. Entgegen der Meinung der Berufung kann daher auf dieser Feststellungsgrundlage ein redlicher Erklärungsempfänger (8 ObA 16/99g) an der fiktiven Stelle des N* nicht mit der von der Rechtsprechung geforderten Gewissheit und Eindeutigkeit von einem konkludenten vorzeitigen Austritt des Klägers am 18.8.2021 ausgehen.
2.4.: Der Hinweis der Berufung, dass der Kläger bereits in zwei Wochen die Arbeit wieder beim Beschäftigerbetrieb antreten sollte (ON 23 S 5 Pkt 1.4.7.), ergibt für die Beklagte keine günstigere Endbeurteilung: Weil die Rechtsprechung nur Erklärungen, in denen der Kläger bekannt gibt, er habe schon vor dem maßgeblichen Äußerungszeitpunkt eine neue Arbeitsstelle angenommen oder angetreten, als stillschweigenden vorzeitigen unbegründeten Austritt wertet (8 ObA 15/05x; 9 ObA 186/94 mwH auf ArbSlg 8341).
2.5.: Wie die Berufung an anderer Stelle selbst einräumt (ON 23 S 4 Pkt 1.4.5. zweiter Absatz), kann letztlich dahingestellt bleiben, ob der Vorarbeiter des Beschäftigungsbetriebs K* GmbH zur Entgegennahme von Erklärungen für die Beklagte befugt war: Denn entweder traf dies nicht zu, dann war er auch nicht wirksamer Adressat für einen stillschweigenden vorzeitigen unbegründeten Austritt des Klägers, den die Berufung aber argumentieren will. War er zur Entgegennahme solcher Erklärungen berechtigt, dann muss sich die Beklagte auch die ausdrückliche Zustimmung des N* zu der von P* H* (Beilage 9) initiierten Dienstfreistellung des Klägers zwecks Transport des P* H* mit einem PKW nach Ungarn zurechnen lassen.
3.: Auf das bei oberflächlicher Betrachtung widersprüchliche Verhalten des P* H* (und letztlich des Klägers) gegenüber dem Überlasser (der Beklagten) und dem Beschäftiger (Firma K* GmbH) geht die Berufung - wie dargestellt zu Recht (oben ErwGr 2.2.) - mit keinem Wort kritisch ein: Denn P* H* hat die Kündigung gegenüber dem Überlasser, die Krankmeldung (P* H*) und die Dienstfreistellung (Kläger) mit dem Beschäftiger vereinbart. Mangels Erörterung dieses Problemkreises in der Berufung war darauf jedoch nicht weiter einzugehen. Dies umso weniger als die Berufung selbst ohnehin in anderem Zusammenhang ausdrücklich den Standpunkt vertritt, dass dem Beschäftiger jedenfalls auch die Stellung eines Dienstgebers des Klägers zukam und er somit zur Entgegennahme ua einer - hier nicht erwiesenen - Austrittserklärung empfangsbefugt war (ON 23 S 4 Pkt 1.4.5.). Nur der Vollständigkeit halber sei jedoch auch dieses Problem abgearbeitet:
3.1.: Der Beschäftiger ist jedenfalls Empfangsbote des Überlassers (9 ObA 100/22d Rz 33 f; Schindler in ZellKomm³ I [2018] § 3 AÜG Rz 12 aE und § 6 AÜG Rz 23 aE je mwH; vgl auch 9 ObA 91/07h zur Fürsorgepflicht des [dort: Erst]Beschäftigers gegenüber dem schutzbedürftigen überlassenen AN). Auch im vorzeitigen Beendigungsrecht kann die Beendigungserklärung gegenüber einem Empfangsboten abgegeben werden; die Erklärung wird dann wirksam, wenn sie dem Empfangsboten, hier dem Beschäftiger zugeht (allgemein zB 4 Ob 194/15f ErwGr 2.; 4 Ob 127/06i ErwGr 7. für die Bekanntgabe einer Telefaxnummer einer an sich weder vertretungs- und erklärungsbefugten Mitarbeiterin; 4 Ob 2287/96v für eine sonst nicht vertretungsbefugte Sekretärin, die im konkreten Fall zum Telefondienst eingeteilt war; RIS Justiz RS0019465 [T2]; OLG Innsbruck 13 Ra 10/17v ErwGr C.7.). Die Beklagte muss sich weiters die Handlungen von N*, dem Vorarbeiter im Beschäftigungsbetrieb (vgl zu einem Vorarbeiter im Beschäftigerbetrieb ebenso: 9 ObA 100/22d Rz 35) zurechnen lassen, weil der Überlasser regelmäßig sein Weisungsrecht an den Beschäftiger delegiert (9 ObA 100/22d Rz 33 f iVm Rz 30; Schindler § 3 AÜG Rz 12; 6 Ob 607/77). Den in den unbekämpften, zum Teil disloziert in der Beweiswürdigung getroffenen (oben wiedergegebenen) Feststellungen tatsächlich enthaltenen (rechtlich erheblichen) Anschein , dass N* zur Vereinbarung einer Dienstfreistellung bevollmächtigt war, muss sich die Beklagte also sowohl nach den bereits zitierten Grundsätzen der Arbeitskräfteüberlassung als auch nach jenen des (vorzeitigen) Beendigungsrechts ( Kuderna Entlassungsrecht² [1994] 11 mzwH) zurechnen lassen.
3.2.: Daher ist im konkreten Fall aufgrund der in der Beweiswürdigung des Erstgerichts getroffenen dislozierten Feststellung zu berücksichtigen, dass als einziger Ansprechpartner für den Kläger an der Baustelle der Firma K* GmbH (des Beschäftigerbetriebs) in M* deren Vorarbeiter N* fungierte. Dieser hat die Dienstfreistellung des Klägers nach dem Arbeitsunfall des Zeugen G* H* vom 18.8.2021, die G* H* initiiert hatte, widerspruchslos entgegengenommen und das Arbeitsgerät unter anderem des Klägers zurückgenommen. Unter den gegebenen Umständen ist dem Erstgericht in der sinngemäßen Überlegung beizupflichten, dass von N* ein Widerspruch gegen den von G* H* und letztlich auch dem Kläger unterbreiteten Vorschlag der Dienstfreistellung aus Anlass des Arbeitsunfalls des Erstgenannten erheben oder den Kläger an J* verweisen hätte müssen. Den Arbeitgeber und seine - auch Anscheins- - Vertreter trifft nämlich bei unklaren Äußerungen des Arbeitnehmers bzw unklaren Situationen bei Beendigungen eine Klarstellungsobliegenheit (9 ObA 56/12v; 9 ObA 133/02b). Der mangelnden Klarstellung eines allfälligen Widerspruchs des N* gegen (ua) die Dienstfreistellung des Klägers ab dem Unfall des G* H* steht daher jeder vorzeitigen Beendigung am 18.8.2021 entgegen.
4.: Der Berufung ist daher der Erfolg zu versagen.
5.: Die im Berufungsverfahren unterlegene Beklagte muss dem Kläger gemäß den §§ 2 Abs 1 ASGG, 50, 41, 40 ZPO die Kosten seiner erfolgreichen Berufungsbeantwortung ersetzen.
6.: Das Berufungsgericht konnte sich - wie durch mehrere Zitate belegt - in allen erheblichen Rechtsfragen auf eine einheitliche Rechtsprechung des Höchstgerichts stützen. Eine Rechtsfrage in der von den §§ 2 Abs 1 ASGG, 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität war daher in diesem Berufungsverfahren nicht zu klären. Der weitere Rechtszug nach dieser Gesetzesstelle erweist sich daher als nicht zulässig, worüber gemäß den §§ 2 Abs 1 ASGG, 500 Abs 2 Z 2 ZPO ein eigener Ausspruch in den Tenor der Berufungsentscheidung aufzunehmen war.